761 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 820/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler

Die Abgeordneten Werner Neubauer Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. November 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In der österreichischen Außenpolitik hat Südtirol weiterhin einen besonderen Stellenwert. Die im Pariser Vertrag vom 5. September 1946 verankerte Schutzfunktion Österreichs für Südtirol wird von der Bundesregierung verantwortungsbewusst wahrgenommen. Sie kommt in einem ständig begleitenden Interesse für die autonomiepolitische und allgemeine Entwicklung in Südtirol und in regelmäßigen Gesprächen der politisch Verantwortlichen aus Wien, Innsbruck und Bozen zum Ausdruck. Auf europäischer Ebene kommt der Südtirol-Autonomie Modellfunktion für die Lösung eines Minderheitenkonflikts zu. Sie ist nunmehr gemeinsames Gut aller drei in Südtirol lebenden Sprachgruppen (deutsch, italienisch, ladinisch); es gilt, sie zu bewahren und dynamisch weiterzuentwickeln. Gleichzeitig besteht für Österreich kein Zweifel, dass die Südtirol-Autonomie völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird. (…)“

In einem aktuellen Rechtsgutachten über die Geltung des Selbstbestimmungsrechts für die deutsche und ladinische Volksgruppe des Völkerrechtsexperten Univ.-Prof. Dr. Peter Pernthaler wird klargestellt, dass das Recht auf Selbstbestimmung nicht nur den Staatsnationen, sondern jedem Volk und jeder Volksgruppe zukommt und dass weder das „innere“ noch das „äußere Selbstbestimmungsrecht“ Südtirols durch die Autonomie aufgehoben oder verbraucht worden ist.

Das Gutachten stellt weiter fest, dass Österreichs politische und völkerrechtliche Verantwortung als Schutzmacht für die deutsche und ladinische Volksgruppe in den Dienst des Selbstbestimmungsrechts gestellt werden muss, wenn der politische Wille der Südtiroler dies eindeutig und nachdrücklich verlangt.

Das Selbstbestimmungsrecht, das auch die italienische Verfassung anerkennt, muss selbstverständlich von den Betroffenen selbst wahrgenommen werden.

In diesem Sinne hat bereits am 9. Oktober 2014 der Südtiroler Landtag folgende Beschlüsse gefasst:

„Der Südtiroler Landtag unterstreicht, dass Süd-Tirol gegen den Willen der Bevölkerung vom Vaterland Österreich abgetrennt wurde und bezeichnet die unfreiwillige Angliederung Süd-Tirols an Italien als Unrecht.“

und

„Der Südtiroler Landtag bekennt sich zu den UN-Menschenrechtspakten und bekräftigt das in Artikel 1 verankerte Selbstbestimmungsrecht der Völker auch für Süd-Tirol.“

Die im Außen- und Europapolitischen Bericht 2013 gewählte Formulierung nach der

„die Südtirol-Autonomie völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird“, ist bestenfalls unklar und zweideutig, schlimmstenfalls eine Absage an die völkerrechtlichen Prinzipien und den Willen der Südtiroler.

Sie hat auch schon zu Protesten aus dem Südtiroler Landtag geführt.

Deshalb bedarf es im Sinne des Weiterbestehens des Rechts der Selbstbestimmung der Südtiroler einer Klarstellung.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag erstmals in seiner Sitzung am 10. März 2015 in Verhandlung genommen und beschlossen, diesen Antrag dem Südtirol-Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses zur Vorberatung zuzuweisen.

Der Südtirol-Unterausschuss des Außenpolitischen Ausschusses befasste sich mit dem gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 9. Juni2015, wobei ein Einvernehmen der Fraktionen nicht hergestellt werden konnte.

Der Abgeordnete Dr. Georg Vetter berichtete den Mitgliedern des Außenpolitischen Ausschusses in der Sitzung vom 30. Juni 2015 über die Vorberatungen im Unterausschuss.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder und Dr. Johannes Hübner.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Mag. Andreas Schieder und Mag. Christoph Vavrik einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: S, V, G, N, dagegen: F, T) beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Selbstbestimmung kann auf verschiedene Weise verwirklicht werden. Für Österreich besteht kein Zweifel, dass die Südtirol-Autonomie völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird. Die Südtirol-Autonomie mit hohem Maß an Selbstgesetzgebung und Selbstverwaltung ist eine besonders gelungene Form der Selbstbestimmung.“

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 820/A(E) der Abgeordneten Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, T, dagegen: S, V, G, N).

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 820/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2015 06 30

                            Dr. Johannes Hübner                                                              Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann