578 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Menschenrechte

über den Antrag 841/A(E) der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Menschenrechtslage im österreichischen Strafvollzug und Maßnahmenvollzug

Die Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 11. Dezember 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Situation im Strafvollzug und im Maßnahmenvollzug steht naturgemäß häufig im Focus menschenrechtlicher Betrachtungen. In funktionierenden Rechtsstaaten wie Österreich sind die zuständigen Stellen aufgefordert, allfällige Missstände, die menschenrechtliche Standards beeinträchtigen, zu bekämpfen bzw. zu verhindern. Das Ausmaß der Durchsetzung aller Menschenrechte insbesondere auch die gegenüber sogenannten ‚Randgruppen‘ ist mit ein Maßstab für die menschenrechtliche Qualität einer Gesellschaft.

In der alltäglichen Praxis des Strafvollzugs sind laufend Verbesserungen und Reformprojekte erforderlich, um die grundrechtlich gebotenen Standards in einer sich verändernden Vollzugslandschaft einhalten zu können. Die wesentlichen Träger der Reformen und Verbesserungen im Vollzug sind die Bediensteten in den Justizanstalten, die tagtäglich einen den menschenrechtlichen Standards entsprechenden, aber auch Sicherheitsaspekten Rechnung tragenden Vollzug leisten.

In Zeiten von strengen Budgetrestriktionen und damit einhergehenden Personaleinsparungen ist es daher als Anerkennung der Erfordernisse durch die Politik anzusehen, dass es der Justiz gelungen ist zusätzliche 100 Planstellen für den Bereich Strafvollzug zu erkämpfen.

Eine gelungene Resozialisierung der in Haft befindlichen Personen ist neben einer für den Einzelnen adäquaten Betreuung überdies eng mit dem in den Justizanstalten bestehenden Beschäftigungsangeboten verbunden. Durch die Vermittlung notwendiger Kenntnisse und Fähigkeiten soll es gelingen, die Insassinnen und Insassen nach der Entlassung in den Arbeitsmarkt und damit wieder in die Gesellschaft einzugliedern. In Anerkennung dieses wesentlichen Aspektes wurde vom Bundesminister für Justiz zudem ein Pilotprojekt initiiert, in dessen Rahmen handwerkliches Personal zur Unterstützung der Strafvollzugsbediensteten angestellt wurde. Damit konnte einerseits die Beschäftigungsquote in den Justizanstalten angehoben und anderseits die Anzahl der Schließtage von Betrieben und die Einschlusszeiten verringert werden. Das im Oktober 2014 gestartete Projekt ist als Erfolgsmodell zu bezeichnen.

Bereits Erreichtes:

Im Bereich jugendlicher Straftäter ist es mittlerweile gelungen, die Ergebnisse des im Sommer 2013 eingesetzten interdisziplinären Runde Tisches zum Thema ‚Untersuchungshaft für Jugendliche - Vermeidung, Verkürzung, Vollziehung‘ in sehr vielen Bereichen umzusetzen. Bereits im ersten Jahr haben sich erste Erfolge gezeigt: die Zahl der Jugendlichen in Haft ist deutlich gesunken. So sind derzeit nur mehr knapp 90 Jugendliche im Gefängnis (2012 waren es noch 144). Mit 1. November 2014 wurden die Sozialnetzkonferenzen in den Regelbetrieb übergeführt. Mit den Sozialnetzkonferenzen wird etwa die Möglichkeit eröffnet, Haftalternativen als gelindere Mittel zur Untersuchungshaft zu erarbeiten oder Vorbereitungen für eine erfolgreiche Integration nach der Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu treffen.

In Umsetzung befindliche und geplante Maßnahmen:

Der Reformbedarf im Bereich des Maßnahmenvollzugs ist seit Langem bekannt und hat auch entsprechenden Niederschlag im aktuellen Regierungsprogramm gefunden. Die Reformbestrebungen resultieren nicht nur aus dem Umstand, dass die Zahl der im Maßnahmenvollzug angehaltenen Personen in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat – so ist die Zahl dieser Anhaltungen derzeit mehr als doppelt so hoch wie noch im Jahr 2001 – sondern auch aus der Tatsache der Öffnung des Maßnahmenvollzuges für Personen mit minderschwerer Kriminalität. Die Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit machen betroffen. Darauf muss man mit umfassenden Reformen reagieren.

Abgesehen von den unmittelbaren und kurzfristig getroffenen Maßnahmen wurde von Justizminister Dr. Brandstetter bereits eine multiprofessionelle Arbeitsgruppe eingerichtet, die auf Hochtouren arbeitet. Bis Ende des Jahres soll der derzeitige Zustand des Maßnahmenvollzugs evaluiert und Anfang 2015 Reformvorschläge in fachlicher, organisatorischer und legislativer Hinsicht erstattet werden. Dieser Bereich ist jedenfalls an der Grenze zwischen Strafvollzug und Psychiatrie anzusiedeln und stellt daher ein Thema dar, das über die Justiz hinausgeht.

Die Frage muss lauten: Wie gehen wir mit Menschen um, die ihre Strafe verbüßt haben, die wir aber aufgrund ihrer Gefährlichkeit oder ihrer schweren psychiatrischen Störungen nicht in ein normales Leben entlassen können? Hier ist nicht nur die Justiz gefordert, es braucht einen Schulterschluss innerhalb der Bundesregierung und auch mit den Ländern.

Die Umsetzung der noch zu erwartenden Empfehlungen wird im Laufe des Jahres 2015 in Angriff genommen werden.

Bereits mit 1. Juni 2015 wird im Bereich der Maßnahmenuntergebrachten gemäß § 21 Abs. 1 StGB durch die Inbetriebnahme der Erweiterung des Forensischen Zentrums Asten um 60 Plätze eine weitere Verbesserung erreicht werden können. Dort können die Untergebrachten zeitgemäß, dem Gesetz entsprechend (Gefährlichkeitsabbau, Trennungsgebot) untergebracht aber auch effektiver entlassen werden.

Ab Jänner 2015 wird in Zusammenarbeit mit drei Trägervereinen eine zusätzliche Möglichkeit mit betreuten Wohngruppen als Alternative zur U-Haft angeboten werden. Darüber hinaus wird ebenfalls im Jahr 2015 das in Wien bereits etablierte Modell der Jugendgerichtshilfe sukzessive bundesweit installiert werden - wofür kostensparend die bestehenden Strukturen der Familiengerichtshilfe genutzt werden.

Ein besonderes Anliegen ist dem Justizminster auch die Einrichtung eines Jugendhaftkompetenzzentrums. Dafür soll der Standort der Justizanstalt Gerasdorf ausgebaut werden. Im Ergebnis sollen die Jugendlichen nach längstens 14 Tagen im neuen Kompetenzzentrum zumindest aus dem Großraum Wien und Niederösterreich – in dem Einzugsbereich gibt es die meisten Häftlinge – untergebracht werden. Dort wird es besondere Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen ebenso wie entsprechende Betreuungsangebote und Freizeitmöglichkeiten geben, um Jugendlichen besondere Hilfe und Unterstützung für die Zeit nach der Haft zu geben.

Aber auch die Betreuungssituation der Insassen soll qualitativ verbessert werden und zusätzliches Betreuungspersonal (etwa im Bereich Ergotherapie, pflegerische Versorgung, psychologische Betreuung, Sozialarbeit und sozialpädagogische Betreuung) im Wege der Justizbetreuungsagentur angestellt werden. In unmittelbarer Umsetzung der Ergebnisse der Taskforce ‚Jugendvollzug‘ wird die sozialpädagogische Betreuung in ausgewählten Justizanstalten im Jugendbereich erweitert. Ziel ist eine erweiterte Betreuung der Jugendlichen (und jugendlich Heranwachsenden) von Montag bis Sonntag.

Gleichzeitig wird die Struktur des Straf- und Maßnahmenvollzugs auf neue Beine gestellt. Bis Mitte nächsten Jahres wird eine Einheit als ‚Generaldirektion für den Strafvollzug‘ direkt im Ministerium eingegliedert werden, um die notwendigen weiteren Reformschritte effizient vorantreiben zu können. Insgesamt ist es dem Bundesminister für Justiz ein großes Anliegen, dem Straf- und Maßnahmenvollzug am Ende jene lösungsorientierte Entscheidungsstruktur zur Verfügung zu stellen, die eine Wende zum Besseren herbeiführen kann.“

 

Der Ausschuss für Menschenrechte hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 16. April 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Franz Kirchgatterer die Abgeordneten Christian Lausch, Mag. Friedrich Ofenauer, Christoph Hagen und Mag. Albert Steinhauser sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter.

 

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Franz Kirchgatterer, Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: S, V, G, N, dagegen: F, T) beschlossen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Menschenrechte somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2015 04 16

                             Franz Kirchgatterer                                                            Mag. Alev Korun

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau