Begründung

Am 29. Juni 2012 bekräftigten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets, dass es „von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen. […] Sobald unter Einbeziehung der EZB ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der [Europäische Stabilitätsmechanismus] nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren. Dies würde an angemessene Auflagen geknüpft, darunter die Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen, die institutsspezifischer, sektorspezifischer oder gesamtwirtschaftlicher Natur sein sollten und in einer Vereinbarung (MoU) festgeschrieben würden.“

Bei der Tagung des Europäischen Rates vom 13./14. Dezember 2012 wurde Übereinkunft erzielt, im ersten Halbjahr 2013 schnellstmöglich einen operativen Rahmen zu vereinbaren.

Die Eurogruppe einigte sich am 20. Juni 2013 auf die Eckpunkte des neuen Instruments, unter anderem auf:

•              Den Zweck des Instruments,

•              Zwingende Einstimmigkeit bei der Gewährung von Finanzhilfe in Form dieses Instruments,

•              Die Festlegung von Anspruchsvoraussetzungen für das ESM-Mitglied und das betroffene Institut,

•              Eine betragliche Obergrenze von 60 Milliarden Euro für die Verwendung von ESM-Mitteln im Hinblick auf die Sicherung der Kreditwürdigkeit des ESM und der Vergabekapazität anderer Finanzhilfeinstrumente,

•              Die Einrichtung nachgeordneter Organisationseinheiten zwecks Erhöhung der Transparenz und Stoßkraft durch die mögliche Einbindung privater Ko-Investoren,

•              Das Verfahren für die Bewertung der finanziellen Lage des Instituts durch Due-diligence-Prüfung, Überprüfung der Werthaltigkeit der Forderungen und einem Stresstest,

•              Eine angemessene Lastenteilung zwischen ESM und dem antragstellenden ESM-Mitglied für Kapitalzuschüsse zwecks Deckung der Kapitallücke nach Ausschöpfung aller anderen Mittel (Kapitalerhöhungen, Beiträge von Eigentümern und Gläubigern („bail-in“)),

•              Mögliche Kapitalinstrumente (in der Regel Stammaktien, die als hartes Kernkapital anerkannt werden),

•              Die Konditionalität: im Einklang mit Art. 12 ESM-V muss die Verwendung des Instruments an angemessene Auflagen geknüpft sein, die in einer Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) des anstragstellenden ESM-Mitglieds festgeschrieben werden. Zusätzlich zu den EU-beihilferechtlich festgelegten Auflagen wird auch ESM institutsspezifische Auflagen beschließen können,

•              Angemessene Einflussmöglichkeiten des ESM auf die betroffenen Institute zwecks Sicherung der bereitgestellten Mittel,

•              Die zukünftige Überprüfung der Instrumentenleitlinie im Lichte des Fortschritts Richtung Bankenunion.

Der enge Zusammenhang mit der Entwicklung der Bankenunion, insbesondere mit der Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD) und mit der Neufassung der Richtlinie für Einlagensicherungssysteme (DGSD), bestimmte auch den Zeitplan zur Fertigstellung des neuen ESM-Finanzhilfeinstruments, die aus Kohärenzgründen erst nach Finalisierung der genannten Gesetzesvorschläge mit dem Europäischen Parlament erfolgen sollte. Diese beiden Rechtstexte wurden – ebenso wie die Verordnung zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Mechanism, SRM) – schließlich am 15. April 2014 vom Europäischen Parlament angenommen.

Am 10. Juni 2014 gab der Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, in einer Erklärung die politische Einigung auf den operativen Rahmen des neuen ESM-Finanzhilfeinstruments bekannt. Der Generalsekretär des Europäischen Stabilitätsmechanismus hat daraufhin die entsprechenden Beschlussvorlagen für den ESM-Gouverneursrat und das ESM-Direktorium übermittelt. Neben der Beschlussvorlage für den Gouverneursrat für die Einrichtung des neuen Instruments zur direkten Rekapitalisierung von Instituten enthält der operative Rahmen weitere Beschlussvorlagen, darunter insbesondere die vom ESM-Direktorium zu beschließende Instrumentenleitlinie, die Festlegung der betraglichen Obergrenze und die Ergänzung der ESM-Preigestaltungslinie. Sämtliche Beschlussvorlagen wurden gemäß den einschlägigen Bestimmungen des B-VG und des GOG-NR (insbesondere Anlage 3) dem Nationalrat übermittelt. Die Beschlussfassung in den ESM-Gremien erfolgt nach Abschluss der nationalen Verfahren in jenen ESM-Mitgliedern, in denen solche vorgesehen sind.

Gemäß Art. 19 ESM-V kann der Gouverneursrat die in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern. Gemäß Art. 5 Abs. 6 lit. i ESM-V fasst der Gouverneursrat diesen Beschluss im gegenseitigen Einvernehmen (also einstimmig).

Gemäß Art. 50b Z 3 B-VG iVm § 74d. Abs. 1 Z 2 GOG-NR darf die österreichische Vertreterin oder der österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus Änderungen der Finanzhilfeinstrumente nur zustimmen, wenn der Nationalrat sie oder ihn auf Grund eines Vorschlags der Bundesregierung dazu ermächtigt hat. Ohne Ermächtigung des Nationalrates muss die österreichische Vertreterin oder der österreichische Vertreter den Vorschlag für einen solchen Beschluss ablehnen.

Die Anlagen 1 und 2 zur Regierungsvorlage enthalten die zugrunde liegenden Beschlussvorlagen für den Gouverneursrat für die Einrichtung des Instruments zur direkten Rekapitalisierung von Instituten in englischer und deutscher Sprache. Die Anlage 3 zur Regierungsvorlage enthält den Entwurf der Instrumentenleitlinie und dient zur Information.

Der Vorschlag setzt den Auftrag der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets vom 29. Juni 2012 um und hält sich an die von der Eurogruppe am 20. Juni 2013 festgelegten Eckpunkte. Das neue Finanzhilfeinstrument wird ein wichtiger Baustein der entstehenden Bankenunion sein.

Der Rahmen ist durch die Bestimmungen des ESM-Vertrags vorgegeben. Im Einklang mit Art. 3 ESM-V (Zweck) ist das Ziel – wie bei den bestehenden ESM-Finanzhilfeinstrumenten – die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten. Im konkreten Fall wird durch die Möglichkeit direkter Rekapitalisierung die Gefahr einer Übertragung finanzieller Schwierigkeiten vom Finanzsektor auf den Staat gemindert. Abgezielt wird damit auf Situationen, in denen die Übernahme der Finanzsektor-Probleme durch den Staat diesen selbst in eine Fiskalkrise stürzen würde beziehungsweise dieser dadurch den Zugang zur Kapitalmarktfinanzierung verlieren könnte. Im Einklang mit Art. 12 ESM-V ist die Verwendung des Instruments an angemessene Auflagen geknüpft, die in einer Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) mit dem antragstellenden ESM-Mitglied festgehalten werden. Zusätzlich zu den EU-beihilferechtlichen Auflagen bieten institutsspezifische Auflagen einen Hebel für die Einflussnahme des ESM zur Sicherung der bereitgestellten Mittel. Die entstehenden Kosten sollen vom betroffenen Institut und/oder dem antragstellenden ESM-Mitglied getragen werden.

Das Instrument zielt auf systemrelevante Banken ab, deren Instabilität die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten gefährden könnte. Die Kriterien für die Gewährung wurden derart gestaltet, dass vor einer allfälligen Verwendung des Instruments zunächst alle Versuche zur Mobilisierung privater Kapitalquellen gescheitert sein müssen und das ESM-Mitglied eine Rekapitalisierung aus eigener Kraft, selbst unter Zuhilfenahme des bestehenden ESM-Finanzhilfeinstruments zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten („indirekte Rekapitalisierung“), nicht bewältigen kann. Hinzu kommt als weitere Vorbedingung, dass bereits ab Inkrafttreten des Instruments die Einbindung der Gläubiger („bail-in“) vorgesehen ist. In jedem Fall hat das antragstellende ESM-Mitglied selbst einen bedeutenden Beitrag zu leisten.

Durch die Durchsetzung des Einstimmigkeitsprinzips für alle wesentlichen Entscheidungen kann die Gewährung von Finanzhilfe bei diesem Instrument nicht gegen den Willen der österreichischen Vertreterin oder des österreichischen Vertreters im ESM erfolgen.

Durch die Einrichtung des Instruments zur direkten Rekapitalisierung von Instituten kommt es jedenfalls weder zu einer Änderung des maximalen Darlehensvolumens des ESM gemäß Art. 10 Abs. 1 ESM-V noch der Haftung eines jeden ESM-Mitglieds, die gemäß Art. 8 Abs. 5 ESM-V unter allen Umständen auf den jeweiligen Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt ist.