Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Rahmenübereinkommen über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Rahmenübereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Rahmenübereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Bedeutung und Ziele des Rahmenübereinkommens auf internationaler bzw. globaler Ebene:

Das Rahmenübereinkommen über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft basiert auf der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948), die jedem das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben garantiert. Kulturelles Erbe ist ein bedeutender Teil dieses Bereichs, unter anderem in den europäischen Ländern. Dem Dokument liegt ganz klar das Recht auf Kultur zu Grunde. In diesem Sinne stellt das Rahmenübereinkommen ein typisch europäisches Anliegen dar. Europa legt in der Tat einen besonderen Schwerpunkt auf die Achtung der Menschenrechte.

Das Rahmenübereinkommen unterstreicht die Verantwortung eines jeden Staates für sein Kulturerbe und spiegelt die Erwartungen an die nationalen Rechtsvorschriften wider. Es betont außerdem die enge Bindung zwischen kulturellem Erbe und nachhaltiger Entwicklung. Das materielle und immaterielle Kulturerbe trägt zur Integration der ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Faktoren bei, die die Entwicklung bestimmen.

Da es sich um ein Rahmenübereinkommen handelt, enthält es keine genauen und klar eingegrenzten Auflagen oder Forderungen, sondern eher Empfehlungen, die längerfristig in die nationale Gesetzgebung aufgenommen werden sollten. Es verlangt also keine unmittelbare Anpassung eines nationalen Gesetzes in diesem Bereich. Vielmehr verstärkt es die in diesem Bereich anzuwendende Gesetzgebung und hat kulturpolitisch wegweisenden Charakter. Die konkreten Maßnahmen und Aktivitäten zur Implementierung obliegen den Vertragsstaaten.

Die Vertragsstaaten verpflichten sich zur Gewährleistung eines Zugangs zum Kulturerbe und der demokratischen Teilnahme für jede Gemeinschaft im Kulturerbe, zur Nutzung aller Aspekte des Kulturerbes und der kulturellen Umwelt sowie zur nachhaltigen Nutzung des Kulturerbes, einschließlich der vollen Ausschöpfung des Potenzials für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.

Verhältnis zu internationalen Abkommen im Bereich des Kulturgüterschutzes:

Das Rahmenübereinkommen wird als notwendige Ergänzung der internationalen Rechtsinstrumente im Kulturbereich erachtet, da es den Kulturerbebegriff gegenüber den Schutzmaßnahmen des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, BGBl. Nr. 60/1993, sowie dem Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes, BGBl. III Nr.76/2009, weiter ausweitet und dem Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, BGBl. III Nr. 34/2007, eine nachhaltige Unterstützung bietet.

Während andere internationale Übereinkommen auf die Notwendigkeit der Erhaltung von Kulturerbe abzielen und darauf, wie es geschützt werden soll, identifiziert das Rahmenübereinkommen über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft eine Reihe von Möglichkeiten der Nutzung des Kulturerbes und erläutert, warum ihm Wert beigemessen werden soll.

Nachstehende Artikel sind für Österreich von besonderer Wichtigkeit:

Allgemeine Verpflichtungen:

In Art. 1 werden die Ziele des Rahmenübereinkommens dargestellt: Anerkennung des Rechtes auf Kulturerbe und kulturelle Teilhabe gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948), Verantwortung hinsichtlich des Kulturerbes sowie Wahrung des Kulturerbes und seine nachhaltige Nutzung. Ebenso wird betont (Art. 3), dass das kulturelle Erbe eine bedeutende Rolle im Verständnis und in der Toleranz zwischen den verschiedenen in Europa lebenden Gemeinschaften einnimmt.

In Art. 6 wird die Beziehung zu bestehenden Völkerrechtsverträgen bekräftigt und festgehalten, dass das Übereinkommen keine einklagbaren Rechte schafft.

Spezifische Verpflichtungen:

Die Verpflichtungen der Vertragsstaaten im Rahmen des Rahmenübereinkommens werden in Abschnitt II (Beitrag des Kulturerbes zur Gesellschaft und menschlichen Entwicklung) sowie Abschnitt III (Gemeinsame Verantwortung für das Kulturerbe und Beteiligung der Öffentlichkeit) dargelegt. Zum Beitrag des Kulturerbes für die Gesellschaft und die Entwicklung der Menschen gehört die Ermutigung des Dialoges zwischen verschiedenen Gemeinschaften, die nachhaltige Nutzung aller Aspekte des Kulturerbes und der kulturellen Umwelt sowie die Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials des Kulturerbes unter Wahrung seiner Integrität. Bei der gemeinsamen Verantwortung für das Kulturerbe werden die Verpflichtungen der öffentlichen Hand im Umgang mit dem Kulturerbe und Maßnahmen zur Gewährung des Zuganges zum Kulturerbe und die Ermöglichung einer demokratischen Teilhabe ausgeführt. Wesentliche Elemente dabei stellen Maßnahmen in der pädagogischen Vermittlung und der Nutzung der digitalen Technologie dar.

Das Rahmenübereinkommen wurde am 27. Oktober 2005 in Faro (Portugal) verabschiedet. Es trat gemäß ihrem Art. 18 drei Monate nach der Bekundung der Einwilligung von zehn Mitgliedstaaten des Europarates, an das Rahmenübereinkommen gebunden zu sein, am 1. Juni 2011 in Kraft. Bis jetzt (Stand: 4. November 2013) wurde das Rahmenübereinkommen von 15 Staaten ratifiziert, 6 haben sie unterzeichnet.

Besonderer Teil

Die Konvention besteht aus einer Präambel und dreiundzwanzig Artikeln, die in fünf Abschnitte aufgeteilt sind:

           1) Ziele, Begriffsbestimmungen und Grundsätze (Art. 1-6)

           2) Beitrag des Kulturerbes zur Gesellschaft und menschlichen Entwicklung (Art. 7-10)

           3) Gemeinsame Verantwortung für das Kulturerbe und Beteiligung der Öffentlichkeit (Art. 11-14)

           4) Überwachung und Zusammenarbeit (Art. 15-17)

           5) Schlussbestimmungen (Art. 18-23).

Zum Titel des Abkommens:

Die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen unterliegt in zunehmendem Maße dem Druck der Globalisierungsentwicklung. Die Integration von ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Faktoren im Begriff des Kulturerbes, sowohl materiell als auch immateriell, konnte bislang nicht mit Hilfe eines internationalen Rechtsdokumentes im erforderlichen Ausmaß gewährleistet werden. Kulturerbe wird als sowohl um seiner selbst willen als Wert erachtet als auch aufgrund seines Beitrages zu den verschiedenen Aspekten nachhaltiger Entwicklung.

Zur Präambel:

Die Präambel informiert im Wesentlichen über die Rahmenbedingungen und die Zielsetzung des Rahmenübereinkommens und kann auch als Quelle für die Interpretation des Gesamttextes herangezogen werden. In insgesamt acht Erwägungsgründen werden die Bedeutung des Kulturerbes als zentraler Wert in der Gesellschaft und das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben unterstrichen sowie das Rahmenübereinkommen in seinem juristischen Kontext situiert. Es werden die wesentlichen Beweggründe für die Ausarbeitung des Rahmenübereinkommens sowie deren zentrale Themenbereiche erwähnt und erklärt. Durch den Bezug zu den Grundideen und Prinzipien des Europarates wird das Potenzial von Kulturerbe zur Erreichung der Ziele des Europarates dargelegt.

Zu Kapitel I:

Kapitel I zeigt in sechs Artikeln die Ziele, Begriffsbestimmungen und Grundsätze des Rahmenübereinkommens auf.

Zu Art. 1:

Art. 1 formuliert in vier Absätzen die Ziele des Rahmenübereinkommens. Darin wird festgehalten, dass die Rechte in Bezug auf Kulturerbe im Recht auf kulturelles Leben der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte impliziert sind, dass dadurch eine Verantwortung gegenüber dem Kulturerbe erwächst und dass durch die Bewahrung und nachhaltige Nutzung des Kulturerbes ein Beitrag zur Demokratieentwicklung und der Verbesserung der Lebensqualität der Menschen erzielt wird.

Zu Art. 2:

Art. 2 enthält Begriffsbestimmungen zu zentralen Bestandteilen des Rahmenübereinkommens. Er definiert die Begriffe Kulturerbe und Gemeinschaft für das Kulturerbe, wobei Kulturerbe sehr umfassend dargestellt wird. Kulturerbe geht über das historische Konzept hinaus und schließt alle Aspekte der Umwelt ein, die aus den Wechselwirkungen zwischen Menschen und Orten im Laufe der Zeit hervorgehen. Unter einer Gemeinschaft für das Kulturerbe werden Menschen verstanden, die das Kulturerbe wertschätzen und zu wahren und an nachfolgende Generationen zu übertragen wünschen, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit.

Zu Art. 3:

Art. 3 definiert das gemeinsame Erbe Europas, das neben allen Formen des Kulturerbes auch das gemeinsame intellektuelle Erbe mit seinen Idealen, Grundsätzen und Werten umfasst, die auf der Achtung der Menschrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit basieren.

Zu Art. 4:

Art. 4 erläutert die Rechte und Pflichten des Einzelnen in Bezug auf das Kulturerbe: das Recht auf einen Nutzen aus Kulturerbe, die Verpflichtung zur Achtung des Kulturerbes von anderen wie des eigenen, die Einschränkung des Rechts auf Kulturerbe im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention, insbesondere im Hinblick auf Rechte und Freiheiten Dritter.

Zu Art. 5:

Art. 5 bezieht sich auf die erforderlichen politischen Vorkehrungen, die die Ausübung des Rechts auf Kulturerbe sicherstellen. Die Vertragsparteien verpflichten sich zur Anerkennung des öffentlichen Interesses an Kulturerbe, zur Identifizierung und Bewahrung des Kulturerbes sowie zur Einbeziehung des Respekts vor Kulturerbe als Querschnittsmaterie in allen Bereichen der Entwicklung.

Zu Art. 6:

Art. 6 sichert den Status anderer internationaler Rechtsinstrumente und Übereinkommen nach Inkrafttreten dieses Rahmenübereinkommens und hält fest, dass dieses Rahmenübereinkommen keine einklagbaren Rechte schafft.

Zu Kapitel II:

Die vier Artikel von Kapitel II (Art. 7-10) zeigen Handlungsfelder für die Berücksichtigung des Rechts auf Kulturerbe auf.

Zu Art. 7:

Art. 7 widmet sich dem Dialog und den Beziehungen zwischen Individuen und Gemeinschaften. Die Vertragsparteien verpflichten sich zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses und von Toleranz zwischen den zahlreichen Gemeinschaften in Europa, indem sie dem kulturellen Erbe eine positive Rolle beimessen. Erfolgen soll dies durch die Beachtung unterschiedlicher Interpretationen von Kulturerbe mittels Reflexionen und erforderlichenfalls Schlichtungsverfahren sowie durch das Schaffen von Wissen über Kulturerbe, insbesondere im Rahmen der Bildung.

Zu Art. 8:

Art. 8 spricht die Nutzung aller Aspekte des Kulturerbes der kulturellen Umwelt an, um einen territorialen Zusammenhalt und Lebensqualität zu schaffen. Ein integrierter politischer Ansatz für Programme im Bereich der kulturellen, biologischen, geologischen und landschaftlichen Vielfalt soll dem sozialen Zusammenhalt und der nachhaltigen Entwicklung dienen.

Zu Art. 9:

Die in Art. 7 und Art. 8 benannten Handlungsfelder sollen mittels der in Art. 9 angeführten nachhaltigen Managementprinzipien umgesetzt werden. Diese beziehen sich auf die Achtung der Integrität des Kulturerbes sowie auf einen nachhaltigen Umgang mit Kulturerbe und die Gewährleistung seiner qualitätsvollen Erhaltung.

Zu Art. 10:

Art. 10 bettet die verschiedenen Dimensionen von Kulturerbe in seine wirtschaftliche Nutzbarmachung ein. Diese soll stets den spezifischen Wert von Kulturerbe berücksichtigen, jenseits des unmittelbaren Nutzens für die Wirtschaft.

Zu Kapitel III:

Die vier Artikel von Kapitel III (Art. 11-14) erläutern die gemeinsame partnerschaftliche Verantwortung aller Mitglieder der Gesellschaft, einschließlich des Staates und der Regionen, für das Kulturerbe und die Beteiligung der Öffentlichkeit.

Zu Art. 11:

Art. 11 bietet einen Rahmen für die Vertragsparteien wie die öffentliche Verantwortung für das Kulturerbe organisiert werden soll, damit alle Beteiligten entsprechend eingebunden werden (Behörden, Fachleute, EigentümerInnen, InvestorInnen, Unternehmen, NGOs und Zivilgesellschaft). Die Rolle des Staates wird dabei als eine führende im Rahmen einer Partnerschaft gesehen.

Zu Art. 12:

Art. 12 zeigt die Voraussetzungen auf, die die Vertragsparteien schaffen müssen, um den Zugang und die demokratische Teilhabe am Kulturerbe zu gewährleisen. Angesprochen werden eine umfassende Informationstätigkeit, die Berücksichtigung des Wertes, den jede Gemeinschaft im Kulturerbe ihrem Kulturerbe beimisst, die Einbindung von Freiwilligenorganisationen und Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Kulturerbe, vor allem für junge Menschen.

Zu Art. 13:

In Art. 13 verpflichten sich die Vertragsparteien zur Mitwirkung bei der Integration von Kulturerbe in alle Bereiche von Bildung, Berufsbildung und Forschung.

Zu Art. 14:

Art. 14 geht auf die Nutzung von digitaler Technologie für den Zugang zu Kulturerbe ein und weist auf potenzielle Gefahren hin, denen es entgegenzutreten gilt. Die Vertragsparteien sollen demnach die Vielfalt von Sprachen und Kulturen sicherstellen, illegalen Kulturgüterhandel bekämpfen und das Urheberrecht schützen. Trotz Wertschätzung für born-digital Inhalte des Kulturerbes soll die Bewahrung des bestehenden Kulturerbes nicht gefährdet werden.

Zu Kapitel IV:

Kapitel IV (Art. 15-17) regelt die Mechanismen zur Überwachung und Zusammenarbeit auf internationaler Ebene.

Zu Art. 15:

Art. 15 beinhaltet die Entwicklung eines Überwachungsmechanismus durch den Europarat und den Aufbau eines öffentlich zugänglichen Informationssystems über die Implementierungsmaßnahmen der Vertragsparteien.

Zu Art. 16:

Mit der Überwachung der Einhaltung des Rahmenübereinkommens wird ein vom Ministerkomitee des Europarates eingesetzter oder bestehender Ausschuss betraut, der das gemeinsame Informationssystem (gemäß Art. 15) verwaltet, Fragen zur Auslegung und Umsetzung des Rahmenübereinkommens berät und dem Ministerkomitee regelmäßig Bericht erstattet.

Zu Art. 17:

Art. 17 regelt die Zusammenarbeit der Vertragsparteien untereinander und durch den Europarat bei der Implementierung des Rahmenübereinkommens (Informationsaustausch, Pflege von grenzüberschreitenden Netzwerken, Verbreitung von Beispielen bewährter Praxis).

Zu Kapitel V:

Kapitel V enthält in Art. 18-23 die Schlussbestimmungen zum Rahmenübereinkommen.

Zu Art. 18:

Art. 18 enthält die Bestimmungen zur Unterzeichnung, Ratifizierung und Urkundenhinterlegung sowie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens.

Zu Art. 19:

Art. 19 regelt die Möglichkeit des Beitritts von Nichtmitgliedstaaten des Europarates und der Europäischen Gemeinschaft und die Beitrittsmodalitäten.

Zu Art. 20:

Art. 20 regelt die Möglichkeit für die Vertragsparteien, einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete zu bezeichnen, auf die das Rahmenübereinkommen Anwendung finden soll, sowie die Möglichkeit, diese Erklärung abzuändern.

Zu Art. 21:

Art. 21 enthält Regelungen zur Kündigung des Rahmenübereinkommens.

Zu Art. 22:

In Art. 22 werden die Modalitäten der Einbringung, Prüfung und des Inkrafttreten von Nachträgen zum Rahmenübereinkommen festgelegt.

Zu Art. 23:

Art. 23 enthält Regelungen zur Notifikation durch den Generalsekretär des Europarats.