Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil:

Im Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013-2018 im Kapitel Gesundheit bekennt sich die Bundesregierung unter dem Ziel „Gesundes Aufwachsen – Kinder- und Jugendgesundheit“ zur „gesundheitlichen Chancengleichheit und –gerechtigkeit“ für Kinder und Jugendliche. Daher sollen der Zugang zu Gesundheitsleistungen erleichtert sowie Schwerpunkte in Gesundheitsförderung und Prävention gesetzt werden.

Hauptzielsetzung des vorliegenden Entwurfes ist es, einen ersten Schritt zur Zahngesundheit zu setzen und für die Kieferregulierung eine entsprechende, vom Bund subventionierte Leistung zu implementieren.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG („Sozialversicherungswesen“) und Art.  10 Abs. 1 Z 12 B-VG („Gesundheitswesen“).

II. Besonderer Teil:

Zu Art. 1 Z 1 bis 6; Art. 2 Z 1 bis 3; Art. 3 Z 1 bis 3; Art. 4 Z 1 und 2 (§§ 80c, 153a, 343c Abs. 1, 343e, 545 Abs. 7 sowie 681 ASVG; §§ 86 Abs. 5 lit. e,  94a und 354 GSVG; §§ 80 Abs. 3 lit. h, 95a und 346 BSVG; §§ 69a und 238 B-KUVG):

Bereits derzeit enthalten die einschlägigen Bestimmungen (§§ 153 ASVG, 94 GSVG, 95 BSVG und 69 B-KUVG) Regelungen zur Kieferregulierung, die jedoch regelmäßig mit Zuzahlungen bzw. Behandlungsbeiträgen für die Versicherten verbunden sind. Gerade diese stellen für viele Mütter und Väter eine nur schwere oder unüberwindbare finanzielle Belastung dar. In diesem Bereich sind Zuzahlungen speziell für die Kieferregulierungen besonders hoch.

Zahn- und Kieferfehlstellungen sind ein gesundheitliches Risiko, welches etwa zu einer Überbelastung einzelner Zähne, zu Kiefergelenksbeschwerden und zu einer Vielzahl an gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Darüber hinaus können Fehlstellungen des Gebisses gerade für junge Menschen zu sozialer Ausgrenzung und nachhaltigen Benachteiligungen im privaten sowie beruflichen Umfeld führen, was sich wiederum insbesondere auf die psychische Gesundheit auswirken kann. Wenn Kinder und Jugendliche mit teils gravierenden Fehlstellungen in Folge der finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern erst gar keiner Behandlung zugeführt werden, entstehen somit weitere Folgekosten. Daher soll neben der finanziellen Entlastung von Familien mit der neuen gesetzlichen Regelung die Gesundheit und damit auch die Chancengerechtigkeit der Kinder und Jugendlichen gestärkt werden.

Zur Verbesserung der Zahngesundheit soll mit den neu eingefügten §§ 153a ASVG, 94a GSVG, 95a BSVG und 69a B-KUVG für Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (Behandlungsbeginn) Kieferregulierung als Sachleistung ohne Zuzahlung bzw. Leistung eines Behandlungsbeitrages durch die/den Versicherte/n geschaffen werden, sofern Behandlungsbedürftigkeit geboten ist.

Der valide international zur Einschätzung der kieferorthopädischen Behandlungsnotwendigkeit herangezogene IOTN (Index of Orthodontic Treatment Need/Index für kieferorthopädische Behandlung) ist ein wissenschaftlich anerkannter klinischer Index und definiert Zahn- und Kieferfehlstellungen in 5 verschiedenen Schweregraden: 1 = kein, 2 = geringer, 3 = grenzwertiger (moderater), 4 = großer und 5 = sehr großer Behandlungsbedarf. Für den Verteilungsschlüssel der Bedarfsgrade wurden Ergebnisse internationaler Studien herangezogen; für die Zielgruppe der neuen gesetzlichen Regelungen hat sich ergeben, dass für ca. ein Drittel eines Geburtenjahrgangs ein großer bzw. sehr großer Behandlungsbedarf (daher IOTN 4 und 5) besteht.

Behandlungsbedürftigkeit ist nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft dann anzunehmen, wenn auf Grund einer erheblichen Zahn- oder Kieferfehlstellung großer oder sehr großer Behandlungsbedarf besteht, was jedenfalls bei den IOTN 4 und 5- Fällen anzunehmen ist.

Die Leistung der kostenlosen Kieferregulierung beinhaltet sämtliche für den Behandlungsplan und die Therapie erforderliche Diagnostik, den Behandlungsplan selbst sowie die Therapie mittels festsitzender und abnehmbarer Geräte.

Nähere Regelungen zur Behandlungsbedürftigkeit sind von den Krankenversicherungsträgern in den einzelnen Satzungen nach den Regelungen in der Mustersatzung des Hauptverbandes bundesweit einheitlich festzulegen (§ 153a Abs. 2 ASVG und Parallelbestimmungen in den Sondergesetzen).

In den Satzungen werden auch Aussagen zur Einstufung jener Versicherungsfälle zu treffen sein, bei denen die Behandlung bereits vor dem 1. Juli 2015 begonnen wurde.

In den Satzungen sind auch Qualitätsanforderungen für die Leistungserbringung aufzunehmen. Zur Evaluierung soll ein Qualitätssicherungssystem entwickelt werden, welches es den Krankenversicherungsträgern ermöglicht, die Erfüllung der Qualitätsanforderungen, insbesondere die Struktur- und Ergebnisqualität zu überprüfen. Dies bezieht sich sowohl auf Ausbildung und Erfahrung der Leistungserbringer (Fortbildungsdiplome, postgraduale Berufserfahrung) als auch auf die in der Kieferorthopädie nach anerkannten Messinstrumenten nachgewiesenen Behandlungserfolge. Diese werden von den Sozialversicherungsträgern in statistisch relevanter Anzahl zu prüfen sein. Der PAR-Index (Peer Assessment Rating - Index) bietet sich als Messinstrument zur Qualitätssicherung in der Kieferorthopädie an. Er dient der Beurteilung der Behandlungsergebnisse nach vorangegangener kieferorthopädischer Therapie (vorher – nachher Vergleich). Z.B. Verbesserung der Fehlstellung im Querschnitt der Behandlungsfälle um 70 %, wenn angenommen wird, dass die Erreichung des Idealzustandes mit 100 % ausgedrückt wird. Im Einzelfall kann dieser Wert niedriger sein, darf aber bei einem regulär zu Ende behandelten Fall 50 % nicht unterschreiten.

Zur Durchführung von Kieferregulierungen nach § 153a ASVG und den Parallelbestimmungen in den Sondergesetzen soll ein eigener Gesamtvertrag abgeschlossen werden (§ 343e Abs. 1 ASVG). Dieser Gesamtvertrag soll nur unter der Bedingung wirksam werden, wenn durch eine ausreichende Beteiligung von niedergelassenen Zahnärzten und Zahnärztinnen im Gesamtkontext der Versorgungslandschaft und
-kapazität die Erbringung der Leistungen zur Kieferregulierung in zahnmedizinisch angemessenen Zeitrahmen sichergestellt ist. Wann die ausreichende Beteiligung für die Versorgung der Versicherten mit kieferorthopädischen Leistungen gewährleistet ist muss im Gesamtvertrag festgeschrieben werden.

Kommt bis zum 31. Dezember 2014 kein Gesamtvertrag zustande, so haben die Krankenversicherungsträger nach einem Mustergesamtvertrag des Hauptverbandes die Sachleistungsversorgung durch eigene Einrichtungen der Versicherungsträger, durch Sonder-Einzelverträge mit niedergelassenen Zahnärzten und Zahnärztinnen, Fachärzten und Fachärztinnen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Gruppenpraxen, selbständigen Ambulatorien nach § 2 Abs. 1 Z 5 KAKuG oder Krankenanstalten sicherzustellen.

Zur Finanzierung dieser Leistungen wird der Bund einen jährlichen finanziellen Beitrag leisten (§ 80c ASVG). Grundsätzlich wird hiezu auf die Ausführungen zu den finanziellen Auswirkungen in der wirkungsorientierten Folgenabschätzung verwiesen. § 80c Abs. 2 ASVG sieht für das Startjahr 2015 vor, dass 20 Mio. Euro den Finanzierungshaushalt betreffen und sich 40 Mio. Euro im Ergebnishaushalt niederschlagen. Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Sichtbarmachung der Verwendung dieser zusätzlichen Bundesmittel soll die Abwicklung über einen eigenen beim Hauptverband einzurichtenden Fonds geschaffen werden (§ 447i ASVG).

Die Vollzugsklausel des § 545 Abs. 7 ASVG wird daher entsprechend ergänzt.

Hervorzuheben ist, dass die Überweisung der Mittel zunächst an das Wirksamwerden des Gesamtvertrages nach § 343e Abs. 1 ASVG geknüpft ist. Damit wird der Bedeutung des Instrumentariums „Gesamtvertrag“ für die Sozialversicherung Rechnung getragen.