Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerkabinett der Ukraine über die Zusammenarbeit im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG. Das Abkommen berührt ebenfalls nicht die Verpflichtungen, die sich für Österreich aus der Mitgliedschaft zur Europäischen Union ergeben.

Um den internationalen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die durch die organisierte Kriminalität und den Terrorismus bestehen, wirksam begegnen zu können, ist die Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und den ukrainischen Sicherheitsbehörden erforderlich. Zu diesem Zweck wurde das Abkommen mit der Ukraine über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität verhandelt und unterzeichnet.

Das Abkommen schafft insbesondere einen rechtlichen Rahmen für die Zusammenarbeit durch Informations- und Erfahrungsaustausch sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Personen- und Sachenfahndung. Die Durchführung der Zusammenarbeit kann dabei auch über Verbindungsbeamte oder bevollmächtigte Vertreter erfolgen, deren Tätigkeit definiert wird.

Die Zusammenarbeit erstreckt sich unter Berücksichtigung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität insbesondere auf die Bereiche der Bekämpfung von Terrorismus, Schlepperei, Menschenhandel, Kinderpornographie, Computer- und Wirtschaftskriminalität sowie Drogen- und Waffenhandel.

Dabei werden die für die Zusammenarbeit im Rahmen dieses Abkommens zuständigen Behörden der Vertragsparteien benannt. Geregelt werden darüber hinaus die für die Umsetzung der Zusammenarbeit notwendige Form und Inhalt von Ersuchen und deren Erledigungen sowie die Unterstützung ohne Ersuchen. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht jedoch auch die Möglichkeit die Zusammenarbeit zu verweigern, etwa wenn die Souveränität, Sicherheit, öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen einer Vertragspartei beeinträchtigt wären. Des Weiteren werden die Grundsätze für den Schutz von im Rahmen des Abkommens ausgetauschten Informationen und Dokumenten festgelegt.

Der Schutz personenbezogener Daten – sowohl automationsunterstützt und nicht automationsunterstützt verarbeiteter Daten – wird im Abkommen ausführlich geregelt. Das Abkommen enthält unter anderem Bestimmungen zur Löschung und Richtigstellung ausgetauschter Daten, zur Wahl des Kommunikationsmittels für die Datenübermittlung, zu Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Daten, zur Dokumentation der Datenübermittlung, zur Auskunft an Betroffene und zum Schadenersatz. Unbeschadet dieser Bestimmungen verpflichten sich die Vertragsparteien ausdrücklich bei der Durchführung des Abkommens Inhalte und Zweck des Übereinkommens des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten sowie des Zusatzprotokolls vom 8.11.2001 zu beachten.

Zu den finanziellen Auswirkungen des Abkommens ist anzuführen, dass diese nur marginal, aber nicht exakt bezifferbar oder vorhersehbar sind. So schafft das Abkommen die rechtliche Grundlage für gewisse Tätigkeiten der österreichischen Polizei, diese stellen jedoch die Ausnahme dar und gehen in der Regel im täglichen Dienstbetrieb auf. Anzumerken ist hierbei der damit einhergehende Zuwachs an Sicherheit.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Ziel und Bereiche der Zusammenarbeit)

Absatz 1 legt den Abkommensgegenstand fest. Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei der Verhütung, Aufdeckung und Ermittlung von strafbaren Handlungen verstärkt zusammenzuarbeiten und einander Amtshilfe zu leisten. Die Zusammenarbeit zwischen den österreichischen und ukrainischen Behörden im Rahmen dieses Abkommens erfolgt nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts und lässt nach Absatz 3 die Zusammenarbeit in Finanzstrafsachen sowie die Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen, soweit ein Ersuchen oder dessen Erledigung den Justizbehörden der Vertragsparteien vorbehalten ist, unberührt.

In Absatz 2 erfolgt eine Konkretisierung der Zusammenarbeitsbereiche durch eine demonstrative Aufzählung. Der Fokus wird dabei besonders auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität gelegt.

Zu Artikel 2 (Zuständige Behörden)

Absatz 1 bestimmt die zuständigen Behörden im Sinne dieses Abkommens. Zentral zuständige österreichische Behörde ist der Bundesminister für Inneres gemäß Art. 78a B-VG sowie § 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei – Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991.

Absätze 2 und 3 regeln die Mitteilung von Zuständigkeits- und Bezeichnungsänderungen der zuständigen Behörden sowie den Austausch von Kontaktdaten zwischen den zuständigen Stellen.

Zu Artikel  3 (Formen der Zusammenarbeit)

Artikel 3 enthält eine demonstrative Aufzählung der Formen der Zusammenarbeit. Diese erfolgt insbesondere durch:

           1. Informationsaustausch;

           2. die gegenseitige Unterstützung bei der Sachen- und Personenfahndung, der Personenfeststellung und der Identifizierung von unbekannten Leichen;

           3. Koordinierung gemeinsamer Handlungen, die auf die Vorbeugung und Bekämpfung der Kriminalität gerichtet sind;

           4. Einrichtung von gemeinsamen Arbeitsgruppen;

           5. Erfahrungsaustausch im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung sowie Aus- und Fortbildung von Beamten;

           6. Regelmäßiger Austausch von Informationen und Analysen zu Erscheinungsformen des Menschenhandels und der Schlepperei, unter anderem gewonnen aus der Erfahrung der Dokumentenberater. Bei diesem Punkt geht es etwa darum, dass Informationen über Schlepper und ihre Routen, die etwa aufgrund der Tätigkeit der Dokumentenberater vorliegen, ausgetauscht werden.

Zu Artikel 4 (Umsetzung der Zusammenarbeit)

Absatz 1 enthält die Bestimmungen über die einzuhaltende Form bei der Übermittlung von Ersuchen. Besonderes Augenmerk ist in der Praxis darauf zu legen, dass Ersuchen und deren Erledigung grundsätzlich nur schriftlich erfolgen dürfen. Dies ist für die Nachvollziehbarkeit der Informationsflüsse, insbesondere zur datenschutzrechtlichen Kontrolle, notwendig. Auch die Erfüllung der Dokumentationspflichten nach Artikel 8 Absatz 7 des Vertrages wäre ohne Schriftlichkeit nicht durchführbar. Nur in Fällen, in denen die Herstellung eines entsprechenden Schriftsatzes vor bzw. zur Stellung eines Ersuchens wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit (z. B. die Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr) nicht in Betracht kommt, können Ersuchen und deren Erledigung ausnahmsweise auch mündlich erfolgen. Diesfalls ist unverzüglich eine schriftliche Bestätigung nachzureichen.

Absatz 2 regelt, dass Ersuchen und deren Erledigung in der eigenen Sprache sowie zusätzlich entweder in der Sprache der anderen Vertragspartei oder in englischer Sprache erfolgen müssen.

Absatz 3 bestimmt den notwendigen Inhalt eines Ersuchens:

                a. den Namen der zuständigen Behörde, die das Ersuchen stellt und den Namen der zuständigen Behörde, an die das Ersuchen gerichtet ist;

                b. den Zweck des Ersuchens und dessen Begründung sowie Informationen, die zur Erledigung des Ersuchens notwendig sind;

                c. die Fragestellungen, um deren Beantwortung ersucht wird, und Maßnahmen, die zu ergreifen sind;

                d. die Frist, innerhalb derer eine Beantwortung der Anfrage erbeten wird.

Absatz 4 gibt den zuständigen Behörden im Interesse einer verbesserten Gefahrenabwehr sowie Verbrechensverfolgung die Möglichkeit, einander in Einzelfällen auch ohne Ersuchen Informationen zu übermitteln, die für den Empfänger bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Verhütung und Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sein können. Durch diese Regelung soll es den Behörden ermöglicht werden, nicht nur reaktiv, sondern auch aktiv tätig zu werden.

Absätze 5 und 6 regeln die Weiterleitung eines Ersuchens an die zuständige Behörde sowie die Anforderung von weiteren Informationen für die Erledigung eines Ersuchens.

Zu Artikel 5 (Einschränkung der Zusammenarbeit)

Artikel 5 enthält eine ordre public-Klausel zugunsten der Wahrung der Souveränität, der Sicherheit und der öffentliche Ordnung (ordre public) oder anderer wesentlicher Interessen der Vertragsparteien.

Zu Artikel 6 (Verbindungsbeamte oder bevollmächtigter Vertreter)

Artikel 6 hält fest, dass die Zusammenarbeit auch über Verbindungsbeamte oder bevollmächtigte Vertreter erfolgen kann. Diese üben Informations- und Beratungstätigkeiten aus und verfügen über keine Exekutivbefugnisse. Es besteht keine Pflicht zur Entsendung eines Verbindungsbeamten oder bevollmächtigten Vertreters. Der Begriff des „bevollmächtigten Vertreters“ wurde auf Wunsch der ukrainischen Seite aufgenommen. Für Österreich ergibt sich dadurch kein Unterschied, da der „bevollmächtigte Vertreter“ ebenso wie der Verbindungsbeamte als Angehöriger des diplomatischen Personals von Vertretungsbehörden notifiziert werden muss.

Zu Artikel 7 (Schutz von Informationen)

Artikel 7 regelt, dass ausgetauschte Informationen und Dokumente nur nach schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Behörde an Dritte weitergegeben oder zu einem anderen als dem vorgesehenen Zweck verwendet werden dürfen. Für Übermittlung und Schutz vertraulicher Informationen sind das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien sowie die anwendbaren völkerrechtlichen Abkommen maßgeblich.

Zu Artikel 8 (Schutz personenbezogener Daten)

Artikel 8 regelt den Schutz personenbezogener Daten. Die in dieser Bestimmung geregelten Grundsätze, zu deren Einhaltung sich die Vertragsparteien bei der Durchführung dieses Abkommens verpflichten, gewährleisten einen unverzichtbaren datenschutzrechtlichen Mindeststandard, wie er auch in anderen vergleichbaren von

Österreich abgeschlossenen Abkommen vereinbart wurde. Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragsparteien in Absatz 1 bei der Durchführung dieses Abkommens das Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (ETS Nr. 108), das Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen bezüglich Kontrollstellen und grenzüberschreitendem Datenverkehr (ETS Nr. 181) sowie die Empfehlung Nr. R (87) 15 des Ministerkomitees des Europarates vom 17. September 1987 zur Regelung der Benutzung personenbezogener Daten durch die Polizei zu beachten. Österreich hat dieses Übereinkommen sowie das Zusatzprotokoll und die genannte Empfehlung im Rahmen des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. 1999/165, idF BGBl. I Nr. 83/2013, umgesetzt. Die Ukraine hat dieses Übereinkommen sowie das Zusatzprotokoll am 30. September 2010 ratifiziert.

Absatz 2 normiert für sämtliche aufgrund des Vertrages ausgetauschten personenbezogenen Daten das Gebot der Zweckbindung. Demnach dürfen Daten grundsätzlich nur für den Zweck verwendet werden, zu dem sie übermittelt wurden. Eine Weiterverwendung durch den empfangenden Vertragsstaat für andere Zwecke ist nur nach vorheriger Zustimmung durch den übermittelnden Vertragsstaat zulässig.

Absatz 3 und 4 legen den Vertragsstaaten bestimmte Prüf-, Informations- und Löschungsverpflichtungen auf, die insbesondere die Richtigkeit der zu übermittelnden und übermittelten Daten sowie die Rechtmäßigkeit der Übermittlung sicherstellen sollen.

Absatz 5 legt den Vertragsstaaten bestimmte Verpflichtungen im Hinblick auf verwendete Kommunikationsmittel, und -einrichtungen sowie die Art der Übermittlung auf. Ein direkter Zugriff auf automationsunterstützt verarbeitete Daten darf nicht gewährt werden.

Gemäß Absatz 6 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen zum

Schutz der empfangenen Daten zu treffen.

Absatz 7 regelt die doppelte Protokollierung durch die übermittelnde und empfangende Behörde. Protokolldaten dürfen nur zu Zwecken der datenschutzrechtlichen Überprüfung verwendet werden.

Absatz 8 normiert das Recht des Betroffenen auf Auskunft über die zu ihm vorhandenen Daten und über deren vorgesehenen Verwendungszweck sowie eine Ausnahme von der Auskunftspflichterteilung bei überwiegendem öffentlichen Interesse an der Nichterteilung der Auskunft. Im Übrigen richten sich die Einzelheiten des Auskunftsrechts nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragspartei, die vom Betroffenen ersucht wurde. In Österreich ist das Auskunftsrecht in § 26 des Datenschutzgesetzes 2000, geregelt. Weiters ist in Absatz 8 das Recht des Betroffenen auf Löschung bzw. Richtigstellung von Daten festgelegt, für den Fall, dass die Datenverwendung diesem Abkommen widerspricht. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, den Betroffenen zur Geltendmachung dieser Rechte entsprechende Rechtsmittel zu gewährleisten. Für Österreich ist hier auf den in Abschnitt 6 des Datenschutzgesetzes 2000 geregelten Rechtsschutz zu verweisen.

Gemäß Absatz 9 richtet sich die Haftung der zuständigen Behörden der Vertragsstaaten für Schäden, die einer Person als Folge der Verarbeitung sie betreffender, gemäß diesem Abkommen übermittelter Daten entstanden sind, nach innerstaatlichem Recht. Die Unrichtigkeit der übermittelten Daten oder die Rechtswidrigkeit der Datenübermittlung können die Haftung jedoch nicht ausschließen. Weiters verpflichtet Absatz 9 jene Behörde der Vertragspartei, die den Schaden verantwortet, zur Erstattung von Schadenersatz an jene zuständige Behörde der Vertragspartei, die diesen geleistet hat.

Zu Artikel 9 (Expertentreffen)

Artikel 9 sieht die Möglichkeit der Zusammenkunft von Vertretern der zuständigen Behörden der beiden Vertragsparteien vor, um die Zusammenarbeit im Rahmen des Abkommens zu bewerten, neue Strategien zu erörtern und die Zusammenarbeit weiterzuentwickeln.

Zu Artikel 10 (Kosten)

Dieser Artikel bestimmt, dass die zuständigen Behörden der Vertragsparteien die im Rahmen der Durchführung des Abkommens entstehenden Kosten grundsätzlich selbst zu tragen haben. Im Einzelfall können abweichende Vereinbarungen getroffen werden.

Zu Artikel 11 (Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen)

Absatz 1 bestimmt, dass die in zweiseitigen oder mehrseitigen Übereinkünften enthaltenen Rechte und Verpflichtungen der Vertragsparteien nicht berührt werden.

Absatz 2 legt fest, dass das Abkommen die Verpflichtungen Österreichs, die sich aus seiner EU-Mitgliedschaft ergeben, nicht berührt.

Zu Artikel 12 (Beilegung von Meinungsverschiedenheiten)

Treten bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens Meinungsverschiedenheiten auf, werden diese für den Fall, dass keine Lösung zwischen den zuständigen Behörden auf dem Verhandlungsweg gefunden werden kann, auf diplomatischem Weg entschieden.

Zu Artikel 13 (Schlussbestimmungen)

Dieser Artikel bestimmt das Inkrafttreten und die Kündigung. Demnach tritt das Abkommen dreißig Tage nach dem Tag in Kraft, an dem die Vertragsparteien einander auf diplomatischem Wege schriftlich mitgeteilt haben, dass die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. Maßgebend ist der Tag des Eingangs der letzten Mitteilung. Das auf unbestimmte Zeit geschlossene Abkommen kann unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist gekündigt werden. Durch Vereinbarung der Vertragsparteien kann das Abkommen durch Zusatzprotokolle geändert und ergänzt werden.