397 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (348 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 geändert werden

Der vorliegende Entwurf enthält Änderungen des Strafgesetzbuchs (StGB), durch die insbesondere die im materiellrechtlichen Teil des Römischen Statuts (RS) des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH; BGBl. III Nr. 180/2002, sh. auch Erläuterungen in RV 196 d.B. XXI. GP) verankerten Tatbestände der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Art. 7 RS und der Kriegsverbrechen nach Art. 8 RS in das StGB aufgenommen werden sollen, um eine lückenlose Strafverfolgung zu ermöglichen. Zudem soll auch das Zweite Protokoll zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (BGBl. III Nr. 113/2004; im Folgenden: P II HK) und das Übereinkommen zum Schutz aller Menschen vor dem Verschwindenlassen (BGBl. III Nr. 104/2012) durch Einfügen entsprechender Tatbestände in das StGB umgesetzt werden.

Mit der Ratifikation des RS gingen die Vertragsstaaten eine Umsetzungspflicht vor allem hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem IStGH ein. Österreich hat die diesbezüglichen innerstaatlichen Voraussetzungen durch das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (BGBl. I Nr. 135/2002 idgF) geschaffen. In diesem Zusammenhang stellt sich für die Vertragsstaaten auch die Frage der Anpassung des nationalen Strafrechts an die im RS und den dazu beschlossenen Verbrechenselementen (vgl. Art. 9 und Art. 21 Abs. 1 lit. a RS) definierten Tatbestände. Obwohl die Vertragsstaaten nicht direkt aufgrund des RS völkerrechtlich verpflichtet werden, diese schwersten völkerrechtlichen Verbrechen auch national zu kriminalisieren, sprechen doch verschiedene Gründe für entsprechende Strafbestimmungen im nationalen Recht, mit denen nicht zuletzt dem Ziel und Zweck des RS Rechnung getragen werden soll.

Zudem stellt das dem RS zugrunde liegende Komplementaritätsprinzip für viele Vertragsstaaten ein wesentliches Argument dar, eine lückenlose nationale Strafgerichtsbarkeit über die Tatbestände des RS zu schaffen. Aufgrund des Komplementaritätsprinzips ist der IStGH in einem konkreten Fall dann nicht zuständig, wenn bereits ein Staat Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchführt, außer wenn dieser Staat nicht fähig oder nicht willens ist, die Ermittlungen oder Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen, oder wenn ein Verfahren vor dem IStGH den Grundsatz ne bis in idem verletzen würde (Art. 17 und 20 RS). Das somit die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit lediglich ergänzende RS belässt unmissverständlich den Staaten die primäre Zuständigkeit zur Strafverfolgung der Tatbestände des RS. In diesem Sinn wurde auch eine Resolution der Versammlung der Vertragsstaaten des RS einstimmig angenommen, die die Staaten auffordert, diese Tatbestände in ihre Strafgesetzgebung aufzunehmen (Resolution ICC-ASP/12/Res.4).

Im Rahmen der Überprüfungskonferenz des RS vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 in Kampala (Uganda) wurde eine Änderung des Art. 8 RS (Kriegsverbrechen) verabschiedet, die den darin enthaltenen Kriegsverbrechenskatalog erweitert (Resolution RC/Res.5 vom 10. Juni 2010). Damit konnte auch einem wesentlichen österreichischen Anliegen Rechnung getragen werden. Die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen, die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen und die Verwendung von sogenannten „Dum-Dum-Geschossen“ wurde im RS ursprünglich nur in internationalen bewaffneten Konflikten als Kriegs­verbrechen verankert. Durch die in Kampala beschlossene Änderung, die von Österreich 2014 ratifiziert wurde (27 d.B. XXV. GP), wird der Einsatz dieser Waffen und Geschosse auch in nicht internationalen bewaffneten Konflikten unter Strafe gestellt. Diese Änderung soll durch den vorliegenden Entwurf ebenfalls berücksichtigt werden.

Die Aufnahme der Straftatbestände trägt nicht zuletzt auch dazu bei, die Genfer Abkommen zum Schutze der Opfer des Krieges von 1949 (Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde; Genfer Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See; Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen; Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten; alle BGBl. Nr. 155/1953; im Folgenden: GA I – IV) sowie die ersten beiden Zusatzprotokolle zu diesen Abkommen aus 1977 (Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, im Folgenden: ZP I; Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte, im Folgenden: ZP II; beide BGBl. Nr. 527/1982) in Ergänzung des allgemeinen Strafrechts lückenlos innerstaatlich umzusetzen.

Das Übereinkommen zum Schutz aller Menschen vor dem Verschwindenlassen trat für Österreich am 7. Juli 2012 in Kraft (BGBl. III Nr. 104/2012). Durch das Übereinkommen, insbesondere Art. 4 bis 7, wird deutlich, dass das „Verschwindenlassen von Personen“ nicht nur ein Verbrechen darstellt, das die Vertragsstaaten effektiv verhindern müssen, sondern dass sie diesen Tatbestand auch in ihr Strafrecht aufnehmen müssen. Daher ist das StGB diesbezüglich anzupassen.

Ziel des Strafverfahrensrechts muss es sein, effiziente Ermittlungsmaßnahmen und wirksame Strafverfolgung bei den genannten Taten zu gewährleisten, um bei derartig schwerer Kriminalität ein Entkommen von der Strafverfolgung jedenfalls zu verhindern. Schon Art. 4 des Beschlusses 2003/335/JI des Rates vom 8. Mai 2003 betreffend die Ermittlung und Strafverfolgung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen (ABl. L 2003/118, 12) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten zu prüfen haben, „ob innerhalb der zuständigen Strafverfolgungs- bzw. Ermittlungsbehörden Spezialeinheiten mit besonderer Zuständigkeit für die Ermittlung und gegebenenfalls die Strafverfolgung der betreffenden Verbrechen eingerichtet oder benannt werden müssen“.

Im Begutachtungsverfahren hat sich nun ergeben, dass unter den Beteiligten die Ansicht vorherrscht, dass die Einrichtung einer Sonderzuständigkeit nicht erforderlich ist; der Entwurf schließt sich dieser Ansicht an, weil die vorgeschlagenen Tatbestände in der Tat keiner besonderen Spezialisierung bedürfen. Sie sind mit vielen anderen Tatbeständen der (Schwer-)kriminalität vergleichbar. Mit ihnen umzugehen, ist jeder Richter/jede Richterin (jeder Staatsanwalt/jede Staatsanwältin) vertraut. Dies gilt auch für die damit verbundene hohe internationale Verflechtung (Rechthilfe etc.), wofür im Übrigen die Hilfe der Spezialisten von EUROJUST in Anspruch genommen werden kann, die in jedem OLG-Sprengel kompetente Verbindungsrichter haben.

Allerdings soll eine Anregung aus dem Begutachtungsverfahren aufgegriffen werden und Verfahren wegen nach dem 25. Abschnitt des StGB in die Zuständigkeit des Landesgerichts als Schöffengericht fallenden Taten dem mit dem StPRÄG 2014 geschaffenen „großen“ Schöffengericht überantwortet werden.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 2. Dezember 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Gisela Wurm die Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Mag. Harald Stefan, Mag. Albert Steinhauser und Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„In Artikel 2 ist in der Z 1 ein Redaktionsversehen zu berichtigen, weil die Zuständigkeit des „großen“ Schöffengerichts in § 32 Abs. 1a StPO (und nicht in § 32 Abs. 1) geregelt ist.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim einstimmig beschlossen.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2014 12 02

                              Mag. Gisela Wurm                                                     Mag. Michaela Steinacker

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau