Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Allgemeines:

Das Weisungsrecht des Bundesministers für Justiz gegenüber den Staatsanwaltschaften ist seit Jahrzehnten Gegenstand von Diskussionen sowohl in der verfassungs-, verwaltungs- und strafrechtlichen Rechtswissenschaft als auch – meist aus Anlass einzelner konkreter Strafverfahren – der allgemeinen und insbesondere der medialen Öffentlichkeit. Am 17. Februar 2014 konstituierte sich über Auftrag des Herrn Bundesministers für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter ein Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts, um ein verfassungskonformes Modell der Leitung, Steuerung und Kontrolle der Staatsanwaltschaften zu erarbeiten, das die Staatsanwaltschaften aus dem Anschein einer politischen Beeinflussung löst. Diesem Beratungsgremium gehörten über Einladung des Herrn Bundesministers für Justiz Vertreter der Höchstgerichte, des Bundesministeriums für Justiz, der Oberstaatsanwaltschaften, der Rechtswissenschaft sowie Standesvertreter der Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte an. Das Beratungsgremium trat in insgesamt fünf Sitzungen zusammen. Die Anhörung von Verfassungsrechtsexperten in der Sitzung vom 11. April 2014 und die daran anschließende eingehende Diskussion ergaben, dass eine (auch nur teilweise) Übertragung der Weisungsspitze an ein vom Bundesminister für Justiz verschiedenes Organ oder Gremium nur mit einem tiefgreifenden Eingriff in das verfassungsrechtliche Gefüge möglich wäre und insbesondere im Hinblick auf die Letztverantwortlichkeit samt parlamentarischer Kontrolle verfassungspolitisch nicht zu empfehlen bzw. nicht wünschenswert ist. Dieser Auffassung hat sich die Mehrheit des Beratungsgremiums angeschlossen. In den weiteren Sitzungen des Beratungsgremiums wurden konkrete Reformvorschläge, die von Mitgliedern des Beratungsgremiums zur Verfügung gestellt wurden, eingehend diskutiert und beraten. In der abschließenden Sitzung vom 19. November 2014 beschlossen die Mitglieder des Beratungsgremiums eine Punktation, in der die Empfehlungen des Beratungsgremiums für eine Reform des Weisungsrechts und der Berichtspflichten dargelegt werden.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die in der Punktation enthaltenen wesentlichen Empfehlungen des Beratungsgremiums umgesetzt werden. Der Entwurf zielt einerseits darauf ab, zu präzisieren, welche Strafsachen berichtspflichtig sind und welche Informationen in den Berichten der Staatsanwaltschaften enthalten sein müssen. Künftig sollen Berichte grundsätzlich nur noch vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen des 10. oder 11. Hauptstücks der StPO oder dem Einbringen der Anklage (§ 210 StPO), einem Vorgehen nach § 35c StAG, dem Rücktritt von einer Anklage oder vor der Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht oder die Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren zu erstatten sein, so ein bestimmtes Vorgehen im Vorfeld nicht von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Mit dieser Änderung wird ein wesentlicher Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung in berichtspflichtigen Strafsachen geleistet.

Auf der anderen Seite sieht der Entwurf die Einrichtung eines beratenden Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich („Weisungsrat“) vor und enthält dahingehende Regelungen über dessen Zusammensetzung, die notwendige Qualifikation und Bestellung seiner Mitglieder sowie seine Zuständigkeit, Aufgaben und Arbeitsweise. Der Beirat soll bei der Generalprokuratur eingerichtet werden und durch seine Tätigkeit dem Anschein einer politischen Beeinflussung der Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden durch den Bundesminister für Justiz im Bereich des Weisungsrechts und der Berichtspflichten entgegenwirken.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

1.)    Verringerung und Präzisierung der staatsanwaltschaftlichen Berichtspflichten.

2.)    Einrichtung eines Weisungsrats für den ministeriellen Weisungsbereich.

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen) sowie aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten der Justizpflege, Angelegenheiten der Notare und der Rechtsanwälte sowie Zivilrechtswesen).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Das Recht der Europäischen Union wird nicht berührt.

II. Besonderer Teil

Zu Z 1 und 6 bis 8 (§§ 2a Abs. 3, 8 Abs. 1, 1a, 2 und 3 StAG):

Bislang haben die Staatsanwaltschaften gemäß § 8 Abs. 1 StAG hinsichtlich Strafverfahren, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, oder in denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind, von sich aus der jeweils übergeordneten Oberstaatsanwaltschaft unter Mitteilung der etwa schon getroffenen Anordnungen zu berichten und in diesen Berichten zum beabsichtigten weiteren Vorgehen Stellung zu nehmen. Für die WKStA gilt dies nach § 2a Abs. 3 StAG mit der Maßgabe, dass sie grundsätzlich nur vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens nach den Bestimmungen des 10. bis 12. Hauptstückes der StPO zu berichten hat. Davor ist über bedeutende Verfahrensschritte zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden.

In Anlehnung an Pkt. I. 1. der Punktation des Beratungsgremiums zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz sollen künftig Berichte aller Staatsanwaltschaften nach § 8 Abs. 1 StAG grundsätzlich nur noch vor einer Beendigung des Ermittlungsverfahrens (nach den Bestimmungen des 10. oder 11. Hauptstücks der StPO) oder dem Einbringen der Anklage (§ 210 StPO), einem Vorgehen nach § 35c StAG, dem Rücktritt von einer Anklage oder vor der Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht oder die Ausführung eines Rechtsmittels im Hauptverfahren erstattet werden, es sein denn, dass zuvor ein Vorgehen von der Beurteilung einer noch nicht hinreichend geklärten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Im Übrigen haben die Staatsanwaltschaften in berichtspflichtigen Strafsachen über bedeutende Verfahrensschritte jedenfalls zu informieren, nachdem diese angeordnet wurden. Einer speziellen Ausnahmeregelung für die WKStA bedarf es daher nicht mehr. Entsprechend Anregungen im Begutachtungsverfahren, den Begriff der „bedeutenden Verfahrensschritte“ näher zu konkretisieren, wird vorgeschlagen, in § 8 Abs. 3 letzter Satz StAG einzufügen, dass darunter insbesondere Zwangsmaßnahmen (§§ 102 Abs. 1 zweiter Satz, 105 StPO) zu verstehen sind.

Anstelle der Person des Tatverdächtigen soll nicht zuletzt im Hinblick auf die Wahrung des Rechts auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK auf dessen Funktion im öffentlichen Leben abgestellt werden. Da von dieser Formulierung auch Strafsachen gegen Mitglieder eines allgemeinen Vertretungskörpers erfasst sind, bedarf es hinsichtlich dieser Fälle keiner gesonderten gesetzlichen Erwähnung mehr. Durch den Begriff „Strafsachen“ in § 8 Abs. 1 StAG ist jedenfalls sichergestellt, dass die Berichtspflicht nicht nur (begonnene) Ermittlungsverfahren, sondern auch jene Fälle umfasst, in denen gemäß § 35c StAG beabsichtigt ist, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen.

Berichte nach § 8 Abs. 1 StAG haben das beabsichtigte Vorgehen darzustellen und zu begründen. Ihnen ist der Entwurf der beabsichtigten Erledigung anzuschließen. Soweit sich diese Angaben nicht aus dem Entwurf der Erledigung ergeben, haben sie insbesondere eine Darstellung des dem Bericht zu Grunde liegenden Sachverhalts, die aufgenommenen Beweise und deren Würdigung sowie die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts zu enthalten (vgl. Punkt I. 2. der Punktation).

In Folge der Neuformulierung des § 8 Abs. 3 StAG wird vorgeschlagen, in Abs. 2 am Ende die Wendung „wobei sich Zeitpunkt und Art der Berichterstattung nach den besonderen Anordnungen der Oberstaatsanwaltschaften richten“ einzufügen, um zum Ausdruck zu bringen, dass den Oberstaatsanwaltschaften (weiterhin) entsprechende fachaufsichtsrechtliche Befugnisse zukommen.

Zu Z 2 (§ 2a Abs. 6 StAG):

Seit 20. März 2013 steht bei der WKStA ein von der Business Keeper AG speziell für Ermittlungen im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsdelikte geeignetes Hinweisgebersystem als internetbasiertes anonymes Anzeigesystem zur Verfügung (BKMS® System). Das System ermöglicht es einerseits einem Hinweisgeber, eine anonyme Meldung hinsichtlich des Verdachts von Straftaten im grundsätzlichen Zuständigkeitsbereich der WKStA nach § 20a StPO erstatten, andererseits der Ermittlungsbehörde beim Hinweisgeber unter Wahrung dessen Anonymität nachzufragen, um den Wert der Hinweise zu objektivieren. Derart objektivierte Meldungen stellen Ermittlungsansätze dar bzw. sind als Voraussetzung eines Verdachts für die Einleitung eines Strafverfahrens zu begreifen. Jene Meldungen, die zwar innerhalb der gesetzten Schwerpunkte nach § 20a StPO, jedoch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der WKStA liegen (insbesondere aufgrund der Schadenshöhe), werden der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft weitergeleitet.

Die Rechtsgrundlage des derzeitigen Probebetriebs des Systems bildet § 2 StPO. Um dahingehenden datenschutzrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Einrichtung eines Dauerbetriebs zu begegnen, wird eine eigene Rechtsgrundlage des Systems im StAG vorgeschlagen. Das allgemeine Anzeigerecht nach § 80 StPO bleibt von dieser Regelung unberührt.

Das BKMS® System ermöglicht die Abgabe von Hinweisen in anonymer oder namentlicher Form. Dabei besteht die Möglichkeit, sich einen (auf Wunsch auch anonymen) Postkasten einzurichten.

Die Anonymität des Hinweisgebers wird von technischer Seite gesichert. Eine namentliche Meldung beruht stets auf Freiwilligkeit.

Die Sicherstellung der Anonymität geschieht dadurch, dass innerhalb des BKMS® Systems keinerlei IP-Adressen, Zeitstempel oder Geo-Daten bzw. weitere Meta-Daten des Hinweisgebers gespeichert werden. Gleiches gilt für die Speicherung von Cookies. Alleinig zur Aufrechterhaltung der Benutzersitzung (Session) wird temporär ein sogenanntes „Null-Cookie“ (enthält keinerlei interpretierbare Informationen) gespeichert, welches nach Beendigung der Session automatisch verfällt. Die Überprüfung des Cookies ist Bestandteil der Datenschutz- und Sicherheitszertifizierung, um sicherzustellen, dass es sich hier auch tatsächlich um ein „Null-Cookie“ handelt.

Jede Kommunikation im Internet erfolgt auf Basis des Internetprotokolls (IP). Jedes Gerät in einem Computernetz muss eine eindeutige Adresse haben, mit der es angesprochen werden kann (IP-Adresse). So wird zum Beispiel ein Webserver von einem Webbrowser direkt über seine IP-Adresse angesprochen. Das BKMS® System als ASP-Lösung benötigt ebenso den Standard der Kommunikation im Internet über die IP-Adressen. Die IP-Adresse wird jedoch nur für den Moment der Realisierung der Antwort an den Anfragenden (z.B. Hinweisgeber) verwendet und ist danach sofort nicht mehr verfügbar, da sie in der speziell für die anonyme Meldung konzipierten Anwendung nicht protokolliert wird. Dies ist in der Entwicklung der Software fest verankert und ist Bestandteil der Sicherheitszertifizierung. Eine Nachvollziehbarkeit, an wen die Antwort gesendet wurde oder von welcher Adresse die übermittelten Daten stammen, ist damit nicht mehr gegeben. Diese Entwicklung ist im Programm-Code fest verankert und kann nicht verändert werden. Zur Prüfung dieses Umstands wurde vom dieses System ebenfalls gebrauchenden LKA Niedersachsen ein unabhängiger Gutachter bestellt, der die technische Anonymitätswahrung im BKMS® System testet und bestätigt bzw. zertifiziert. Diese Kernentwicklung in der Anwendung wurde mittels eines Hash-Codes (also einer vom Gutachter festgeschriebenen kryptischen Zahlenfolge) „eingefroren“. Eine potenzielle Änderung seitens der Business Keeper AG (was von Zeit zu Zeit zur Aufrechterhaltung der Sicherheit notwendig sein kann) würde diesen Hash-Code verändern und wäre innerhalb des BKMS® Systems sofort für jeden Kunden einsehbar. Sie erfolgt nur nach vorheriger Ankündigung der Business Keeper AG und anschließender Auditierung und Re-Zertifizierung durch unabhängige Gutachter.

Darüber hinaus wurde dieses Verfahren innerhalb zweier Datenschutz-Zertifizierungen begutachtet sowie regelmäßig durch externe Sicherheits-Audits und Penetrationsanalysen bestätigt.

Die Anmeldedaten des Hinweisgebers, welche sich dieser bei Einrichtung eines Postkastens anlegt, werden ebenso mittels Hash-Code verschlüsselt und sind für den Kunden sowie die Business Keeper AG nicht einsehbar. Das bedeutet, dass die Zugangsdaten nicht herausgelesen werden können, da sie nur als Hash-Code verschlüsselt zur Prüfung der Identität des Hinweisgebers vorliegen. Jeder einzelne Hinweis ist separat in sich verschlüsselt.

Jeder Hinweisgeber wird in verschiedenen Prozessschritten (Meldungsabgabe oder Antworten an den Bearbeiter) informiert und angehalten seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen. Keine Technik der Welt kann seine Anonymität sicherstellen, wenn nicht auch der Hinweisgeber seiner Sorgfaltspflicht nachkommt. Um die technische Sicherung der Anonymität nicht versehentlich durch Unachtsamkeit von identifizierbaren Dokumenten zu umgehen, wird der Hinweisgeber innerhalb des Meldeprozesses mehrfach (Einleitungstext, FAQs, Sicherheitsseite, Meldeseite) auf diese Sorgfaltspflicht hingewiesen. Beispielsweise wird in verschiedenen Meldeprozessschritten dem Hinweisgeber mitgeteilt, nicht aus dem Intranet eines Netzes eine Meldung abzugeben und keine detaillierten Angaben in der Meldung zu erstatten, die Rückschlüsse auf seine Person zulassen. Eine (zu) detaillierte Schilderung von Sachverhalten, eine Meldung aus der Unternehmens-/Behörden-IT heraus, eine Übermittlung digitaler Anhänge mit potenziellen Metadaten oder die versehentliche Nennung des eigenen Namens gefährden die Anonymität des Hinweisgebers.

Genau dieser Punkt wurde in der Vergangenheit von manchem IT-Experten in Österreich und Deutschland vernachlässigt. Oftmals legen diese externen Experten den Fokus ihrer Betrachtung ausschließlich darauf, eine technische Rundum-Absicherung zu verlangen und haben dabei nicht im Blick, dass ein Hinweisgebersystem wie das BKMS® System von Menschen genutzt wird, deren Verhalten sich nicht hundertprozentig technisch absichern lässt. Der Hinweisgeber hat, wie jeder andere Internetuser, immer eine Sorgfaltspflicht. Daher wird der Hinweisgeber im Meldeprozess an verschiedenen Stellen und im gesamten Ablauf daran erinnert und mit Hinweisen dazu angehalten, bestimmte Netze (Intranet) nicht zu verwenden oder bei seinen Angaben oder Anhängen achtsam zu sein. Alles Weitere wird dann technisch abgebildet, überprüft und zertifiziert und sorgt so für eine absolute Anonymität des Hinweisgebers.

Als Auftraggeber der Datenanwendung BKMS® System fungiert die WKStA. Das Bundesministerium für Justiz ist Betreiber der Applikation (Dienstleister im Sinne des § 4 Z 5 DSG 2000), die Business Keeper AG Subdienstleister (vgl. hierzu § 10 Abs. 2 DSG 2000).

Zu Z 3 (§ 3 Abs. 2 StAG):

Die vorgeschlagene Änderung stellt eine Anpassung an die Terminologie des Art. 90a B-VG dar.

Zu Z 4 und 5 (§ 6 Abs. 3 und 4 StAG):

Durch die vorgeschlagene Änderung soll sichergestellt werden, dass den gesetzlichen Anforderungen der Kenntniserlangung bereits durch das Einstellen der Geschäftsverteilungen in das Intranet Rechnung getragen wird.

Zu Z 9 und 10 (§ 8a Abs. 1 und 2 StAG):

Gemäß § 8a Abs. 1 StAG haben die Oberstaatsanwaltschaften Berichte nach § 8 StAG zu prüfen und gegebenenfalls die erforderlichen Weisungen zu erteilen. Ist gemäß § 8a Abs. 2 StAG der Bundesminister für Justiz zu befassen, so hat sich die Prüfung vor der Vorlage an diesen auf bloße Aufträge zur Beseitigung von Unvollständigkeiten der vorgelegten Berichte zu beschränken. Durch den Verweis auf § 8 Abs. 1a soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Frage der Unvollständigkeit des Berichts anhand der dort normierten Inhaltserfordernisse zu beurteilen ist.

Die Vorlageverpflichtung an den Bundesminister für Justiz nach § 8a Abs. 2 StAG soll vor dem Hintergrund einer einheitlichen Rechtsanwendung im Einklang mit § 8 Abs. 1 StAG künftig auch jene Fälle jedenfalls erfassen, in denen eine noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen ist.

Zu Z 11 (§ 10 Abs. 3 StAG):

Die in § 10 Abs. 3 StAG erster Satz normierte Berichtspflicht der Oberstaatsanwaltschaften und der Generalprokuratur ist durch den Statusbericht 1/10 abgedeckt. Es wird daher der Entfall deren ausdrücklicher Erwähnung im StAG vorgeschlagen.

Zu Z 12 (§ 29 Abs. 2 StAG):

Die Niederschrift der mündlichen Erörterung der Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren ist künftig von sämtlichen anwesenden Personen zu unterfertigen.

Zu Z 13 und 14 (§ 29a Abs. 1 und 1a StAG):

Im Einklang mit der Formulierung des § 8a Abs. 1 StAG hat der Bundesminister für Justiz die Berichte der Oberstaatsanwaltschaften sowie das beabsichtigte Vorgehen zu prüfen, wobei dies grundsätzlich auf Basis der vorgelegten Berichte geschehen soll. Wie in Punkt I. 3. der Punktation des Beratungsgremiums zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz zum Ausdruck kommend, soll er jedoch Ermittlungs- oder Strafakten oder auch nur einzelne Aktenteile anfordern können, um insbesondere Bedenken oder Anhaltspunkte für Unvollständigkeiten der Berichte (im Hinblick auf § 8 Abs. 1a StAG) aufzuklären. In folgenden Fällen soll der Bundesminister für Justiz jedenfalls eine Weisung zu erteilen haben: Wenn

           1. der Bericht über entscheidende Tatsachen undeutlich, unvollständig, mit sich im Widerspruch oder nur offenbar unzureichend begründet ist,

           2. zwischen den Angaben des Berichts und jenen des Erledigungsentwurfs ein erheblicher Widerspruch besteht, oder

           3. im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ein Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde.

Die mündliche Erörterung der Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren nach § 29a StAG unterliegt denselben Voraussetzungen wie nach § 29 StAG.

Zu Z 15 (§§ 29b und 29c StAG):

Wie vom Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz vorgeschlagen, soll für den ministeriellen Weisungsbereich ein Beirat eingerichtet werden, der organisatorisch bei der Generalprokuratur angesiedelt ist (Punkt II. 4 und 5. der Punktation). Als Kurzbezeichnung dieses Beirats, der in der Sache für die Wahrnehmung der Fachaufsicht über die Staatsanwaltschaften durch den Bundesminister für Justiz besteht, wird der Begriff „Weisungsrat“ vorgeschlagen.

Entsprechend der knappen Stimmenmehrheit im Beratungsgremium zur Reform der Berichtspflichten und des Weisungsrechts des Bundesministers für Justiz (Punkt II. 6. der Punktation) gehören dem Weisungsrat der Generalprokurator als Vorsitzender und zwei weitere Mitglieder an. Im Fall ihrer Verhinderung wird der Generalprokurator durch seine Ersten Stellvertreter in der Rangfolge entsprechend § 182 Abs. 3 RStDG vertreten. Die beiden Mitglieder werden durch Ersatzmitglieder vertreten.

Die beiden weiteren Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder werden auf Basis einer Vorauswahl durch den Rechtsschutzbeauftragten der Justiz (§ 47a StPO) nach Anhörung der Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs über Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten für die Dauer von sieben Jahren bestellt, wobei Wiederbestellungen nicht zulässig sind. Aus der Regelung, dass der Vorschlag zumindest doppelt so viele Namen zu enthalten hat, wie Personen als Mitglieder zu bestellen sind, ergibt sich, dass dem Bundespräsident eine Auswahlmöglichkeit gewährleistet ist. Die beiden weiteren Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder haben besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Straf- und Strafverfahrensrechts aufzuweisen und müssen mindestens fünfzehn Jahre in einem Beruf im Bereich des Strafrechts tätig gewesen sein, für den der Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften Berufsvoraussetzung ist. Richter- und Staatsanwälte des Dienststandes, der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter, in die Liste der Rechtsanwälte Eingetragene sowie andere Personen, die vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen ausgeschlossen oder zu diesem nicht berufen sind (§§ 2 und 3 des Geschworenen- und Schöffengesetzes) dürfen als weitere Mitglieder nicht bestellt werden. Ihre Bestellung endet grundsätzlich bei Verzicht, Tod, mit Ende der Funktionsperiode (in diesem Fall jedoch nicht vor einer Neubestellung gemäß § 29b Abs. 2 StAG) oder wegen nachträglicher Unvereinbarkeit nach § 29b Abs. 4 StAG.

Befangenheiten sind den anderen Mitgliedern des Weisungsrats unverzüglich anzuzeigen, woraufhin die Vertretungsregelungen zur Anwendung gelangen.

Der Weisungsrat ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder oder, im Falle von Verhinderungen (wozu auch Befangenheiten zählen), die entsprechenden Ersatzmitglieder anwesend sind. Die Entscheidung erfolgt mit einfacher Mehrheit, Stimmenthaltungen sind unzulässig.

Die näheren Regelungen über die Aufgaben des Vorsitzenden, Rechte und Pflichten der Mitglieder, die Einberufung von Sitzungen, die Vertretung der weiteren Mitglieder im Verhinderungsfall, die Bedingungen der Beschlussfassung im Umlaufweg und die Protokollierung sollen in einer Geschäftsordnung des Weisungsrats erfolgen, die der Genehmigung des Bundesministers für Justiz bedarf.

Die Sitzungen und Abstimmungen des Weisungsrats sind nicht öffentlich. Die Mitglieder des Weisungsrats unterliegen der Amtsverschwiegenheit. Sie sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden (Punkt II. 6. der Punktation). Die gemäß Abs. 7 vorgesehene Weisungsfreiheit beruht auf Artikel 20 Abs. 2 Z 2 B‑VG. Sie soll gewährleisten, dass künftig jeglicher Anschein einer politischen oder persönlichen Einflussnahme auf den Inhalt einer Weisung ausgeschlossen werden kann. Organisatorisch ist der Weisungsrat an die Generalprokuratur angebunden. Seine Kanzleigeschäfte werden daher von der Geschäftsstelle der Generalprokuratur wahrgenommen.

Die in § 29b Abs. 8 StAG geregelte Entschädigung der weiteren Mitglieder und Ersatzmitglieder des Weisungsrats orientiert sich an jener des Rechtsschutzbeauftragten (vgl. § 47a Abs. 6 StPO). Dem Generalprokurator bzw. seinem Vertreter gebührt keine Entschädigung. Die vom Bundesministerium für Justiz in das Beratungsgremium eingebrachte Variante einer bloß ehrenamtlichen Tätigkeit wurde als wenig zweckmäßig nicht weiter verfolgt.

Aufgabe des Weisungsrats ist die Beratung des Bundesministers für Justiz in jenen Fällen,

           1. in denen eine Weisung zur Sachbehandlung in einem bestimmten Verfahren (§ 29a Abs. 1 StAG) erteilt werden soll;

           2. bei denen es sich um Strafsachen gegen oberste Organe der Vollziehung (Art. 19 B-VG; konkret Bundespräsident, Bundesminister, Staatssekretäre und Mitglieder der Landesregierungen), Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs, des Verwaltungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs sowie der Generalprokuratur handelt;

           3. wo ein außergewöhnliches Interesse der Öffentlichkeit an der Strafsache besteht, dies insbesondere bei wiederholter und überregionaler medialer Berichterstattung oder wiederholter öffentlicher Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei oder aus Befangenheitsgründen und der Bundesminister für Justiz die Befassung des Weisungsrats für erforderlich hält.

In den genannten Fällen hat der Bundesminister für Justiz dem Weisungsrat den Bericht der Staatsanwaltschaft über ihr beabsichtigtes Vorgehen nach § 8 Abs. 1 StAG, die Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft sowie einen begründeten Erledigungsentwurf vorzulegen, woraufhin der Vorsitzende ehestmöglich eine Sitzung anzuberaumen hat. Auf entsprechendes Verlangen sind ihm einzelne Aktenbestandteile oder der gesamte Ermittlungsakt zu übersenden. Aus dem Verweis auf Berichte über das beabsichtigte Vorgehen nach § 8 Abs. 1 StAG ergibt sich, dass der Weisungsrat in den Fällen des § 28c Abs. 1 Z 2 und Z 3 StAG (nur) bei Vorhabensberichten der Staatsanwaltschaften zu befassen ist und nicht etwa bei jedem nachträglichen Bericht nach § 8 Abs. 3 letzter Satz StAG.

Es obliegt dem Weisungsrat, ehestmöglich eine schriftliche Äußerung zum Erledigungsentwurf des Bundesministers für Justiz zu erstatten. Trägt der Bundesminister für Justiz der Äußerung des ihn beratenden Weisungsrats im Ergebnis nicht Rechnung, so ist im Sinne der Forderung nach größtmöglicher Transparenz die Äußerung samt der Begründung, weshalb ihr nicht Rechnung getragen wurde, im Bericht an den Nationalrat und den Bundesrat gemäß § 29a Abs. 3 StAG zu veröffentlichen (Punkt II. 8. und 9. der Punktation). Ungeachtet der jährlich zu erfolgenden Berichterstattung an das Parlament kann es im Sinne der Transparenz der Entscheidungsfindung bei besonders medienwirksamen Verfahren geboten sein, dass auch der Weisungsrat seine Entscheidung entsprechend öffentlich kommuniziert. Dies ist unter anderem in Fällen denkbar, in denen der Bundesminister der Empfehlung des Weisungsrats im Ergebnis nicht folgt. Daraus ist aber keineswegs eine Verpflichtung abzuleiten, sondern es soll dem Weisungsrat die Möglichkeit eingeräumt werden, ungeachtet der grundsätzlichen Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit und unter Beachtung der zu wahrenden Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen, eine Stellungnahme in der Öffentlichkeit abzugeben. Dementsprechend wird in § 29b Abs. 6 StAG festgelegt, dass die Entscheidungen des Weisungsrates von diesem in sinngemäßer Anwendung des – die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften regelnden – § 35b StAG bekannt gegeben werden können. Jedenfalls gilt es dabei aber zu vermeiden, dass Betroffene von einer Entscheidung aus den Medien erfahren, bevor sie selbst etwa über eine Anklage oder Einstellung informiert wurden.

Besondere Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass im Fall einer Befassung des Weisungsbeirats und nachfolgender Erteilung einer Einstellungsweisung noch eine objektive Kontrolle in Gestalt der Überprüfung der Einstellungserwägungen durch den unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten der Justiz stattfindet, der auch die Möglichkeit hat, einen Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens einzubringen. Diese Verständigung des Rechtsschutzbeauftragten hat unabhängig davon zu erfolgen, wie sich der Weisungsbeirat zum Erledigungsentwurf des Bundesministers für Justiz geäußert hat. Durch die Einfügung des § 29c Abs. 4 StAG sind auch Fälle abgedeckt, die nicht bereits von der Bestimmung des § 194 Abs. 3 StPO erfasst sind.

Anregungen der Praxis im Begutachtungsverfahren folgend wird eine Regelung für besonderes dringliche Fälle in § 29c Abs. 5 StAG übernommen: In Angelegenheiten der internationalen strafrechtlichen Zusammenarbeit der Justizbehörden und in anderen keinen Aufschub duldenden Fällen, insbesondere in Haftsachen und der Frage der Erklärung eines Rechtsmittelverzichts und der Ausführung von Rechtsmitteln genügt es, den Weisungsrat im Nachhinein zu befassen. Eine entsprechende Regelung findet sich bereits in der derzeitigen Geschäftsordnung des gemäß § 8 BMG eingerichteten Weisenrats.

Zu Z 16 (§ 34 Abs. 2 StAG):

Die vorgeschlagene Ergänzung dient der Anpassung an die durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, erfolgte Einführung des „Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens“ (§ 35c StAG).

Zu Z 17 (§ 34a Abs. 2 StAG):

Mit der vorgeschlagenen Präzisierung soll im Einklang mit den aktuellen technischen Entwicklungen und auch vom Rechnungshof in der Vergangenheit formulierten Anforderungen eine fundierte gesetzliche Basis für eine künftige, vollständig digitale Aktenführung geschaffen werden.

Diese ist im Bereich der staatsanwaltschaftlichen Anwendung „EliAs“ bereits realisiert und wird im Rahmen der strategischen Initiative „Justiz 3.0“ mittelfristig für den gesamten Justizbereich angestrebt.

In diesem Kontext ist „Verfahrensautomation Justiz“ in einem weiten Sinn zu verstehen, sodass davon sämtliche IT-Anwendungen der Justiz umfasst sind. Nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten soll unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklungen in diesem Bereich vorrangig die digitale Akten- und Verfahrensführung angestrebt werden.

Zu Z 18 (§ 42 Abs. 19 StAG):

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten mit 1.1.2016. Die Ergänzung in § 34 Abs. 2 StAG soll als Anpassung an die durch das Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, bedingten Änderungen demgegenüber früher – also mit dem der Kundmachung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag – in Kraft treten.