309 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ständigen Unterausschusses in ESM-Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (264 der Beilagen): Antrag der Bundesregierung auf Ermächtigung der österreichischen Vertreterin oder des österreichischen Vertreters im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gemäß Art. 50b Z 3 B-VG

Am 29. Juni 2012 bekräftigten die Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets, dass es „von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen. […] Sobald unter Einbeziehung der EZB ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der [Europäische Stabilitätsmechanismus] nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren. Dies würde an angemessene Auflagen geknüpft, darunter die Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen, die institutsspezifischer, sektorspezifischer oder gesamtwirtschaftlicher Natur sein sollten und in einer Vereinbarung (MoU) festgeschrieben würden.“

Bei der Tagung des Europäischen Rates vom 13./14. Dezember 2012 wurde Übereinkunft erzielt, im ersten Halbjahr 2013 schnellstmöglich einen operativen Rahmen zu vereinbaren.

Die Eurogruppe einigte sich am 20. Juni 2013 auf die Eckpunkte des neuen Instruments, unter anderem auf:

   •     Den Zweck des Instruments,

   •     Zwingende Einstimmigkeit bei der Gewährung von Finanzhilfe in Form dieses Instruments,

   •     Die Festlegung von Anspruchsvoraussetzungen für das ESM-Mitglied und das betroffene Institut,

   •     Eine betragliche Obergrenze von 60 Milliarden Euro für die Verwendung von ESM-Mitteln im Hinblick auf die Sicherung der Kreditwürdigkeit des ESM und der Vergabekapazität anderer Finanzhilfeinstrumente,

   •     Die Einrichtung nachgeordneter Organisationseinheiten zwecks Erhöhung der Transparenz und Stoßkraft durch die mögliche Einbindung privater Ko-Investoren,

   •     Das Verfahren für die Bewertung der finanziellen Lage des Instituts durch Due-diligence-Prüfung, Überprüfung der Werthaltigkeit der Forderungen und einem Stresstest,

   •     Eine angemessene Lastenteilung zwischen ESM und dem antragstellenden ESM-Mitglied für Kapitalzuschüsse zwecks Deckung der Kapitallücke nach Ausschöpfung aller anderen Mittel (Kapitalerhöhungen, Beiträge von Eigentümern und Gläubigern („bail-in“)),

   •     Mögliche Kapitalinstrumente (in der Regel Stammaktien, die als hartes Kernkapital anerkannt werden),

   •     Die Konditionalität: im Einklang mit Art. 12 ESM-V muss die Verwendung des Instruments an angemessene Auflagen geknüpft sein, die in einer Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) des anstragstellenden ESM-Mitglieds festgeschrieben werden. Zusätzlich zu den EU-beihilferechtlich festgelegten Auflagen wird auch ESM institutsspezifische Auflagen beschließen können,

   •     Angemessene Einflussmöglichkeiten des ESM auf die betroffenen Institute zwecks Sicherung der bereitgestellten Mittel,

   •     Die zukünftige Überprüfung der Instrumentenleitlinie im Lichte des Fortschritts Richtung Bankenunion.

Der enge Zusammenhang mit der Entwicklung der Bankenunion, insbesondere mit der Richtlinie zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD) und mit der Neufassung der Richtlinie für Einlagensicherungssysteme (DGSD), bestimmte auch den Zeitplan zur Fertigstellung des neuen ESM-Finanzhilfeinstruments, die aus Kohärenzgründen erst nach Finalisierung der genannten Gesetzesvorschläge mit dem Europäischen Parlament erfolgen sollte. Diese beiden Rechtstexte wurden – ebenso wie die Verordnung zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Mechanism, SRM) – schließlich am 15. April 2014 vom Europäischen Parlament angenommen.

Am 10. Juni 2014 gab der Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, in einer Erklärung die politische Einigung auf den operativen Rahmen des neuen ESM-Finanzhilfeinstruments bekannt. Der Generalsekretär des Europäischen Stabilitätsmechanismus hat daraufhin die entsprechenden Beschlussvorlagen für den ESM-Gouverneursrat und das ESM-Direktorium übermittelt. Neben der Beschlussvorlage für den Gouverneursrat für die Einrichtung des neuen Instruments zur direkten Rekapitalisierung von Instituten enthält der operative Rahmen weitere Beschlussvorlagen, darunter insbesondere die vom ESM-Direktorium zu beschließende Instrumentenleitlinie, die Festlegung der betraglichen Obergrenze und die Ergänzung der ESM-Preigestaltungslinie. Sämtliche Beschlussvorlagen wurden gemäß den einschlägigen Bestimmungen des B-VG und des GOG-NR (insbesondere Anlage 3) dem Nationalrat übermittelt. Die Beschlussfassung in den ESM-Gremien erfolgt nach Abschluss der nationalen Verfahren in jenen ESM-Mitgliedern, in denen solche vorgesehen sind.

Gemäß Art. 19 ESM-V kann der Gouverneursrat die in den Artikeln 14 bis 18 vorgesehene Liste der Finanzhilfeinstrumente überprüfen und beschließen, sie zu ändern. Gemäß Art. 5 Abs. 6 lit. i ESM-V fasst der Gouverneursrat diesen Beschluss im gegenseitigen Einvernehmen (also einstimmig).

Gemäß Art. 50b Z 3 B-VG iVm § 74d. Abs. 1 Z 2 GOG-NR darf die österreichische Vertreterin oder der österreichische Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus Änderungen der Finanzhilfeinstrumente nur zustimmen, wenn der Nationalrat sie oder ihn auf Grund eines Vorschlags der Bundesregierung dazu ermächtigt hat. Ohne Ermächtigung des Nationalrates muss die österreichische Vertreterin oder der österreichische Vertreter den Vorschlag für einen solchen Beschluss ablehnen.

Die Anlagen 1 und 2 zur Regierungsvorlage enthalten die zugrunde liegenden Beschlussvorlagen für den Gouverneursrat für die Einrichtung des Instruments zur direkten Rekapitalisierung von Instituten in englischer und deutscher Sprache. Die Anlage 3 zur Regierungsvorlage enthält den Entwurf der Instrumentenleitlinie und dient zur Information.

Der Vorschlag setzt den Auftrag der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets vom 29. Juni 2012 um und hält sich an die von der Eurogruppe am 20. Juni 2013 festgelegten Eckpunkte. Das neue Finanzhilfeinstrument wird ein wichtiger Baustein der entstehenden Bankenunion sein.

Der Rahmen ist durch die Bestimmungen des ESM-Vertrags vorgegeben. Im Einklang mit Art. 3 ESM-V (Zweck) ist das Ziel – wie bei den bestehenden ESM-Finanzhilfeinstrumenten – die Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten. Im konkreten Fall wird durch die Möglichkeit direkter Rekapitalisierung die Gefahr einer Übertragung finanzieller Schwierigkeiten vom Finanzsektor auf den Staat gemindert. Abgezielt wird damit auf Situationen, in denen die Übernahme der Finanzsektor-Probleme durch den Staat diesen selbst in eine Fiskalkrise stürzen würde beziehungsweise dieser dadurch den Zugang zur Kapitalmarktfinanzierung verlieren könnte. Im Einklang mit Art. 12 ESM-V ist die Verwendung des Instruments an angemessene Auflagen geknüpft, die in einer Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) mit dem antragstellenden ESM-Mitglied festgehalten werden. Zusätzlich zu den EU-beihilferechtlichen Auflagen bieten institutsspezifische Auflagen einen Hebel für die Einflussnahme des ESM zur Sicherung der bereitgestellten Mittel. Die entstehenden Kosten sollen vom betroffenen Institut und/oder dem antragstellenden ESM-Mitglied getragen werden.

Das Instrument zielt auf systemrelevante Banken ab, deren Instabilität die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten gefährden könnte. Die Kriterien für die Gewährung wurden derart gestaltet, dass vor einer allfälligen Verwendung des Instruments zunächst alle Versuche zur Mobilisierung privater Kapitalquellen gescheitert sein müssen und das ESM-Mitglied eine Rekapitalisierung aus eigener Kraft, selbst unter Zuhilfenahme des bestehenden ESM-Finanzhilfeinstruments zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten („indirekte Rekapitalisierung“), nicht bewältigen kann. Hinzu kommt als weitere Vorbedingung, dass bereits ab Inkrafttreten des Instruments die Einbindung der Gläubiger („bail-in“) vorgesehen ist. In jedem Fall hat das antragstellende ESM-Mitglied selbst einen bedeutenden Beitrag zu leisten.

Durch die Durchsetzung des Einstimmigkeitsprinzips für alle wesentlichen Entscheidungen kann die Gewährung von Finanzhilfe bei diesem Instrument nicht gegen den Willen der österreichischen Vertreterin oder des österreichischen Vertreters im ESM erfolgen.

Durch die Einrichtung des Instruments zur direkten Rekapitalisierung von Instituten kommt es jedenfalls weder zu einer Änderung des maximalen Darlehensvolumens des ESM gemäß Art. 10 Abs. 1 ESM-V noch der Haftung eines jeden ESM-Mitglieds, die gemäß Art. 8 Abs. 5 ESM-V unter allen Umständen auf den jeweiligen Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt ist.

Der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 16. Oktober 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Andreas Zakostelsky die Abgeordneten Dr. Kathrin Nachbaur, Mag. Roman Haider, Mag. Werner Kogler, Kai Jan Krainer, Dr. Rainer Hable, Dr. Christoph Matznetter, Elmar Podgorschek, Mag. Bruno Rossmann und Dr. Josef Cap sowie der Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V dagegen: F, G, T, N) beschlossen, den Antrag der Bundesregierung auf Ermächtigung der österreichischen Vertreterin oder des österreichischen Vertreters im Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gemäß Art. 50b Z 3 B-VG anzunehmen.

Ein von den Abgeordneten Kai Jan Krainer, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachter selbständiger Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Vorlage an den Nationalrat von institutsspezifischen Vereinbarungen zur Beschlussfassung in den Gremien des ESM wurde mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: S, V dagegen: F, G, T, N) beschlossen (Anlage 1). Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Nach Errichtung des einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus unter Einbeziehung der EZB und einem Beschluss des ESM-Gouverneursrates zur Änderung der Finanzinstrumente, hätte der ESM die Möglichkeit notleidende (systemrelevante) Banken direkt zu rekapitalisieren. Die Finanzhilfe ist im Gouverneursrat auf Antrag eines ESM-Mitgliedes zur Gewährung von Stabilitätshilfe einstimmig zu beschließen und mit in einem Memorandum of Understanding (MoU) enthaltenen Auflagen verbunden. In einer institutsspezifischen Vereinbarung werden die Auflagen für das jeweilige Institut festgelegt.

Gem. Art 50b B-VG darf ein Österreichischer Vertreter im Europäischen Stabilitätsmechanismus einem Vorschlag für einen Beschluss, einem Mitgliedstaat grundsätzlich Stabilitätshilfe zu gewähren, nur zustimmen oder sich bei der Beschlussfassung enthalten, wenn ihn der Nationalrat auf Grund eines Vorschlages der Bundesregierung dazu ermächtigt hat. Da die institutsspezifische Vereinbarung gemeinsam mit dem Antrag auf Gewährung von Finanzhilfe durch ein ESM-Mitglied und einem MoU vorgelegt wird, sind die Mitwirkungsrechte des Nationalrates gewahrt und es besteht kein Risiko, dass diese umgangen werden.“

Ein weiterer von den Abgeordneten Kai Jan Krainer und Gabriele Tamandl eingebrachter selbständiger Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Zusammenhang zwischen der Finanztransaktionssteuer und ESM-Finanzhilfen wurde mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: S, V, G dagegen: F, T, N) beschlossen (Anlage 2). Diesem Entschließungsantrag war folgende Begründung beigegeben:

„Die Europäische Kommission legte insbesondere auf Grund des beharrlichen Engagements Österreichs, des Europäischen Parlaments sowie der Zivilgesellschaft im September 2011 einen Richtlinienvorschlag zur Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS) vor. Primäres Ziel der FTS ist eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krisenbewältigung sowie eine Erhöhung der Stabilität der Finanzmärkte.

Auf Grund des Widerstands vor allem Großbritanniens stellte der ECOFIN im Juli 2012 die Aussichtlosigkeit einer Einigung zur Einführung der FTS in der gesamten EU formell fest. Auf Antrag von elf Mitgliedstaaten legte die Kommission im Oktober einen Vorschlag für eine Ermächtigung zur Verstärkten Zusammenarbeit vor, der vom Rat im Jänner 2013 beschlossen wurde.

Auf Basis eines entsprechend angepassten neuen Vorschlages der Kommission vom Februar 2013 beschäftigte sich der Rat intensiv mit der Ausgestaltung der Steuer. Auch dank österreichischer Bemühungen konnte am Rande des ECOFIN im Mai eine gemeinsamen Erklärung (‚Joint Statement‘) der teilnehmenden Mitgliedstaaten samt Zeitplan vorgelegt werden. Dieser sieht eine Vorlage der endgültigen Lösung bis Ende 2014 sowie die Einführung der FTS bis 1.1.2016 vor.

Im Regierungsprogramm für die XXV. GP ist verankert, dass Österreich sich weiterhin für die rasche Einführung der FTS stark machen wird. Dazu gehört auch, weitere Länder von der Teilnahme an der FTS zu überzeugen, da dadurch die positiven Effekte der FTS weiter gestärkt würden.

Gerade auf Grund der stabilisierenden Effekte der FTS ist es nur konsequent, von Staaten, deren Finanzsystem in Schieflage geraten ist, eine Beteiligung an der FTS einzufordern. Dies wäre ein wichtiger Beitrag nicht nur zur nachhaltigen Stabilisierung, sondern auch im Sinne des Verursacherprinzips – vor allem in jenen Fällen, in denen eine Bedrohung der Stabilität des Euro-Währungsgebietes vom Bankensektor ausgeht und daher ESM-Finanzhilfen zur direkten oder indirekten Rekapitalisierung von Banken verwendet werden müssen.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ständige Unterausschuss in ESM-Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      die angeschlossene Ermächtigung gemäß § 74d Abs. 1 Z 2 GOG-NR erteilen;

2.      die angeschlossenen Entschließungen (Anlagen 1 und 2) annehmen.

Wien, 2014 10 16

                       Mag. Andreas Zakostelsky                                                      Gabriele Tamandl

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau