285 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 608/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz geändert wird und

über den Antrag 86/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesetzliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit für SpitalsärztInnen

Die Abgeordneten Josef Muchitsch, Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen haben den Initiativantrag 608/A am 23. September 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkt des Entwurfs:

Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz entspricht nicht der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeit-RL), ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9, im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH.

Die Europäische Kommission hat mit Schreiben vom 21. Februar 2014 Österreich aufgefordert, die Unionsrechtskonformität ua. in folgenden Bestimmungen herzustellen, andernfalls in letzter Konsequenz eine Klage vor dem EUGH eingereicht wird:

-       Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 60 Stunden bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft bei verlängerten Diensten in § 4 Abs. 4 Z 3 widerspricht Art. 6 iZm Art. 2 der Arbeitszeit-RL, wonach 48 Stunden durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht überschritten werden dürfen.

-       Die Ausnahme von den durchschnittlich 48 Stunden Wochenarbeitszeitgrenzen gemäß § 8 Abs. 1 und 3 KA-AZG ist nicht von der Arbeitszeit-RL gedeckt.

-       Die Ausgleichsruhezeit für verlängerte Dienste gemäß § 7 Abs. 3 KA-AZG muss sofort genommen werden und nicht wie derzeit innerhalb der nächsten 17 Kalenderwochen.

-       Die vorgesehene Möglichkeit der finanziellen Abgeltung der Ersatzruhe in Sonderfällen gemäß § 7a Abs. 3 Z 4 widerspricht Art. 5 der Arbeitszeit-RL.

Mit diesem Entwurf wird Unionrechtskonformität hinsichtlich der angeführten Gesetzesbestimmungen hergestellt. Gleichzeitig wird die Dienstdauer auf 25 Stunden für alle Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen etappenweise verkürzt.

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 2 Z 10)

Es erfolgt eine Zitatanpassung an das geltende Apothekengesetz.

Zu Z 2 (§ 3 Abs. 4 und 4a)

Abs. 4 Z 1 entspricht dem geltenden Abs. 4.

Mit Abs. 4 Z 2 wird die Möglichkeit geschaffen, durch Betriebsvereinbarung unter Einhaltung des § 3 Abs. 3 eine Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes auf ein Jahr zuzulassen, wenn dies aus objektiven Gründen arbeitsorganisatorischer oder technischer Art notwendig ist.

Dies betrifft einerseits Notfälle iSd § 8 Abs. 3, bei denen es keine Verlängerungsmöglichkeiten der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit über die 48-Stunden-Grenze hinaus mehr geben wird. Andererseits kann mit Betriebsvereinbarung unter Einhaltung des § 3 Abs. 3 auch ab dem 1. Jänner 2021 der Durchrechnungszeitraum für Ärzte/Ärztinnen, Apotheker/Apothekerinnen und pharmazeutische Hilfskräfte auf ein Jahr verlängert werden, da ab diesem Zeitpunkt eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden auch nicht mehr mit freiwilliger Zustimmung der Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen zulässig sein wird.

Damit wird von der Ausnahmemöglichkeit des Art. 19 der Arbeitszeit-RL Gebrauch gemacht.

Abs. 4a setzt eine Forderung der Praxis um, die Handhabung von Abwesenheitszeiten bei der Durchrechnung der Arbeitszeit klarzustellen.

Wenn es bereits einen Dienstplan gibt und der/die Dienstnehmer/in abwesend ist, ist die Behandlung dieser Abwesenheitszeiten kein Problem, weil dann die in der Diensteinteilung angeführten Zeiten heranzuziehen sind (Z 1). Erkrankungen treten kurzfristig auf und sind meist Fälle der Z 1.

Wurde hingegen noch keine konkrete Diensteinteilung getroffen, müssen die Abwesenheitszeiten nach Art. 16 lit. b der Arbeitszeitrichtlinie unberücksichtigt bleiben. Dies ist meist bei Urlauben der Fall. Fallen daher z.B. in einen Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen bei einer 5-Tage-Woche zwei ganze Abwesenheitswochen und zwei weitere Abwesenheitstage, ergibt sich eine Anwesenheitszeit von 14,6 Wochen und eine Abwesenheitszeit von 2,4 Wochen. Zur Errechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit sind daher die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten zu addieren und durch 14,6 zu dividieren.

Diese Regelungen sind jedoch nur für die Berechnung der durchschnittlichen Arbeitszeit heranzuziehen. Die Frage der Entlohnung dieser Abwesenheitszeiten wird dadurch nicht berührt.

Zu 3 (§ 4 Abs. 4 bis 4b):

Art. 2 der Arbeitszeit-RL definiert Arbeitszeit als jede Zeitspanne, während der Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeiten, den Dienstgebern/Dienstgeberinnen zur Verfügung stehen und ihre Tätigkeit ausüben oder Aufgaben wahrnehmen. Ruhezeit wird definiert als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind Bereitschaftszeiten, bei denen die Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen am Arbeitsplatz physisch anwesend sein müssen, als Arbeitszeit und nicht als Ruhezeit zu betrachten (Rechtssachen C-303/98, Sindicato de Médicos de Asistencia Pública (Simap)/Conselleria de Sanidad y Consumo de la Generalidad Valenciana, Slg. 2000, 1-7963; C-l51/02, Landeshauptstadt Kiel/Norbert Jaeger, Slg. 2003, 1-8389; C-14/04, Abdelkader Dellas u. a./Premier ministre and Ministre des Affaires sociales, du Travail et de la Solidanté, Slg. 2005, 1-10253).

Die wöchentliche – durchschnittliche – Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum darf gemäß Art. 6 der Arbeitszeit-RL einschließlich der Überstunden 48 Stunden nicht überschreiten.

§ 4 Abs. 4 Z 4 KA-AZG lässt nach geltendem Recht bei verlängerten Diensten bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft wöchentliche Arbeitszeiten unter Berücksichtigung von Arbeitsbereitschaft bis zu durchschnittlich 60 Stunden zu und verstößt daher nach Auffassung der Kommission gegen Art. 6 der Arbeitszeit-RL.

Art. 22 lässt eine Abweichung unter bestimmten Voraussetzungen zu. Wichtigste Voraussetzung ist, dass jede Überschreitung der durchschnittlich 48 Stunden nur mit individueller Zustimmung der einzelnen Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen zulässig sein kann.

Mit den neu eingefügten Abs. 4 bis 4b wird die Regelung der Wochenarbeitszeit unionrechtskonform gestaltet. Gleichzeitig erfolgt eine Senkung der Dienstdauer von 49 bzw. 32 Stunden in Etappen auf 25 Stunden.

Mit dem neuen Abs. 4 werden die ab 1. Jänner 2021 erlaubten Arbeitszeitgrenzen dargestellt. Ab diesem Zeitpunkt darf die Dauer eines verlängerten Dienstes 25 Stunden, die Wochenarbeitszeit innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden und die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten. Im Einleitungssatz wird zur Klarstellung nochmals darauf hingewiesen, dass diese Arbeitszeitgrenzen nur dann gelten, wenn verlängerte Dienste durch Betriebsvereinbarung oder im Einvernehmen mit der Personalvertretung sowie unter Einhaltung des § 3 Abs. 3 gemäß Abs. 1 zugelassen wurden.

Gemäß Abs. 4a gilt folgende Übergangsbestimmung für die Dienstdauer: Ab 1. Jänner 2015 (Inkrafttreten der Novelle) sind Wochenend- und Feiertagsdienste mit 49 und die übrigen Dienste mit 32 Stunden begrenzt. Ab 1. Jänner 2018 sind alle Dienste mit 29 Stunden begrenzt. Ab 1. Jänner 2021 sind alle Dienste mit 25 Stunden begrenzt.

