74 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 67/A(E) der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ORF: Parteipolitik raus, echte Unabhängigkeit rein

Die Abgeordneten Dieter Brosz, MSc Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. November 2013 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

 

„In regelmäßigen Abständen flammt vor allem bei Personalentscheidungen im Österreichischen Rundfunk die Debatte um parteipolitische Einflussnahmen auf. Wie die Vergangenheit des größten Medienunternehmens des Landes zeigt, hat das wenig mit den aktuell gerade handelnden Personen zu tun, sondern liegt an der Struktur der Entscheidungsfindung, die dem ORF durch die Politik in Form des ORF-Gesetzes auferlegt wird.

Der Stiftungsrat des ORF besteht zur Zeit aus 35 Personen, von denen fünf vom Zentralbetriebsrat bestellt werden.

6 Mitglieder werden direkt von den im Parlament vertreten politischen Parteien entsandt,

9 Mitglieder bestellt die Bundesregierung,

9 Mitglieder bestellen die Länder, sprich die jeweils stärkste Partei in den Ländern,

6 Mitglieder bestellt der Publikumsrat, dessen Zusammensetzung ebenfalls

mehrheitlich von den jeweiligen Regierungsparteien bestimmt wird.

In der Struktur der Entscheidungsfindung ist parteipolitische Einflussnahme somit keine Ausnahmeerscheinung, sondern der Kern der Konstruktion. Das ORF-Gesetz sichert der jeweiligen Bundesregierung eine strukturelle Mehrheit in allen Gremien des Österreichischen Rundfunks.

Die Abhängigkeit der Generaldirektorin / des Generaldirektors von der Politik beschränkt sich in der Praxis nicht auf die eigene Wahl. Zwar wird die zentrale Leitungsfunktion einzeln gewählt, in der Praxis wird diese Wahl aber schon von Zugeständnissen für die Bestellung der DirektorInnen und LandesdirektorInnen und weiterer wesentlicher Personalentscheidungen abhängig gemacht. Formal wäre die Generaldirektorin / der Generaldirektor in der Entscheidung für seinen Vorschlag zwar frei, in der Praxis knüpfen viele Stiftungsrätlnnen, insbesondere jene der Länder, ihr Abstimmungsverhalten an weitgehende Zusagen für Postenbesetzungen. Aber auch damit ist es nicht getan. Insbesondere bei budgetären Fragen haben politische Parteien ihren Einfluss immer wieder öffentlich geltend gemacht, sei es bei der Zustimmung zum Budget oder zur Festsetzung der Programmentgelte. Die Frage der Festsetzung des Programmentgelts obliegt etwa formal dem Stiftungsrat und einer behördlichen Prüfung. In der Praxis erfolgt die Freigabe durch die Regierungsparteien.

Im Vorfeld der ORF-Gesetzesnovelle im Jahr 2010 haben Bundeskanzler Faymann und Medienstaatssekretär Ostermayer bereits im März 2009 eine Verkleinerung des ORF-Stiftungsrates angekündigt. Sie sprachen dabei auch von einer Entpolitisierung des Stiftungsrates. In der Praxis hätten dabei die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien ihre Entsendungsrechte verloren, nicht aber die Bundesregierung. Der Versuch, den Einfluss der Regierungsparteien noch weiter auszubauen und diesen Schritt auch noch als Ausbau der Unabhängigkeit des ORF zu verbrämen, ist damals gescheitert.

Es ist hoch an der Zeit, den ORF in seine parteipolitische Unabhängigkeit zu entlassen. Dabei ist es irrelevant, ob Stiftungsratsmitglieder durch politische Parteien oder durch Bundes- und Landesregierungen bestellt werden, ob sie in den letzten vier Jahren eine politische Funktion innehatten oder nicht. Eine deutliche Verbesserung kann es nur geben, wenn die Bestellung der Stiftungsrätlnnen auf eine breite Basis gestellt wird und es keine Möglichkeit für die politischen Parteien mehr gibt, unangepasstes Abstimmungsverhalten durch einen Austausch der Personen zu sanktionieren.

Die Grünen schlagen daher in Anlehnung an das ÖIAG-Gesetz einen sich selbst erneuernden Stiftungsrat mit zeitlich beschränkter Funktionsperiode vor. Die Beschickung des ersten Stiftungsrats nach einer Novellierung des ORF-Gesetzes soll nicht durch die Bundesregierung, sondern durch einen Gründungskonvent nach einem öffentlichen Hearing stattfinden. Die Verpflichtung, die Länder vor den Bestellungen der Landesdirektorlnnen anhören zu müssen, ist zu streichen. Damit nicht nur parteipolitische sondern auch persönliche Interessen hintangestellt werden, muss die Möglichkeit eines direkten Wechsels vom Stiftungsrat in das Unternehmen selbst, bzw. bei den ArbeitnehmervertreterInnen in das Direktorium verunmöglicht werden. “

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. März 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dieter Brosz, MSc die Abgeordneten Mag. Gernot Darmann und Dr. Josef Cap sowie der Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst Dr. Josef Ostermayer.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: G, T, N, dagegen: S, V, F).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Michael Hammer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2014 03 20

                           Mag. Michael Hammer                                                        Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann