734 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (672 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz), das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 und das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz geändert werden und

über den Antrag 880/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbots in der Gastronomie

Regierungsvorlage 672 der Beilagen

Laut World Health Organziation (WHO Global Report (2012): Mortality Attributable to Tobacco) stellt Tabakkonsum die größte vermeidbare Ursache für chronische Krankheiten einschließlich Krebs, Lungen- und kardiovaskuläre Erkrankungen und frühzeitige Sterblichkeit dar.

Jährlich sterben 5 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums; hinzu kommen noch 600.000 Tote durch Passivrauch.

Tabak tötet pro Jahr mehr Menschen als Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria zusammen.

Weltweit sind 12 % aller Todesfälle der über 30-Jährigen dem Tabakkonsum zuzuschreiben. 71 % aller Lungenkrebsfälle werden durch Tabakkonsum verursacht, ebenso wie 42 % der COPD-Erkrankungen und 38 % der durch ischämische Herzerkrankungen bedingten Todesfälle 30- bis 44-Jähriger.

Der Tabakrauch, der beim Passivrauchen eingeatmet wird, enthält die gleichen giftigen und krebserzeugenden Substanzen wie der von der Raucherin bzw. vom Raucher inhalierte Rauch. Die chemische Zusammensetzung des passiv aufgenommenen Rauches gleicht der des aktiv inhalierten Tabakrauches und enthält über 4.800 verschiedene Substanzen. Bei über 70 dieser Substanzen ist nachgewiesen, dass sie krebserregend sind. Neben giftigen Substanzen wie Blausäure, Ammoniak oder Kohlenmonoxid enthält Tabakrauch krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Nitrosamine, Benzol, Arsen und das radioaktive Isotop Polonium 210.

Partikel des Tabakfeinstaubs lagern sich an Wänden, Textilfasern (z.B. Vorhängen) und Einrichtungsgegenständen ab und werden von dort wieder in die Raumluft abgegeben. In Räumen, in denen geraucht wird, ist man ständig den schädlichen, im Tabakrauch enthaltenen Stoffen ausgesetzt, sogar dann noch, wenn dort gerade nicht geraucht wird. Auch „kalter“ Rauch gefährdet die Gesundheit.

Passivrauchen ist in jedem Fall gesundheitsgefährdend, es gibt keine unbedenkliche oder unschädliche Dosis.

Die derzeit geltenden gesetzlichen Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzbestimmungen für die Gastronomie wurden auf Basis eines politischen Kompromisses mit der Novelle zum Tabakgesetz, BGBl. I Nr. 120/2008 verankert. Jüngst publizierte Studien zeigen, dass selbst räumlich getrennte Raucher-/-innen- und Nichtraucher-/-innenbereiche nicht ausreichend sind, um eine Gesundheitsgefährdung von Gästen, besonders aber auch der Beschäftigten in der Gastronomie, zu vermeiden.

Darüber hinaus werden in einem großen Teil der Gastronomiebetriebe selbst die bestehenden Vorschriften des Tabakgesetzes nicht eingehalten.

Neben den positiven Auswirkungen auf die Gesundheit durch Hintanhaltung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Passivrauch und „Drittrauch“, womit eine Senkung der Kosten für das Gesundheitswesen durch Reduzierung insbesondere der Therapie- und Behandlungskosten bei tabakassoziierten Erkrankungen (Herz-Kreislauf, Krebserkrankungen etc.) zu erwarten ist, kommt es zudem auch zu einer Stärkung der Rechtssicherheit aufgrund einer klareren, für alle verständlicheren und in gleicher Weise anwendbaren gesetzlichen Grundlage. Auch die Interessen des Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzes werden nunmehr durch Miteinbeziehung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Gastronomie umfassend berücksichtigt.

Für die Wirtschaftstreibenden ergibt sich der Vorteil, dass Wettbewerbsverzerrungen wegfallen, insb. auch durch die Miteinbeziehung von Veranstaltungen mit Öffentlichkeitscharakter, die in nicht ortsfesten Einrichtungen stattfinden.

Im internationalen Vergleich sind bereits jetzt vielfach strengere Regelungen in Kraft. Erfahrungen aus diesen Ländern zeigen, dass es für die Wirtschaftstreibenden nach Einführung eines uneingeschränkten Rauchverbotes in der Gastronomie sogar zu Umsatzsteigerungen gekommen ist.

Neben den klassischen Tabakerzeugnissen wird auch die Verwendung von Wasserpfeifen und verwandter Erzeugnisse (wie z.B. E-Zigaretten) in von Rauchverboten erfassten Bereichen untersagt. Studien belegen, dass der Konsum von E-Zigaretten sowohl für die „aktive Dampferin“ bzw. den „aktiven Dampfer“ als auch für die sich in der Umgebung befindlichen Personen gesundheitsschädliche Auswirkungen haben kann („Passivdampfproblematik“). Aus gesundheitspolitischer Sicht erscheint es geboten, diesen Gefahren und Risken mit geeigneten Maßnahmen entgegenzutreten. Auch hinsichtlich der Vollziehbarkeit der Rauchverbote ist eine klare Regelung unter Einbeziehung aller genannten Produktgruppen unerlässlich. Im Hinblick auf E-Zigaretten lassen die bisher zur Verfügung stehenden Publikationen (Deutsches Krebsforschungszentrum (z.B. DKFZ (2013): Elektrische Zigaretten – ein Überblick; DKFZ (2015): Gesundheitsgefährdung von Kindern und Jugendlichen durch E-Zigaretten: Verkaufsverbot an unter 18-Jährige unabhängig vom Nikotingehalt erforderlich), Norwegian Institute of Public Health (FHI (2015): Health risks associated with the use of electronic cigarettes), Medizinerinnen und Mediziner, Toxikologinnen und Toxikologen, Präventionsexpertinnen und Präventionsexperten) bereits jetzt den Schluss zu, dass davon ausgegangen werden kann, dass von diesen, unabhängig davon, ob es sich um nikotinhältige oder nikotinfreie Produkte handelt, sowohl für die „Dampferin“ bzw. den „Dampfer“ als auch für die Umgebung („Passivdampf“) schädliche Stoffe freigesetzt werden. Weiters wird zudem der Konsum von Wasserpfeifen in vom Rauchverbot umfassten Bereichen erfasst.

Antrag 880/A(E)

Die Abgeordneten Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. Jänner 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Jährlich sterben weltweit 600.000 Menschen durch Passivrauchen. Ein internationales Expertengremium hat im Jänner 2011 eine Studie veröffentlicht, die das globale Ausmaß des Passivrauchens bewertet. Erstmals wurde unter Berücksichtigung der Daten von 192 Staaten der Erde - inklusive Österreichs – berechnet, dass pro Jahr weltweit rund 600.000 Todesfälle durch Passivrauchen verursacht werden. Dabei waren Frauen die am meisten geschädigte Bevölkerungsgruppe: 47 Prozent der Todesfälle durch Passivrauchen ereigneten sich bei Frauen, 28 Prozent bei Kindern. Das sind etwa 165.000 Kinder, was der Zahl aller Kinder in Tirol und Vorarlberg entspricht.

Auch das Gesundheitsministerium ist sich im Klaren darüber, dass Tabakrauch mehr als 4.000 Chemikalien, darunter viele krebserzeugende und giftige Substanzen, enthält, und viele Krankheits- und Todesursachen auf die gesundheitsschädigende Wirkung des Tabakrauchs zurückzuführen sind: Herz-Kreislauferkrankungen, Krebs, chronische Bronchitis und obstruktive Atemwegserkrankungen, erhöhte Fehlgeburtenrate u. v. m., um nur die bekanntesten zu nennen. Laut der Homepage des BMG sterben in Österreich etwa 14.000 Personen jährlich an den Folgen des Tabakkonsums.

In Österreich rauchen 29% der Menschen ab 16 Jahren, das sind 1,9 Mio. Menschen. Schwere Tabakabhängigkeit ist eine Krankheit (ICD-10, 17.2), laut EU-Anti-Smoking-Climate 2001 ist Österreich mit Deutschland Schlusslicht beim Problembewusstsein. Vor diesen Fakten die Augen zu verschließen ist unverantwortlich und hat mit Diskriminierung und Stigmatisierung von RaucherInnen nichts zu tun. Nach den Schätzungen der Statistik Austria sterben 3.200 RaucherInnen jährlich an Lungenkrebs, über 30.000 Menschen an den Folgen tabakassoziierter Krankheiten wie Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen, Herzinfarkt, zahlreiche Krebsarten, etc..

Die Übergangsfrist der Tabakgesetznovelle für den Umbau von Betrieben der Gastronomie ist mit Ende Juni 2010 ausgelaufen, seither ist klar geregelt, dass in Lokalen über 50m² ein klar abgetrennter RaucherInnenraum bestehen muss, wenn das Lokal nicht als NichtraucherInnenlokal geführt wird. Für die Kontrollen der Vollziehung des TabakG sind die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig. Ein Erlass an die Landeshauptleute, mit welchem diese zu einer einheitlichen Verfahrens- und Strafpraxis angehalten werden, wurde vom BMG am 21.06.2010 herausgegeben.

Diesem folgend habe sich gezeigt, dass die NichtraucherInnenschutzvorschriften für die Gastronomie bislang nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Das gelte auch für in Einkaufszentren liegende Lokale. Zudem ist die Strafpraxis der Behörden uneinheitlich: ob und in welcher Höhe Strafen in erster Instanz verhängt werden, ist sehr unterschiedlich.

Nicht nur Volksanwalt Peter Kostelka ärgert sich über die ‚folgenlosen Rauchverbote‘ bzw. die ‚Nicht­Anwendung des Tabakgesetzes‘, die zu enorm vielen Beschwerden führen, sondern auch die vielen KritikerInnen des ‚zahnlosen‘ Gesetzes, wie etwa Gerald Maurer, Chef der Universitätsklinik für Kardiologie an der MedUni Wien am AKH. Er meinte etwa in einer Aussendung: ‚Die Einführung eines generellen Rauchverbots reduziert die Herzinfarktrate drastisch, innerhalb des ersten Jahres um zehn bis 20 Prozent. (...) Anscheinend reagieren bei uns die Politiker nicht so sehr auf Fakten als auf Lobbyismus. Österreich ist eine ‚Insel der seligen Raucher‘.‘

EU-Staaten mit strengem (generellen) Rauchverbot in der Gastronomie sind u.a. Irland (seit 29.3.2004), Belgien (seit 1.1.2010), Bulgarien (seit 1.7.2010), Frankreich (seit 1.1.2008), Island (seit 1.6.2007), Italien (seit 10.1.2005), Norwegen (seit 1.6.2004), England (seit 1.7.2007), Wales (2.4.2007), Schottland (1.3.2006), Nordirland (30.7.2007).

Zuletzt wurde in Ungarn ein generelles Rauchverbot beschlossen. Demnach darf ab 1. Jänner 2012 in Restaurants, Bars, Theatern, am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Haltestellen sowie auf Spielplätzen nicht mehr geraucht werden, um die Volksgesundheit weiter zu verbessern.

Zuletzt hat sich der Journalist Kurt Kuch gemeinsam mit der Initiative ‚Don’t smoke‘ für ein generelles Rauchverbot in Lokalen eingesetzt. Er ist am 3. Jänner 2015 an Lungenkrebs gestorben. In seinem Vermächtnis sollte möglichst rasch gehandelt werden, um die Zahl der durch Rauchen verursachten Todesfälle zu senken.“

 

Der Gesundheitsausschuss hat den Entschließungsantrag 880/A(E) in seiner Sitzung am 8. April 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Eva Mückstein die Abgeordneten Erwin Spindelberger und Dr. Erwin Rasinger. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

 

Am 30. Juni 2015 hat der Gesundheitsausschuss die Regierungsvorlage 672 der Beilagen erstmals und den Entschließungsantrag 880/A(E) wieder in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter zur Regierungsvorlage 672 der Beilagen fungierte Abgeordneter Erwin Spindelberger. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Peter Wurm, Dr. Eva Mückstein, Dr. Erwin Rasinger, Mag. Gerald Loacker und Ulrike Weigerstorfer sowie die Bundesministerin für Gesundheit Dr. Sabine Oberhauser, MAS das Wort.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G dagegen: F, T, N) beschlossen.

Der Entschließungsantrag 880/A(E) gilt damit als miterledigt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (672 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 06 30

                             Erwin Spindelberger                                           Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau