608 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 145/A der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 und das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz geändert werden

Die Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 29. Jänner 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Es ist unbestritten, dass die Arbeit der Lehrkräfte nicht aus Unterricht allein besteht. Die derzeit geltenden dienstrechtlichen Regelungen nehmen darauf Rücksicht, in dem etwa für LandeslehrerInnen neben der Unterrichtstätigkeit auch Kontingente für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie für sonstige Tätigkeiten (Konferenzen, Schulentwicklung, Klassenvorstandstätigkeiten etc.) vorgesehen sind (A-, B- und C-Topf). Bei den LehrerInnen an Bundesschulen erfolgt die Berücksichtigung mittels Zu- und Abschlägen je nach Unterrichtsfach über das Werteinheitensystem. Das Landeslehrerdienstrecht bildet die Arbeit der LehrerInnen insofern nachvollziehbarer ab, als eine Jahresnormarbeitszeit angegeben wird, die jener der Beamten vergleichbar ist.

Die kürzlich beschlossene Regelung sieht vor, dass für neu eintretende LehrerInnen eine höhere und gleiche Unterrichtsverpflichtung im Ausmaß von 24 Wochenstunden gelten soll, wobei für besonders korrekturaufwendige Fächer (Deutsch, Mathematik, lebende Fremdsprache u.ä.) Fächervergütungen vorgesehen sind. Die Zulagenregelung ignoriert einerseits den Umstand, dass Vorbereitung, Nachbereitung und Korrektur Zeit in Anspruch nehmen, die nicht durch Geldleistungen aufgewogen werden kann, ohne dass die Qualität des Unterrichts leidet. Andererseits bevorzugt das Zulagensystem LehrerInnen in der Sekundarstufe 1 und noch mehr in der Sekundarstufe 2.

Diese Herangehensweise diskriminiert LehrerInnen in der Volksschule und den Sonderschulen, da diese eine besondere Verantwortung gegenüber ihren SchülerInnen haben und den Unterricht mit derselben Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vor- und nachbereiten wie ihre KollegInnen an den Mittleren und Höheren Schulen. Daher müssen Vor- und Nachbereitungszeiten für den Unterricht in die Arbeitszeit der LehrerInnen mit eingerechnet werden.

Die Jahresarbeitsnorm der PflichtschullehrerInnen wird mit 1776 Stunden angenommen, was auch der durchschnittlichen Arbeitszeit laut OECD-Erhebung („Bildung auf einen Blick 2011“) entspricht. Die OECD- Untersuchung Bildung auf einen Blick 2011 weist für Österreich im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Arbeitszeiten für LehrerInnen aus. Der TV-Sender Arte hat die Ergebnisse in einer Grafik so zusammengefasst:

 

Die Lehrerarbeitszeitstudie des Institut SORA aus dem Jahr 2000, durchgeführt im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, des Bundesministeriums für Öffentliche Leistung und Sport sowie der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst kommt auf noch höhere Arbeitszeiten:

 

 

Die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage 13994/J von Dr. Harald Walser durch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur zu Arbeitsbelastung und Teilzeitarbeit (137237/AB) zeigt darüber hinaus einen 12- bis 30-prozentigen Anstieg von Teilzeit im Lehrberuf (Pflichtschulen +24%, AHS +30% und BMHS + 12%), was auf die bereits eingetretene deutliche Überbelastung von LehrerInnen hinweist. Eine Erhöhung der Arbeitszeit, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, widerspricht der Fürsorgepflicht, zu der Arbeit- bzw. Dienstgeber gesetzlich verpflichtet sind.

Der auf das Schuljahr konzentrierte, in Zusammenhang mit Unterrichts-, Korrektur-, Projekt- oder Semester- bzw. Schulschlussarbeit unterschiedliche Arbeitsanfall von 40 bis 50 und mehr Arbeitsstunden pro Woche wird mit einem Lehrverpflichtungsmodell, das die (Voll-) Beschäftigung einer Vertragslehrperson von einer fixen Wochenstundenanzahl (in der Regierungsvorlage 24) ableitet, nicht berücksichtigt. In einem Jahresarbeitszeitmodell dagegen können die Ferienzeiten, die über das gesetzliche Ausmaß an Jahresurlaub hinaus gehen, als Jahreszeitausgleich konsumiert werden.

Die neue Regelung lässt weitere wichtige Forderungen der LehrerInnen außer Acht, die sowohl für die Lehrkräfte als auch für die SchülerInnen und Eltern wichtige Voraussetzungen für eine bessere Schule sind:

-       Gleiche Bezahlung, keine unterschiedlichen Zulagen nach Schulstufe

-       Gleiche Arbeitszeit für alle Schulstufen und Fächer (unter Berücksichtigung standortbezogener zusätzlicher Tätigkeiten)

-       Arbeitszeitliche Entlastung der LehrerInnen  durch Einsatz von Supportpersonal für die nicht-unterrichtlichen Tätigkeiten

-       Gemeinsames Dienstrecht für Lehrpersonen an Pflichtschulen, BMHS und land- und forstwirtschaftlichen Berufsschulen

-       einheitliche Schul-Personalverwaltung

-       Verlagerung der Umsetzungskompetenzen an die Schulen und für die Schulen

-       von den Schulpartnern gewählte Schulleitungsteams

-       Mitwirkungsrechte für und Rechenschaftspflicht gegenüber den Schulpartnern

 

Lehrkräfte an den über 6.000 Schulen in Österreich arbeiten unter unterschiedlichsten Bedingungen. Große und kleine Schulstandorte, Grundschulen und Höhere Schulen, Schulversuchsschulen und Regelschulen, Schulen in ländlichen und urbanen Gebieten, Tages- und Abendschulen usw. arbeiten ganz unterschiedlich. Auch der Aufwand in den einzelnen Unterrichtsgegenständen ist nicht vergleichbar. Während Sprachlehrer jedes Schuljahr tausende Seiten an Hausaufgaben und Schularbeiten korrigieren müssen, bereiten LehrerInnen in naturwissenschaftlichen Fächern aufwendige Versuchsanordnungen, Lehrausgänge oder Experimentierstationen vor. LehrerInnen für Bewegung und Sport organisieren Sportwochen und Skikurse, LehrerInnen für musisch-kreative Unterrichtsfächer bereiten Konzerte, Aufführungen und Ausstellungen vor, betreuen Proben etc. Von allen zukünftigen LehrerInnen zu erwarten, sie könnten 24 Stunden pro Woche unterrichten, während die Unterrichtsqualität gleich bleibt, ist illusorisch.

Damit Schulen den Einsatz der Lehrkräfte an die Standortbedingungen anpassen können, müssen die Schulleitungen in Zusammenarbeit mit den Dienststellenausschüssen der Personalvertretung  autonom über den Einsatz der Lehrkräfte (und die Gruppengrößen) entscheiden können. Um die LehrerInnenarbeitszeit einerseits flexibel, über das Schuljahr jedoch vergleichbar zu gestalten, muss ein Jahresnormmodell eingeführt werden.

Damit wird auch sichergestellt, dass hohen Arbeitsbelastungen etwa während der prüfungsintensiven Zeiten auch Zeiten für den Abbau geleisteter Mehrstunden gegenüberstehen, diese Leistungen aber auch nachvollziehbar sind. Der Einsatz der Lehrkräfte sowie Zulagen sind am Schulstandort zu regeln, das Controlling kann zentral bzw. über Bildungsdirektionen erfolgen.

Im Sinne einer Zusammenarbeit der LehrerInnen und SchülerInnen auf Augenhöhe ist die Verwendungsbezeichnung Professorin bzw. Professor in der alltäglichen Schulpraxis hinderlich. Darüber hinaus ist die Anrede sogar irreführend, da vorgesehen ist, dass bereits Lehramtsstudierende mit Bachelorabschluss alleinverantwortlich unterrichten sollen, auch wenn der Masterabschluss erst in den folgenden fünf Jahren nachgeholt werden soll. Daher ist die Verwendungsbezeichnung Lehrerin bzw. Lehrer als realitätsnah und schülerInnenfreundlich der Bezeichnung Professorin bzw. Professor vorzuziehen.

Zuletzt sollen die Fächervergütungen abgeschafft und stattdessen der Mehraufwand je nach Unterrichtsfach in die Berechnung der Jahresarbeitszeit einbezogen werden.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 6. Mai 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Harald Walser die Abgeordneten Otto Pendl, Christoph Hagen, Christian Lausch, Mag. Daniela Musiol, Mag. Dr. Beatrix Karl, Mag. Gerald Loacker, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Reinhard Eugen Bösch und Mag. Gertrude Aubauer sowie die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: F, G, N, dagegen: S, V, T).

 

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Otto Pendl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2015 05 06

                                      Otto Pendl                                                                   Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann