468 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Menschenrechte

über den Antrag 882/A(E) der Abgeordneten Harry Buchmayr, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bewahrung der Vorreiterrolle Österreichs zur Abschaffung der Todesstrafe

Die Abgeordneten Harry Buchmayr, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. Jänner 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Todesstrafe verstößt gegen das Recht auf Leben und verletzt die Würde des Menschen. Deshalb wird sich der Nationalrat auch weiterhin gemeinsam mit seinen europäischen Partnern intensiv für eine weltweite Abschaffung der Todesstrafe einsetzen. Trotz mancher Rückschläge gibt es langfristig einen klaren Trend zur Aussetzung bzw. Abschaffung der Todesstrafe.

Wichtigstes völkerrechtliches Instrument gegen die Todesstrafe ist das Zweite Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (Zivilpakt), dem bislang 81 Staaten angehören. Laut dem letzten Bericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) vom Juli 2013 „Question of the Death Penalty“ (A/HRC/24/18) haben mehr als 150 von 193 Staaten die Todesstrafe abgeschafft oder beachten ein Moratorium für die Vollstreckung.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation „Amnesty International“ vollstreckten im Jahr 2013 mindestens 22 Staaten die Todesstrafe. Weltweit wurden im Jahr 2013 mindestens 778 Exekutionen bekannt, was einen Anstieg von 15% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Laut Amnesty International wurden mindestens 1.925 Menschen zum Tode verurteilt und 23.392 Menschen sitzen weltweit in Todeszellen. In vier Ländern – Indonesien, Kuwait, Vietnam und Nigeria – wurden nach einer Pause wieder Menschen hingerichtet. In weiteren Ländern machen es fehlende Informationsquellen, wie in China, und fehlende staatliche Institutionen oder Bürgerkriege, wie beispielsweise in Syrien, unmöglich, umfassende Zahlen zu ermitteln. Unter den Staaten, die die Todesstrafe noch anwenden, sind es nur einige wenige, die für 95 Prozent aller Hinrichtungen verantwortlich sind: China, der Iran, der Irak, Saudi-Arabien, die USA, Somalia und der Sudan. Im Iran und vor allem im Irak ist die Zahl der Hinrichtungen stark gestiegen. China, das Land mit den weltweit meisten Hinrichtungen, behandelt das Thema als Staatsgeheimnis und gibt keine Zahlen bekannt. Nach Schätzungen von „Amnesty International“ sollen es weiterhin Tausende sein. Staatliche und nichtstaatliche Initiativen gegen die Todesstrafe müssen vor allem bei diesen Ländern ansetzen.

Der Europarat und die Europäische Union sind Vorreiter im Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe in der Welt. Staatliches Töten im Namen einer vermeintlichen Gerechtigkeit widerspricht unseren Grundwerten. Die Mitgliedstaaten des Europarats und der EU sind durch das Protokoll Nr. 6 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten verpflichtet Das Protokoll Nr. 13 verbietet die Todesstrafe auch in Kriegszeiten. Die große Mehrheit der Europaratsmitglieder hat beide Protokolle ratifiziert. Belarus ist das einzige Land in Europa, das die Todesstrafe noch vollzieht. Europarat, die Europäische Union und seine Mitgliedstaaten wollen dies seit langem ändern und setzen sich regelmäßig und vehement für die Einführung eines Moratoriums ein. Ergänzend zu den EMRK-Protokollen sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch durch die Grundrechtecharta gebunden, nach der niemand zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden darf. Laut ihrem „Strategischen Rahmen und Aktionsplan zu Menschenrechten und Demokratie“ (11417/12) zählt die Europäische Union die Bekämpfung der Todesstrafe und der Folter zu ihren Prioritäten auf dem Gebiet der Menschenrechte. Ein wichtiger Punkt im Aktionsplan war 2013 ein aktiver Beitrag zum 5. Weltkongress gegen die Todesstrafe in Madrid. Dies wurde umgesetzt. Maßgebliches Instrument der EU für die Bekämpfung der Todesstrafe ist das Finanzierungsinstrument für weltweite Demokratie und Menschenrechte (EIDHR). Finanziert werden hieraus Kampagnen gegen die Todesstrafe, Lobbyarbeit für ein Moratorium, Initiativen zur Ratifizierung von internationalen Übereinkommen, Unterstützung von Strafrechtsreformen und Überwachung der Rahmenbedingungen, unter denen die Todesstrafe angewandt wird. Auch regionale Initiativen werden unterstützt, wie z. B. im Juli 2014 eine Konferenz in Cotonou über die Abschaffung der Todesstrafe auf dem afrikanischen Kontinent.

Inhaltliche und praktische Orientierung für die Sensibilisierungsarbeit gegenüber Drittstaaten geben die im Jahr 2013 überarbeiteten EU-Leitlinien zur Todesstrafe. Diese Leitlinien waren bei ihrer Annahme 1998 die ersten ihrer Art. Dies unterstreicht die besondere Bedeutung des gemeinsamen Engagements gegen die Todesstrafe in der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union. Die Hauptziele der Leitlinien – Abschaffung der Todesstrafe bzw. Hinrichtungsmoratorien – sollen durch Konsultationen und Demarchen sowie über EIDHR finanzierte Aktivitäten befördert werden. Die Berichterstattung der EU-Missionen zur Umsetzung der Leitlinien werden in die lokalen und regionalen Menschenrechtsstrategien der EU eingearbeitet. Auch in multilateralen Gremien wie der VN-Generalversammlung und dem VN-Menschenrechtsrat setzt sich die EU für ein Ende der Todesstrafe ein. Im Juni 2014 wurde im Menschenrechtsrat zuletzt eine EU-initiierte Resolution zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe mit 29 von 47 Stimmen verabschiedet. Höhepunkt der diplomatischen Bemühungen gegen die Todesstrafe war im Jahr 2014 eine neuerliche Abstimmung in der VN-Generalversammlung über eine entsprechende Resolution zur Abschaffung der Todesstrafe, die mit 117 Ja-Stimmen einen neuen Rekord erzielte. Damit konnte das Ergebnis aus den Vorjahren nicht nur übertroffen und damit erneut ein deutliches Signal an die Staaten gesendet werden, die bislang ihre Unterstützung verweigert haben, sondern auch der Resolutionstext substantiell gestärkt werden. Die Abschaffung der Todesstrafe ist ein schrittweiser Prozess. Solange die Strafe jedoch noch vollstreckt wird, müssen wenigstens Mindestnormen, wie sie in den EU-Leitlinien ausführlich dargelegt sind, ihre Anwendung so weit wie möglich beschränken und zurückdrängen. So darf laut Artikel 6 Absatz 2 des Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte die Todesstrafe nur für „schwerste Verbrechen“ verhängt werden. Drogen- und Wirtschaftsdelikte, politische Verbrechen, Ehebruch, Gotteslästerung oder einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sex unter Erwachsenen zählen nicht zur Kategorie „schwerste Verbrechen“. Ebenso dürfen laut Artikel 6 Absatz 5 zur Tatzeit Minderjährige und schwangere Frauen nicht hingerichtet werden Nach Rechtsauffassung der EU erstreckt sich das Verhängungsgebot auch auf psychisch kranke oder geistig behinderte Personen. Zu den Mindestnormen zählen auch ein fairer Prozess und ein rechtskräftiges Urteil. Pauschal verhängte Todesurteile widersprechen ebenfalls den Mindestnormen.

Deutlicher noch als die EU-Leitlinien nimmt der Bericht des VN-Generalsekretärs Bezug auf die oft diskriminierende Anwendung der Todesstrafe. Danach werden unverhältnismäßig oft sozial Schwache und Angehörige ethnischer, religiöser und sexueller Minderheiten zum Tode verurteilt. Seit Jahren gibt es kritische Diskussionen über Hinrichtungsmethoden. Besonders barbarisch sind Enthauptungen und Steinigungen. Weltweite Empörung lösen immer wieder Hinrichtungen mit der Giftspritze aus, die erst nach längerem Leiden zum Tod führten. Nicht zuletzt deshalb ist die Zustimmung zur Todesstrafe weltweit gesunken.

Ende 2011 hat die Europäische Union mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1352/2011 den Export von Arzneimitteln verboten, die zur Vollstreckung der Todesstrafe geeignet sind. Gegenwärtig werden die Verfahren der Verordnung (EG) Nr. 1236/2005 betreffend den Handel mit Gütern, die zur Vollstreckung der Todesstrafe und zu Folter verwendet werden können, vereinfacht. Es muss auch zukünftig sichergestellt sein, dass bestimmte Arzneimittel nur zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden und nicht zur Vollstreckung der Todesstrafe. Die Endverwendung muss daher vor der Exportgenehmigung anhand objektiver Kriterien sorgfältig geprüft und regelmäßig kontrolliert werden.

Der VN-Sonderberichterstatter über Folter hält jede Form der Todesstrafe als nicht vereinbar mit dem Verbot der Folter und grausamer, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung und Strafe. Die Antragsteller schließen sich dieser Position voll an. Wir lehnen die Todesstrafe auch deshalb ab, weil Justizirrtümer nicht mehr korrigiert werden können. Im Rahmen seiner parlamentarischen Möglichkeiten wird das offizielle Österreich nicht nachlassen, bilateral sowie auf europäischer und VN-Ebene alles zu tun, damit weltweit die Todesstrafe abgeschafft wird. Es würdigt die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen wie „Amnesty International“, „Alive“ oder „Reprieve“, die sich seit langem für die Abschaffung der Todesstrafe engagieren, und ermutigt sie, weiterhin dieses Ziel konsequent zu verfolgen. Mit diesem Antrag bekräftigen die Antragsteller auch in der neuen Legislaturperiode ihre entschiedene Ablehnung dieser grausamen, erniedrigenden und unmenschlichen Strafe.“

 

Der Ausschuss für Menschenrechte hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 11. Februar 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger die Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller und Mag. Philipp Schrangl.

 

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Harry Buchmayr, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Menschenrechte somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2015 02 11

                  Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger                                                  Mag. Alev Korun

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau