Erläuterungen

Allgemeiner Teil

1. Seit der Tagung des Europäischen Rates in Tampere (15./16.10.1999) erfolgt der Ausbau der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen innerhalb der Europäischen Union nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (und Vollstreckung) gerichtlicher Entscheidungen. Zunächst hat der Rat im Jahre 2000 ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen beschlossen (ABl. C 2001/12, 10); darin werden 23 Maßnahmen unterschiedlicher Priorität angeführt.

Die ersten Rechtsakte, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhen, waren der Rahmenbeschluss des Rates 2002/584/JI vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. L 2002/190, 1) und der Rahmenbeschluss des Rates 2003/577/JI vom 22.7.2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union (ABl. L 2003/196, 45). Die beiden Rechtsakte sind von Österreich durch das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, umgesetzt worden.

Die folgenden, auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhenden Rechtsakte, nämlich der Rahmenbeschluss des Rates 2005/214/JI vom 24.2.2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen (ABl. L 2005/76, 16) und der Rahmenbeschluss des Rates 2006/783/JI vom 6.10.2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen (ABl. L 2006/328, 59), wurden von Österreich durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG) geändert wird (EU-JZG-ÄndG 2007), BGBl. I Nr. 38/2007, umgesetzt.

Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates 2008/909/JI vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der Europäischen Union, ABl. L 2008/327, 27, des Rahmenbeschlusses des Rates 2009/299/JI vom 26.2.2009 zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist, ABl. L 2009/81, 24, und des Rahmenbeschlusses des Rates 2009/315/JI vom 26.2.2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2009/93, 23 (soweit sie Änderungen des EU-JZG erforderte), erfolgte durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten geändert wird (EU-JZG-ÄndG 2011), BGBl. I Nr. 134/2011.

Die Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates 2008/947/JI vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen, ABl. L 2008/337, 102, des Rahmenbeschlusses des Rates 2009/829/JI vom 23.10.2009 über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft, ABl. L 2009/294, 20, und des Rahmenbeschlusses 2009/948/JI vom 30. November 2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren, ABl. L 2009/328, 42, erfolgte durch das Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG), und das Wohnhaus-Wiederaufbaugesetz geändert werden (EU-JZG-ÄndG 2013), BGBl. I Nr. 175/2013.

2. Das vorliegende Gesetzesvorhaben dient zunächst der Umsetzung der Richtlinie 2011/99/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Europäische Schutzanordnung (RL-ESA), ABl. L 2011/338, 2, und steht im Einklang mit Entschließung Nr. 41 des Nationalrats vom 24.9.2014 („Gegen sexuelle Gewalt“), worin die Bundesregierung aufgefordert wird, im Rahmen ihrer budgetären Möglichkeiten auf nationaler und internationaler Ebene Maßnahmen und Projekte im Kampf gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen, Jugendliche, Kinder, Männer und Behinderte voranzutreiben.

Die RL-ESA verfolgt das Ziel, dass Schutzmaßnahmen zum Schutz von Opfern vor gegen sie gerichteten strafbaren Handlungen (wie Betretungs-, Kontakt- oder Näherungsverbote) auch in einem anderen Mitgliedstaat Wirkungen haben als in jenem, in dem sie zunächst erlassen wurden; der Schutz soll also ein potentielles Opfer, das seinen Wohnsitz oder Aufenthalt in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, dorthin begleiten. Sie zielt also auf folgende Konstellation:

             - eine Person („geschützte Person“) wird von einer anderen Person („gefährdende Person“) derart bedroht, dass eine Justizbehörde in dem Mitgliedstaat, in dem die geschützte Person wohnhaft oder aufhältig ist („Anordnungsstaat“), in einem Strafverfahren Schutzmaßnahmen angeordnet hat;

             - die geschützte Person will ihren Wohnsitz oder Aufenthalt in einen anderen Mitgliedstaat verlegen oder ist dort bereits wohnhaft oder aufhältig; und

             - die Bedrohungslage dauert in dem Mitgliedstaat, in den sich die geschützte Person begeben hat oder begeben will („Vollstreckungsstaat“), fort.

Unter diesen Voraussetzungen ist über Antrag der geschützten Person im Anordnungsstaat eine Europäische Schutzanordnung zu erlassen, die dann dem Vollstreckungsstaat übermittelt wird und von diesem anzuerkennen ist. Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der nationalen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten im betreffenden Bereich ist in der Folge – anders als in den Vorinstrumenten im Bereich der gegenseitigen Anerkennung – keine „Vollstreckung“ der ausländischen Schutzmaßnahme durch den Vollstreckungsstaat vorgesehen. Vielmehr ordnet dieser die nach seinem nationalen Recht in einem derartigen Fall zulässigen Maßnahmen zur Fortsetzung des Schutzes der geschützten Person an.

Zivilrechtliche Schutzmaßnahmen fallen nicht unter den Anwendungsbereich der RL, sondern unter jenen der VO (EU) 606/2013 vom 12.6.2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen, ABl. L 2013/181, 4 (die zu deren Anwendung in Österreich erforderlichen Bestimmungen über Zuständigkeit und Verfahren wurden kürzlich durch die EO-Nov 2014, BGBl I Nr. 69/2014, geschaffen, vgl. §§ 86b und 86c EO).

Zur Umsetzung der RL-ESA wird die Einfügung eines neuen VI. Hauptstücks („Anerkennung Europäischer Schutzanordnungen in Strafsachen“) in das EU-JZG (§§ 122 bis 137) vorgeschlagen. Damit sollen die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Anerkennung bestimmter, in der RL angeführter Schutzmaßnahmen, die in anderen Mitgliedstaaten in einem Strafverfahren ergangen sind, und die nachfolgende Erteilung nationaler Anordnungen nach den §§ 51 Abs. 2 StGB und 173 Abs. 5 Z 3 bis 5 StPO zur Fortsetzung des Schutzes der geschützten Person im Inland, sowie für die Erwirkung der Anerkennung derartiger Anordnungen, die von österreichischen Gerichten erteilt wurden, durch andere Mitgliedstaaten geschaffen werden.

Die nach der RL zulässigen Ablehnungsgründe sollen weitestgehend in das österreichische Recht übernommen werden.

Die Anerkennung erfolgt im Wesentlichen auf der Grundlage der Angaben, die in der Europäischen Schutzanordnung enthalten sind, die dem EU-JZG als Anhang angeschlossen werden soll.

Die Entscheidung über die Anerkennung und die Anordnung von Schutzmaßnahmen – die sich wie erwähnt nach nationalem Recht richtet – sind unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der Angelegenheit und der Gefahrenlage der geschützten Person zu treffen.

Die mit der Anerkennung einer Europäischen Schutzanordnung und der Erteilung von Anordnungen im entstandenen Kosten sind grundsätzlich vom vollstreckenden Staat zu tragen.

Der Anordnungsstaat bleibt „Herr des Verfahrens“ und ist daher für sämtliche im Falle der Nichtentsprechung der Anordnung zu treffenden Folgeentscheidungen, wie etwa die Änderung der Schutzmaßnahme oder deren Widerruf und die Anordnung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme, zuständig.

2. Die Umsetzung der RL-ESA soll genutzt werden, im EU-JZG eine Reihe kleinerer Änderungen vorzuschlagen, die Nachschärfungen und Beseitigung von Redaktionsversehen der Novellen der letzten Jahre beinhalten.

3. Im Rahmen des Europarates wurde das Zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 8. 11. 2001 (ETS Nr. 182; in der Folge: 2 ZP) erarbeitet, das die im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates bestehenden Übereinkommen auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen ergänzen bzw. teilweise ersetzen soll. Es stimmt weitgehend mit dem im Rahmen der Europäischen Union erarbeiteten Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 29.5.2000, ABl. C 2000/197, 1, BGBl. III Nr. 65/2000 (in der Folge: EU-RH-Übk), überein.

Das 2. ZP wurde von Österreich am 19.9.2012 unterzeichnet und soll nun ratifiziert werden. Die meisten Bestimmungen werden nach Ratifikation für Österreich unmittelbar anwendbar sein. Legistische Maßnahmen sind nur im Zusammenhang mit Art. 18 (kontrollierte Lieferung), 19 (verdeckte Ermittlungen) und 20 (gemeinsame Ermittlungsgruppen) erforderlich, soweit die betreffenden Bestimmungen nicht self-executing sind, was insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zulässigkeit solcher Rechtshilfehandlungen und das diesbezügliche Verfahren, soweit derartige Regelungen nicht im 2. ZP selbst enthalten sind, und der Festlegung von Zuständigkeitsregelungen gilt.

Zu diesem Zweck sollen Regelungen in das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) aufgenommen werden (§§ 59b, 59c, 76a, 76b), die sich an den entsprechenden Regelungen im EU-JZG (§§ 71 bis 74, 60 bis 62 und 76) orientieren.

Grundsätzlich bestünde die Möglichkeit, die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf das Verhältnis zu den Vertragsstaaten des 2. ZP zu beschränken. Von dieser Möglichkeit soll allerdings im Interesse der Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung kein Gebrauch gemacht werden. Die vorgeschlagenen Bestimmungen werden daher unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit (§ 3 ARHG) allgemein anwendbar sein.

4. In das ARHG soll eine an § 11 Abs. 1 EU-JZG orientierte, mit der Rechtsprechung des EGMR und des OGH im Einklang stehende Regelung betreffend die Zulässigkeit der Auslieferung zur Vollstreckung einer in Abwesenheit verhängten Sanktion aufgenommen werden (§ 19a).

Schließlich soll in § 32 ARHG klargestellt werden, dass eine auszuliefernde Person generell das Recht hat, sich vor Erteilung der Zustimmung zur vereinfachten Auslieferung mit einem Verteidiger zu beraten, und entsprechend zu belehren ist.

5. Nach derzeitiger ö Rechtslage (§ 10 Strafregistergesetz 1968) kommt die Übermittlung einer Strafregisterbescheinigung, die auch gekennzeichnete Verurteilungen und Tätigkeitsverbote wegen Sexualstraftaten an Kindern enthält, zum Zwecke der Vorlage an einen potenziellen Dienstgeber anlässlich der Bewerbung um eine Tätigkeit, die hauptsächlich die Betreuung von Minderjährigen umfasst, über entsprechendes Ersuchen des in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften oder aufhältigen Betroffenen nur auf dem Postweg in Betracht, weil dem Ersuchen eine Bestätigung des Dienstgebers nach Abs. 1b leg. cit. anzuschließen ist. Dies stellt nach Ansicht der Europäischen Kommission keine mit von Art. 10 Abs. 2 und 3 der RL 2011/93/EU vom 17.12.2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, ABl. L 2011/335, 1, berichtigt ABl. L 2012/18, 7, konforme Umsetzung dar, weil die Informationsübermittlung im Wege des elektronischen Austauschs aus dem Strafregister zu erfolgen habe; daher wurde die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Österreich in Aussicht gestellt.

Im Hinblick darauf soll im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedstaaten auf das Erfordernis des Anschlusses der erwähnten Bestätigung des Dienstgebers verzichtet werden; es wird davon ausgegangen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen (Bewerbung um eine Tätigkeit, die hauptsächlich den Umgang mit Minderjährigen umfasst) von der ersuchenden ausländischen Behörde vor Stellung des Ersuchens geprüft wurde. Aufgrund dessen wird die Übermittlung der angeführten Informationen nach erfolgter Novellierung auf elektronischem Weg erfolgen.

Weiters soll klargestellt werden (entsprechend der Umsetzung durch die überwiegende Mehrzahl der übrigen Mitgliedstaaten), dass die Befassung anderer Mitgliedstaaten zwecks Erhalts der angeführten Informationen und die Entsprechung derartiger Ersuchen anderer Mitgliedstaaten nur mit Zustimmung des Betroffenen in Betracht kommt.

6. Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die Vorlage dient im Wesentlichen der Umsetzung der erwähnten Rechtsakte der EU und der Ratifikation eines im Rahmen des Europarates erarbeiteten Rechtsinstruments, das weitgehend einem EU-Rechtsakt entspricht; weiters orientiert sie sich an internationalen (auch EU-)Vorgaben, die mit der Rechtsprechung des EGMR im Einklang stehen.

7. Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Gesetzgebung gründet sich auf Artikel 10 Abs. 1 Z 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes (Strafrechtswesen).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderungen des EU-JZG)

Zu Z 4 (§ 1 Abs. 1 Z 1 lit. g EU-JZG)

Die vorgeschlagene Ergänzung der Z 1 um eine lit. g soll die im EU-JZG geregelte Zusammenarbeit in Strafsachen mit den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Anerkennung Europäischer Schutzanordnungen samt nachfolgender Erteilung nationaler Anordnungen zur Fortsetzung des Schutzes einer Person erweitern.

Zu Z 5 bis 7 (§ 2 Z 3a, Z 7 lit. h, Z 12 und 13 EU-JZG)

Auch diese Bestimmungen dienen der Umsetzung der RL-ESA.

§ 2 Z 12 enthält in Umsetzung von Art. 2 Z 1 der RL die Definition der Europäischen Schutzanordnung.

Z 13 definiert entsprechend Art. 2 Z 2 der RL die Schutzmaßnahme.

Durch die vorgeschlagene Ergänzung von Z 3a soll Art. 2 Z 5 der RL umgesetzt werden, die eine Definition des „Anordnungsstaats“ enthält.

Durch die vorgeschlagene Ergänzung der Z 7 durch eine lit. g soll die bestehende Definition des Begriffs „Vollstreckungsstaat“ um die in Art. 2 lit. Z 6 der RL enthaltene Umschreibung ergänzt werden.

Zu Z 8 (§ 5a EU-JZG)

§ 5a ist durch das EU-JZG-ÄndG 2013 eingefügt worden; um dem Urteil des EuGH vom 5.9.2012 in der Rechtssache C-42/11, Lopes da Silva Jorge, Rechnung zu tragen, wurde die Bestimmung des § 5 Abs. 4 auch auf Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten mit verfestigtem Aufenthalt in Österreich anwendbar gemacht.

Durch die vorgeschlagene Ergänzung soll ein vom Oberlandesgericht Wien (27.9.2013, 22 Bs 288/13h) ausgesprochener Rechtssatz aufgegriffen und klargestellt werden, dass auch in Österreich aufenthaltsverfestige Unionsbürger – in gleicher Weise wie österreichische Staatsbürger – auf den Schutz nach § 5 Abs. 4 verzichten und ihrer Übergabe an den Ausstellungsstaat des Europäischen Haftbefehls zustimmen können.

Zu Z 9 und 13 (§ 39 Abs. 1 Z 1 und § 42 Abs. 1 Z 1 EU-JZG)

Die vorgeschlagenen Änderungen sollen ein Redaktionsversehen des EU-JZG-ÄndG 2011, BGBl I Nr. 134/2011, korrigieren. Art. 6 Abs. 2 lit. b und c des Rahmenbeschlusses 2008/909/JI vom 27.11.2008 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, für die Zwecke ihrer Vollstreckung in der EU (ABl. L 2008/327, 27) beschränkt die Fälle der Flucht aus dem Urteilsstaat oder „Rückkehr auf andere Weise“ und Abschiebung nach Strafverbüßung nicht auf Staatsangehörige.

Zu Z 10 (§ 39 Abs. 1 Z 3 EU-JZG)

§ 39 Abs. 1 Z 3 regelt die Übernahme der Strafvollstreckung in Bezug auf Unionsbürger, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, aber derart enge Bindungen zu Österreich entsprechend der Rechtsprechung des EuGH aufweisen, dass davon auszugehen ist, dass der Strafvollzug im Inland der Erleichterung von deren Resozialisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft dient. Dies ist naturgemäß nicht der Fall, wenn der Verurteilte aufgrund des zu vollstreckenden Urteils sein Aufenthaltsrecht in Österreich verliert und daher nach Strafverbüßung abgeschoben werden wird. Das soll durch die vorgeschlagene Ergänzung klargestellt werden.

Zu Z 11 (§ 41i Abs. 3 EU-JZG)

Die vorgeschlagene Novellierung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens (unrichtiger Verweis auf Anhang VIII anstelle von Anhang VII).

Zu Z 12 (§ 41j Z 1 EU-JZG)

Es wird vorgeschlagen, in § 41j Z 1 einen Verweis auf die relevante Regelung zum Europäischen Haftbefehl aufzunehmen (wie er analog schon in § 41j Z 2 besteht).

Zu Z 14 (§ 42b Abs. 4 EU-JZG)

Die vorgeschlagene Novellierung dient der Beseitigung eines Redaktionsversehens (falscher Zeilenumbruch).

Zu Z 15 (§ 42c Z 2 EU-JZG)

Vorgeschlagen wird die Korrektur eines Redaktionsversehens aus dem EU-JZG-ÄndG 2011; dort ist in den Erläuterungen (1523 BlgNR XXIV. GP 17) richtig von Entlassung von weniger als der Hälfte die Rede, im Gesetzestext wurde aber unrichtig die Wendung „vor Verbüßung von zwei Dritteln“ aufgenommen.

Zu Z 16 und 17 (§§ 59a, 59b EU-JZG)

Im Rahmen der Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2009/948/JI vom 30. November 2009 zur Vermeidung und Beilegung von Kompetenzkonflikten in Strafverfahren, ABl. L 2009/328, 42, durch das EU-JZG-ÄndG 2013 ist übersehen worden, die auch sonst übliche Regelung über die Sprache der ein- und ausgehenden Mitteilungen (vgl. Art. 14 des Rahmenbeschlusses 2009/584/JI) aufzunehmen. Diese soll mit den vorgeschlagenen Änderungen nachgeholt werden, zumal Österreich im Einklang mit den bisher abgegebenen Erklärungen anlässlich der Umsetzung anderer Rahmenbeschlüsse im EU-JZG die Erklärung abgegeben hat, dass in Verfahren nach Kapitel 2 des Rahmenbeschlusses 2009/948/JI neben der deutschen Sprache auf Basis der Gegenseitigkeit auch andere Sprachen verwendet werden können.

Zu Z 18 (§ 122 bis 137 EU-JZG)

Der Entwurf schlägt in Umsetzung der RL-ESA die Einfügung eines neuen VI. Hauptstücks („Anerkennung Europäischer Schutzanordnungen in Strafsachen“) in das EU-JZG vor (§§ 122 bis 137), wobei dieser in zwei Abschnitte unterteilt ist: der erste Abschnitt regelt die Anerkennung Europäischer Schutzanordnungen anderer Mitgliedstaaten durch Österreich (§§ 122 bis 133), der zweite die Erwirkung der Anerkennung Europäischer Schutzanordnungen österreichischer Gerichte durch einen anderen Mitgliedstaat (§§ 134 bis 137). Diese Teilung entspricht der vielfach im ARHG sowie auch im EU-JZG bestehenden Struktur und soll die Anwendung durch die österreichischen Gerichte erleichtern.

Zu § 122 (Voraussetzungen)

Abs. 1 dieser Bestimmung stellt klar, dass sich die Anerkennung Europäischer Schutzanordnungen anderer Mitgliedstaaten, denen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren getroffene Anordnungen zum Schutz einer natürlichen Person zugrunde liegen, und die nachfolgenden Maßnahmen zur Fortsetzung des Schutzes der geschützten Person im Inland nach den Bestimmungen dieses Abschnitts richten. Die Anerkennung soll entsprechend Art. 6 Abs. 1 der RL nur in Betracht kommen, wenn die geschützte Person in Inland wohnhaft oder aufhältig ist oder ihren Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland nehmen will.

Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten im gegenständlichen Bereich ist nach erfolgter Anerkennung keine Überwachung der von der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats angeordneten Schutzmaßnahme vorgesehen; vielmehr werden die nach österreichischem Recht in einem vergleichbaren Fall vorgesehenen Anordnungen (Auflagen oder Weisungen) zur Fortsetzung des Schutzes der geschützten Person im Inland erteilt.

Abs. 2 führt entsprechend Art. 5 der RL die in Betracht kommenden Arten der Schutzmaßnahmen an. Diese entsprechen weitestgehend den in § 51 Abs. 2 StGB (Weisungen) und § 173 Abs. 5 Z 3 bis 5 StPO (gelindere Mittel) enthaltenen Verboten und Anordnungen.

Zu § 123 (Antrag der geschützten Person)

Nach Art. 6 Abs. 3 der RL kann ein Antrag der geschützten Person auf Erlass einer Europäischen Schutzanordnung sowohl bei der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats als auch bei jener des Vollstreckungsstaats eingebracht werden. Durch § 123 wird in Umsetzung des zweiten Satzes dieser Bestimmung klargestellt, dass ein beim zuständigen österreichischen Gericht gestellter derartiger Antrag, der sich auf eine von einem anderen Mitgliedstaat angeordnete Schutzmaßnahme bezieht, sobald wie möglich an die zuständige Behörde des Anordnungsstaats zu übermitteln ist.

Zu § 124 (Unzulässigkeit der Anerkennung)

Diese Bestimmung führt jene Umstände an, die die Anerkennung einer Europäischen Schutzanordnung unzulässig machen (negative materielle Voraussetzungen). Es wird vorgeschlagen, die in der RL-ESA vorgesehenen Gründe (Art. 10 und 20) weitgehend in das österreichische Recht zu übernehmen. Das Vorliegen solcher Gründe ist dabei in der Regel (lediglich) anhand der Angaben in der Europäischen Schutzanordnung zu prüfen.

Nach Z 1 ist die Überwachung entsprechend Art. 20 der RL unzulässig, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung und Überwachung im Inland nach dem V. Hauptstück oder für eine Anerkennung und Vollstreckung nach den bestehenden zivilrechtlichen Instrumenten im gegenständlichen Bereich – VO (EG) Nr. 44/2001, VO (EG) Nr. 2201/2003, Haager Übereinkommen von 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern, und Haager Übereinkommen von 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung – vorliegen. Diesem Ablehnungsgrund liegt der Gedanke zugrunde, dass den betreffenden Instrumenten ebenso wie der Anerkennung und Überwachung auf der Grundlage einer Bescheinigung nach Anhang X oder XII Vorrang vor den Maßnahmen nach diesem Abschnitt zukommen soll.

Die VO (EU) Nr. 606/2013 vom 12.6.2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen, ABl. L 2013/181, 4, ist in Art. 20 der RL nicht angeführt, weil sie zum Zeitpunkt der Erarbeitung der RL-ESA noch nicht fertiggestellt war. Schutzanordnungen, die in einem Strafverfahren ergehen, werden nach den §§ 122 ff. anzuerkennen und zu „vollstrecken“ sein während Anordnungen, die nicht im Rahmen eines Strafverfahrens ergehen, unter die VO 606/2013 fallen (und zwar auch dann, wenn sie von einem Strafgericht erteilt worden sind).

Z 2 stellt in Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 der RL klar, dass die Anerkennung nicht in Betracht kommt, wenn die geschützte Person im Inland weder wohnhaft noch aufhältig ist noch ihren Wohnsitz oder Aufenthalt nach Österreich verlegen will.

Nach Z 3 ist die Anerkennung in Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 lit. b der RL unzulässig, wenn der Europäischen Schutzanordnung keine der in § 122 Abs. 2 erschöpfend angeführten Schutzmaßnahmen zugrunde liegt.

Der Unzulässigkeitsgrund nach Z 4 (mangelnde beiderseitige Strafbarkeit nach österreichischem Recht) folgt aus Art. 10 Abs. 1 lit. c der RL.

Die in Z 5, 6, 7 und 9 vorgeschlagenen Unzulässigkeitsgründe (Amnestie im Falle einer Handlung, die dem Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze unterliegt, Immunität, Verjährung der Strafbarkeit, Immunität und mangelnde Strafmündigkeit) gründen sich auf Art. 10 Abs. 1 lit. d, e, f und h der RL.

Der Unzulässigkeitsgrund nach Z 8 basiert auf dem Verbot der Doppelbestrafung und –verfolgung (ne bis in idem, vgl. Art. 10 Abs. 1 lit. g der RL). In der RL wird in allgemeiner Form auf die Unzulässigkeit der Anerkennung einer Europäischen Schutzanordnung für den Fall abgestellt, dass sie dem Grundsatz ne bis in idem zuwiderlaufen würde. Der betreffende Verweis ist im Sinne der Rechtsprechung des EuGH auszulegen.

Wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Entscheidung, in der die Schutzmaßnahme angeordnet wurde, unter Verletzung von Grundrechten oder wesentlicher Rechtsgrundsätze im Sinne von Artikel 6 EUV zustande gekommen ist, so ist die Anerkennung nach Z 10 nur dann abzulehnen, wenn die gefährdende Person keine Möglichkeit hatte, die betreffenden Einwände vor einer zuständigen Behörde des Anordnungsstaats oder einem der beiden Europäischen Gerichtshöfe vorzubringen. Zur Verifizierung dieses Umstandes wird die zuständige Behörde des Anordnungsstaats nach § 126 Abs. 2 um ergänzende Informationen zu ersuchen sein. Dieser Unzulässigkeitsgrund wird nach dem Vorbild der §§ 40 Z 12, 52a Abs. 1 Z 10 und 53a Z 11 EU-JZG vorgeschlagen; er kann sich insbesondere auf Erwägungsgrund 37 der RL-ESA stützen. Die Voraussetzung der „objektiven Anhaltspunkte“ bedeutet, dass eine bloße Behauptung der gefährdenden Person, die nicht durch entsprechende Beweismittel belegt wird, in der Regel nicht ausreichend sein wird.

Zu § 125 (Zuständigkeit)

Für die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Europäischen Schutzanordnung soll entsprechend § 67 Abs. 1 ARHG das Landesgericht sachlich zuständig sein (Abs. 1).

Die örtliche Zuständigkeit (Abs. 2) richtet sich nach dem Ort des (bestehenden oder künftigen) Wohnsitzes oder Aufenthaltes der geschützten Person im Inland.

Die Abtretung bei Unzuständigkeit (Abs. 3) setzt Art. 8 Abs. 3 der RL um. Beim unzuständigen Gericht eingelangte Europäische Schutzanordnungen sollen an das zuständige Gericht abgetreten werden.

Zu § 126 (Verfahren)

§ 126 Abs. 1, 3 und 4 enthalten Regelungen über das Erfordernis des Anschlusses von Übersetzungen, den vorgesehenen Geschäftsweg und das rechtliche Gehör (formelle Voraussetzungen).

Wesentlich ist, dass die Anerkennung grundsätzlich auf der Grundlage der Angaben erfolgt, die in der Europäischen Schutzanordnung (s. Anhang) enthalten sind (Abs. 1). Dieser muss eine Übersetzung in die deutsche Sprache angeschlossen sein, sofern keine Gegenseitigkeit besteht, das heißt sofern der Anordnungsstaat nicht die Erklärung abgegeben hat, als Vollstreckungsstaat Europäische Schutzanordnungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren (vgl. § 135 Abs. 1).

Die Übermittlung der Entscheidung, in der die Schutzmaßnahme angeordnet wurde, ist nicht vorgesehen.

Die für den Europäischen Haftbefehl bestehenden Regelungen über den Geschäftsweg – grundsätzlich unmittelbarer Verkehr; Übermittlung auch per Fax oder E-Mail; Zuhilfenahme von EUROJUST und des Europäischen Justiziellen Netzes (EJN); Vermittlung durch das Bundesministerium für Justiz (§ 14 Abs. 1 bis 5) – können auf die Anerkennung Europäischer Schutzmaßnahmen sinngemäß angewendet werden (Abs. 3), zumal die RL keine abweichenden Bestimmungen enthält.

Wenn die Europäische Schutzanordnung in wesentlichen Teilen unvollständig ist, so ist die zuständige Behörde des Anordnungsstaates entsprechend Art. 9 Abs. 4 und 10 Abs. 1 lit. a der RL um Vervollständigung innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden angemessenen Frist unter Hinweis darauf zu ersuchen, dass bei fruchtlosem Fristablauf die Anerkennung verweigert werden wird. Für die Dauer der gesetzten Frist ist die Anerkennung aufzuschieben (Abs. 2).

Ohne dass dies in der RL ausdrücklich vorgesehen ist, sieht Abs. 4 die Gewährung des rechtlichen Gehörs für die geschützte und – aus Gründen der Waffengleichheit – auch für die gefährdende Person zu den Voraussetzungen der Anerkennung (§ 124) vor, wobei ein Anhörungsrecht der Letzteren nur für den Fall bestehen soll, dass sie im Inland geladen werden kann (vgl. § 64 Abs. 5 ARHG). Das Anhörungsrecht der gefährdenden Person wird sich dabei insbesondere auf die Unzulässigkeitsgründe nach § 124 Z 6, 9 und 10 sowie auf den Umstand beziehen, ob die Anerkennung zur Fortsetzung des Schutzes der geschützten Person erforderlich ist. Dem Opferschutz ist dadurch Rechnung getragen, dass auf die Anhörung der gefährdenden Person verzichtet werden kann, wenn durch das Verfahren der Anhörung der Schutzzweck gefährdet wäre (also, wenn im Lichte des Vorranges des Opferschutzes eine dringende Gefährdungslage abzuwenden ist). Eine eigenhändige Zustellung der Ladung ist nicht erforderlich. Wenn der Betreffende der Ladung keine Folge leistet, ist im Hinblick auf die ohnehin bestehende Rechtsmittelmöglichkeit (s. § 127 Abs. 2) ohne dessen Anhörung zu entscheiden.

Zu § 127 (Entscheidung)

§ 127 regelt die inländische Entscheidung über die Anerkennung. Darüber soll nach Abs. 1 mit Beschluss zu entscheiden sein.

Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten im gegenständlichen Bereich ist im Einklang mit der RL keine „Vollstreckung“ der ausländischen Schutzmaßnahme vorgesehen. Vielmehr hat das Gericht der gefährdenden Person eine oder mehrere in einem vergleichbaren inländischen Verfahren zulässige Anordnungen gemäß § 51 Abs. 2 StGB (Weisungen) und § 173 Abs. 5 Z 3 bis 5 StPO (gelindere Mittel) zu erteilen, wobei diese soweit wie möglich den vom Anordnungsstaat angeordneten Schutzmaßnahmen zu entsprechen haben (Abs. 2). Dabei ist vom Gericht – ebenfalls in Anlehnung an die ausländische Entscheidung, in der die Schutzmaßnahme angeordnet wurde – ein angemessener Zeitraum zu bestimmen, innerhalb der die Entsprechung der erteilten Anordnungen durch die gefährdende Person überwacht wird, wobei sich die Überwachung nach österreichischem Recht richtet (Abs. 4).

Gegen den Beschluss soll der Staatsanwaltschaft, der geschützten und der gefährdenden Person ein Rechtsmittelrecht zustehen (Abs. 3). Da eine Anordnung, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommen solle, nicht vorgeschlagen wird, kommt die allgemeine Bestimmung des § 87 Abs. 3 StPO zum Tragen, wonach einer Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt. Dies ist im Sinne des Schutzes der geschützten Person beabsichtigt.

Zu § 128 (Verständigungspflichten des Vollstreckungsstaates)

Abs. 1 dieser Bestimmung führt im Einklang mit Art. 9 Abs. 3, 10 Abs. 2 lit. a, 11 Abs. 2 und 3, und 14 Abs. 2 der RL-ESA jene Maßnahmen oder Entscheidungen an, von denen die zuständige Behörde des Anordnungsstaats in Kenntnis zu setzen ist.

Die Mitteilung der Entscheidung über die Ablehnung der Anerkennung (Z 1) hat jedenfalls eine Angabe der maßgeblichen Gründe zu enthalten; damit soll nicht ausgeschlossen werden, dass die zuständige Behörde des Anordnungsstaates auch in den anderen Fällen über alle maßgeblichen Umstände in Kenntnis gesetzt werden sollte.

Die Verständigung über einen Verstoß gegen die erteilten nationalen Anordnungen (Z 3), hat unter Verwendung des Formblattes nach Anhang XVI zu erfolgen. Diesem ist eine Übersetzung in eine Amtssprache des Anordnungsstaates anzuschließen, sofern der Anordnungsstaat nicht die Erklärung abgegeben hat, Formblätter auch in deutscher Sprache zu akzeptieren.

Abs. 2 führt in Umsetzung von Art. 9 Abs. 3, 10 Abs. 2 lit. b, 12 und 14 Abs. 2 der RL jene Umstände an, von denen die geschützte sowie gegebenenfalls auch die gefährdende Person und ein Staat in Kenntnis zu setzen sind, der Bewährungsmaßnahmen oder alternative Sanktionen (§§ 81 – 99) überwacht (vollstreckender Staat im Sinn von § 2 Z 7 lit. f). Eine Mitteilung der Kontaktdaten der geschützten Person an die gefährdende Person hat nach Möglichkeit zu unterbleiben. Die Verständigung der geschützten Person von der Ablehnung der Anerkennung der Europäischen Schutzanordnung hat entsprechend Art. 10 Abs. 2 lit. c der RL gegebenenfalls auch einen Hinweis auf die Befugnisse der inländischen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 38a SPG bzw. auf die Möglichkeit zu enthalten, im Inland eine Entscheidung nach §§ 382b und 382e EO zu beantragen.

In Abs. 4 wird in Umsetzung von Art. 11 Abs. 3 der RL eine Verständigungspflicht für den Fall statuiert, dass in einem vergleichbaren Fall nach nationalem Recht die Erteilung einer Anordnung nach § 127 Abs. 2 nicht in Betracht kommt. Auf diese Weise soll die zuständige Behörde des Anordnungsstaates in die Lage versetzt werden, über die infolge des Verstoßes zu treffenen Maßnahmen zu entscheiden.

Zu § 129 (Rechtsfolgen eines Verstoßes im Vollstreckungsstaat)

Diese Bestimmung stellt in Umsetzung von Art. 11 der RL klar, dass dem zuständigen inländischen Gericht im Falle eines Verstoßes gegen die erteilten Anordnungen nach § 127 Abs. 3 keine Zuständigkeit für Folgeentscheidungen zukommt. Für derartige Entscheidungen ist ausschließlich die Behörde des Anordnungsstaates zuständig (s. § 130). Es sind lediglich dringende vorläufige Maßnahmen zu veranlassen, um den Verstoß zu beenden, bis der Anordnungsstaat gegebenenfalls eine weitere Entscheidung getroffen hat (Z 1). Darunter fällt insbesondere eine Verständigung der Sicherheitsbehörden zur allfälligen Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur allgemeinen Gefahrenabwehr (vgl. § 21 f SPG).

Naturgemäß besteht allerdings eine Zuständigkeit für den Fall des bestehenden Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung durch die gefährdende Person. Zum Zwecke von deren Wahrnehmung ist die Staatsanwaltschaft zu befassen (Z 2).

Zu § 130 (Zuständigkeit des Anordnungsstaates)

Wie erwähnt, kommt der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates im Einklang mit Art. 13 Abs. 1 der RL die ausschließliche Zuständigkeit für Folgeentscheidungen im Falle eines Verstoßes gegen die erteilten Anordnungen nach § 127 Abs. 3 zu. Zu diesem Zweck ist diese vom Gericht von einem solchen Verstoß in Kenntnis zu setzen (§ 128 Abs. 1 Z 3). Die in der Folge in Betracht kommenden, von der zuständigen Behörde des Anordnungsstaats zu treffenden Entscheidungen werden in § 130 angeführt.

Zu § 131 (Folgen einer Änderung der Europäischen Schutzanordnung)

Diese Bestimmung führt in Umsetzung von Art. 13 Abs. 7 der RL jene Maßnahmen an, die das inländische Gericht treffen kann, wenn die zuständige Behörde des Anordnungsstaates eine geänderte Europäische Schutzanordnung übermittelt.

Zu § 132 (Aufhebung der erteilten Anordnungen)

Abs. 1 dieser Bestimmung führt entsprechend Art. 13 Abs. 6 und 14 der RL jene Fälle an, in denen die nach Anerkennung der Europäischen Schutzanordnung erteilten nationalen Anordnungen später aufzuheben sind.

Wenn die Aufrechterhaltung der Weisung oder des gelinderen Mittels in einem vergleichbaren inländischen Verfahren nicht mehr zulässig scheint (Abs. 1 Z 2), kann dieses die zuständige Behörde des Anordnungsstaates erforderlichenfalls um Darlegung der fortbestehenden Schutzwürdigkeit der geschützten Person ersuchen (vgl. Art. 14 Abs. 3 der RL). Das soll in Abs. 2 vorgesehen werden.

Der Aufhebungsgrund nach Abs. 1 Z 4 – Einlangen einer Entscheidung nach dem V. Hauptstück bzw. eines Ersuchens um Anerkennung und Vollstreckung nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 oder einem der beiden Haager Übereinkommen – basiert auf dem in Art. 20 der RL zum Ausdruck gebrachten Gedanken, dass der Anerkennung und Überwachung bzw. Vollstreckung der betreffenden Entscheidungen Vorrang vor der Europäischen Schutzanordnung zukommen soll (so auch schon § 124 Z 1). Dies gilt im Hinblick auf die vorgesehenen unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen auch für den Fall der Übermittlung an ein anderes inländisches Gericht.

Zu § 133 (Kosten)

Durch die in § 133 vorgeschlagene Bestimmung soll in Umsetzung von Art. 18 der RL klargestellt werden, dass eine Erstattung der im Zusammenhang mit der Anerkennung der Europäischen Schutzanordnung und der nachfolgenden Erteilung nationaler Anordnungen zur Fortsetzung des Schutzes der geschützten Person im Inland und deren Überwachung entstandenen Kosten vom Anordnungsstaat nicht begehrt werden kann. Jene Kosten, die ausschließlich im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaates entstanden sind, sind allerdings von diesem Staat zu tragen.

Zu § 134 (Erlass einer Europäischen Schutzanordnung)

In Abs. 1 dieser Bestimmung werden die Voraussetzungen für den Erlass einer Europäischen Schutzanordnung entsprechend Art. 2 Z 2, 5 und 6 Abs. 1 und 2 der RL-ESA wie folgt festgelegt:

 

             - in einem Strafverfahren wurden dem Betroffenen („gefährdende Person“) Anordnungen gemäß § 51 Abs. 2 StGB (Weisungen) oder § 173 Abs. 5 Z 3 bis 5 StPO (gelindere Mittel) erteilt, um eine andere Person („geschützte Person“) vor einer strafbaren Handlung gegen ihr Leben, ihre körperliche oder seelische Integrität, ihre Würde, ihre persönliche Freiheit oder ihre sexuelle Integrität zu schützen;

             - die Anordnungen haben die in § 122 Abs. 2 angeführten Verbote oder Beschränkungen zum Inhalt;

             - die geschützte Person hat ihren Wohnsitz oder Aufenthalt in einen anderen Mitgliedstaat verlegt oder beabsichtigt, dies zu tun; und

             - die Bedrohungslage der geschützten Person dauert in dem anderen Mitgliedstaat („Vollstreckungsstaat“) an.

Hervorgehoben sei, dass eine Europäische Schutzanordnung nur auf Antrag der geschützten Person zu erlassen ist. Bei der Entscheidung über den Antrag ist insbesondere die Dauer des Aufenthalts der geschützten Person im Vollstreckungsstaat und die Bedrohungslage der geschützten Person zu prüfen (Abs. 2).

Abs. 3 statuiert entsprechend Art. 6 Abs. 4 der RL vor der Entscheidung über den Erlass einer Europäischen Schutzanordnung ein Anhörungsrecht der geschützten Person, sofern diese nicht ohnehin im Zuge der Antragstellung gehört wurde, und der gefährdenden Person, sofern sie bisher zur Schutzmaßnahme nicht gehört wurde. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass zu der Art der Weisungen nach § 51 Abs. 2 StGB keine besondere Anhörung des Betroffenen stattfindet. Aus Gründen der Waffengleichheit soll auch der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt werden.

In Abs. 4 wird entsprechend Art. 20 der RL festgelegt, dass der Erlass einer Europäischen Schutzanordnung nicht in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung und Überwachung im Vollstreckungsstaat nach dem V. Hauptstück oder für eine Anerkennung und Vollstreckung nach den bestehenden zivilrechtlichen Instrumenten – Verordnung (EG) Nr. 44/2001, Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 oder eines der beiden Haager Übereinkommen – vorliegen. Dem liegt, wie erwähnt, der Gedanke zugrunde, dass den betreffenden Instrumenten sowie der Anerkennung und Überwachung auf der Grundlage einer Bescheinigung nach Anhang X oder XII Vorrang vor Maßnahmen nach diesem Hauptstück zukommen soll. Zum Verhältnis der RL zur VO Nr. 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen wird auf die Ausführungen zu § 124 Z 1 verwiesen.

In Abs. 5 wird in Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 und 7 der RL ein Rechtsmittelrecht gegen die Erlassung oder Nichterlassung einer Europäischen Schutzanordnung statuiert, wobei ein solches der gefährdenden Person im Einklang mit der RL nur für den Fall besteht, dass sie bisher zur Schutzmaßnahme nicht gehört wurde. Über das bestehende Rechtsmittelrecht sind die geschützte und gegebenenfalls die gefährdende Person zu belehren, wobei dies anlässlich der nach Abs. 3 vorgesehenen Vernehmung (bzw. anlässlich der Ladung zu derselben) zu geschehen hat.

Zu § 135 (Befassung eines anderen Mitgliedstaats)

Abs. 1 dieser Bestimmung legt entsprechend Art. 8 und 17 Abs. 1 und 3 der RL die erforderlichen Unterlagen und den Geschäftsweg für die Befassung eines anderen Mitgliedstaates fest.

Der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates ist die ausgefüllte und unterzeichnete Europäische Schutzanordnung (Anhang XV) zu übermitteln, der eine Übersetzung in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsstaates anzuschließen ist, sofern dieser Staat nicht erklärt hat, Europäische Schutzanordnungen auch in deutscher Sprache zu akzeptieren. Der Bundesminister für Justiz hat eine Liste jener Staaten zu verlautbaren, die gegenüber der Europäischen Kommission die Erklärung abgegeben haben, die deutsche Amtssprache zu akzeptieren. Es wird in Aussicht genommen, dass Österreich gegenüber der Kommission einen Übersetzungsverzicht auf der Grundlage der Gegenseitigkeit erklären wird.

Zum Geschäftsweg genügt auch hier ein Verweis auf § 14 Abs. 1 bis 5 EU-JZG (Abs. 2). Erfolgte die Übermittlung nicht auf dem Postweg, sondern per Telefax oder E-Mail (§ 14 Abs. 3 EU-JZG), so ist der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates über deren Ersuchen zwecks Verifizierung der Echtheit der übermittelten Unterlagen das Original der Europäischen Schutzanordnung auf dem Postweg nachzureichen.

Zu § 136 (Änderung oder Zurückziehung der Europäischen Schutzanordnung)

Im Falle eines Verstoßes gegen die erteilten Anordnungen kommt dem inländischen Gericht die ausschließliche Zuständigkeit für Folgeentscheidungen zu (s. § 130). Im Hinblick darauf ist es entsprechend Art. 12 der RL von der zuständigen Behörde des Vollstreckungsstaates von jedem derartigen Verstoß in Kenntnis zu setzen (vgl. § 128 Abs. 1 Z 3).

Nach Erhalt einer entsprechenden Verständigung hat das Gericht entsprechend Art. 13 Abs. 1 der RL zu prüfen, ob Anlass zur Verlängerung der Probezeit, zur Änderung der Anordnung, zum Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder der bedingten Entlassung, zu einem nachträglichen Strafausspruch oder zur Anordnung der Verhängung der Untersuchungshaft besteht.

Vom Ergebnis der Prüfung ist die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaates, gegebenenfalls unter Anschluss einer entsprechend geänderten Europäischen Schutzanordnung bzw. mit dem Beifügen in Kenntnis zu setzen, dass die Europäische Schutzanordnung zurückgezogen wird (s. Art. 13 Abs. 5 der RL). Dies wird in Abs. 1 klargestellt.

Abs. 2 legt in Umsetzung von Art. 13 Abs. 4 der RL fest, dass das inländische Gericht für den Fall, dass die Anordnung in einer Entscheidung nach dem Ersten Abschnitt des V. Hauptstücks enthalten ist, die einem anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Anerkennung und Überwachung übermittelt wurde, und die zuständige Behörde dieses Staates (im Sinn von § 2 Z 7 lit. f) aufgrund eines Verstoßes gegen die Anordnung Folgeentscheidungen nach § 90 Abs. 1 getroffen hat, die sich auf die der Europäischen Schutzanordnung zugrunde liegende Schutzmaßnahme auswirken, nach erfolgter Verständigung von diesem Umstand durch die zuständige Behörde des überwachenden Staates die Europäische Schutzanordnung unverzüglich entsprechend zu ändern (und die zuständige Behörde des Vollstreckungsstaates unter Anschluss einer derart geänderten Schutzanordnung von der erfolgten Änderung in Kenntnis zu setzen) oder zurückzuziehen hat.

Zu § 137 (Beantwortung von Ersuchen)

§ 137 stellt in Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 letzter Satz der RL klar, dass eine Anfrage der Behörde des Anordnungsstaates, ob der aufgrund der Europäischen Schutzanordnung vorgesehene Schutz noch erforderlich ist, unverzüglich zu beantworten ist.

Zu Z 19 (§ 140 Abs. 13 EU-JZG)

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Es wird ein Inkrafttreten zum 1.1.2015 vorgeschlagen. Damit kann die Frist zur Umsetzung der RL-ESA – 11.1.2015 (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1) – eingehalten werden.

Zu Z 20 (§ 141 EU-JZG)

Diese Bestimmung enthält die in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL vorgeschriebene Bezugnahme auf die RL.

Zu Z 21 (Anhänge XV und XVI)

Bei Anhang XV handelt es sich um die Europäische Schutzanordnung nach Art. 7 der RL-ESA.

Bei Anhang XVI handelt es sich um das Formblatt nach Art. 12 der RL-ESA (Meldung eines Verstoßes gegen die aufgrund der Europäischen Schutzanordnung erlassene Maßnahme).

Zu Artikel 2 (Änderungen des ARHG)

Zu Z 1 (§ 19a ARHG)

Art. 4a des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2002/190, 1, idF des Rahmenbeschlusses zur Änderung der Rahmenbeschlüsse 2002/584/JI, 2005/214/JI, 2006/783/JI, 2008/909/JI, und 2008/947/JI, zur Stärkung der Verfahrensrechte von Personen und zur Förderung der Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen, die im Anschluss an eine Verhandlung ergangen sind, zu der die betroffene Person nicht erschienen ist, ABl. L 2009/81, 24, regelt im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zulässig ist, der auf die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme abzielt, die in Abwesenheit des Verurteilten ausgesprochen wurde.

Die Bestimmung ist in Österreich durch § 11 EU-JZG umgesetzt (idF des EU-JZG-ÄndG 2013, BGBl I Nr. 175/2013).

Im Bereich des ARHG besteht bisher keine vergleichbare Regelung; es steht nur die allgemeine Bestimmung über die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze in § 19 zur Verfügung, die auf das Thema Abwesenheitsentscheidungen nicht eingeht.

Der OGH hat in seinen Urteilen vom 5.11.2013, 14 Os 145/13z, EvBl 2014/27 und JSt 2014/3, 43 (Migutsch), und vom 28.1.2014, 14 Os 149/13p (zu diesen siehe Erlass des BMJ vom 25.2.2014, BMJ-S303.005/0001-IV 4/2014, JABl. Nr. 9/2014), bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Auslieferung an einen Drittstaat die in § 11 Abs. 1 EU-JZG enthaltenen Kriterien herangezogen.

Zur Schaffung von Rechtssicherheit und zur Gewährung der Grundrechte der betroffenen Person wird daher vorgeschlagen, eine dem § 11 Abs. 1 EU-JZG bzw. der Rechtsprechung des EGMR i.G. entsprechende Bestimmung mutatis mutandis in das ARHG zu übernehmen (§ 19a).

Nach Abs. 1 soll die Auslieferung zur Vollstreckung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Sanktion, die in einem Abwesenheitsurteil ausgesprochen wurde, nur dann zulässig sein, wenn die auszuliefernde Person entweder

             - Kenntnis von Zeit und Ort der Verhandlung und von den Folgen ihres allfälligen Ausbleibens hatte (Z 1). Diese Kenntnis setzt grundsätzlich die persönliche Zustellung der Ladung voraus, wobei auch eine Zustellung durch Hinterlegung nach vorangegangenen Zustellversuchen in Betracht kommt. Im Fall einer anderweitigen Benachrichtigung von Zeit und Ort der Verhandlung muss die auszuliefernde Person von dieser Benachrichtigung Kenntnis erlangt haben, sodass ein Anschlag an der Gerichtstafel idR nicht ausreichend sein wird. Grundsätzlich wird von der Kenntnis auszugehen sein, wenn der auszuliefernden Person die Ladung an dem Ort zugestellt wurde, an dem sie gemeldet ist und sich regelmäßig aufhält;

             - oder in Kenntnis der anberaumten Verhandlung einen selbst gewählten oder vom Gericht beigegebenen Verteidiger mit ihrer Vertretung in der Verhandlung betraut hat und von diesem in der Verhandlung auch tatsächlich vertreten wurde (Z 2). Dabei kommt es entsprechend der Rechtsprechung des EGMR darauf an, dass – unabhängig davon, ob der Verteidiger von der auszuliefernden Person bestellt oder dieser vom Gericht beigegeben wurde – tatsächlich ein Kontakt zwischen der auszuliefernden Person und dem Verteidiger stattgefunden hat, in dessen Verlauf Letzterer von der auszuliefernden Person instruiert werden konnte. Dementsprechend reicht es nicht aus, wenn der auszuliefernden Person ein Amtsverteidiger beigegeben wurde, von dessen Bestellung sie keine Kenntnis hatte;

             - oder nach erfolgter Zustellung des in Abwesenheit ergangenen Urteils samt Rechtsmittelbelehrung entweder

                         - ausdrücklich erklärt hat, die Entscheidung nicht anzufechten; oder

                         - von der bestehenden Rechtsmittelmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat (Z 3).

Das Vorliegen der angeführten Voraussetzungen ist anhand der Auslieferungsunterlagen und der gegebenenfalls vom ersuchenden Staat übermittelten ergänzenden Informationen zu prüfen.

Für den Fall, dass die Grundrechtskonformität des Verfahrens im ersuchenden Staat im Sinne von Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 nicht festgestellt werden kann, somit subsidiär, ist nach Abs. 2 entsprechend der Judikatur des EGMR, wonach eine Heilung der durch ein Abwesenheitsurteil bewirkten Verletzung der EMRK eintritt, wenn dem Verurteilten ein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung steht, der eine Neudurchführung der Verhandlung ermöglicht (s. etwa das in Großer Kammer ergangene Urteil vom 1.3.2006, 56.581/00, Sejodovic/Italien, NLMR 2006, 69), eine ausreichende Zusicherung der Verfahrenswiederholung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs und unter Einhaltung der Verfahrensrechte vom ersuchenden Staat einzuholen (so auch die erwähnten Entscheidungen des OGH). Die Zusicherung ist auf dem grundsätzlich vorgesehenen Geschäftswegs über das Bundesministerium für Justiz einzuholen, an das zu diesem Zweck ein entsprechender Antrag zu richten ist, der auch von der Staatsanwaltschaft gestellt werden kann.

Als ausreichend kann eine solche Zusicherung dann angesehen werden, wenn ihr zu entnehmen ist, dass im ersuchenden Staat für die auszuliefernde Person eine effektive Möglichkeit der Verfahrenswiederholung auf der Grundlage geltender Gesetze tatsächlich besteht, eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung – auch zu den allenfalls bestehenden Fristen – ergeht und dem Auszuliefernden ein einfacher Rechtsbehelf zur Verfügung steht, der keine besondere Darlegungs- und Beweislast verlangt und zur Verfahrenswiederholung führt. Zudem müssen der auszuliefernden Person im erneuerten Verfahren die Verteidigungsrechte umfassend zustehen, sodass für diese eine neuerliche Prüfung des Sachverhalts, auch unter Berücksichtigung neuer Beweise, in ihrer Anwesenheit und eine Aufhebung der Entscheidung zu erreichen ist.

Zu Z 2 (§ 31 Abs. 6 ARHG)

§ 31 Abs. 6 dritter Satz (eingeführt mit dem Strafprozessreformbegleitgesetz II, BGBl. I Nr. 112/2007) sieht vor, dass das Rechtsmittelgericht Beschwerden nur in Fällen des § 89 Abs. 2 StPO außerhalb einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erledigen kann. Dadurch sind – im Gegensatz zur davor geltenden Rechtslage – eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht in nichtöffentlicher Verhandlung, insbesondere bei in der Praxis häufigen Fällen mangelhafter Beweisaufnahme durch das Erstgericht (s. § 89 Abs. 2a Z 3 StPO), nicht mehr möglich. Diese Situation soll nunmehr im Interesse eines ressourcenschonenden Personaleinsatzes saniert werden.

Zu Z 3 und 4 (§ 32 Abs. 1 und 2 ARHG)

In Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 des 3. Zusatzprotokolls zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen, das von Österreich bald ratifiziert werden soll, Art. 7 Abs. 2 des Übereinkommens über das vereinfachte Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der EU, ABl. C 1995/78, 1, BGBl. III Nr. 169/2000, und Art. 13 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2002/190, 1 (über den Verweis in § 20 EU-JZG) soll klargestellt werden, dass der Betroffene im Auslieferungsverfahren das Recht hat, sich vor Erteilung der Zustimmung zur Auslieferung im vereinfachten Verfahren mit einem Verteidiger zu beraten (Abs. 1), worüber er vom Gericht zu belehren ist (Abs. 2).

Zu Z 5 (§§ 59b und 59c ARHG)

Zu § 59b (kontrollierte Lieferung)

Nach Art. 18 des 2. ZP haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass über entsprechendes Ersuchen kontrollierte Lieferungen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen wegen auslieferungsfähiger Straftaten genehmigt werden können. Die Entscheidung über deren Zulässigkeit und die Durchführung der kontrollierten Lieferung richtet sich dabei nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates.

Eine ähnliche Regelung ist in Art. 12 des EU-RH-Übk enthalten, der durch §§ 71 f EU-JZG umgesetzt wurde.

Festzuhalten ist, dass eine kontrollierte Lieferung ausschließlich verkehrsbeschränkte oder verbotene Gegenstände, nicht auch Personen betrifft. Die Durchbeförderung von Personen durch Österreich im Rahmen von Schlepperei fällt daher nicht unter die Definition einer kontrollierten Lieferung.

Die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Hehlerei- und Diebsware durch das Bundesgebiet wird nur dann eine kontrollierte Lieferung darstellen, wenn durch die Beförderung oder Verheimlichung der Gegenstände auch im Inland eine strafbare Handlung verwirklicht wird.

Eine kontrollierte Lieferung ist in erster Linie der Verzicht der Staatsanwaltschaft auf ein Einschreiten hinsichtlich der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Verbotswaren, deren Innehabung im Bundesgebiet unter gerichtlicher Strafe steht (vgl. § 99 Abs. 4 und 5 StPO). Regelmäßig findet die kontrollierte Lieferung auch unter Observation statt. Diese dient dazu, den Weg der Lieferung zu verfolgen, den jederzeitigen Zugriff auf die Verdächtigen und die Waren im Inland sicherzustellen und die Übernahme der kontrollierten Lieferung durch die Behörden des anderen Staates zu ermöglichen.

Eine zugelassene Einfuhr von verkehrsbeschränkten oder verbotenen Gegenständen in das Bundesgebiet stellt deshalb keine kontrollierte Lieferung dar, weil die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen nicht zu einem Einschreiten verpflichtet ist.

§ 59b Abs. 1 legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine kontrollierte Lieferung auf Ersuchen eines anderen Staates zu bewilligen ist: Der kontrollierten Lieferung oder dem ausländischen Strafverfahren muss eine auslieferungsfähige Straftat zugrunde liegen. Im Übrigen ist eine kontrollierte Lieferung insoweit zulässig, als sie nach § 99 Abs. 4 StPO zulässig ist (Abs. 2 Z 1).

Abs. 3 regelt die Zuständigkeit zur Entscheidung über derartige Ersuchen, wobei grundsätzlich die Zuständigkeit jener Staatsanwaltschaft statuiert wird, in deren Sprengel die Grenze voraussichtlich überschritten wird oder von deren Sprengel die kontrollierte Lieferung ausgehen soll.

Entsprechend Art. 18 Abs. 3 des 2. ZP liegt die Befugnis zum Einschreiten, zur Leitung und zur Kontrolle des Einsatzes bei den österreichischen Behörden (Abs. 4). Die Grenzen des § 5 Abs. 3 StPO dürfen nicht überschritten werden.

Durch Abs. 2 Z 2 wird die weitere Überwachung und der Zugriff im anderen Staat sichergestellt, so dass dort das Strafverfahren durchgeführt werden kann. Nach Abschluss der Lieferung hat die Staatsanwaltschaft daher zu prüfen, ob dieser Staat um Übernahme der Strafverfolgung ersucht werden soll (Abs. 5).

Zu § 59c (Verdeckte Ermittlungen):

Art. 19 des 2. ZP sieht vor, dass die Vertragsstaaten einander bei strafrechtlichen Ermittlungen durch verdeckt oder unter falscher Identität handelnde Organe unterstützen.

 

Eine entsprechende Bestimmung findet sich in Art. 14 des EU-RH-Übk., umgesetzt durch §§ 73 f EU-JZG. Dabei sind folgende Konstellationen erfasst:

             - ein Vertragsstaat stellt ein Rechtshilfeersuchen, um einen eigenen verdeckten Ermittler im ersuchten Staat einzusetzen;

             - ein Vertragsstaat ersucht um Einsatz eines verdeckten Ermittlers eines anderen Vertragsstaates auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates; und

             - ein Vertragsstaat ersucht einen anderen Vertragsstaat um Einsatz eines verdeckten Ermittlers des ersuchenden Staates auf dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates.

 

Die Entscheidung über die verdeckte Ermittlung erfolgt auf der Grundlage des nationalen Rechts des ersuchten Vertragsstaates. Wesentlich ist, dass das Ersuchen von einer Justizbehörde stammt, die den Einsatz in einem eingeleiteten Straf- oder Ermittlungsverfahren bereits bewilligt hat (Abs. 1). Die Möglichkeit des Tätigwerdens ausländischer Organe im Bundesgebiet nach § 15 PolKG bleibt unberührt.

Eine verdeckte Ermittlung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 131 Abs. 2 StPO anzuordnen. Dabei handelt es sich um eine Ermittlungsmaßnahme, die gemäß dem § 147 Abs 1 Z 1 StPO der Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten unterliegt.

Zuständig ist jene Staatsanwaltschaft, in deren Sprengel der Einsatz voraussichtlich beginnen soll (Abs. 1).

Der Einsatz darf längstens für einen Monat angeordnet werden. Er ist zu beenden, sobald die Voraussetzungen für die weitere Durchführung wegfallen oder der Zweck der Ermittlungshandlungen dadurch nicht mehr erreicht wird (Abs. 2).

Der verdeckte Ermittler ist ausschließlich durch das Bundesministerium für Inneres (Bundeskriminalamt bzw. Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung; BVT) zu führen (Abs. 3). Sein Einsatz richtet sich nach § 131 Abs. 3 StPO.

Zu Z 6 (§§ 76a und 76b ARHG)

Art. 20 des 2. ZP sieht die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen zwischen den zuständigen Behörden zweier oder mehrerer Vertragsstaaten zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen im Hoheitsgebiet einer oder mehrerer dieser Staaten vor. Ähnliche Regelungen sind in Art. 13 des EU-RH-Übk sowie im Rahmenbeschluss 2002/465/JI vom 13.6.2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, ABl. L 2002/162, 1, enthalten; diese Bestimmungen sind durch §§ 60 bis 62 und 76 EU-JZG umgesetzt.

Zu § 76a (Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland)

§ 76a regelt die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen im Inland unter Beteiligung von Organen anderer Vertragsstaaten. Der betreffende Vorschlag der Staatsanwaltschaft ist im Wege des Bundesministeriums für Justiz an die in Betracht kommenden übrigen Staaten zu übermitteln (Abs. 1).

Für die näheren Voraussetzungen für die Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen und für Ersuchen um deren Bildung (Art. 20 Abs. 1 lit. a und b und Abs. 2 2. ZP) wird auf § 60 EU-JZG verwiesen.

Hinsichtlich der Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe enthält Art. 20 keine Regelungen. Es obliegt daher den Vertragsstaaten, die nach ihrem nationalen Recht für die konkreten Ermittlungen jeweils zuständigen Organe zu entsenden. Die Gruppe kann daher aus Richtern, Staatsanwälten, Exekutivbeamten, aber auch sonstigen Personen, bestehen. Wesentlich ist, dass eine gemeinsame Ermittlungsgruppe im Inland nur tätig werden darf, wenn ihr ein österreichisches Mitglied angehört, dem auch die Leitung der Ermittlungstätigkeiten im Inland obliegt. Die Befugnisse der gemeinsamen Ermittlungsgruppe richten sich nach österreichischem Recht (Abs. 3).

Die Befugnisse der in die gemeinsame Ermittlungsgruppe entsandten Vertreter der beteiligten Vertragsstaaten ergeben sich aus Art. 20 Abs. 5, 6, 9 und 10 des 2. ZP. Durch den Verweis auf § 62 Abs. 1 EU-JZG ist klargestellt, dass Informationen, die im Rahmen einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland erlangt wurden, von den Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten in dem Umfang verwendet werden können, in dem sie auch im Rechtshilfeweg hätten erlangt werden können.

Über Ersuchen eines anderen Vertragsstaates um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Inland entscheidet die Staatsanwaltschaft (Abs. 2).

Zu § 76b (Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Ausland)

Abs. 1 regelt die Vorgangsweise, wenn sich im Rahmen eines inländischen Strafverfahrens die Notwendigkeit zur Durchführung von Ermittlungen in einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten ergibt, die Anlass zur Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe geben, und legt die diesbezügliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft fest.

Abs. 2 stellt klar, dass die Teilnahme österreichischer Behördenvertreter an einer im Ausland gebildeten gemeinsamen Ermittlungsgruppe nur für den Fall in Betracht kommt, dass die dieser zugrunde liegenden Straftaten auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Teilnahme auch der Aufklärung einer unter den Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze fallenden Straftat dient (ebenso schon § 76 EU-JZG). Durch den Verweis auf § 62 Abs. 2 und 3 EU-JZG wird die Verwendung der im Zuge der Teilnahme an einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe erlangten Informationen geregelt.

Zu Artikel 3 (Änderung des Strafregistergesetzes 1968)

Zu Z 1 und 2 (§ 10a Abs. 1 und § 10b Abs. 1 und 2 Strafregistergesetz)

1. Nach Art. 10 Abs. 2 und 3 der RL 2011/93/EU vom 17.12.2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, ABl. L 2011/335, 1, berichtigt ABl. L 2012/18, 7; in der Folge: RL Kinderpornographie) hat jeder Mitgliedstaat sicherzustellen, dass Arbeitgeber bei der Einstellung einer Person für berufliche oder organisierte freiwillige Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, das Recht haben, entweder unmittelbar oder über den Betroffenen Informationen über im Strafregister bestehende Verurteilungen wegen Sexualstraftaten an Kindern und über aufgrund solcher Verurteilungen bestehende Tätigkeitsverbote zu erhalten, wobei die betreffenden Informationen im Wege des elektronischen Austauschs aus dem Strafregister an andere Mitgliedstaaten zu übermitteln sind.

Von Österreich wurden die erwähnten Bestimmungen in einer Weise umgesetzt, die zwar die Erteilung der angeführten Informationen ermöglichen, allerdings nicht im Wege des elektronischen Austauschs aus dem Strafregister. Vielmehr hat der im Ausland befindliche Betroffene bei der österreichischen Vertretungsbehörde einen Antrag auf Ausstellung einer Strafregisterbescheinigung zu stellen, dem eine Bestätigung des potenziellen Dienstgebers anzuschließen ist, wonach diese zur Prüfung der Eignung zur Ausübung einer beruflichen oder organisierten ehrenamtlichen Tätigkeit, die hauptsächlich die Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung, Pflege oder Ausbildung Minderjähriger umfasst, benötigt wird (§ 10 Abs. 1b).

Im Hinblick darauf, dass die betreffenden Informationen nach österreichischem Recht somit nicht elektronisch an die Zentralbehörde des ersuchenden Mitgliedstaates übermittelt werden können, wurde Österreich von der Europäischen Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens angedroht.

Dies legt eine Überarbeitung nahe. Auf das Erfordernis des Anschlusses der angeführten Bestätigung des potenziellen Dienstgebers soll nun verzichtet werden; es wird davon ausgegangen, dass die Notwendigkeit der begehrten Strafregisterbescheinigung zwecks Prüfung der Eignung zur Ausübung einer Tätigkeit mit Kindern von der Zentralbehörde des ersuchenden Mitgliedstaates vor Stellung des Ersuchens geprüft wurde (§ 10b Abs. 2).

Für den nationalen Bereich soll dieses Erfordernis allerdings aufrechterhalten werden (§ 10 Abs. 1b), weil es hier keine ausländische Behörde gibt, die die Notwendigkeit der begehrten Strafregisterbescheinigung zwecks Prüfung der Eignung zur Ausübung einer Tätigkeit mit Kindern geprüft hat.

2. Das vorgeschlagene Zustimmungserfordernis des Betroffenen (§ 10a Abs. 1) gründet sich auf den in Art. 10 Abs. 3 der RL Kinderpornographie enthaltenen Verweis auf das nach dem Rahmenbeschluss 2009/315/JI vom 26.5.2009 über die Durchführung und den Inhalt des Austauschs von Informationen aus dem Strafregister zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2009/93, 23, vorgesehene Verfahren; dieser Verweis umfasst daher auch Art. 7 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses, wonach sich die Erledigung von Ersuchen „zu anderen Zwecken als jenen eines Strafverfahrens“ nach nationalem Recht richtet. Wenn daher im österreichischen nationalen Recht, wie vorgeschlagen, ein derartiges Zustimmungserfordernis statuiert wird, wie dies übrigens auch in der überwiegenden Zahl der übrigen Mitgliedstaaten geschehen ist, so ist die Bindung der Entsprechung der Ersuchen an das betreffende Erfordernis als richtlinienkonform anzusehen.

Das Vorliegen der Zustimmung des Betroffenen ist durch die österreichische Zentralbehörde, das Strafregisteramt der Landespolizeidirektion Wien, anhand des betreffenden Kästchens („Zustimmung erteilt/nicht erteilt“) im Formblatt des Ersuchens verifizieren.

Zu Z 3 (§ 11 Abs. 5 Strafregistergesetz):

Zum vorgeschlagenen Zustimmungserfordernis wird auf die Ausführungen zu Z 1 und 2 verwiesen.

 

Zu Z 4 (§ 14 Abs. 13 Strafregistergesetz):

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. Es wird ein Inkrafttreten zum 1.4.2015 vorgeschlagen, da eine ausreichende Vorlaufzeit zwecks Schaffung der erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen benötigt wird.

Zu Z 5 (§ 14b Strafregistergesetz):

Die vorgeschlagene Novellierung dient der Klarstellung, dass auch § 10b der Umsetzung der RL Kinderpornographie dient.