Die Z 3 des bisherigen Abs. 4 (pharmazeutische Hilfskräfte) wird mit diesem Entwurf deshalb nicht berücksichtigt und entfällt, weil die für eine Ausnahme erforderliche Verordnung gemäß § 5 Abs. 2 des Apothekengesetzes nie erlassen worden und daher nie wirksam geworden ist. Mittlerweile sind pharmazeutische Hilfskräfte im Apothekengesetz nicht mehr vorgesehen. Die nunmehr im Lehrberuf ausgebildeten pharmazeutisch-kaufmännischen Assistenten/Assistentinnen verrichten keine Tätigkeiten die zur Aufrechterhaltung des Betriebes ununterbrochen erforderlich sein können (vgl. das Berufsprofil in der Pharmazeutisch-kaufmännischen Assistenz-Ausbildungsordnung, BGBl. II Nr. 137/2014).

Abs. 4b enthält die EU-rechtlich notwendige individuelle Zustimmung der Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen für die Überschreitung der 48-Stunden-Grenze. Dies ist eine zusätzliche Voraussetzung neben der Zulassung durch Betriebsvereinbarung oder im Einvernehmen mit der Personalvertretung sowie der Einhaltung des § 3 Abs. 3.

Mittelfristig soll die durchschnittliche Wochenarbeitszeit jedoch mit 48 Stunden begrenzt werden. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf mit individueller Zustimmung bis zum 31. Dezember 2017 - so wie nach geltendem Recht - 60 Stunden und bis zum 31. Dezember 2020 55 Stunden betragen. Ab 1. Jänner 2021 darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit nur mehr 48 Stunden betragen. Die freiwillige Überschreitung dieser Grenze ist daher nur eine Übergangslösung.

Die weiteren nach Art. 22 der Arbeitszeit-Richtlinie notwendigen vorgesehenen Begleitmaßnahmen zur individuellen Zustimmung werden mit § 11b festgelegt.

Zu Z 4 (§ 7 Abs. 3):

Gemäß Art. 3 der Arbeitszeit-RL treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit allen Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird.

Art. 17 Abs. 2 der Arbeitszeit-RL sieht Abweichungsmöglichkeiten von Art. 3, 4 und 5 vor, sofern die betroffenen Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten. Solche Abweichungsmöglichkeiten sind im Rahmen des Art. 17 Abs. 3 zulässig, wobei unter lit. c i Tätigkeiten angeführt sind, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die Kontinuität des Dienstes oder der Produktion gewährleistet sein muss, und zwar insbesondere bei Aufnahme-, Behandlungs- und/oder Pflegediensten von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, einschließlich der Tätigkeiten von Ärzten/Ärztinnen in der Ausbildung.

Auch Art. 18 der Arbeitszeit-RL sieht Abweichungsmöglichkeiten von Art. 3, 4, 5, 8 und 16 durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung nur vor, wenn die betroffenen Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen gleichwertige Ausgleichsruhezeiten oder in Ausnahmefällen, in denen die Gewährung solcher Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist, einen angemessenen Schutz erhalten.

Nach Rechtsprechung des EuGH (Rechtssache C-l51/02, Jaeger, a.a.O., Randnr. 94) müssen sich gleichwertige Ausgleichsruhezeiten bei entgangener täglicher Ruhezeit „unmittelbar an die Arbeitszeit anschließen, deren Ausgleich sie dienen, um eine Ermüdung oder Überlastung des Arbeitnehmers durch die Kumulierung aufeinanderfolgender Arbeitsperioden zu verhindern“.

§ 7 Abs. 3 KA-AZG legt nach geltendem Recht fest, dass bei verlängerten Diensten gemäß § 4 eine Ruhezeit um jenes Ausmaß, um das der verlängerte Dienst 13 Stunden überstiegen hat, mindestens jedoch jeweils um elf Stunden zu verlängern ist, wobei diese Ausgleichsruhezeit innerhalb der nächsten 17 Kalenderwochen und nicht sofort erfolgen muss.

Nachdem ein Ausgleich für entgangene tägliche Ruhezeiten erst nach 17 Kalenderwochen und nicht „unmittelbar“ erfolgen muss, widerspricht diese Bestimmung – auch nach Auffassung der Kommission – Art. 3 der Arbeitszeit-RL und wird daher mit dem neuen § 7 Abs. 3 geändert.

Zu Z 5 (Entfall des § 7a Abs. 3 Z 4):

Gemäß Art. 5 der Arbeitszeit-RL treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit allen Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen pro Siebentageszeitraum eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden gemäß Art. 3 gewährt wird. Wenn objektive, technische oder arbeitsorganisatorische Umstände dies rechtfertigen, kann eine Mindestruhezeit von 24 Stunden gewählt werden.

Gemäß § 3 Arbeitsruhegesetz (ARG) haben Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden.

Gemäß § 7a KA-AZG kann durch Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder im Einvernehmen mit der Personalvertretung die wöchentliche Ruhezeit weniger als 36 Stunden betragen oder in einzelnen Wochen ganz entfallen, sofern in einem bestimmten Zeitraum die durchschnittliche Ruhezeit von 36 Stunden erreicht wird, wobei nur mindestens 24-stündige Ruhezeiten in die Berechnung einfließen dürfen.

Gemäß § 7a Abs. 3 Z 4 KA-AZG kann in Ausnahmefällen zur Aufrechterhaltung des Anstaltsbetriebes die Ausgleichsruhezeit durch eine finanzielle Abgeltung der Ersatzruhe ersetzt werden.

Die Kommission hält diese Bestimmung für nicht vereinbar mit Art. 5 iZm Art. 18, da der EuGH bereits im Zusammenhang mit Art. 17 entschieden hat, dass es „nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen zulässig ist, dass Dienstnehmern einen anderen angemessenen Schutz erhalten, weil die Gewährung gleichwertiger Ausgleichsruhezeiten aus objektiven Gründen nicht möglich ist“ (Rechtssache C-l51/02, Jaeger, a.a.O., Randnr. 98).

Der EuGH führt aus: Die Vorschriften für Mindestruhezeiten sind „besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft, die jedem Dienstnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen müssen“, und daher ergibt sich, „dass die in der Richtlinie vorgesehenen täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten den Dienstnehmern tatsächlich zur Verfügung stehen müssen“ (Rechtssache C-484/04, Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland, Slg 2006, I-7471, Randnr. 38 und 39).

Die Kommission ist daher der Auffassung, dass eine finanzielle Abgeltung - wenn auch nur für Ausnahmefälle - nicht als ausreichender „anderer Schutz“ zu betrachten ist, da es Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen nicht ermöglicht wird, zu ruhen und sich zu erholen.

Somit ist § 7a KA-AZG nicht mit Art. 5 der Arbeitszeit-RL vereinbar und muss entfallen.

Zu Z 6 (§ 8 Abs. 1):

Gemäß § 8 Abs. 1 KA-AZG kann auch die Grenze der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden unter außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Umständen zeitweilig überschritten werden, wenn die Patientenversorgung nicht unterbrochen werden kann oder Patienten/Patientinnen unverzüglich versorgt werden müssen und eine Lösung mit anderen organisatorischen Maßnahmen nicht möglich ist.

Art. 17 der Arbeitszeit-RL sieht keine Ausnahme von der zulässigen Arbeitszeitgrenze von durchschnittlich 48 Stunden vor, sodass die Kommission § 8 Abs. 1 KA-AZG hinsichtlich der Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeitgrenze von 48 Stunden für unvereinbar mit Art. 6 der Arbeitszeit-RL hält. Es wird daher die Ausnahmemöglichkeit hinsichtlich der erlaubten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit an die notwendige Zustimmung der Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen gebunden.

Abweichungen von sonstigen Bestimmungen (z.B. Arbeitszeit in einzelnen Wochen, Ruhezeiten) sind weiterhin ohne individuelle Zustimmung möglich. Ärzt/innen können daher in Notfällen auch ohne vorherige Zustimmung die Dienstdauer von 25 Stunden und die Höchstarbeitszeit in einzelnen Wochen von 72 Stunden überschreiten und Ruhezeiten verkürzen. Die Ärzt/innen können jedoch im Nachhinein zustimmen, dass für diese Mehrarbeit kein Ausgleich erfolgt und damit die durchschnittliche Wochenarbeitszeit überschritten wird.

Die Zustimmung kann auch für alle künftigen Notfälle abgegeben werden.

Zu Z 7 (§ 8 Abs. 3):

§ 8 Abs. 3 KA-AZG lässt unter bestimmten Voraussetzungen eine Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeitgrenze von 48 Stunden nach den Intentionen des Art. 22 der Arbeitszeit-RL zu. Die Europäische Kommission hält § 8 Abs. 3 KA-AZG für unvereinbar mit Art. 6 der Arbeitszeit-RL.

Es entfällt die Überschreitungsmöglichkeit hinsichtlich der Wochenarbeitszeit. Gleichzeitig wird auf den neuen § 3 Abs. 4 Z 2 hingewiesen, mit dem festgelegt wird, dass durch Betriebsvereinbarung unter Einhaltung des § 3 Abs. 3 der Durchrechnungszeitraum bei Notfällen aus objektiven, technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen auf 52 Wochen verlängert werden kann.

Zu Z 8 und 10 (§ 8 Abs. 4 und § 12 Abs. 1 Z 5):

Es wird eine Anzeigepflicht an die Arbeitsinspektorate – so wie bereits jetzt für die Notfälle des § 8 Abs. 3 – auch für die Notfälle des § 8 Abs. 1 aufgenommen. Diese Anzeige muss keine Gründe für die Überschreitung der Arbeitszeiten anführen.

Die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 4 wird in den Katalog der Strafbestimmungen (§ 12) aufgenommen.

Zu Z 9 (§ 11b):

Art. 22 lässt eine Abweichung bzw. generell eine Nichtanwendung des Art. 6 unter bestimmten Voraussetzungen zu.

Ganz wesentlich ist dabei die individuelle Zustimmung der einzelnen Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen, die in § 4 Abs. 4b und § 8 Abs. 1 KA-AZG vorgesehen wird. Bei generellen verlängerten Diensten gemäß § 4 ist diese Zustimmung zusätzlich zur dort vorgesehenen Betriebsvereinbarung bzw. zum Einvernehmen mit der Personalvertretung auf Betriebsebene unter Einhaltung des § 3 Abs. 3 zu erteilen.

In § 11b werden die sonstigen Regelungen für diese freiwillige Zustimmung für beide Fälle festgelegt. Diese Zustimmung muss schriftlich, und zwar im Fall des § 4 Abs. 4b stets im Vorhinein, im Fall des § 8 Abs. 1 im Vorhinein oder im Nachhinein erfolgen und darf nicht im Zusammenhang mit der Begründung des Dienstverhältnisses stehen. Sie kann nach einer Vorankündigungsfrist von acht Wochen für den nächsten Durchrechnungszeitraum schriftlich widerrufen werden, sofern der Durchrechnungszeitraum 17 Wochen beträgt. Bei über 17-wöchigen Durchrechnungszeiträumen kann auch während eines Durchrechnungszeitraumes ein Widerruf erfolgen, allerdings immer nur ab dem nächsten 17 Wochenzeitraum und solange keine anderslautende Willenserklärung erfolgt, sodass eine gewisse Dienstplansicherheit gegeben ist, die sowohl im Interesse der Dienstnehmer/innen als auch der Dienstgeber/Dienstgeberinnen liegt.

Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen, die ihre Zustimmung nicht erteilen oder widerrufen haben, dürfen von den Dienstgebern/Dienstgeberinnen nicht benachteiligt werden. Ein Benachteiligungsverbot bei den Entgeltbedingungen bedeutet, dass z.B. Zulagen nicht gänzlich vorenthalten werden dürfen, sondern jedenfalls aliquot gewährt werden müssen.

Dienstgeber/Dienstgeberinnen haben ein aktuelles Verzeichnis der Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen zu führen, die einer Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit schriftlich zugestimmt haben. Dieses Verzeichnis ist gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Arbeitsinspektionsgesetz auf Verlangen der Arbeitsinspektion vorzulegen und zu übermitteln. Bei Widerruf ist der Dienstnehmer/die Dienstnehmerin aus dem Verzeichnis zu streichen. Diesem Verzeichnis sind Ablichtungen der Zustimmungserklärungen beizulegen.“

 

Die Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 86/A(E) am 17. Dezember 2013 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Arbeitszeiten in den Spitälern sind nach wie vor viel zu lang und stellen eine Gefahr sowohl für PatientInnen als auch für ÄrztInnen dar. Zu lange Dienstzeiten am Stück führen nachweislich zu erhöhter Herzfrequenz und Bluthochdruck. Eine Studie der Universität Innsbruck hat ergeben, dass ÄrztInnen, die länger als 24 Stunden im Dienst sind, eine verlangsamte Reaktionszeit haben - ganz so, als hätten sie 0,8 Promille Alkohol im Blut. Das Burnout-Risiko der SpitalsärztInnen ist nach einer Studie der Medizinischen Universität Graz extrem hoch und beträgt 50 bis 60 Prozent.

Vor allem die Ärzte in Ausbildung sind von überlangen Diensten betroffen und leiden darunter. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist unter diesen Umständen nicht möglich. Bereits jetzt gibt es in Österreich einen Turnusärzte-Mangel, da die Arbeitsbedingungen im Ausland besser sind.

Die Bundeskurie der angestellten ÄrztInnen fordert schon seit langem eine gesetzliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit auf 25 Stunden. Derzeit sind laut Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz bis zu 32 Stunden lange Dienste erlaubt, an Wochenenden dürfen Ärzte sogar bis zu 49 Stunden am Stück arbeiten.

Das Wiener AKH hat die Begrenzung auf 25 Stunden am Stück bereits mittels Betriebsvereinbarung eingeführt. Es ist jedoch eine Regelung für alle Spitäler im Krankenanstalten- Arbeitszeitgesetz notwendig.

Eine bereits 2011 angekündigte Novelle zum Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz zur Arbeitszeitverkürzung ist bis jetzt nicht zustande gekommen. Vor allem die Bundesländer fürchten eine Kostenexplosion durch die Verkürzung der durchgehenden Dienstzeiten. Eine Studie im Auftrag des Sozialministeriums hat aber ergeben, dass es nur zu einer Umschichtung der Dienstzeiten kommt und die Überstunden wegfallen, die Änderung also kostenneutral wäre.“

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Entschließungsantrag 86/A(E) in seiner Sitzung am 2. Juli 2014 in Verhandlung genommen. In der Debatte, in der die Abgeordnete Dr. Eva Mückstein einen Abänderungsantrag einbrachte, ergriffen außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Eva Mückstein die Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Johann Höfinger sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer und die Ausschussobfrau Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS das Wort. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

In der Sitzung am 9. Oktober 2014 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales die Verhandlungen zum Entschließungsantrag 86/A(E) wiederaufgenommen und den Initiativantrag 608/A in Verhandlung genommen. Außer dem Berichterstatter zum Initiativantrag 608/A Abgeordneten Erwin Spindelberger ergriffen die Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Mag. Gerald Loacker, August Wöginger und Mag. Birgit Schatz sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer in der Debatte das Wort.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Erwin Spindelberger und August Wöginger einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu § 3 Abs. 4:

Ein Durchrechnungszeitraum von einem Jahr soll durch Betriebsvereinbarung bereits vor dem 1. Jänner 2021 zugelassen werden können, wenn die Betriebsvereinbarung keine Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit auf mehr als 48 Stunden durch schriftliche Zustimmung der Dienstnehmer/innen zulässt. Wird also in einer Organisationseinheit bereits früher auf die 48-Stunden-Woche umgestellt, soll auch die ganzjährige Durchrechnung ermöglicht werden.

Zu § 4 Abs. 1a:

Die bisherige Regelung, nach der bei verlängerten Diensten die tatsächliche Inanspruchnahme 48 Stunden nicht überschreiten darf, ist bei einer zulässigen durchschnittlichen Normalarbeitszeit von 48 Stunden sinnlos, da keine Bereitschaftszeiten mehr verbleiben. Vorgesehen ist nunmehr eine flexible Lösung, bei der unter der Verantwortung der Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen durch entsprechende Maßnahmen ausreichende Erholungsmöglichkeiten sichergestellt werden müssen, die im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie einen Ausgleich für die zusätzliche Belastung durch die lange Dienstdauer und die hohe Arbeitszeit von 72 Stunden in der Einzelwoche bieten. Dies können weiterhin Bereitschaftszeiten mit entsprechenden Erholungsmöglichkeiten sein, aber auch andere Maßnahmen wie z.B. längere Ruhepausen. Diese Regelung hat den Vorteil, dass dabei eine unterschiedliche Belastung in verschiedenen Abteilungen berücksichtigt werden kann. Auch für die Sicherheit der Patienten/Patientinnen sind derartige Erholungsmöglichkeiten von zentraler Bedeutung.

Zu § 4 Abs. 1b, 1c, 4b, 5 und 6:

In der Praxis ergibt sich bei neu errichteten Sonderkrankenanstalten und Genesungsheimen das Problem, dass verlängerte Dienste sofort nach Betriebsaufnahme notwendig sind, jedoch noch kein Betriebsrat eingerichtet werden konnte und eine Betriebsvereinbarung zur Zulassung der verlängerten Dienste daher nicht möglich ist. Mit dem neuen § 4 Abs. 1b wird die Möglichkeit geschaffen, verlängerte Dienste für die ersten drei Betriebsmonate mit den einzelnen Dienstnehmer/innen schriftlich zu vereinbaren. Zuvor ist jedoch eine Vereinbarung mit den Vertretern/Vertreterinnen nach § 3 Abs. 3, die rasch gewählt werden können, notwendig.

Abs. 1c enthält ein entsprechendes Diskriminierungsverbot.

In neu errichteten Betrieben hat zur Vorbereitung und Durchführung der erstmaligen Wahl eines Betriebsrates die Betriebs(Gruppen)versammlung die Bestellung des Wahlvorstandes binnen vier Wochen nach dem Tag der Aufnahme des Betriebes vorzunehmen (§ 54 Abs. 5 ArbVG). Der Wahlvorstand hat nach seiner Bestellung die Wahl unverzüglich vorzubereiten und innerhalb von vier Wochen durchzuführen (§ 55 Abs. 1 ArbVG). Im Ergebnis muss der Betriebsrat somit längstens innerhalb von acht Wochen nach Aufnahme des Betriebes gewählt werden. Für den Abschluss der Betriebsvereinbarung bleibt somit zumindest fünf Wochen Zeit.

Wird ein Betriebsrat nicht oder nicht rechtzeitig errichtet, sind verlängerte Dienste nach Ablauf der Drei-Monatsfrist nicht mehr zulässig.

Einzelvertraglich können jedoch nur verlängerte Dienste bis zu 25 Stunden eingerichtet werden, da die Übergangsbestimmung des Abs. 4a ausdrücklich nicht anwendbar ist. Auch darf nur eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden vereinbart werden. Eine Betriebsvereinbarung zur Ermöglichung der freiwilligen Verlängerung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit (Abs. 4b) kann nicht ersetzt werden, da diese Verlängerung nicht in Zusammenhang mit der Begründung eines Arbeitsverhältnisses stehen darf. Gleiches gilt für die Erhöhung der zulässigen Zahl verlängerter Dienste (Abs. 5 Z 2) sowie für die abweichende Definition der Arbeitswoche (Abs. 6).

Zu § 4 Abs. 4b:

Weiters wird der Zeitpunkt, ab dem eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden auch nicht mehr mit Zustimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zulässig ist, um ein halbes Jahr verschoben. Damit werden den Spitälern die notwendigen Anpassungsmaßnahmen erleichtert.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Erwin Spindelberger und August Wöginger mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, T, dagegen: F, G, N) beschlossen.

Damit gilt der Entschließungsantrag 86/A(E) als miterledigt.

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Erwin Spindelberger gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2014 10 09

                             Erwin Spindelberger                                                            Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann