Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (BGBl. Nr. 7/1993) hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter. Es wurde deshalb gemäß Art. 50 B-VG vom Nationalrat genehmigt. Daher bedarf auch die Erklärung über die Zurückziehung der österreichischen Vorbehalte zu Art. 13, 15 und Art. 17 sowie der österreichischen Erklärungen zu Art. 38 des Übereinkommens der parlamentarischen Genehmigung gemäß Art 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Die Erklärung hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG auszuschließen. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Anlässlich der Ratifikation des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (BGBl. Nr. 7/1993, im Folgenden: KRK) hat Österreich folgende Vorbehalte zu Art. 13 (Recht auf freie Meinungsäußerung), Art. 15 (Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit) und Art. 17 (Zugang zu Information) eingelegt:

„1. Die Art. 13 und 15 des Übereinkommens werden mit der Maßgabe angewendet, daß sie gesetzlichen Beschränkungen im Sinne der Art. 10 und 11 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 nicht entgegenstehen.

2. Der Art. 17 wird angewendet, soweit dies mit den Grundrechten anderer, insbesondere mit den Grundrechten der Informations- und Pressefreiheit, vereinbar ist.“

Darüber hinaus hat Österreich folgende Erklärungen zu Art. 38 (Teilnahme von Kindern an bewaffneten Konflikten) abgegeben:

„1. Österreich wird von der durch Art. 38 Abs. 2 und 3 eröffneten Möglichkeit, die Altersgrenze für die Teilnahme an Feindseligkeiten bzw. zur Einziehung in die Streitkräfte auf 15 Jahre festzusetzen, innerstaatlich keinen Gebrauch machen, da diese Bestimmungen mit dem in Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens, der das Wohl des Kindes als vorrangigen Grundsatz festlegt, unvereinbar ist.

2. Aufgrund der geltenden Verfassungsrechtslage erklärt Österreich, Art. 38 Abs. 3 Mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur männliche österreichische Staatsbürger der Wehrpflicht unterliegen.“

Der zur Überprüfung der Umsetzung der KRK berufene Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Österreich im Rahmen der Staatenprüfungen in den Jahren 2005 und 2012 empfohlen, die Erforderlichkeit der Vorbehalte mit dem Ziel zu überprüfen, diese in Übereinstimmung mit der Wiener (Menschenrechts-)Erklärung und dem Aktionsplan von 1993 zurückzuziehen, da sie nicht notwendig seien. Als eine Reaktion auf die Empfehlungen des Ausschusses sowie im Bestreben, die KRK in Österreich umfassend umzusetzen, wurde eine eingehende Prüfung der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Vorbehalte und Erklärungen im Lichte der Entwicklungen des österreichischen und des Völkerrechts sowie der rechtlichen Praxis seit Einlegung der Vorbehalte eingeleitet.

Diese Prüfung ergab, dass die Zurückziehung der Vorbehalte weder die Anwendung der EMRK und ihrer Eingriffsvorbehalte in Bezug auf die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Medienfreiheit beeinträchtigen würde, noch, dass sich die reale Situation der Kinderrechte in Österreich durch eine Zurückziehung wesentlich verändern würde. Vielmehr würde die Zurückziehung ein klares Bekenntnis Österreichs zur vollständigen Umsetzung der KRK zum Ausdruck bringen, wie auch vom Ausschuss für die Rechte des Kindes gefordert.

Auch ist infolge der Ratifikation des Fakultativprotokolls betreffend Kinder in bewaffneten Konflikten durch Österreich im Jahr 2002 (BGBl. III Nr. 92/2002) die Erklärung Österreichs, keinen Gebrauch von den Möglichkeiten des Art. 38 Abs. 2 und 3 KRK zu machen, obsolet geworden. Weiters ist der explizite Verweis auf die innerösterreichische Verfassungsrechtslage in der zweiten Erklärung zu Art. 38 KRK, nicht erforderlich.

In diesem Sinne können die Vorbehalte zu Art. 13, 15 und Art. 17 sowie die Erklärungen zu Art. 38 der KRK zurückgezogen werden. Dies soll durch die beiliegende Erklärung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen als Depositär der KRK geschehen.

Durch die Zurückziehung der Vorbehalte und Erklärungen entstehen keine finanziellen Auswirkungen, da lediglich die völkerrechtlichen Verpflichtungen an eine ohnehin schon bestehende innerstaatliche Rechtslage angeglichen werden.

Besonderer Teil

Als Reaktion auf die Empfehlungen des Ausschusses für die Rechte des Kindes von 2012 wurde im Bestreben, die KRK in Österreich umfassend umzusetzen, noch im selben Jahr beim Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend (nunmehr Bundesministerium für Familien und Jugend) ein Kinderrechte-Monitoring-Board als unabhängiges Beratungsgremium eingerichtet und unter Beiziehung einer unabhängigen Expertise auch die Frage der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Vorbehalte und Erklärungen zur KRK ausführlich geprüft.

Insgesamt zeigte sich dabei, dass die für die Einbringung der österreichischen Vorbehalte zu den Art. 13, 15 und 17 KRK sowie der österreichischen Erklärungen zu Art. 38 KRK vorgebrachten Begründungen aus heutiger Sicht nicht mehr tragfähig sind: weder würden im Falle einer Zurückziehung der Vorbehalte die öffentlichen Interessen infrage gestellt, die nach den Art. 10 und 11 EMRK Eingriffe in die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit rechtfertigen, noch, im Hinblick auf die Anwendung des Art. 17 KRK, die Medienfreiheit eingeschränkt. Darüber hinaus sieht das Fakultativprotokoll zur KRK betreffen Kinder in bewaffneten Konflikten, welches von Österreich im Jahr 2002 ratifiziert wurde, ausdrücklich vor, dass Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, weder an Feindseligkeiten teilnehmen sollen, noch verpflichtend zu den Streitkräften eingezogen werden sollen. Schließlich ist ein expliziter Verweis auf die innerösterreichische Verfassungsrechtslage in einer Erklärung zur KRK nicht notwendig.

Zur Zurückziehung des Vorbehalts zu Art. 13 (Meinungsfreiheit) und Art. 15 (Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit)

Die im ersten Vorbehalt angesprochenen, von der KRK garantierten Rechte beziehen sich auf die Meinungsfreiheit des Kindes und dessen Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, die im innerstaatlichen Verfassungsrecht in den Art. 10 und 11 EMRK, den Art. 10 und 12 StGG und dem Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918 verankert sind.

Die Notwendigkeit des Vorbehalts wurde ursprünglich damit begründet, dass die von der KRK vorgesehenen zulässigen Einschränkungen der gewährleisteten Rechte hinter jenen der EMRK zurückblieben und damit auch die gebotene Kohärenz des Grundrechtsschutzes nicht gegeben wäre.

Eine detaillierte Analyse zur Reichweite der vorgesehenen zulässigen Einschränkungen in den Art. 13 und 15 der KRK bzw. Art. 10 und 11 der EMRK zeigt, dass es tatsächlich Unterschiede in den jeweiligen Wortlauten gibt. Berücksichtigt man allerdings die Entstehungsgeschichte und den Sinngehalt der jeweiligen Formulierungen in KRK und EMRK sowie die seitherige Praxis, insbesondere zum (mit der KRK insoweit wortgleichen) Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, ist die damals getroffene Annahme, die EMRK würde weitergehende Eingriffe in die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zulassen, die so von der KRK nicht gedeckt wären, nicht zutreffend. Tatsächlich lassen sich alle nach der EMRK zulässigen Eingriffe in diese Freiheiten auch nach der KRK rechtfertigen, dies vor allem in Hinblick auf den umfassenden Begriff der in Art. 13 und 15 KRK enthaltenen „öffentlichen Ordnung“. Damit ist die gebotene Kohärenz des Schutzniveaus von KRK und EMRK gegeben.

Zur Zurückziehung des Vorbehalts zu Art. 17:

Der zweite Vorbehalt bezieht sich auf den Art. 17 KRK, der die Vertragsstaaten verpflichtet sicherzustellen, dass das Kind Zugang zu Informationen und Material aus einer Vielfalt nationaler und internationaler Quellen hat. Gemäß Art. 17 KRK haben die Vertragsstaaten u.a. die Pflicht, Massenmedien zu „ermutigen“, Inhalte zu gestalten, die der Information und Bildung von Kindern und Jugendlichen dienen, die Herstellung von Kinderbüchern zu fördern, sowie die Entwicklung von Richtlinien zu fördern, die geeignet sind, dass Kinder und Jugendliche vor Informationen geschützt werden, die ihr Wohlergehen beeinträchtigen.

Die Notwendigkeit des Vorbehalts wurde ursprünglich vorwiegend mit den verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten auf Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit begründet, die „zulässige Eingriffe des Staates beschränken“. Die in Art 17 KRK vorgesehenen Maßnahmen könnten „immer nur unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Rechte anderer, insbesondere aber der Informations- und der Pressefreiheit durchgeführt werden.“

Zwar könnte ein Staat unter Berufung auf Art. 17 KRK Maßnahmen vorsehen, die tatsächlich in die Medienfreiheit eingreifen, etwa wenn einer Rundfunkanstalt unter Verletzung ihrer Autonomie rigide Programmgestaltungsauflagen gemacht werden oder wenn staatliche Förderungsmaßnahmen in den Wettbewerb privater Medien eingreifen. Allerdings ist Art. 17 KRK so zurückhaltend formuliert, dass allfällige grundrechtswidrige Eingriffe in das Recht auf Informations- und Pressefreiheit gemäß Art. 10 EMRK und Art. 10 StGG nicht auf Art. 17 KRK zurück zu führen wären. Die ledigliche „Ermutigung“ (nicht Verpflichtung) von Massenmedien, auch für Kinder und kindgerecht zu berichten, die Förderung der Herstellung von Kinderbüchern, sowie die Entwicklung von Kinderschutzrichtlinien, gehören zu legitimen Maßnahmen des Staates im Interesse der Bildung, der Informationsfreiheit, und des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen.

Zur Zurückziehung der Erklärungen zu Art. 38:

Die beiden von Österreich anlässlich der Ratifikation der KRK im Jahr 1992 abgegebene Erklärung beziehen sich auf Art. 38 Abs. 2 und 3, die die Möglichkeit eröffnen, die Altersgrenze für die Teilnahme an Feindseligkeiten bzw. zur Einziehung in die Streitkräfte auf 15 Jahre festzusetzen.

Österreich hat im Jahr 2002 das Fakultativprotokoll zur KRK betreffend Kinder in bewaffneten Konflikten ratifiziert. Dieses Fakultativprotokoll sieht gemäß Art. 1 vor, dass Angehörige der Streitkräfte, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, nicht an Feindseligkeiten teilnehmen sollen. Darüber hinaus verbietet Art. 2, dass Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, verpflichtend zu den Streitkräften eingezogen werden. Diese Bestimmungen, zu denen sich Österreich verpflichtet hat, lösen den Widerspruch zwischen Art. 38 Abs. 2 und 3 und Art. 3 Abs. 1 KRK betreffend den Grundsatz des vorrangigen Kindeswohles auf und machen die von Österreich abgegebene erste Erklärung zu Art. 38 KRK obsolet. Eine verpflichtende Einziehung zu den Streitkräften von unter-18-Jährigen wäre aufgrund der österreichischen Rechtslage nicht möglich, da bei der Aufnahme von Minderjährigen in den Präsenz- oder Zivildienst Freiwilligkeit zwingend vorausgesetzt wird.

Die zweite von Österreich anlässlich der Ratifikation der KRK abgegebene Erklärung bezieht sich auf Art. 38 Abs. 3, welcher die Möglichkeit zur verpflichtenden Einziehung in die Streitkräfte von Personen, die das 15. Lebensjahr erreicht haben, bietet. In diesem Zusammenhang weist Österreich in seiner Erklärung darauf hin, dass aufgrund der Verfassungsrechtslage nur männliche österreichische Staatsbürger der Wehrpflicht unterliegen. Dieser explizite Hinweis auf die innerstaatliche Verfassungsrechtslage ist nicht notwendig.