287 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 144/A der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, zuletzt geändert durch BGBl. 179/2013, abgeändert wird (Mindestlohngesetz)

Die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 29. Jänner 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Österreich zählt zu jenen Ländern der Europäischen Union, die keinen gesetzlichen Mindestlohn kennen. An dessen Stelle tretende Kollektivvertragsvereinbarungen haben in vielen Bereichen durchaus vertretbare Lohnhöhen hervorgebracht. Dennoch muss festgestellt werden, dass knapp 15% der österreichischen ArbeitnehmerInnen weniger als 60% des Medians der Bruttostundenentgelte unselbständig Erwerbstätiger verdienen (siehe etwa die Eurofoundstudie: Enrique Fernández-Macías/Carlos Vacas-Soriano: A coordinated EU minimum wage policy?, Eurofound, November 2013). Im Jahr 2013 waren das also weniger als € 8,50 brutto in der Stunde. Etwa 540.000 Menschen verdienten 2013 in Österreich weniger als diese € 8,50 brutto in der Stunde. An diesem Befund verändern auch positive Entwicklungen im Kollektivvertragsabschluss des Handels für 2014 und 2015 nicht sehr viel. Betroffen sind insbesondere Frauen, Teilzeitbeschäftigte sowie Menschen mit geringer Ausbildung.

Tatsache ist:

             - Der Anteil der Löhne am Bruttoinlandsprodukt ist in den letzten zwei Jahrzehnten stark gefallen (von ca. 58% auf unter 50% des BIP), obwohl heute deutlich mehr Menschen am Arbeitsmarkt aktiv sind.

             - Der Anteil des untersten Einkommenszehntels an den Löhnen hat sich mehr als halbiert (von 4,8% auf 2% aller Löhne).

             - 172.000 sind trotz Erwerbsarbeit armutsgefährdet, 90.000 Menschen leben trotz Arbeit in manifester Armut.

Oder anders gesagt: Jene, die den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, kriegen einen immer kleiner werdenden Anteil dieses Reichtums. Nicht zuletzt auch deshalb hat selbst der IWF – nicht gerade als besonders menschenfreundliche, fortschrittliche oder auf Gerechtigkeit achtende Einrichtung bekannt geworden – Österreich dringlichst aufgefordert, seine Löhne zu erhöhen.

Tatsache ist auch:

Die Republik Österreich hat sich in mehreren internationalen Übereinkommen – darunter etwa durch Ratifikation der Europäischen Sozialcharta (Art. 4) - dazu verpflichtet, gegen Ausbeutung vorzugehen und für gerechte Arbeitsentgelte zu sorgen. Haushaltsangestellte, Kanzleikräfte von RechtsanwältInnen, aber auch ServiererInnen oder Ordinationshilfen, aber auch eine ganze Reihe anderer Beschäftigter, kommen selbst bei Vollzeiterwerbstätigkeit auf Einkommen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle.

Derart niedrige Löhne für Arbeit zu bezahlen, ist unmoralisch, aber auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Die Anhebung von Niedrigstlöhnen auf das Niveau von zumindest 60% des Medians der Bruttostundenentgelte der unselbständig Erwerbstätigen (für das Jahr 2013 also etwa € 8,50 brutto pro Stunde) erhöht den privaten Konsum in Österreich um € 603 Mio. pro Jahr. Aus der Bezahlung eines gerechten und existenzsichernden Mindestlohns von € 8,50 brutto in der Stunde entstehen weiters um € 164 Mio. höhere Einnahmen in der Lohnsteuer, € 208 Mio. an Mehreinnahmen (und damit 1:1 reduzierten Ausgaben im Budget) für die Pensionsversicherung, € 70 Mio. an Mehreinnahmen für die Krankenversicherung (und damit Kostenreduktionen für die Länder von ca. € 25 Mio. pro Jahr).

Die Ankurbelung des Konsums durch höhere Haushaltseinkommen schafft im Übrigen 12.200 neue Arbeitsplätze, die abermals zu höheren Steuer- und Beitragseinnahmen (von insgesamt etwa € 160 Mio.) führen sowie die Arbeitslosenversicherung im Ausmaß von etwa € 130 Mio. entlasten.

Die Schaffung einer gesetzlichen Untergrenze ohne Eingriff in die Kollektivvertragsfreiheit der Sozialpartner ist nicht allein eine moralische Verpflichtung, sondern auch volkswirtschaftlich zielführend.

Nicht zufällig steht daher nicht allein die bundesdeutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di , sondern auch die SPD zu einem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, wie er im Regierungsübereinkommen mit der CDU/CSU vereinbart wurde. Ebenso wenig zufällig vertritt auch Jean-Claude Juncker von der europäischen Volkspartei den Standpunkt, ‚dass es in allen Ländern einen Mindestlohn geben muss‘. Und erläutert: ‚Dass jeder, der arbeitet, von seiner Arbeit leben können muss, muss in Europa nicht nur in Worten verankert werden. Ich bin dagegen, dass Menschen hinzuverdienen müssen, nur weil das, was sie in 40 Stunden geleistet haben, nicht zum Leben reicht.‘

Dies muss zukünftig auch für ArbeitnehmerInnen in Österreich gelten.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 9. Oktober 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Birgit Schatz die Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Mag. Gerald Loacker, Ing. Markus Vogl, Mag. Michael Hammer, Ing. Waltraud Dietrich, Johann Höfinger, Johann Hechtl, Gabriel Obernosterer, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Rainer Wimmer sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F, G, dagegen: S, V, T, N).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Michael Hammer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2014 10 09

                           Mag. Michael Hammer                                                           Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann