772 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (697 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten erlassen wird und das Konsumentenschutzgesetz, das Gebührengesetz 1957 und das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden

A. Die Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten 2013/11/EU – ADR-Richtlinie

Die ADR-Richtlinie wurde am 21. Mai 2013 verabschiedet und am 18. Juni 2013 im Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht.

Ziel der ADR-Richtlinie ist es, ein unionsweites Netz an Alternativen Streitbeilegungsstellen (AS-Stellen) – die einem Kanon an Qualitätskriterien entsprechen – zu etablieren und derart eine Möglichkeit zur einfachen, effizienten, schnellen und kostengünstigen Beilegung inländischer und grenzübergreifender Streitigkeiten zu gewährleisten. Nach der Richtlinie soll es Verbrauchern möglich sein, sich mit Beschwerden, die aus Kauf- und Dienstleistungsverträgen im Sinne der ADR-Richtlinie mit Unternehmern resultieren, an AS-Stellen zu wenden. Verbrauchern steht es nach der Konzeption der ADR-Richtlinie frei, ein Streitbeilegungsverfahren zu initiieren und Unternehmen sich daran zu beteiligen.

In Abkehr zu einer in jüngerer Zeit wahrnehmbaren Tendenz der Europäischen Kommission hin zur Vollharmonisierung im Bereich des Verbraucherschutzrechts ist die ADR-Richtlinie von einem mindestharmonisierenden Ansatz geprägt. Sie beschränkt sich darauf bestimmte wesentliche Grundfragen zu regeln und belässt den Mitgliedstaaten hinsichtlich Ausgestaltung und Adaptierung der einzelnen nationalen Systeme weitreichende Gestaltungsspielräume. Geschuldet ist diese Ausgestaltung der ADR-Richtlinie den in zahlreichen Mitgliedstaaten bestehenden und alternativer Streitbeilegung gewidmeten Strukturen, deren Fortbestand trotz unionsweiter Vereinheitlichung gesichert werden soll.

Die ADR-Richtlinie enthält keine Vorgaben zur näheren Gestaltung der Verfahren zur alternativen oder außergerichtlichen Streitbeilegung.[1] Nach der Richtlinie ist klar, dass ein breites Spektrum an Möglichkeiten und damit von der Schiedsgerichtsbarkeit, über die Mediation bis hin zum bloßen Erleichtern der Kommunikation zwischen den beteiligten Streitteilen und Parteien sowie andere denkbare Verfahrensspielarten und Mischformen erfasst sein sollen.

Die ADR-Richtlinie umfasst fünf Kapitel. Kapitel I ist dem Geltungsbereich der Richtlinie, Ausnahmen und Definitionen gewidmet. Das Hauptstück der Richtlinie bildet Kapitel II, das den Zugang zu und Anforderungen an AS-Stellen und AS-Verfahren regelt und damit auch die für AS-Stellen verbindlichen Qualitätskriterien aufstellt. Kapitel III enthält Informationsverpflichtungen für Unternehmen und andere Einrichtungen sowie Regeln über Kooperation und Erfahrungsaustausch von AS-Stellen und anderen Einrichtungen. In Kapitel IV wird die Rolle der zu benennenden zuständigen Behörde festgelegt und das Notifikationsverfahren beschrieben. Kapitel V enthält die üblichen Schlussbestimmungen und legt fest, dass bis zum 9. Juli 2015 die erforderlichen nationalen Umsetzungsmaßnahmen zu erlassen sind.

B. Die Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten 524/2013 – ODR-Verordnung

Die ODR-Verordnung wurde zeitgleich mit der ADR-Richtlinie verhandelt, ebenfalls am 21. Mai 2013 verabschiedet und am 18. Juni 2013 im Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht. Diese verpflichtet die Europäische Kommission zur Einrichtung einer Europäischen Plattform für Online-Streitbeilegung („OS-Plattform“). Insbesondere im grenzüberschreitenden E-Commerce soll über die Plattform eine elektronisch basierte Streitbeilegung ermöglicht werden. Laut Art. 7 der ODR-Verordnung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet eine Online-Streitbeilegungskontaktstelle („OS-Kontaktstelle“) zu benennen, die Verbrauchern bei grenzübergreifenden Streitigkeiten Unterstützung bietet. Mit gegenständlichem Bundesgesetz wird das Europäische Verbraucherzentrum mit dieser Aufgabe betraut. Darüber hinaus werden Sanktionen für einen Verstoß gegen die in Art. 14 der ODR-Verordnung festgelegten Informationsverpflichtungen normiert (vgl. Art. 18 der ODR-Verordnung).

C. Zusammenspiel von Richtlinie und Verordnung

Sobald die Mitgliedstaaten eine flächendeckende Struktur von AS-Stellen errichtet haben, wird für jeden Streitfall, der im Geltungsbereich der ADR-Richtlinie liegt, zumindest eine AS-Stelle zuständig sein. An diese sollen sich Verbraucher im Zusammenhang mit Beschwerden aus im Wege klassischer Vertriebsformen geschlossenen Verträgen on- oder offline wenden können.

Im Bereich des E-Commerce soll Verbrauchern das Auffinden der für die Streitigkeit zuständigen Stelle durch das Schaffen der OS-Plattform – einer internetgestützten Plattform, deren Datenbank Informationen über die in der Europäischen Union eingerichteten und notifizierten Verbraucherschlichtungsstellen beinhaltet – erleichtert werden. Nach Eingabe weniger Grunddaten soll die OS-Plattform Beschwerdeführern helfen, die für ihre Streitigkeit zuständige AS-Stelle ausfindig zu machen und im Idealfall den in den Mitgliedstaaten bestehenden AS-Stellen die Beschwerde zur Fallbearbeitung zuweisen.

D. Grundüberlegungen zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten

Die klare Zielsetzung des Maßnahmenpaketes aus ADR-Richtlinie und ODR-Verordnung ist es, die Durchsetzung von Verbraucheransprüchen zu erleichtern. Auch das Regierungsprogramm 2013 – 2018 bezeichnet die Entlastung der Gerichte durch die Verstärkung außergerichtlicher Streitbeilegung als eine Maßnahme, um einen verbesserten Zugang zum Recht sowie erhöhten Rechtsschutz leisten zu können. Das gegenständliche Bundesgesetz leistet einen Beitrag zur Erfüllung dieses Ziels.

E. Legistische Konstruktion der Umsetzung

Eine Ansiedelung der Regelung über alternative Streitbeilegung im ohnedies komprimierten Konsumentenschutzgesetz oder in einem bestehenden Gesetz erschien aus dem Bemühen der Wahrung der Übersichtlichkeit und der in der österreichischen Normenlandschaft bestehenden Einzigartigkeit dieser unionsrechtlichen Vorgabe nicht angezeigt. Es war notwendig ein eigenes Gesetz zu schaffen, das es erlaubt, die ADR-Richtlinie in geschlossener Form umzusetzen. Daneben waren wenig umfängliche Änderungen des Konsumentenschutzgesetzes, des Gebührengesetzes und Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetzes unerlässlich bzw. angezeigt.

Die Umsetzung sichert die von der Richtlinie geforderte Notifikation jener AS-Stellen, die künftig alternative Streitbeilegung im Sinne der ADR-Richtlinie anbieten sollen. Dabei wird einerseits auf bestehender Infrastruktur aufgebaut und das Know-How arrivierter Schlichtungsstellen genutzt. Daneben wird durch eine Auffangschlichtungsstelle die von der ADR-Richtlinie vorgesehene Flächendeckung erreicht.

Neben der Einrichtung der notwendigen Infrastruktur zielt das gegenständliche Bundesgesetz darauf ab, inhaltliche Mindestvorgaben festzuschreiben und die komplementären Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen AS-Stellen zu benennen. Derart wird den Anforderungen des Richtliniengesetzgebers Genüge getan und verbleibt den einzelnen Einrichtungen ausreichend Flexibilität zur Gestaltung eigener Verfahren.

F. Spielräume der Richtlinie

Neben der Möglichkeit, Regelungen zu etablieren, die über den Mindestumsetzungsbedarf der Richtlinie hinausgehen, belässt die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber auch noch andere Gestaltungsspielräume. Insbesondere soll es nach der ADR-Richtlinie möglich sein, die grundsätzlich vom Anwendungsbereich ausgenommenen Verfahren vor Streitbeilegungsstellen, bei denen die mit der Streitbeilegung betrauten natürlichen Personen ausschließlich von einem einzelnen Unternehmer beschäftigt oder bezahlt werden, in den Anwendungsbereich zu integrieren. Der österreichische Gesetzgeber sieht davon ab, von dieser Option Gebrauch zu machen.

G. Richtlinienregelungen, die keiner gesonderten Umsetzung bedürfen

Die ADR-Richtlinie enthält einige Anordnungen, die an der von ihr eingeräumten Option – hier insbesondere an Art. 2 Abs. 2 lit. a, der Verfahren vor Streitbeilegungsstellen regelt, bei denen der Schlichter ausschließlich von einem einzelnen Unternehmer beschäftigt oder bezahlt wird – anknüpfen (so zum Beispiel Art. 19 Abs. 2 oder Art. 7 Abs. 2 lit. d). Es konnte mangels Nutzung der Optionen auch davon abgesehen werden diese umzusetzen. Andere Richtlinienvorgaben ließen ebenso wenig Umsetzungsbedarf entstehen. Es wird an geeigneter Stelle in den Erläuterungen auf diese verwiesen.

H. Bisheriger Werdegang des Gesetzesvorhabens und Generieren praktischer Erfahrungen

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) hat nach Verabschiedung der ADR-Richtlinie mit den Arbeiten zur Vorbereitung der Umsetzung begonnen. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe wurden zentrale Themen der Umsetzung mit Vertretern der mitbeteiligten Ressorts, der Sozialpartner, der Regulatoren, in deren Bereichen Schlichtungsstellen bestehen, des Internet Ombudsmanns und der sonst beteiligten Interessengruppen erörtert. Auf den Diskussionsergebnissen aufbauend wurde eine Punktation zur Stellungnahme versandt, die die wichtigsten Weichen für das Umsetzungsgesetz stellte. Die eingehenden Stellungnahmen und Vorbringen sowie die Ergebnisse interner Vorberatungen wurden bei der Konzeption des Entwurfes dieses Bundesgesetzes berücksichtigt.

Parallel zu den legistischen Vorarbeiten wurde aber auch das Schaffen praktischer Erfahrungswerte durch Einrichtung einer probeweise operierenden AS-Stelle befördert. Da Österreich im Bereich alternativer Streitbeilegung nur in ausgewählten Bereichen und Sektoren – wie etwa Telekom, Energie und Bahnverkehr – auf Erfahrungswerte zurückblicken kann, erschien es notwendig eine nahezu alle Beschwerden aus Verbrauchergeschäften abdeckende AS-Stelle im Rahmen eines Pilotprojektes Erfahrungswerte generieren zu lassen. Aus diesem Grund förderte das BMASK das Projekt „Schlichtung für Verbrauchergeschäfte“. Ergebnisse der Pilotphase wurden bei der Erstellung des gegenständlichen Bundesgesetzes berücksichtigt.

Letztlich wurde der Entwurf eines Umsetzungsgesetzes im Mai 2015 zur allgemeinen Begutachtung versandt.

Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Zivilrechtswesen).

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 1. Juli 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Angela Lueger die Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Peter Wurm, Mag. Birgit Schatz und Mag. Gerald Loacker sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, T, dagegen: N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (697 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2015 07 01

                                  Angela Lueger                                                                  Josef Muchitsch

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann



[1] Im Sinne der Richtlinie sind die beiden Begriffe synonym. Vgl. dazu etwa ihren Titel und Art. 2 Abs. 1.