721 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 1210/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Zivilprozessordnung, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter sowie das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden

Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 17. Juni 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Zu Artikel 1 (Änderung der Zivilprozessordnung):

Zu Z 1 bis 3 und 5 (§§ 189, 258, 260 und 471 ZPO):

In den §§ 189 Abs. 2 und 471 Z 6 werden jeweils die Einreden der (sachlichen oder örtlichen) Unzuständigkeit, der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft genannt; in § 471 Z 6 zusätzlich die Einreden der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit sowie der Unzulässigkeit des Rechtsweges. Da die herrschende Lehre ohnehin davon ausgeht, dass damit sämtliche (auch nicht ausdrücklich genannte) Prozessvoraussetzungen gemeint sind (Schragel in Fasching/Konecny², § 189 ZPO Rz 2; G. Kodek in Fasching/Konecny², § 260 ZPO Rz 1; Pimmer in Fasching/Konecny², § 471 ZPO Rz 26) und auch keine sachliche Rechtfertigung besteht, bestimmte Prozessvoraussetzungen abweichend zu beurteilen, soll die (unvollständige) Aufzählung in den genannten Bestimmungen systemgerecht durch einen Verweis auf § 239 Abs. 3 Z 1 ersetzt werden. Die Gleichwertigkeit sämtlicher Prozessvoraussetzungen hat der Gesetzgeber mit der ZVN 2002 auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 239 Abs. 3 Z 1 ausdrücklich die Wendung „und des Fehlens der sonstigen Prozessvoraussetzungen“ eingefügt hat.

Die Änderungen der §§ 258 und 260 sind Folgeänderungen der Neugestaltung des verfahrensrechtlichen Umgangs mit Prozesseinreden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die abgesonderte Verhandlung ist entbehrlich.

Zu § 260 ZPO:

§ 260 regelt in den Absätzen 1 bis 3 einerseits, dass Einreden, die das Fehlen von Prozessvoraussetzungen betreffen, weder den Beginn, noch die Fortsetzung der Verhandlung hindern sowie darüber abgesondert verhandelt werden kann, und legt andererseits fest, dass Fehler in der Gerichtsbesetzung sofort gerügt werden müssen. Die dafür verwendete Formulierung „das Gericht nicht den §§ 7 bis 8 JN entsprechend besetzt oder ein nach der Geschäftsverteilung nicht dazu berufener Richter am Verfahren beteiligt ist“, hat in der Literatur zu unterschiedlichen Auslegungen, was die davon erfassten Fälle betrifft, geführt (s Ballon in Fasching/Konecny3, § 5 JN Rz 34f; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4, §§ 260-261 Rz 15f; Schimanko, Die Geltendmachung von Verstößen gegen die Geschäftsverteilung und ihrer Mängel nach Streiteinlassung, ÖJZ 2003/19, 361). Unterschiedliche Auffassungen bestehen auch zur Frage, ob nach Rüge auch abgesondert darüber entschieden werden kann und ein abgesondertes Rechtsmittel gegen die Entscheidung zulässig ist. Eine unrichtige Gerichtsbesetzung stellt nämlich einen Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs. 1 Z 2 dar.

Da diese Fragen, bei denen es letztlich um die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter geht, in letzter Zeit in Rechtsprechung und Judikatur öfter auftauchen und es sich dabei um grundlegende Probleme, die sich regelmäßig schon am Beginn eines Verfahrens stellen, handelt, ist es sinnvoll, eine klare gesetzliche Regelung vorzusehen. Es sollte möglich sein, diese Belange bereits vorweg nach Rüge durch die Parteien mit einem abgesonderten anfechtbaren Beschluss zu klären, um unnötigen Verfahrensaufwand samt hohen Verfahrenskosten durch eine spätere Aufhebung der Entscheidung und des vorangegangenen Verfahrens als nichtig zu verhindern.

Die Frage nach einer „Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter“ stellt sich einerseits in Fällen, in denen ein anderer als der nach der (dem Gesetz entsprechenden) Geschäftsverteilung zuständige Richter entscheidet, andererseits aber auch in den Fällen, in denen zwar der nach der Geschäftsverteilung zuständige Richter entscheidet, die Geschäftsverteilung aber nach Ansicht der Partei den (verfassungs-) gesetzlichen Vorgaben widerspricht.

Für den ersten Fall – richtige Geschäftsverteilung, „falscher“ Richter – sieht das Gesetz vor, dass dieser Mangel von der Partei vor Einlassung in die mündliche Verhandlung zu rügen ist (§ 260 Abs. 4 ZPO). Ob darüber mit abgesondert anfechtbarem Beschluss sofort entschieden werden kann, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, Judikatur gibt es dazu noch nicht. In einem solchen Fall ist aber die Endentscheidung mit Nichtigkeitsberufung bekämpfbar (§ 477 Abs. 1 Z 2 ZPO).

Der zweite Fall – unrichtige Geschäftsverteilung, gemäß dieser „richtiger“ Richter – ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der OGH hat bereits in mehreren Entscheidungen auch Mängel der Geschäftsverteilung unter den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 2 ZPO subsumiert („aufgrund einer fehlerhaften generellen Norm, die gegen Art. 87 Abs. 3 B-VG verstößt“). Die Frage, ob auch in diesen Fällen eine Rügepflicht der Partei besteht, hat er ebenfalls bejaht (3 Ob 188/14i; 3 Ob 534/91), zu der Frage, ob abgesondert (und anfechtbar) darüber entschieden werden kann, aber noch nicht Stellung genommen.

Es soll daher eine gesetzliche Regelung geschaffen werden, die für die Fälle der gesetzwidrigen Geschäftsverteilung bzw. für jeden Verstoß gegen die richtige Gerichtsbesetzung eine Rügepflicht vorsieht (so wie sie für den nicht nach der Geschäftsverteilung berufenen Richter bereits besteht), und die für beide Fälle die Möglichkeit einer abgesondert anfechtbaren Entscheidung zulässt. Dies wird einerseits durch die Neugestaltung des Abs. 4 (nach dem Entwurf: Abs. 2) durch die allgemeine aus § 477 Abs. 1 Z 2 entnommene Formulierung erreicht, und andererseits durch die Aufnahme dieser Einreden in § 261, der sich mit dem prozessualen Umgang mit Prozessvoraussetzungen beschäftigt.

Der Entfall der Absätze 3 und 4 ist eine Folgeänderung der Neugestaltung des verfahrensrechtlichen Umgangs mit Prozesseinreden.

Zu Z 4 (§ 261 ZPO):

§ 261 regelt den verfahrensrechtlichen Umgang mit Prozesseinreden und legt die einzuhaltende Vorgangsweise fest. Prozesseinreden sind jene Einreden, deren Berechtigung zur Ablehnung einer Sachentscheidung und zur Zurückweisung der Klage führen. § 261 Abs. 1 erwähnt derzeit ausdrücklich nur die Einreden des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit, der Unzulässigkeit des Rechtsweges, des Fehlens der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit, der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft. Nach ständiger Rechtsprechung ist die genannte Bestimmung aber nicht nur auf die ausdrücklich genannten, sondern auf sämtliche Prozessvoraussetzungen anzuwenden (RIS-Justiz RS0040247; G. Kodek in Fasching/Konecny², § 261 ZPO Rz 1; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO4, § 260 bis 261 ZPO Rz 1). Dies soll nunmehr ausdrücklich klargestellt werden, indem auf § 239 Abs. 3 Z 1 verwiesen wird, der nicht nur die in § 261 Abs. 1 derzeit enthaltenen Prozesseinreden auflistet, sondern auch von „sonstigen Prozesseinreden“ spricht.

§ 261 Abs. 1 sieht derzeit zwingend die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Prozesseinreden vor. Dies gilt sowohl für die von den Parteien erhobenen Prozesseinreden als auch für die bereits nach Streitanhängigkeit noch von Amts wegen aufzugreifenden Prozesshindernisse. Wird eine Entscheidung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung getroffen, so stellt dies einen Nichtigkeitsgrund dar, der auch noch vor dem OGH von Amts wegen und nicht nur über ausdrückliche Geltendmachung im Rechtsmittel aufzugreifen ist (10 ObS 42/05g; RS0115767; RS0042973). Dies führt zu frustriertem Verfahrensaufwand. Diese unabhängig vom Einzelfall angeordnete Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung soll einer flexibleren Regelung weichen. Dem Gericht soll es ermöglicht werden, selbst zu entscheiden, ob es eine mündliche Verhandlung durchführen will. Erachtet das Gericht eine mündliche Verhandlung zur Erörterung erheblich scheinender Tatsachen oder Rechtsfragen für zweckmäßig, so soll eine solche angeordnet werden können. Ist das Gericht der Auffassung, dass eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, so soll eine mündliche Verhandlung nicht zwingend sein. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nicht in jedem Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zweckmäßig ist. Die neue Regelung bringt somit mehr Flexibilität und verhindert unzweckmäßige Verhandlungen, die das Verfahren verzögern und den Parteien Kosten verursachen, ohne dass damit ein Gewinn an Rechtsschutz verbunden wäre.

Von der Frage der „Mündlichkeit“ ist jene der Wahrung des rechtlichen Gehörs zu unterscheiden. Die aus Art. 6 EMRK folgende Garantie auf Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Parteien Kenntnis vom Akteninhalt, insbesondere von den von der gegnerischen Partei vorgebrachten Stellungnahmen und Beweismitteln haben (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention² § 24 Rz 48 mwN). Art. 6 EMRK verlangt aber nicht, dass zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist. Wenn das Gericht daher die schriftliche Gehörgewährung für ausreichend hält oder sich die Frage des rechtlichen Gehörs gar nicht stellt, weil z.B. die Einrede aus rechtlichen Erwägungen zu verwerfen ist, soll es nicht gezwungen werden, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, um den Formalkriterien des § 261 zu genügen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung kann aber in manchen Fällen durchaus zweckmäßig sein, und zwar insbesondere dann, wenn nicht nur Rechts-, sondern auch Tatfragen geklärt werden müssen. Es soll im gebundenen Ermessen des Gerichts liegen, welche Vorgangsweise es für eine rasche, effiziente und zielgerichtete Verfahrensführung als zweckmäßig erachtet.

§ 261 enthält derzeit noch eine weitere Regelung, die in der Praxis zu der Verfahrensökonomie abträglichen Verfahrensabläufen und damit auch zu Verfahrensverzögerungen führt. Verhandlungen über Prozesseinreden können derzeit 1. im Wege einer abgesonderten Verhandlung schon vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung, 2. nach Beginn der Streitverhandlung in einer abgesonderten Tagsatzung oder 3. gemeinsam mit der Hauptsache erfolgen. Nur dann, wenn das Gericht abgesondert verhandelt hat, kann ein über die Einrede gefasster Beschluss auch abgesondert angefochten werden. Wurde über die Einrede in derselben Verhandlung wie über die Hauptsache verhandelt, so ist eine abgesonderte Anfechtbarkeit nicht gegeben. Oftmals wird von den Gerichten die formale Beschlussfassung auf abgesonderte Verhandlung unterlassen, was die – teilweise nicht intendierte – Folge hat, dass eine allenfalls äußerst strittige Beurteilung einer Prozesseinrede erst mit der Entscheidung über die Hauptsache im Instanzenzug überprüft werden kann, was wiederum zur Folge haben kann, dass bei Bejahung eines Prozesshindernisses das Verfahren über die Hauptsache unnötigerweise durchgeführt wurde.

Diese unnötige Formalität der eigens erforderlichen Beschlussfassung auf abgesonderte Verhandlung soll abgeschafft werden. Der Richter soll – unabhängig von einer gemeinsamen oder getrennten Verhandlung über die Prozesseinrede – entscheiden können, ob er den Beschluss gesondert ausfertigen und damit eine sofortige Anfechtung möglich machen will, wenn er zwar das Vorliegen der positiven bzw. Nichtvorliegen der negativen Prozessvoraussetzungen bejaht, aber dennoch zunächst eine Klärung im Instanzenweg herbeiführen will. Wenn das Gericht daher der Überzeugung ist, dass es sinnvoll wäre, den Parteien Gelegenheit zu geben, seine Entscheidung vorweg im Instanzenweg überprüfen zu lassen, hat es nun die Möglichkeit, einen Beschluss darüber zu fassen und diesen gesondert auszufertigen, und zwar unabhängig davon, ob es über die Prozesseinreden gar nicht, abgesondert oder zusammen mit der Hauptsache verhandelt hat. Umgekehrt ist eine abgesonderte Anfechtung immer dann ausgeschlossen, wenn der Richter keine sofortige Entscheidung treffen kann oder will und die Entscheidung über die Prozesseinreden ins Urteil aufnimmt. Bei Aufnahme der Entscheidung über die Prozesseinrede ins Urteil gilt weiterhin, dass dieses mit dem gegen die Entscheidung in der Hauptsache offen stehenden Rechtsmittel anzufechten ist.

Diese neue Regelung ist im Zusammenhang mit der Ermöglichung der Entscheidung über Prozesseinreden auch ohne mündliche Verhandlung konsequent, weil es diesfalls für die Anfechtbarkeit ebenfalls nur darauf ankommen kann, ob das Gericht den Beschluss über die Prozesseinrede gesondert ausfertigt oder nicht.

Nach Abs. 4 müssen die Parteien derzeit beantragen, dass das Gericht zur Verhandlung der Hauptsache übergeht, wenn es die Einreden oder Anträge rechtskräftig abgewiesen hat. Auch dieser Formalismus soll beseitigt werden. In Hinkunft soll das Gericht das Verfahren von Amts wegen fortsetzen.

Abs. 5 soll (wie bisher) klarstellen, dass § 261 nicht nur bei einredeweiser Geltendmachung des Nichtvorliegens von Prozessvoraussetzungen anzuwenden ist, sondern auch dann, wenn das Gericht nach Streitanhängigkeit von Amts wegen das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen problematisiert und die Parteien damit befasst. Auch § 261 Abs. 6 bleibt inhaltlich unberührt.

Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen (ZPO):

Da die Änderungen einerseits nur die geltende Rechtsprechung wiedergeben (Einbeziehung aller Prozesseinreden, Rügepflicht bei Besetzungsmängeln) und andererseits soweit sie Neuerungen bringen (abgesonderte Anfechtbarkeit) sofort in Kraft treten und angewendet werden sollen, erübrigen sich Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen. Sie wären nicht nur überflüssig, sondern sogar kontraproduktiv, weil sie einen Schluss e contrario nahelegen würden, der im Widerspruch zur herrschenden Ansicht stünde.

Ab Inkrafttreten des Gesetzes können somit auch abgesonderte Entscheidungen über alle Prozesseinreden ergehen, soweit sie noch nicht gefällt wurden, unabhängig davon, ob darüber abgesondert mündlich verhandelt wurde. Soweit bereits ohne vorangegangene abgesonderte mündliche Verhandlung über eine Prozesseinrede eine abgesonderte Entscheidung gefällt wurde, ist diese nunmehr nicht mehr bloß deswegen mangelhaft. Dies soll auch dann gelten, wenn die Entscheidung aus diesem Grund bereits angefochten ist, aber noch nicht über das Rechtsmittel entschieden wurde.

Zu Artikel 2 (Änderung des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter):

Mit dem VAJu, BGBl. I Nr. 190/2013, wurden im Gefolge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 die bis zum 31. Dezember 2013 der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission nach § 59 DSt (unter anderem) nach dem DSt zukommenden Aufgaben an den Obersten Gerichtshof übertragen. In § 65 DSt wurde hinsichtlich der Kosten der Erfüllung dieser Aufgaben durch den OGH und die Generalprokuratur eine Kostentragungsverpflichtung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags vorgesehen. Damit sollte die bereits zuvor hinsichtlich der Kosten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission bestehende Kostentragungsregelung im Wesentlichen perpetuiert werden; hinsichtlich der Höhe des zu leistenden Betrags ging man dabei allseits davon aus, dass sich dieser zwar erhöhen, sich aber gleichzeitig nicht allzu weit von der von der Rechtsanwaltschaft bislang aufzubringenden Summe, die sich im mehrjährigen Durchschnitt in einer Größenordnung von insgesamt jeweils rund 100 000 Euro bewegt hat, entfernen wird.

Bei den erstmals für das Jahr 2014 vorzunehmenden Kostenermittlungen hat sich gezeigt, dass bei der Ermittlung der in Rede stehenden Kosten verschiedene Herangehens- und Berechnungsweisen möglich sind, die jeweils zu doch deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Ermittlung des tatsächlichen Aufwands in diesen Angelegenheiten erweist sich zudem deshalb als schwierig, weil die vom Obersten Gerichtshof nach dem DSt wahrzunehmenden Aufgaben von ihrem Umfang und ihrer Komplexität her regelmäßig eine besondere Kategorie bilden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass den zur Entscheidung in den berufs- und disziplinarrechtlichen Angelegenheiten berufenen Senaten neben zwei Berufsrichtern auch zwei aus dem Rechtsanwaltsstand gewählte, ehrenamtlich tätige Richter (Anwaltsrichter) angehören, die als Berichterstatter fungieren. Dadurch verringert sich der dem Bund entstehende Aufwand dann doch substanziell. Schließlich erscheint es im Hinblick darauf, dass eine effektiv funktionierende und im Bereich der Rechtsmittelentscheidungen einheitliche Disziplinargerichtsbarkeit innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit sehr wohl auch im veritablen Interesse der Justiz insgesamt liegt, durchaus angemessen, dass auch der Bund selbst einen Anteil der damit im Zusammenhang entstehenden Kosten trägt.

Angesichts dieser Ausgangslage wird vorgeschlagen, die bislang recht starre Kostenersatzregelung des § 65 DSt dahin zu präzisieren bzw. zu modifizieren, dass der Österreichische Rechtsanwaltskammertag zu den beim Obersten Gerichtshof und bei der Generalprokuratur im Rahmen deren Tätigwerden in berufs- und disziplinarrechtlichen Angelegenheiten der Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter nach dem DSt erwachsenden Kosten mit einem angemessenen Pauschalbetrag beizutragen hat. Dessen Er- und Ausmittlung soll durch den Bundesminister für Justiz erfolgen, der dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag den zu zahlenden Betrag bis längstens 31. August des folgenden Kalenderjahres bekanntzugeben hat. Die Zahlung durch den Österreichischen Rechtsanwaltskammertag hat sodann bis zum anschließenden 30. September zu erfolgen.

Was die Höhe des Beitrags des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags angeht, so hat sich im Rahmen der Erörterungen rund um den Kostenersatz für das Jahr 2014 unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Fallzahl von 100 bis 120 Fällen pro Jahr ein Betrag von 155 000 Euro als angemessen herauskristallisiert. Dieser Betrag entspricht der Höhe nach den (abgerundeten) Kosten einer Richter/innen-Planstelle der Gehaltsgruppe R3. Es erscheint zweckmäßig und – nicht zuletzt, um der Rechtsanwaltschaft eine entsprechende finanzielle Planung zu ermöglichen – der Sache nach geboten, sich auch bei den künftigen Festsetzungen an diesen Messgrößen, mit denen sowohl ein Bezug zu künftigen Geldwertveränderungen als auch Entwicklungen der zu bewältigenden Arbeitslast hergestellt ist, zu orientieren.

Zu Artikel 3 (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes):

Der Präsident oder die Präsidentin des Oberlandesgerichts wird bei seinen oder ihren Aufgaben nach Maßgabe der von ihm oder ihr zu erlassenden Geschäftseinteilung für Justizverwaltungssachen (Jv-Sachen) durch den Vizepräsidenten oder die Vizepräsidentin (beim Oberlandesgericht Wien durch die beiden Vizepräsident/innen) sowie auch durch Senatspräsident/innen und/oder andere Richter unterstützt und vertreten.

Bei den Oberlandesgerichten sind nach § 43 Abs. 1 GOG derzeit (nach einer Anpassung von 0,85 vH auf 1 vH durch die Novelle BGBl. I Nr. 136/2011) für diese Mitarbeit von Senatspräsidentinnen und Senatspräsidenten sowie Richterinnen und Richtern des Oberlandesgerichts in Justizverwaltungssachen Planstellen des Oberlandesgerichts im Ausmaß von 1 vH der dem Oberlandesgerichtssprengel zugewiesenen Richterplanstellen gebunden.

Die Anforderungen an die Bereiche Justizverwaltung (Jv), Dienstaufsicht, Bürgerservice, Informationstechnik (IT) und Controlling sowie die innere Revision (IR) haben sich zuletzt aus den unterschiedlichsten Gründen, wie insbesondere

-       neu eingerichtete Familiengerichtshilfe,

-       verstärkte und noch effizienter gestaltete Dienstaufsicht,

-       komplexer gewordene Managementaufgaben,

-       erweitertes Bürgerservice durch ressourcenbindende, für den Bürger/innen-Service aber unverzichtbare Aufgaben im Zusammenhang mit den Justiz-Ombudsstellen der Oberlandesgerichte (vgl. § 47a GOG),

-       verantwortungsvolle Aufgaben in den Bereichen Bau und Budget,

-       weiter vertieftes Ressourcencontrolling,

-       kontinuierlicher weiterer Ausbau der IT-Applikationen,

-       steigende Anforderungen in der Aus- und Fortbildung,

-       zentrale Steuerung des Fahrnisexekutionsvollzugs,

-       zentrale Steuerung des Revisor/inneneinsatzes sowie

-       weitreichende Neugestaltung der inneren Revision

deutlich vermehrt und erhöht.

Die derzeitige Situation in der Praxis zeigt, dass die bestehenden gesetzlichen Vorgaben nicht mehr einzuhalten sind und ein darüber hinausgehender Personaleinsatz nicht zu vermeiden bzw. zur Erfüllung der vorgesehenen Aufgaben auch erforderlich ist. In teilweisem Nachziehen an die Realität soll daher die Quote von 1 % auf 1,2 % angehoben werden.

Durch eine solche Anhebung der ‚Jv-IR-Quote‘ für die Oberlandesgerichte von 1 % auf 1,2 % würde nicht nur die noch zu beobachtende Divergenz zwischen (derzeitiger) gesetzlicher Vorgabe und IST-Stand ausgeglichen werden können (insgesamt wird im Bereich Jv/IR schon derzeit rund 1 richterliche VZK über dem rechnerischen Hundertsatz hinaus genutzt), sondern wären nach derzeitigem Stand durch entsprechende OLG-interne Umschichtungen bzw. Verschiebungen rund 2 weitere richterliche VZK für die Bereiche Jv und IR nutzbar.

Wie schon bisher verstehen sich die in Rede stehenden Arbeitskapazitäten (Jv einschließlich IR und Ombudsstellen) – im Gegensatz zur Berechnung bei den Gerichtshöfen erster Instanz – ohne die Arbeitskapazitäten des Präsidenten oder der Präsidentin und des (in Wien: der) Vizepräsidenten bzw. Vizepräsidentin(nen) des Oberlandesgerichts. Nehmen Präsident/in und/oder Vizepräsident(inn/en) des OLG teilweise auch Rechtsprechungsaufgaben wahr, ändert dies nichts an den insgesamt vorgesehenen gedeckelten Kapazitäten für die Justizverwaltung, die innere Revision und die Ombudsstellen. Vom Präsidenten bzw. Vizepräsidenten nicht ausgeschöpfte Jv-Kapazitäten stehen in einem solchen Fall für andere Richter oder Senatspräsidenten des OLG zur Verfügung. Unverändert gilt, dass, soweit Vizepräsidenten bzw. Richter der Gerichtshöfe erster Instanz für Aufgaben der inneren Revision und der Ombudsstellen herangezogen werden, diese nicht auf das in § 43 festgelegte (Planstellen-) Kontingent, sondern auf das Jv-Kontingent nach § 31 Abs. 2 GOG zählen.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 24. Juni 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Dr. Peter Wittmann der Abgeordnete Dr. Georg Vetter.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 06 24

                             Dr. Peter Wittmann                                                    Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau