641 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (618 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern­Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (Meldepflicht-Änderungsgesetz),

über den Antrag 476/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der Verzugszinsen in der Sozialversicherung,

über den Antrag 944/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird,

über den Antrag 702/A der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert wird und

über den Antrag 764/A(E) der Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Senkung der SVA-Verzugszinsen und Anwendung von bestehenden Kulanzmöglichkeiten

Regierungsvorlage 618 der Beilagen

 

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die geltenden Meldeverpflichtungen reduziert werden, gleichzeitig soll eine vereinfachte Anmeldung vor Arbeitsantritt Platz greifen. Damit können in Zukunft zeitintensive Daten-Überprüfungen unterbleiben.

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat im November 2011 den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ersucht, eine Vorstudie zur Einführung der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldungen durchzuführen. Diese Vorstudie wurde im Oktober 2012 vorgelegt.

Zur Umsetzung wurde darin vorgeschlagen, die derzeit bestehenden drei unabhängigen Meldungen, nämlich die Versichertenzeitenmeldung (zum Beispiel die Anmeldung), die Beitragsnachweisung und den Beitragsgrundlagennachweis zusammenzuführen, wobei ein Lösungsansatz dahingehend erarbeitet wurde, die derzeitigen Meldungen zusammenzuführen.

Zum einen ist die Zusammenlegung von Beitragsnachweisung und Beitragsgrundlagennachweis in einem Datensatz vorgesehen. Die präsentierte Lösung geht davon aus, dass nur mehr Beitragsgrundlagen gemeldet werden, diese dafür aber monatlich. Die frühere Beitragsnachweisung entfällt, da sie die Summe der gemeldeten Beitragsgrundlagen ist. Dadurch können keine Differenzen mehr zwischen Lohn- und Abrechnungsdaten entstehen.

Zum anderen soll ein gänzlicher Abgleich zwischen allen drei Meldungen hergestellt werden, indem die derzeit im Bereich der Versichertenmeldung enthaltenen Angaben zur Wartung des Versicherungsverlaufes entfallen, da diese aus der neuen (monatlichen) Meldung entnommen werden. Die Mindestangaben-Anmeldung entfällt komplett zugunsten einer stark vereinfachten Anmeldung, die keine Lohndaten mehr enthält. Da aus der monatlichen Meldung zusätzlich der Versicherungsverlauf gewartet wird, werden die meisten Änderungsmeldungen entfallen.

Durch die Realisierung der Vorschläge der Arbeitsgruppe können die sich aus dem geltenden Melderecht ergebenden Problemstellungen und Unzulänglichkeiten gelöst werden. Damit entfallen dem Dienstgeber und den Krankenversicherungsträgern viele Clearingfälle, da Doppelmeldungen abgeschafft werden. Den Versicherten können sehr zeitnah Auskünfte über Beitragsdaten gegeben werden. Durch die Abspeicherung der Beitragsgrundlagen in der zentralen Versicherungsdatei wird der Datenbestand für alle Nutzsysteme abrufbar. Das System ist auch für künftige sozialpolitische Maßnahmen offen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Empfehlung der Arbeitsgruppe aufgegriffen.

Im Einzelnen werden laut Entwurf jedenfalls folgende Meldungen obsolet:

die Beitragsnachweisung, die Meldung zum Service-Entgelt für Vorschreibebetriebe, die Meldung zur Betrieblichen Vorsorge für Vorschreibebetriebe, die Meldung zum verminderten Beitrag nach dem AlVG bei geringem Einkommen für Vorschreibebetriebe, die Sonderzahlungsmeldung für Vorschreibebetriebe, die Lohn- und Gehaltsänderungsmeldung für Vorschreibebetriebe sowie die Änderungsmeldungen „Beitragsgruppenumstufung bzw. Beitragsgruppenänderung auf Grund des Alters“, „Geringfügig/Vollversichert zu Monatsbeginn“, „Lehrlingsumstufungen zu Monatsbeginn“, „BV­Beitragszahlung zu Monatsbeginn“ und „Änderung des Entgelts“.

Zudem sieht der Entwurf in Umsetzung des Regierungsprogramms die Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze und eine Senkung der Verzugszinsen vor. Wegen mangelnden Bedarfs sollen darüber hinaus die Sonderbestimmungen über die Versicherung fallweise beschäftigter Personen sowie über die Versicherung der unständig beschäftigten ArbeiterInnen in der Land- und Forstwirtschaft entfallen. Außerdem sollen einige Klarstellungen im Beitragsrecht nach dem GSVG getroffen werden.

Im Einzelnen enthält der Entwurf im Bereich der Sozialversicherung folgende Maßnahmen:

                  - Aufhebung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze;

                  - generelle vereinfachte Anmeldung vor Arbeitsantritt anstelle der (fakultativen) Mindestangaben-Anmeldung;

                  - Aufhebung der Bestimmungen über die Versicherung fallweise beschäftigter Personen und über die Versicherung der unständig beschäftigten ArbeiterInnen in der Land- und Forstwirtschaft;

                  - Normierung der verpflichtenden Meldung der individuellen monatlichen Beitragsgrundlagen (unter Entfall der bisherigen Beitragsnachweisungen nach dem Lohnsummenverfahren) sowie der Berichtigung von Beitragsgrundlagen;

                  - Entfall der Bestimmungen über die (Meldung zur) Durchführung eines Jahresausgleiches;

                  - Streichung der Regelung, wonach für geringfügig Beschäftigte grundsätzlich von einem jährlichen Beitragszeitraum auszugehen ist;

                  - Entfall der Bestimmung über die monatliche Beitragsgrundlage für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis;

                  - Entfall der Bestimmungen über die Ermächtigung des Hauptverbandes zur Pauschalierung der Sonderzahlungen für bestimmte Versichertengruppen;

                  - Entfall der Bestimmung über die Beitragspflicht bei nicht rechtzeitiger Meldung von Änderungen;

                  - Entfall der Regelung über die Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge in Fällen eines abweichend festgelegten Beitragszeitraumes;

                  - Ermöglichung der Vereinbarung einer jährlichen Beitragsentrichtung für geringfügig Beschäftigte;

                  - Klarstellung, dass Verzugszinsen auch dann nicht einzuheben sind, wenn ein Säumniszuschlag vorgeschrieben wird;

                  - Senkung der Verzugszinsen;

                  - Klarstellung, dass das der Streichung aus der HFU-Liste vorangehende Mahnschreiben zu begründen ist und die Streichung erst fünf Werktage nach Versendung dieses Schreibens erfolgen darf;

                  - Normierung, dass im Zuge der Prüfung einer Eintragung in die HFU-Liste auch auf Säumniszuschläge Bedacht zu nehmen ist;

                  - Neuordnung der Regelungen betreffend Verstöße gegen die Meldevorschriften;

                  - Normierung, dass die in der (Muster)Satzung vorgesehenen „Arbeits- und Entgeltsbestätigungen“ entsprechend der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung einzuschränken sind;

                  - Klarstellung der Fälligkeitszeitpunkte im Fall einer Hinaufsetzung der vorläufigen Beitragsgrundlage;

                  - Normierung, dass die monatliche Einziehung auf dem Bankweg der monatlichen Einzahlung der Beiträge gleichzuhalten und dass diese Einziehung vor Eintritt der Fälligkeit zulässig ist;

                  - Entfall des Beitragszuschlages nach § 35 Abs. 6 GSVG bei Erstattung der Versicherungsmeldung innerhalb von acht Wochen ab Ausstellung des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides.

Im Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) werden die durch die Einführung der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung im ASVG notwendig gewordenen Änderungen vollzogen. Diese Anpassungen erfolgen auch im Landarbeitsgesetz 1984 (LAG).

Die Änderungen im Sozialversicherungsrecht betreffend die Geringfügigkeitsgrenze und die Meldung der Beitragsgrundlagen erfordern ebenso entsprechende Anpassungen im Arbeitslosenversicherungsrecht.

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Sozialversicherungswesen“) bzw. hinsichtlich des LAG auf Art. 12 Abs. 1 Z 6 B–VG („Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt“).

Antrag 476/A(E)

 

Die Abgeordneten Peter Wurm, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 12. Juni 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Verzugszinsen für die Jahre 1993 bis 1996 wurden aufgrund des § 59 Abs. 1 ASVG mittels Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung mit 10,5 % festgesetzt (BGBl Nr. 612/1982).

 

1993

1994

1995

1996

10,5%

10,5%

10,5%

10,5%

 

Durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 1996 (SRÄG 1996; BGBl. Nr. 411/1996) wurde § 59 ASVG dahingehend geändert, dass die Berechnung jeweils für ein Kalenderjahr aus dem jeweiligen Nominalzinssatz für Bundesanleihen im Oktober des dem Kalenderjahr vorangegangenen Jahres zuzüglich drei Prozentpunkte zu erfolgen hat. Daraus ergaben sich für das Jahr 1997 Verzugszinsen in Höhe von 9,11 % und für das Jahr 1998 8,04 %.

 

1997

1998

9,11%

8,04%

 

Ab dem Jahr 1999 wurden aufgrund der Änderung des § 59 ASVG (55. Novelle zum ASVG; BGBl. I Nr. 138/1998) die Verzugszinsen aus der jeweiligen von der Österreichischen Nationalbank verlautbarten Sekundärmarktrendite für Bundesanleihen im Oktober des dem Kalenderjahr vorangegangenen Jahres zuzüglich drei Prozentpunkten berechnet. Dementsprechend ergaben sich für die Jahre 1999 bis 2010 folgende Werte:

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

6,87 %

7,92 %

8,40 %

7,21 %

6,97 %

6,57 %

 

2005

2006

2007

2008

2009

2010

6,33 %

5,93 %

6,74 %

7,32 %

6,94 %

6,01 %

 

Aufgrund der Neufassung des § 59 ASVG ab 1. Jänner 2011 (Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010) erfolgt die Berechnung der Verzugszinsen für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz zuzüglich acht Prozentpunkten; dabei ist der Basiszinssatz, der am 31. Oktober eines Kalenderjahres gilt, für das nächste Kalenderjahr maßgebend. Aufgrund dieser Bestimmung ergaben bzw. ergeben sich folgende Prozentsätze:

 

2011

2012

2013

2014

8,38 %

8,88 %

8,38 %

7,88 %

 

Es wird auf nachstehende Tabelle verwiesen. Die dargestellten Werte umfassen die von den Gebietskrankenkassen vorgeschriebenen Verzugszinsen samt Beitragszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2013. Eine Auswertung nur der Verzugszinsen ist im Rahmen der vorhandenen Zeit nicht möglich. Zahlen vor 2003 sind nicht verfügbar.

In der Periode 2003 bis 2013 haben die Gebietskrankenkassen allein aus dem Titel der Verzugszinsen rund 700 Millionen Euro eingenommen. Diese 700 Millionen gingen zu Lasten der österreichischen Wirtschaft. Die kleinen und mittleren Unternehmen leiden unter den hohen SV-Kosten, da sie sehr oft zwar grundsätzlich zahlungswillig aber nicht immer unmittelbar zahlungsfähig sind, da der hohe Steuer- und Abgabendruck gepaart mit einer Kreditklemme zu fortgesetzten Liquiditätsengpässen führt.

Gleichzeitig betrügen Scheinfirmen, sehr oft in der Hand ausländischer Strohmänner sind, vor allem im Bau- und Baunebengewerbe die österreichischen Sozialversicherungsträger. Hier agieren Sozialministerium, Finanzministerium und Wirtschaftsministerium sehr oft halbherzig, da sie nicht einmal bereit sind, gegenüber dem Parlament offenzulegen, in welchem Ausmaß diese Schattenwirtschaft die österreichischen Sozialversicherungsträger abgabenmäßig betrügt.

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_00944/AB00944__349655_image001.gif

Zur Höhe der Verzugszinsen ist anzumerken, dass gemäß § 59 ASVG zum Basiszinssatz vom 31. Oktober des jeweiligen Vorjahres acht Prozentpunkte hinzuzufügen sind, was für 2013 einen Zinssatz von 8,38 % p.a. ergab.

Grundsätzlich soll es laut BMASK und Hauptverband der Sozialversicherung nicht dazu kommen, dass die Verzugszinsen, die für die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen entstehen, zu niedrig werden, weil es dann im Einzelfall günstiger werden könnte, öffentliche Zahlungsverpflichtungen nicht zu erfüllen, als (Überziehungs-)Kredite aufzunehmen.

Dies wurde laut BMASK auch vom Verfassungsgerichtshof ‚ausdrücklich so gesehen (VfSlg. 13.823)‘: Die Verzugszinsen sollen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes – abgesehen von der Abgeltung eines durch die Säumnis verursachten Verwaltungsmehraufwandes – auch verhindern, dass der Unternehmer durch Nichtzahlung der Sozialversicherungsbeiträge einen günstigen Kredit (‚billiges Geld‘) erlangt.

Zur Frage nach der Senkung des Verzugszinsensatzes hat der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer in der parlamentarischen Anfragebeantwortung 944 AB/XXV.GP angemerkt, dass das aktuelle Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018 unter dem Themenblock ‚Entbürokratisierung und Entlastung‘ im Punkt ‚Umfassende Deregulierung‘ eine Senkung der Verzugszinsen in der Sozialversicherung vorsieht. Eine Senkung müsste jedenfalls mit einer legistischen Änderung einhergehen.“

Antrag 944/A

 

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 25. Februar 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Durch geringfügige Beschäftigungen ist es möglich ohne Sozialversicherungsbeiträge einer Erwerbstätigkeit in einem geringen Ausmaß nachzugehen. Dies ist z.B. für Student_innen von großer Bedeutung, aber auch für Menschen, die sich neben einem Erwerbstätigkeitsverhältnis mit größerem Stundenumfang, noch etwas dazu verdienen möchten. Die Abgabenlast aufgrund von Lohnnebenkosten wird für Arbeitnehmer_innen gering gehalten. Außerdem besteht die Möglichkeit auf Selbstversicherung, um im Fall, dass nur eine geringfügige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, sozialrechtlich abgesichert zu sein.

Gegenwärtig finden sich im österreichischen Sozialversicherungsrecht aber zwei Grenzen zur Geringfügigkeit - eine monatliche und eine tägliche. Die tägliche Geringfügigkeitsgrenze hat eine negative Wirkung für leistungsbereite Arbeitnehmer_innen, aber auch für Arbeitgeber_innen. Die tägliche Geringfügigkeitsgrenze wird vor allem bei auf wenige Tage befristeten Beschäftigungsverhältnissen oftmals überschritten, obwohl die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten wird. Solche Beschäftigungsverhältnisse entstehen vor allem dann, wenn Unternehmen kurzfristig Personalbedarf aufgrund bestimmter Ereignisse haben. Durch die tägliche Geringfügigkeitsgrenze kommen Arbeitnehmer_innen, die aber nur wenige Tage beschäftigt sind, über diese Grenze hinaus und Sozialversicherungsbeiträge sind fällig.

Solche fallweisen Beschäftigungsverhältnisse sind vor allem im Tourismus, Gastgewerbe, Veranstaltungsmanagement und im Promotion-Bereich im Rahmen von bestimmten Veranstaltungen, Messen oder betrieblichen Aktionen anzutreffen, wo sich z.B. Student_innen - aber auch andere Arbeitnehmer_innen - gerne etwas dazuverdienen. Das wahrscheinliche Überschreiten der täglichen Geringfügigkeitsgrenze macht diese Tätigkeiten aber unattraktiv und auch Umgehungsmöglichkeiten im Sinne von Schwarzarbeit werden dadurch gefördert. Eine Abschaffung der täglichen Geringfügigkeitsgrenze, wie im Antrag gefordert, würde dem ein Ende setzen. Die freiwillige Kranken- und Pensionsversicherung für geringfügig Beschäftigte gem. § 19a ASVG wird damit nicht beschnitten und ist weiterhin möglich und ermöglicht auch eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung von allen Arbeitnehmer_innen, die geringfügig beschäftigt sind und nicht von einer Mitversicherung profitieren können.“

Antrag 702/A

 

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 22. Oktober 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Nachzahlungen an Sozialversicherungsträger können Unternehmen vor große finanzielle Probleme stellen. Wenn solche Nachzahlungen anstehen, handelt es sich immer um eine Gefahr für den Fortbestand von Unternehmen. Gerade die Gründe solcher Nachzahlungen sind deshalb besonders kritisch zu betrachten.

In vielen Fällen entstehen Nachzahlungsforderungen von Seiten der Sozialversicherungsträger aufgrund von GPLA-Prüfungen, insbesondere wenn durch eine solche Prüfung Selbstständige (Auftragnehmer_innen) zu Unselbstständigen (Angestellten des geprüften Unternehmens) erklärt werden. Dadurch können Rückzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen für bis zu 5 Jahre anfallen. Dass solche Umqualifizierungen nicht nur Unternehmen finanziell belasten, sondern auch einen Eingriff in die unternehmerische Selbstständigkeit der von der Umqualifizierung betroffenen Personen, handelt, ist nicht abzustreiten. Aus diesem Grund ist eine tatsächliche, verbindliche und institutionalisierte Schlichtungsstelle für solche Umqualifizierungen, mit entsprechenden Anhörungsrechten, erforderlich. Denn gegenwärtig sind die Betroffenen den Sozialversicherungsträgern, insbesondere den Krankenkassen, nahezu hilflos ausgeliefert.

Nicht nur die Rückzahlungen selbst, sondern insbesondere die Höhe der Verzugszinsen stellt in diesem - und natürlich auch in anderem - Zusammenhang die größte Bedrohung für die Unternehmen dar. In Anbetracht des gegenwärtigen Zinsniveaus bewirkt die derzeitige Gesetzeslage in Bezug auf die Verzugszinsen eine unverhältnismäßig hohe Bestrafung der betroffenen Unternehmen. Um eine verhältnismäßig angemessene Verzinsung bezüglich verschiedener Zinsnieveaus zu erreichen, ist es wenig sinnvoll, absolute Prozentsätze aufzuschlagen. Diese Regelung führt nämlich dazu, dass in Zeiten niedriger Zinsen die Bestrafung durch einen absoluten Zuschlag proportional viel stärker ist, als bei hohen Zinsniveau. Insbesondere im Hinblick auf die Argumentation, dass Verzugszinsen nicht zu niedrig sein sollen, ist die Gesetzeslage in dynamischerer Form anzupassen. Denn in Zeiten höherer Zinsen - von deren Rückkehr irgendwann in der Zukunft ist auszugehen - wirkt der absolute Prozentsatzaufschlag wiederrum verhältnismäßig günstiger für die Unternehmen, als beim gegenwärtigen Zinsniveau.

Ein niedriges Zinsniveau ist außerdem ein Ergebnis von Bemühungen, Wirtschaftswachstum zu generieren. Dieses wirtschaftspolitische Ziel der EZB wird konterkariert, wenn Unternehmen gerade in solchen Niedrigzinsphasen besonders exorbitante Zinsaufschläge berechnet werden. Deshalb ist eine sofortige Anpassung der Verzugszinsenlogik beim gegenwärtigen Zinsniveau unumgänglich. Das Regierungsprogramm sieht auf S. 16 eine solche Senkung der Verzugszinsen vor. Doch je länger mit dieser Senkung gewartet wird, desto mehr Unternehmen leiden unter der derzeitigen Rechtslage.“

Antrag 764/A(E)

 

Die Abgeordneten Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 19. November 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In 270.745 Fällen konnten Selbständige ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht pünktlich bezahlen und mussten deshalb Verzugszinsen in Höhe von insgesamt 36,41 Millionen Euro an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) entrichten – seit 2010 bedeutet dies einen Anstieg von 66,56%[1]. Diese Zinseinnahmen der SVA belasten insbesondere die große Gruppe der Ein­Personen-UnternehmerInnen (EPU) – und damit naturgemäß auch zahlreiche GründerInnen.

Die im Jänner 2011 veränderte Zinssatzberechnung in der Sozialversicherung hat zur Folge, dass der Verzugszinssatz der SVA aktuell (2014) bei 7,88% liegt. Im Vergleich hierzu betragen die Stundungszinsen des Finanzamts lediglich 4,38%.

Der überhöhte Zinssatz wirkt sich vor allem auf EPU und KleinstunternehmerInnen aus – diese müssen ihre finanziellen Mittel durch stark schwankende Auftrags- und Einkommensverläufe einteilen – worauf das Sozialversicherungssystem keinerlei Rücksicht nimmt. Das führt dazu, dass diese, obwohl im Jahresdurchschnitt zumeist wirtschaftlich erfolgreich, in einzelnen Quartalen ihren Beitragszahlungen nicht mehr nachkommen können. Kommen zu diesen Nachzahlungen auch noch satte Verzugszinsen hinzu, werden Selbständige in eine existenzbedrohende Abwärtsspirale von Schulden, Ratenzahlungen und schlimmstenfalls Exekution gedrängt.

Entlastung kann – neben einer Senkung der Verzugszinsen – die Anwendung von Kulanzregelungen bringen. Allerdings wurden 2013 lediglich in 546 Härtefällen die Verzugszinsen teilweise oder zur Gänze erlassen – das entspricht 0,2% aller Fälle und führt somit zu keiner merklichen Entlastung der Betroffenen. Dabei heißt es in §35 (5) GSVG:

Der Versicherungsträger kann die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch die Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.‘“

 

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Entschließungsantrag 476/A(E) in seiner Sitzung am 9. Oktober 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Peter Wurm die Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Johann Hechtl, Ing. Markus Vogl, Ulrike Königsberger-Ludwig, August Wöginger, Mag. Birgit Schatz, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Fritz Grillitsch sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

 

Am 12. Februar 2015 hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales den Initiativantrag 702/A in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Gerald Loacker die Abgeordneten Matthias Köchl, Peter Wurm, Martina Diesner-Wais, Mag. Gertrude Aubauer und Mag. Judith Schwentner sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

 

Die Regierungsvorlage 618 der Beilagen, der Initiativantrag 944/A und der Entschließungsantrag 764/A(E) wurden vom Ausschuss für Arbeit und Soziales am 27. Mai 2015 in Verhandlung genommen. Weiters wurden die vertagten Verhandlungen zum Entschließungsantrag 476/A(E) und zum Initiativantrag 702/A wiederaufgenommen.

Als Berichterstatter fungierte zur Regierungsvorlage 618 der Beilagen Abgeordneter Ing. Markus Vogl und zum Initiativantrag 944/A Abgeordneter Mag. Gerald Loacker. Berichterstatterin zum Entschließungsantrag 764/A(E) war Abgeordnete Mag. Judith Schwentner.

In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Gabriel Obernosterer, Mag. Gertrude Aubauer, Mag. Judith Schwentner, Mag. Gerald Loacker, Peter Wurm, Werner Neubauer, Dietmar Keck, Ulrike Königsberger-Ludwig, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Ing. Waltraud Dietrich das Wort.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in getrennter Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten (dafür: S, V, F, T, N, dagegen: G bzw. dafür: S, V, F, G, T, dagegen: N) beschlossen.

Ein im Zuge der Debatte von dem Abgeordneten Mag. Gerald Loacker eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit (für den Antrag: N, dagegen: S, V, F, G, T).

Die Entschließungsanträge 476/A(E) und 764/A(E) sowie die Initiativanträge 944/A und 702/A gelten als miterledigt.

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Ing. Markus Vogl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (618 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 05 27

                               Ing. Markus Vogl                                                               Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann



[1] Siehe Anfragebeantwortung 1965/AB durch Bundesminister Rudolf Hundstorfer (auf Anfrage 2274/J von Abg. Dr. Ruperta Lichtenecker) vom 8.9.14:

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AB/AB_01965/imfname_363313.pdf