731 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 393/A der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird

Die Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 29. April 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Historisch hat der Landfriedensbruch seine Wurzeln in der reaktionären Niederschlagung von Unruhen und revolutionären Aufständen nach dem Jahr 1848. In einem modernen Strafrecht ist der Landfriedensbruch hochproblematisch, weil er missbrauchsanfällig ist. Nicht umsonst wurde dieser Paragraph von den Staatsanwaltschaften und Gerichten bis vor wenigen Jahren praktisch kaum bis gar nicht angewandt, bis er in den letzten Jahren zur strafrechtlichen Verfolgung von Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans wieder zum Leben erweckt wurde.

•       2008 gab es erste Verurteilungen von Rapid-Fans wegen Landfriedensbruch nach Auseinandersetzungen bei einem Freundschaftsspiel zwischen Rapid Wien und Dinamo Zagreb in Kapfenberg.

•       2013 wurden fünfundsiebzig Rapid-Fans wegen Landfriedensbruch verurteilt, nachdem es am 21. Mai 2009 zu Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans und der Polizei am Wiener Westbahnhof gekommen ist.

•       2014 wurden fünf Rapid-Fans in U-Haft genommen, eine Hausdurchsuchung durchgeführt und gegen circa weitere fünfzig Fans wegen Landfriedensbruch ermittelt, nachdem es fünf Monate zuvor zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und der Polizei bei einem Fanfest gekommen ist.

Beim Landfriedensbruch braucht es keine Teilnahme an konkreten Auseinandersetzungen oder Sachbeschädigungen, um die individuelle Strafbarkeit zu begründen. Es genügt stattdessen die bloße Zurechnung von Einzelpersonen zu einer Menschenmenge, wenn von dieser Gewaltaktionen ausgehen oder zumindest mit Gewaltanwendung zu rechnen ist. Somit können auch Personen bestraft werden, die nachweislich nicht handgreiflich geworden sind oder nachweislich keine Sachbeschädigungen begangen haben. Es genügt, den Betroffenen zu unterstellen, dass sie im Wissen gehandelt haben, dass es bei der „Zusammenrottung“ zu Körperverletzungen oder Sachbeschädigung kommen wird.

Es lassen sich damit strafrechtliche Verfolgungshandlungen gegen einen sehr breiten Kreis von Betroffenen rechtfertigen, ohne dass die einzelnen Personen aktiv am Geschehen teilgenommen hätten. Der Straftatbestand des Landfriedensbruchs kann somit ähnlich dem § 278a StGB im TierschützerInnenprozess als Instrument missbraucht werden, um gegen unliebsame (zivil)gesellschaftliche Gruppierungen vorzugehen. Zivilgesellschaftlicher Protest oder Fußballfans sind aber kaum geeignet, eine Bedrohung für die Sicherheit und Ordnung eines Staates zu verursachen. Beim § 274 StGB (Landfriedensbruch) stellt sich die Frage, ob es überhaupt eines solchen missbrauchsanfälligen Straftatbestands bedarf. Für konkrete strafbare Handlungen gibt es mit der Körperverletzung oder der Sachbeschädigung ohnedies Strafparagraphen, die ein solches Verhalten unter Strafe stellen. Kann eine schwere Körperverletzung keinem individuellen Täter zugerechnet werden, so regelt § 91 StGB (Raufhandel) schon bisher, dass bereits die Teilnahme am Raufhandel strafbar ist. Personen die sich bloß weigern, einen Versammlungsort trotz erfolgter Auflösung zu verlassen, konnten auch bisher schon mit Verwaltungsstrafen bestraft werden.

Der Landfriedensbruch schließt damit keine Strafbarkeitslücke, sondern stellt vielmehr eine rechtsstaatliche Grauzone dar, die in erster Linie dazu dient, strafrechtliche Ermittlungen auszuweiten. In weiterer Folge ermöglicht der Landfriedensbruch die Verurteilung ganzer Personengruppen, ohne dass dabei ein bestimmter Schaden einem konkreten Verursacher zugerechnet werden müsste. Ein modernes österreichisches Strafgesetzbuch braucht einen solchen Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag erstmals in seiner Sitzung am 25. Juni 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Harald Stefan und Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter.

 

Die Verhandlungen über den Initiativantrag wurden in der Sitzung des Justizausschusses am 30. Juni 2015 wieder aufgenommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Nikolaus Scherak, Dr. Kathrin Nachbaur, Mag. Alev Korun, Mag. Gernot Darmann, Mag. Gisela Wurm, Ing. Mag. Werner Groiß, Mag. Dr. Beatrix Karl, Dr. Peter Wittmann und Dr. Harald Troch sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit (für den Antrag: G, N, dagegen: S, V, F, T).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2015 06 30

                         Mag. Friedrich Ofenauer                                               Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau