791 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

der parlamentarischen Enquete-Kommission

betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich

Inhaltsverzeichnis

 

1. Bericht

2. Anlage A – Stellungnahmen der an der Enquete-Kommission teilnehmenden Bürger/-innen

3. Anlage B – Minderheitenbericht

4. Anlage C – Auszugsweise Darstellungen der öffentlichen Beratungen

5. Anlage D – Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger

6. Anlage E – Synopse zum Demokratiepaket (2177/A, XXIV. GP)

7. Anlage F – Literaturlisten

 

Die Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Dr. Reinhold Lopatka, Heinz-Christian Strache, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Dr. Kathrin Nachbaur und Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen stellten am 23. September 2014 an den Hauptausschuss des Nationalrates den Antrag, eine Enquete-Kommission betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich einzusetzen.

Dieser Antrag wurde vom Hauptausschuss in seiner Sitzung am 23. September 2014 beraten und einstimmig beschlossen.

Die Enquete-Kommission wurde mit der Beratung folgender Gegenstände beauftragt:

a.      Konstituierung – Weiterentwicklung der Direkten Demokratie, Bund – Recht – Politische Positionen (Donnerstag, 18. Dezember 2014) Verfassungsrechtlicher Status Quo direktdemokratischer Instrumente sowie verfassungsrechtliche Analyse des Initiativantrages 2177/A, XXIV. GP (in der Fassung des Abänderungsantrages und des Ausschussantrages vom 28. Juni 2013) unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens und der von den einzelnen Parteien und bürgergesellschaftlichen Organisationen vorgeschlagenen Modelle - politische Positionierung der Fraktionen

b.     Weiterentwicklung der Direkten Demokratie, Land – Recht – Praxis – Politische Positionen der Länder (Donnerstag, 22. Jänner 2015) Momentan bestehende direktdemokratische Instrumente in den neun Bundesländern und andere Partizipationsmodelle (z.B. Bürgerinnen- und Bürgerräte) - Recht- Praxis -Weiterentwicklung

c.      Direkte Demokratie in anderen Staaten – Recht – Praxis (Mittwoch, 18. Februar 2015) Vorstellung direktdemokratischer Instrumente ausgewählter Staaten

d.     Meinungsbild der organisierten Zivilgesellschaft (Mittwoch, 11. März 2015) Positionierung von Interessensvertreterinnen und Interessensvertretern Österreichs, von Vertreterinnen und Vertretern anderer wesentlicher Einrichtungen sowie von Vertreterinnen und Vertretern von NGOs zur direkten Demokratie

e.      Politik – Medien – Bürgerinnen und Bürger (Mittwoch, 15. April 2015) Analyse der zu erwartenden Veränderungen in Politik und Gesellschaft bei Einführung der vorgeschlagenen Modelle zur direkten Demokratie. Rahmenbedingungen für eine sachliche Auseinandersetzung über Volksbegehren und Volksbefragungen

f.      Parlamente in anderen Staaten (Mittwoch, 6. Mai 2015) Vergleich der Aufgaben und Organisationsformen von Parlamenten anderer Staaten. Vergleich der Arbeitsbedingungen der Abgeordneten in den verschiedenen Parlamenten. Intensivierung der Kommunikation zwischen Abgeordneten und den Bürgerinnen und Bürgern

g.     Politische Schlussfolgerungen (Dienstag, 2. Juni 2015) Zu erwartende Auswirkungen im Falle einer Stärkung und Erweiterung direkt demokratischer Einrichtungen auf die Strukturen und Abläufe im Nationalrat

 

Der Enquete-Kommission gehörten

vom Klub der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion

die Abgeordneten Bures Doris, Dr. Josef Cap, Mag. Andrea Kuntzl, Mag. Andreas Schieder und Dr. Peter Wittmann,

vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei

die Abgeordneten Asdin El Habbassi, BA, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Dr. Beatrix Karl, Karlheinz Kopf und Johannes Schmuckenschlager,

vom Freiheitlichen Parlamentsklub

die Abgeordneten Christian Hafenecker, MA, Ing. Norbert Hofer, Mag. Harald Stefan und Petra Steger,

vom Grünen Klub

die Abgeordneten Dieter Brosz, MSc und Mag. Daniela Musiol,

vom Parlamentsklub Team Stronach

der Abgeordnete Rouven Ertlschweiger, MSc bzw. die Abgeordnete Ing. Waltraud Dietrich

und vom Klub von NEOS

der Abgeordnete Dr. Nikolaus Scherak

an.

 

Zur Vorsitzenden der Enquete-Kommission wurde die Präsidentin des Nationalrates Doris Bures und zu Stellvertretern der Zweite Präsident des Nationalrates Karlheinz Kopf und der Dritte Präsident des Nationalrates Ing. Norbert Hofer gewählt.

Die Funktion des Schriftführers/der Schriftführerin übernahmen die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Daniela Musiol.

 

Weiters wurden acht Bürgerinnen und Bürger als Mitglieder der Enquete-Kommission beigezogen. Diese sollten während des gesamten Verlaufs der Enquete-Kommission an den öffentlichen Sitzungen teilnehmen und über ein Rederecht verfügen.

Interessierte hatten die Möglichkeit, sich vom 24. September bis 24. Oktober 2014 auf der Parlamentswebsite zu bewerben. Die Bürger/innen mussten berechtigt sein, parlamentarische Bürgerinitiativen zu unterstützen, d.h. sie mussten österreichische Staatsbürger/innen sein und das 16. Lebensjahr vollendet haben.

Die rund 1200 Anmeldungen wurden anhand von Alter und Geschlecht des Bewerbers bzw. der Bewerberin einer von vier vorgegebenen Gruppen zugeordnet. In einer Ziehung unter notarieller Aufsicht des Stellvertretenden Präsidenten der Österreichischen Notariatskammer Dr. Werner Schoderböck wurden aus diesen vier Gruppen jeweils zwei Personen mittels Los ermittelt:

Gruppe 1 (weiblich unter 35 Jahre): Michelle Missbauer und Marlen Ondrejka

Gruppe 2 (weiblich über 35 Jahre): Mag. Barbara Ruhsmann und Helga Schattauer

Gruppe 3 (männlich unter 35 Jahre): Günther Liegl und Felix Ofner

Gruppe 4 (männlich über 35 Jahre): Heinz Emhofer und Harald Petz

 

Ferner wurden den Beratungen weitere ständige, nicht stimmberechtigte Mitglieder bzw. Ersatzmitglieder aus dem Kreis von Bundesrätinnen und Bundesräten bzw. Expertinnen und Experten beigezogen:

vom Klub der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion

die Bundesräte Christian Füller und Reinhard Todt sowie die Bundesrätinnen Elisabeth Grimling und Mag. Daniela Gruber-Pruner

vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei

Bundesrat Gottfried Kneifel bzw. Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger (Institut für Föderalismus, Univ. Innsbruck) und Prof. Dr. Werner Zögernitz (Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen), Ass. Prof. Dr. Klaus Poier (Institut für Österr., Europ. und Vergleichendes Öffentl. Recht, Universität Graz)

vom Freiheitlichen Parlamentsklub

Bundesrat Hermann Brückl, Rechtsanwältin Dr. Susanne Fürst, Bundesrat Werner Herbert, Bundesrätin Monika Mühlwert

vom Grünen Klub

Claudine Nierth (Bundesvorstandssprecherin, Mehr Demokratie Deutschland), Mag. Erwin Leitner (geschäftsführender Bundessprecher, Mehr Demokratie Österreich)

vom Parlamentsklub Team Stronach

Univ.-Doz. Dr. Paul Luif (Österreichisches Institut für Internationale Politik – OIIP)

und vom Klub von NEOS

Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger (Universität Wien), Feri Thierry (Bundesgeschäftsführer, Demokratie- und Partizipationssprecher)

 

Schließlich nahmen Politikerinnen und Politiker der Landes- bzw. Gemeindeebene an den Sitzungen der Enquete-Kommission teil. Nominiert waren:

 

vom Klub der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion

LAbg. Gudrun Mosler­Törnström BSc (Zweite Landtagspräsidentin Salzburg), LAbg. Dr. Kurt Stürzenbecher (Gemeinderat der Stadt Wien, Stv. Klubvorsitzender), Mag. Werner Innreiter (Klubdirektor Landtagsklub Oberösterreich)

 

vom Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei

LAbg. Dr. Christian Dörfel (Bürgermeister von Steinbach an der Steyr), Landesparteiobmann von Wien, Stadtrat Mag. Manfred Juracka, Bundesrat Gottfried Kneifel, Norbert Walter, MAS (Abgeordneter zum Wiener Landtag), Bundesrat Mag. Harald Himmer,

 

vom Freiheitlichen Parlamentsklub

LAbg. Peter Samt (Steiermark), Bundesrätin Monika Mühlwert,

 

vom Grünen Klub

Dr. Jennifer Kickert (Gemeinderätin Wien, stellvertretende Klubobfrau), Otmar Hiebaum (Bürgermeister der Gemeinde Markt Hartmannsdorf und Vertreter der Steirischen Gemeindeinitiative), Bundesrätin Dr. Heidemarie Reiter,

 

vom Parlamentsklub Team Stronach

Bundesrat Mag. Gerald Zelina

 

und vom Klub von NEOS

Christoph Starzer (Gemeinderatsklubobmann Salzburg), LAbg. Mag. Martina Pointner (Vorarlberg), Mag. Uwe Trummer (Landessprecher Steiermark), Christian Schreiter (Landessprecher Burgenland).

 

Die Enquete-Kommission hat den Beschluss gefasst, jedenfalls die Anhörungen der Expertinnen und Experten und die daran anschließenden Diskussionen im Sinne des § 98 Abs. 5 GOG-NR in Verbindung mit § 28b Abs. 2 GOG-NR öffentlich abzuhalten.

Über die Sitzungen der Enquete-Kommission wurden Stenographische Protokolle abgefasst. Die Präsidentin des Nationalrates hat in dem Zusammenhang dem Ersuchen gemäß § 39 Abs. 2 GOG­NR entsprochen, diese jeweils in Form eines Kommuniqués zu veröffentlichen.

Überdies wurden die Bürgerinnen und Bürger eingeladen, Stellungnahmen zum Arbeitsauftrag der Enquete-Kommission bis zum Abschluss der Arbeiten abzugeben. Diese wurden, sofern nicht rechtliche Gründe gegen eine Veröffentlichung sprachen, auf der Website des Parlaments unter dem Link: http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A-HA/A-HA_00003_00344/ zugänglich gemacht.

Zur breiten Information der Öffentlichkeit wurden die Sitzungen mittels Livestream übertragen und es war möglich, sich mittels Tweetmeldungen unter dem Hashtag #EKDemokratie aktiv an den laufenden Debatten zu beteiligen.

 

1. Sitzung am 18. Dezember 2014 (Konstituierung – Weiterentwicklung der Direkten Demokratie, Bund – Recht – Politische Positionen)

In dieser Sitzung fand die Konstituierung der Enquete-Kommission statt. Darüber hinaus wurden für den nachfolgenden öffentlichen Teil der Sitzung zum Thema „Weiterentwicklung der Direkten Demokratie, Bund – Recht – Politische Positionen“, folgende Verfassungsexpertinnen und Verfassungsexperten gemäß § 40 Abs. 1 GOG­NR eingeladen: Dr. Susanne Fürst, Rechtsanwältin, Univ.­Prof. Dr. Anna Gamper, Universität Innsbruck, Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, Leiter des BKA­VD, Univ.-Prof. Dr. Franz Merli, Karl-Franzens-Universität Graz, Univ.­Prof. Dr. Theo Öhlinger Universität Wien, Univ.Prof. Dr. Johannes Pichler, Karl-Franzens-Universität Graz.

Der Wortlaut der Statements sowie der anschließenden Debatte, an der sich die an der Enquete-Kommission teilnehmenden Bürger/-innen sowie die Mitglieder mit Rederecht beteiligten, sind der Anlage C1 zu entnehmen.

 

2. Sitzung am 22. Jänner 2015 (Weiterentwicklung der Direkten Demokratie, Land – Recht – Praxis – Politische Positionen der Länder)

Einleitend stellten Ass. Prof. Dr. Michael Mayrhofer (Johannes Kepler Universität Linz) und Länderrechtsexperten: Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger (Vorarlberg), Dr. Wolfgang Steiner (Oberösterreich), MMag. Dr. Florian Oppitz (Kärnten) und Mag. Josef Hörmandinger (Salzburg), weiters für die Gemeinden Ass. Prof. Dr. Karim Giese (Universität Salzburg), Magistratsdirektor Dr. Martin Floss (Stadt Salzburg) als Vertreter des Städtebunds und Mag. Nicolaus Drimmel als Vertreter des Gemeindebunds sowie Bürgerrat Dr. Manfred Hellrigl (Zukunftsbüro, Amt der Vorarlberger Landesregierung) die Ausgangslage in den Ländern und Gemeinden hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen und der Praxis dar.

An dieser Sitzung nahmen folgende Politiker/-innen von Landes- bzw. Gemeindeebene teil: SPÖ: LAbg. Gudrun Mosler­Törnström, BSc (Zweite Landtagspräsidentin Salzburg), LAbg. Dr. Kurt Stürzenbecher (Gemeinderat der Stadt Wien, Stv. Klubvorsitzender), ÖVP: LAbg. Dr. Christian Dörfel (Bürgermeister von Steinbach an der Steyr), Stadtrat Mag. Manfred Juracka (Landesparteiobmann von Wien), FPÖ: LAbg. Peter Samt (Landhaus Graz), GRÜNE: Dr. Jennifer Kickert (Gemeinderätin Wien, stellvertretende Klubobfrau), Otmar Hiebaum (Bürgermeister der Gemeinde Markt Hartmannsdorf und Vertreter der Steirischen Gemeindeinitiative), NEOS: Christoph Starzer (Gemeinderatsklubobmann Salzburg). Ferner wurden die Leiter und Leiterinnen der Verfassungsdienste bzw. deren informierte Stellvertreter/-innen der Länder den Beratungen beigezogen Stv. Leiterin Mag. Elisabeth Neuhold (Burgenland), Dr. Wolfgang Steiner (Oberösterreich), Dr. Klaus Heissenberger (Niederösterreich).

Die Referate sowie die daran anschließenden Diskussionen sind in der Anlage C 2 im Wortlaut enthalten.

 

3. Sitzung am 18. Februar 2015 (Direkte Demokratie in anderen Staaten – Recht – Praxis)

Mit folgenden vergleichenden Detailfragen beschäftigte sich die Enquete-Kommission hinsichtlich direkt-demokratischer Instrumente in anderen Staaten: Art der Unterschriftensammlung, Schwellen; Ausschluss von Themen bei Volksabstimmungen (Volksbefragungen); inhaltliche Überprüfung von Volksinitiativen; Dialogcharakter der Instrumente (Initiative und Parlament); Förderung einer sachlichen Debatte und Entscheidung; finanzielle Rahmenbedingungen für Initiativen. Prof. Dr. Frank Decker, Universität Bonn, em. Prof. Dr. Theo Schiller, Universität Marburg, Dr. Nadja Braun Binder, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer, Prof. Dr. Florian Grotz, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (Bund), Dr. Stefan Vospernik, Wien und Andreas Gross, Leiter des Ateliers für Direkte Demokratie in St. Ursanne (CH) hielten dazu einleitende Referate.

Folgende Landespolitiker/innen bzw. Bundesrätinnen und Bundesräte nahmen an der Sitzung teil: SPÖ: LAbg. Gudrun Mosler-Törnström, BSc (Zweite Landtagspräsidentin Salzburg), Dr. Kurt Stürzenbecher (Gemeinderat der Stadt Wien), ÖVP: Dr. Christian Dörfel (Abgeordneter zum Oberösterreichischen Landtag), Bundesrat Gottfried Kneifel; GRÜNE: Dr. Jennifer Kickert (Gemeinderätin Wien, stellvertretende Klubobfrau), Bundesrätin Dr. Heidemarie Reiter, Team Stronach: Mag. Gerald Zelina, NEOS: LAbg. Mag. Martina Pointner (Vorarlberg) .

Die Referate sind, gemeinsam mit den daran anschließenden Diskussionen, in der Anlage C 3 enthalten.

 

4. Sitzung am 11. März 2015 (Meinungsbild der organisierten Zivilgesellschaft)

Am Beginn der Sitzung wurde der Zwischenstand der Ergebnisse der Enquete-Kommission aus der Sicht der Fraktionen von den Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Mag. Daniela Musiol, Rouven Ertlschweiger, MSc und Dr. Nikolaus Scherak kommentiert.

Der anschließenden Debatte wurden folgende Vertreter/-innen der organisierten Zivilgesellschaft beigezogen: Mag. Martin Müller, Leiter des Referates Rechts- und Kollektivvertragspolitik des Österreichischen Gewerkschaftsbundes für Grundsatz und Organisation; Dr.in Claudia Rosenmayr-Klemenz, stv. Abteilungsleiterin Rechtspolitik der Wirtschaftskammer Österreich; Dr. Peter Kostelka, Vertreter des Österreichischen Seniorenrates; Dkfm. Ing. Gustav Chlestil, Präsident der Auslandsösterreicher – Weltbund; Prof. Herwig Hösele, Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform; Mag. Erwin Mayer, Mehr Demokratie! die parteiunabhängige Initiative für eine Stärkung direkter Demokratie; Gerhard Schuster, Volksgesetzgebung jetzt!; Leonore Gewessler, Geschäftsführerin Global 2000; Mag. Hans Asenbaum, Vorstandsmitglied Attac Österreich und Mitglied der AG Demokratie; Dr.in Tina Olteanu, Universitätsassistentin am Institut für Politikwissenschaften.

Die Wortmeldungen der Fraktionen und die Diskussion sind in der Anlage C 4 enthalten.

 

5. Sitzung am 15. April 2015 (Politik – Medien – Bürgerinnen und Bürger)

Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier, Donau-Universität Krems; Helge Fahrnberger, externer Lehrbeauftragter, Universität Wien und Hon.-Prof. Dr. Hans-Peter Lehofer, externer Lehrbeauftragter, Wirtschaftsuniversität Wien wurden eingeladen, einleitende Referate zum Gegenstand zu halten. Als Vertreter und Vertreterinnen der Medien wurden zu Präsentationen, insbesondere unter Beleuchtung der Herausforderungen, die durch direkte Demokratie für ihr Medium entstehen, Dr. Charles E. Ritterband, NZZ International; Dr. Fritz Dittlbacher, ORF; Martin Thür, ATV; Edgar Weinzettl, ORF Radio; Dr. Klaus Schweighofer, Privatradios; Eva Weissenberger, News; Dr. Astrid Zimmermann, Presseclub Concordia; Wolfgang Sablatnig, Tiroler Tageszeitung und Mag. Josef Barth, externer Lehrbeauftragter, Universität Wien, eingeladen.

Als Vertreter der Landesebene nahmen teil: SPÖ: Dr. Kurt Stürzenbecher (Gemeinderat der Stadt Wien), ÖVP: Dr. Christian Dörfel (Abgeordneter zum Oberösterreichischen Landtag), Norbert Walter, MAS (Abgeordneter zum Wiener Landtag), FPÖ: Bundesrätin Monika Mühlwerth, Peter Samt (Abgeordneter zum Steirischen Landtag), GRÜNE: Dr. Jennifer Kickert (Gemeinderätin Wien, stellvertretende Klubobfrau), Bundesrätin Dr. Heidemarie Reiter; Team Stronach: Bundesrat Mag. Gerald Zelina; NEOS: Mag. Uwe Trummer (Landessprecher Steiermark) geladen.

Die Referate sind, gemeinsam mit den daran anschließenden Diskussionen, in der Anlage C 5 dargestellt.

 

6. Sitzung am 6. Mai 2015 (Parlamente in anderen Staaten)

Zur Auseinandersetzung mit den Themen „Formen transparenterer Gesetzgebung – Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in gesetzgeberische Entscheidungsprozesse“ wurden Tanja Aitamurto, Ph.D., Deputy Director, Stanford University, USA, die eine Videopräsentation übermittelte; Prof. Dr. Christoph Bieber, Institut für Politikwissenschaften (School of Governance) der Universität Duisburg-Essen; Mag. Dr. Hannes Leo, Director & Co-Founder, Community-based Innovation Systems GmbH und Mag.a Dr. phil. Tamara Ehs, Institut für Rechts- und Sozialgeschichte der Universität Salzburg eingeladen.

Zum zweiten Themenblock „legistische und wissenschaftliche Unterstützung der Abgeordneten bei der Gesetzgebung“ nahmen Mag. Gerlinde Wagner, Leiterin des Rechts,- Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes in der Parlamentsdirektion; Laura Clifford Kocq Van Breugel, LL.M und Bas Houtman, Legislative Lawyers, Legislation Office, House of Representatives of the States-General, Zweite Kammer Niederlande; Dr. Susanne Janistyn-Novák, Parlaments-Vizedirektorin, Leiterin des Geschäftsbereiches Legislative der Parlamentsdirektion und Dr. Horst Risse, Direktor des Deutschen Bundestages Stellung.

Der Einladung an der Sitzung teilzunehmen, folgten die Landespolitiker/innen bzw. Bundesrätinnen und Bundesräte: SPÖ: Dr. Kurt Stürzenbecher (Abgeordneter zum Wiener Landtag), Mag. Werner Innreiter (Klubdirektor des SPÖ-Landtagsklubs Oberösterreich), ÖVP: Bundesrat Mag. Harald Himmer, Bundesrat Gottfried Kneifel, FPÖ: Bundesrätin Monika Mühlwerth, GRÜNE: Dr. Jennifer Kickert (Gemeinderätin Wien, stellvertretende Klubobfrau), Bundesrätin Dr. Heidemarie Reiter, Team Stronach: Bundesrat Mag. Gerald Zelina, NEOS: Christian Schreiter (Landessprecher Burgenland).

Die Referate sind, gemeinsam mit den daran anschließenden Diskussionen, in der Anlage C 6 enthalten.

 

7. Sitzung am 2. Juni 2015 (Politische Schlussfolgerungen)

In der 7. öffentlichen Sitzung wurde mit den stimmberechtigten Mitgliedern, den ständigen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern mit Rederecht sowie den 8 gelosten Bürger/-innen über die Politischen Schlussfolgerungen diskutiert, deren Verlauf in der Anlage C 7 enthalten ist.

Die Bürger/-innen wurden gemäß § 40 Abs. 1 GOG als Mitglieder der Enquete-Kommission eingeladen, ihre Positionen zu den in der Enquete-Kommission bearbeiteten Themen schriftlich vorzulegen. Diese Stellungnahmen sind dem Bericht als Anlage A angeschlossen.

 

8. Sitzung am 16. September 2015

Anlässlich der öffentlichen Sitzung am 16. September 2015 wurde über den an den Nationalrat zu erstattenden Bericht samt Empfehlungen beraten.

An dieser Sitzung nahmen von der SPÖ Dr. Kurt Stürzenbecher (Abgeordneter zum Wiener Landtag), von der ÖVP Dr. Christian Dörfel (Landtagsabgeordneter, Bürgermeister von Steinbach an der Steyr), von den Grünen Bundesrätin Dr. Heidemarie Reiter und Dr.in Jennifer Kickert (Gemeinderätin Wien, stellvertretende Klubobfrau) und vom Team Stronach Bundesrat Mag. Gerald Zelina teil.

Die Fraktionsvorsitzenden der parlamentarischen Klubs Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Mag. Daniela Musiol und Dr. Nikolaus Scherak legten in einer Einleitungsrunde ihre Positionen und Schlussfolgerungen aus den Diskussionen in der Enquete-Kommission dar. Daran anschließend meldeten sich Univ.-Doz. Dr. Paul Luif, Präsident des Bundesrates Gottfried Kneifel, Mag. Barbara Ruhsmann, Michelle Missbauer, Harald Petz, Claudine Nierth, Heinz Emhofer, Bundesrätin Dr. Heidemarie Reiter, Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger, Dr. Susanne Fürst, Abg. Dieter Brosz, MSc, Erwin Mayer, Ass. Prof. Dr. Klaus Poier, Dr. Kurt Stürzenbecher, Bundesrat Mag. Gerald Zelina, Dr. Jennifer Kickert, Abg. Dr. Peter Wittmann, Abg. Mag. Wolfgang Gerstl, Marlen Ondrejka und Abg. Mag. Daniela Musiol zu Wort.

 

Im Zuge der Diskussion legten die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Mag. Wolfgang Gerstl einen Antrag betreffend Empfehlungen der Enquete-Kommission zur Stärkung der Demokratie in Österreich vor, der wie folgt begründet war:

„Die am 23. September 2014 durch den Hauptausschuss des Nationalrates eingesetzte Enquete-Kommission betreffend der „Stärkung der Demokratie in Österreich“ verfolgte das Ziel, die demokratischen Instrumente, insbesondere jene der direkten Demokratie, für die österreichische Bevölkerung zu verbessern, attraktiveren und optimieren. In insgesamt acht Sitzungen, in welchen nicht weniger als knapp fünfzig renommierte nationale sowie internationale ExpertInnen mittels Impulsreferaten teilnahmen, wurden diverse durch die im Parlament vertretenen Fraktionen ausgewählte Themenschwerpunkte behandelt und erörtert.

Waren in der ersten Sitzung noch grundsätzliche rechtliche Fragen durch VerfassungsexpertInnen thematisiert worden, so widmete sich die Enquete-Kommission in weiterer Folge der Frage nach der Möglichkeit nach Implementierung der direktdemokratischen Instrumente in den Bundesländern, welche durch die ExpertInnen der Länder, wie auch der Gemeinden, dargelegt wurden. Zudem warfen die Mitglieder der Enquete-Kommission einen Blick ins Ausland und erörterten unterschiedliche direktdemokratische Modelle, welche durch namhafte ExpertInnen vorgestellt wurden. Um die Bemühungen der organisierten österreichischen Zivilbevölkerung zu schätzen, gab die Enquete-Kommission eben jenen die Möglichkeit, ihre Anliegen zur Verbesserung und Stärkung der Demokratie zu präsentieren. Ergänzend dazu wurden VertreterInnen der nationalen sowie internationalen Medienlandschaft geladen, welche über ihre Arbeit berichteten, um ein insgesamt vollständiges und weitläufiges Bild diverser Blickwinkel bekommen zu können.

Dass die direkte Demokratie nicht nur für die österreichische Bevölkerung, sondern auch für die in Österreich tätigen Sozialpartner und Repräsentanten der Republik ein durchaus emotionales Thema ist, zeigte sich anhand der Vielzahl an Stellungnahmen, welche in Folge des eingebrachten Abänderungsantrages zum Initiativantrag 2177/A, XXIV. GP., durch die Abgeordneten Dr. Josef Cap (SPÖ), Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP) sowie Mag. Daniela Musiol (Grüne) eingelangt sind und in welchen auch kritisch Stellung genommen worden ist.

Während beispielsweise die Präsidentschaftskanzlei urgiert, dass „nicht die direkte Demokratie als die ,wahre Demokratie‘ der parlamentarischen entgegen gestellt werden [soll], wie dies in der Öffentlichkeit immer wieder geschieht“[1], moniert der Verwaltungsgerichtshof in seiner Stellungnahme die Gefahr, dass es „weltfremd [wäre] anzunehmen, dass sich Initiativen nicht gegen Minderheiten und Außenseiter und nicht gegen suprastaatliche Vorgaben richten würden“[2].

VertreterInnen der Gewerkschaften warnen in ihren Stellungnahmen nicht nur davor, „dass finanzkräftige InitiatorInnen eines Volksbegehrens bei entsprechender Kampagnisierung, Volksbefragungen darüber erreichen und ihre Vorhaben in weiterer Folge gesetzlich umsetzen würden“[3], sodass ein „Volksbefragung-Automatismus nicht mit dem System der repräsentativen Demokratie vereinbar ist“[4], sondern auch, „dass die Regelungen über Volksbefragungen keine Mindestbeteiligung vorsehen. So könnten bei entsprechend niedriger ,Wahl’beteiligung kleine Minderheiten sogar die Verfassung ändern“[5], was von der Wirtschaftskammer kritisch gesehen wird. Die Bundesarbeiterkammer gibt zudem zu bedenken, dass „eine Quote von lediglich 15 Prozent Zustimmungserklärungen für Volksbegehren, mit dem ein Verfassungsgesetz verlangt wird, aus der Sicht der Bundesarbeiterkammer mit dem dargestellten System der parlamentarischen Gesetzgebung unvereinbar [sei].“[6] Zusätzlich dazu betrachten sie in ihrer Stellungnahme den geplanten Automatismus bei Volksbegehren als einen „besonders schwerwiegenden Eingriff in das bestehende System der parlamentarischen Demokratie. Beides kann dazu führen, dass bei einer Unterstützung potenter Proponenten Partikularinteressen zum Durchbruch verholfen wird, die keineswegs im Gesamtinteresse der Gesellschaft sind.“[7] Dieser Kritik schließt sich auch die Österreichische Bischofskonferenz an, welche darum ersucht, „den in der betreffenden Regelung normierten Automatismus zu überdenken.“[8]

Besonders positiv zu erwähnen ist hingegen die erstmalige aktive Beteiligung der Zivilbevölkerung, welche in Form von acht per Losverfahren ausgewählten VertreterInnen an dieser Enquete-Kommission teilnehmen konnten. Dieses Verfahren kann definitiv als beispielgebendes Zukunftsmodell für kommende eingesetzte Kommissionen des Nationalrates sein, da die BürgerInnen mit ihrem Ehrgeiz, ihrem Interesse wie auch mit ihrem Wissen die Enquete-Kommission ergänzt haben.

Entgegen der subjektiven Darstellung im gemeinsamen Minderheitsbericht der Oppositionsparteien war nicht deren Druck dafür ausschlaggebend, Bürgerinnen und Bürger der Enquete-Kommission beizuziehen, sondern die Anregung der Regierungsparteien, beim Thema direkte Demokratie die Zivilgesellschaft auf diesem Weg einzubinden. So stimmt auch die Passage im Minderheitsbericht nicht, dass nur die Opposition mit Hartnäckigkeit erreicht hätte, dass Bürgerinnen und Bürger Schlussfolgerungen zur Enquete-Kommission verfassen konnten.

In Anbetracht aller acht Sitzungen, aller gehörten ExpertInnen sowie aller eingelangten Stellungnahmen beantragen die unterzeichneten Abgeordneten daher die Empfehlungen zu beschließen.“

 

Bei der Abstimmung wurden die Empfehlungen der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann und Mag. Wolfgang Gerstl mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, N, T) beschlossen.

 

Die Schlussfolgerungen der gelosten Bürger/-innen finden sich in der Anlage A. Der von den Oppositionsparteien dazu vorgelegte Minderheitenbericht ist dem gegenständlichen Bericht in der Anlage B angeschlossen.

Die Berichterstattung der Parlamentskorrespondenz über die Arbeitssitzungen der Enquete-Kommission ist im Internet unter dem Link http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A-HA/A-HA_00003_00344/ einzusehen.

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Dr. Peter Wittmann gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt die Enquete-Kommission somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht samt Anlagen A bis F (791 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2015 09 16

                             Dr. Peter Wittmann                                                           Ing. Norbert Hofer

                                   Berichterstatter                                                                  Obfraustellvertreter

 

 


Empfehlungen der Parlamentarischen Enquete-Kommission

1.  STÄRKUNG DIREKTDEMOKRATISCHER INSTRUMENTE AUF LANDES- UND GEMEINDEEBENE:

Die direktdemokratischen Instrumente eignen sich insbesonders für kleine Einheiten, wie dies verstärkt bei der Landes- und Gemeindeebene der Fall ist. Im Laufe der acht Sitzungen wurde an die Mitglieder der Enquete-Kommission vielfach der Wunsch herangetragen, dass die Bevölkerung primär dort ein Mitentscheidungsrecht haben möchte, wo politische Entscheidungen unmittelbar ins alltägliche Leben eingreifen. Daher soll es den Bundesländern ermöglicht werden, die Landesverfassungen dahingehend zu adaptieren, dass direktdemokratische Instrumente auf Landes- und Gemeindeebene über jene der bundesverfassungsrechtlichen Möglichkeiten hinausgehen, beispielsweise beim Negativ-Votum, wie dies im Rahmen der öffentlichen Sitzungen vorgeschlagen wurde[9] [10]. Zusätzliche Möglichkeiten finden sich im Schweizer-Modell wie auch bei diversen Vergleichen mit deutschen Bundesländern.

Eine verstärkte Verlagerung auf Landes- und Gemeindeebene hätte insofern einen Vorteil, da folgende Themen Landessache sind: Gemeinderecht, Baurecht, Grundverkehrsrecht, Sozialhilfe, Heil- und Pflegeanstalten etc. Da diese Themen das alltägliche Leben der Menschen betrifft, stellt eine verstärkte direktdemokratische Partizipation auf Landes- und Gemeindeebene eine Attraktivierung für die Bevölkerung dar[11].

Auch auf der Gemeindeebene besteht die Möglichkeit mittels direktdemokratischer Instrumente die Bevölkerung vermehrt in politische Entscheidungsfindungsprozesse miteinzubeziehen.

 

2.  TEILHABE AM POLITISCHEN PROZESS:

         -      Voraussetzung zur Teilhabe ist Information:

                - Da der Ruf nach verstärkter Transparenz seitens der Bevölkerung immer größer wird, plädiert die Enquete-Kommission für die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit und Schaffung eines Grundrechts auf Zugang zu Informationen.

- Um sowohl Nationalrat und Bundesrat als auch die Öffentlichkeit bereits frühzeitig in die politischen Vorhaben der Mitglieder der Bundesregierung einzubeziehen, sollen die Mitglieder der Bundesregierung im Parlament jedes Jahr eine Erklärung z.B. über die politischen Ziele, Eckpunkte geplanter bedeutender Gesetzesvorhaben und Schwerpunkte in der Vollziehung abgeben, die anschließend sowohl im Parlament als auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden können. Dies soll ein weiteres Signal in Richtung verstärkter Transparenz der politischen Arbeit der Bundesregierung sein.

- Um eine objektive Meinungsfindung zu gewährleisten, soll bei Volksbegehren und Volksbefragungen verpflichtend ein Abstimmungsbüchlein von der Bundesregierung (vgl. Schweiz) herausgegeben werden[12] [13]. Dieses Abstimmungsbüchlein ist nicht parteipolitisch motiviert und soll objektiv über die Fragestellung informieren, sodass sich sowohl Pro- als auch Contra-Argumente darin wiederfinden.

         -      Teilhabe am politischen Prozess:

- Um betroffene BürgerInnen in die Diskussion über bedeutende Gesetzesvorhaben frühzeitig einzubinden und um von der Erfahrung und dem Know-How betroffener BürgerInnen zu profitieren, soll nach finnischem Vorbild eine elektronische Crowdsourcing-Plattform eingerichtet werden[14]. Über diese Plattform können BürgerInnen sowohl ihre Ideen und Vorstellungen als auch Erfahrungen mit bisherigen Regelungen einbringen, noch bevor ein Gesetzentwurf erarbeitet wird. Dazu werden grundlegende Informationen (Problemaufriss, Lösungsskizzierungen,…) über das geplante Vorhaben zur Verfügung gestellt. Über diese Plattform soll eine Diskussion im Sinne des Austauschs begründeter Argumente angeregt werden. Der Input soll durch Fachleute evaluiert und dem Parlament weitergeleitet werden. Da der Wunsch nach Mitsprache immer lauter wird, erachtet es die Enquete-Kommission als außerordentlich wichtig, dass insbesondere im vorparlamentarischen Bereich die Bevölkerung ein erweitertes Recht auf aktive, direktdemokratische Partizipation hat.

- Beispiel Finnland: „Crowdsourcing“ in politischen Entscheidungs- und Gesetzgebungs-prozessen zielt darauf ab, Bürger in einer öffentlichen Diskussion zu einem Gesetzvorschlag oder einem öffentlichen Gut einzubinden und ihre Vorschläge mit dem institutionalisierten Entscheidungsprozess zu verbinden.

- Beispiel Kroatien: Die Frage ist nicht „warum“, sondern „wie“ führe ich öffentliche Befragungen durch. Staatliche Schulen bieten reguläre Weiterbildungsprogramme um öffentliche Befragungen effektiv durchführen zu können. Staatsbedienstete nehmen selbstverständlich an solchen Workshops teil. Zudem gibt es detaillierte Analysen zu den Aktionen aller Staatsbediensteten in jeder Phase des Prozesses der öffentlichen Konsultation. Elektronischer Zugang ist für alle öffentlichen Befragungen eine Voraussetzung, um auf einfachem Weg Kommentare zu Gesetzesvorhaben abgeben zu können. So kann mehr Transparenz geschaffen werden.

- Um Transparenz gewährleisten zu können, soll die Homepage des Österreichischen Parlaments BürgerInnenfreundlicher gestaltet werden, sodass nicht nur die Bevölkerung, sondern auch VertreterInnen der Medien auf Originaldokumente des National- und Bundesrates zugreifen können, um diverse parlamentarische Abläufe genauer verfolgen zu können[15].

-     Einbindung der BürgerInnen in das Begutachtungsverfahren: Einrichtung einer Online-Plattform, an der sich alle offiziellen Stellen und alle BürgerInnen am Begutachtungsverfahren beteiligen können. Dabei soll es nicht nur möglich sein, zu jeder einzelnen Bestimmung selbst Anmerkungen zu machen, sondern auch bereits vorhandene Anmerkungen zu unterstützen. Dadurch wird eine Priorisierung der Anmerkungen bzw. Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren möglich.

 

3.  AUFWERTUNG DIREKTDEMOKRATISCHER INSTRUMENTE:

-     Um Anliegen, welche direkt aus der Bevölkerung kommen (Volksbegehren) mehr Gewicht im politischen Prozess zu verleihen, soll die parlamentarische Behandlung von Volksbegehren aufgewertet werden. In Zukunft soll jedes Volksbegehren, welches von mindestens 100.000 wahlberechtigen ÖsterreicherInnen unterstützt wird, in mindestens zwei so genannten „Volksbegehren-Sitzungen“ behandelt und thematisiert werden. In diesen „Volksbegehren-Sitzungen“ werden ausschließlich Volksbegehren behandelt, wobei den Bevollmächtigten der jeweiligen Volksbegehren ein Rederecht im Plenum des Nationalrates eingeräumt wird. Zusätzlich dazu soll es den Bevollmächtigten ermöglicht werden, im jeweiligen Ausschussverfahren das Wort zu ergreifen.

-     Darüber hinaus sollen bei bedeutenden Gesetzesvorhaben die maßgeblichen Ergebnisse eines Begutachtungsverfahren gesamthaft dargestellt und Unterschiede bzw. Abweichungen zwischen ursprünglichen Vorhaben und verlautbartem Gesetz kenntlichgemacht sowie kurz begründet werden.

-     Um neben Volksbegehren auch Bürgerinitiativen attraktiver zu gestalten, soll die elektronische Einbringung und erstmalige sowie nachträgliche Unterstützung beider Instrumente elektronisch möglich sein[16].

-     Um eine maßgebliche Vereinfachung der Verwaltungsabläufe bei Wahlen, Volksbegehren, Volksbefragungen und Volksabstimmungen auf Bundesebene zu erreichen, wird ein Zentrales Wählerregister eingeführt[17]. Auch Länder sollen – sofern sie wollen – diese Register verwenden können.

 

4.  STÄRKUNG DES PARLAMENTS:

-     Im internationalen Vergleich sind die Abgeordneten zum Nationalrat und die Bundesräte verhältnismäßig schlecht ausgestattet, obwohl ihre Aufgaben in der heutigen Gesellschaft immer komplexer und vielschichtiger werden. Daher ist es erforderlich, die Arbeitsbedingungen und den Support für Abgeordnete zu verbessern[18]. Dazu zählen z.B. ein direkter Zugriff auf den Budgetdienst und den Rechts-und Legislativdienst der Parlamentsdirektion, Umschichtung der MitarbeiterInnen im Parlament unter Berücksichtigung des erhöhten Arbeitsaufwandes und der gestiegenen Anforderungen für Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates sowie die Ermöglichung der intensiveren Wahlkreisarbeit.

-     Darüber hinaus sollen – im Sinne der Sichtbarmachung der parlamentarischen Arbeit – Ausschussobleute und deren StellvertreterInnen MitarbeiterInnen erhalten, durch welche die Ausschussobleute über Anforderung der BürgerInnen in die Lage versetzt werden, den BürgerInnen außerhalb des Parlaments (z.B. im Rahmen von Sprechstunden in den Wahlkreisen) fraktionsübergreifend Rede und Antwort zu stehen (Ausschusssekretariat)

-     Schließlich sollen die Fachausschüsse des Parlaments über ein eigenes Budget verfügen, damit sie unabhängig von der Bundesregierung und den Fraktionen Gutachten einholen und externe BeraterInnen heranziehen können.

 

5.  POLITISCHE BILDUNG:

Das Einführen des Pflichtmoduls „Politische Bildung“ an den österreichischen Schulen ist höchst notwendig und im Arbeitsprogramm der Bundesregierung vorgesehen. Die ab dem 16. Geburtstag wahlberechtigte junge Bevölkerung muss frühestmöglich mit den Begriffen Demokratie, Parlamentarismus etc. sensibilisiert werden. Eine direktdemokratische Partizipation ist der Sache dann förderlich, wenn im Vorfeld das dafür notwendige Wissen angeeignet wird. Erfreulicherweise herrschte bei dieser Frage nicht nur Konsens zwischen allen im Parlament vertretenen Parteien, sondern auch mit dem Bundesministerium für Unterricht und Frauen, welches das „Unterrichtsprinzip Politische Bildung“ als Grundsatzerlass vom 22. Juni 2015 im Rundschreiben Nr. 12/2015 festgeschrieben und damit den letzten Grundsatzerlass aus dem Jahr 1978 aktualisiert hat. Trotzdem besteht in diesem Bereich weiterer Handlungsbedarf, sodass die junge Bevölkerung, welche ab 16 Jahren keine schulische Einrichtung mehr besucht, ebenso mit der politischen Bildung vertraut gemacht wird. Hier könnten außerschulische Einrichtungen im Zuge weiterführender Angebote, wie der Erwachsenenbildung, Einführungs- und Aufbaukurse im Bereich der politischen Bildung anbieten. Zudem soll die Aneignung der Spielregeln der parlamentarischen Demokratie auch mittels verstärkter Informationskampagnen sowie (Weiter-)Bildungsveranstaltungen für außerschulische Jugendliche ermöglicht werden.

 

6.  MEDIEN:

-     Um die parlamentarische Arbeit den BürgerInnen näher zu bringen, soll die fernseh-mediale Begleitung (z.B. eigene Sendung auf ORF III) von parlamentarischen Prozessen unter unmittelbarer Einbeziehung der BürgerInnen (vgl. Volksanwaltssendung) ausgebaut werden (Kurzdarstellung von Gesetzesvorhaben im TV; Darstellung parlamentarischer Arbeit mit den Ausschussobleuten und BerichterstatterInnen).

-     Auch sollen in eigens dafür produzierten Sendungen im ORF über Volksbefragungen und Volksabstimmungen neutral und ausgewogen informiert werden.

-     Schließlich sollte ein eigenes Parlaments-TV (vgl. Deutschland) etabliert werden, das die Bilder diskriminierungsfrei allen TV‑Sendern zur Verfügung stellt.

-     Zusätzlich dazu soll für die interessierte Bevölkerung die Möglichkeit geschaffen werden,  öffentliche Ausschusssitzungen mittels Live-Stream verfolgen zu können, um politische Meinungsfindungsprozesse möglichst transparent darlegen zu können.



[1] Siehe 628/SN, GZ S200020/1-VA/2013 vom 8. August 2013

[2] Siehe 636/SN, Zl. VwGH-1790/0014-PRAES/2013 vom 12. August 2013

[3] Siehe 644/SN ÖGB vom 14 August 2013

[4] Ebenda

[5] Siehe 643/SN WKO vom 13. August 2013

[6] Siehe 648/SN Bundesarbeiterkammer  vom 14. August 2013

[7] Ebenda

[8] Siehe 65/SN Österreichische Bischofskonferenz vom 14. August 2013

[9] Vgl. 64/KOMM XXV. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, 1. Sitzung, 18. Dezember 2014, Seite 10

[10] Vgl. 65/KOMM XXV. GP - Ausschuss NR – Kommuniqué, 2. Sitzung, 22. Jänner 2015, Seite 8

[11] Ebenda, Seite 17

[12] Vgl. 72/KOMM XXV. GP - Ausschuss NR – Kommuniqué, 3. Sitzung, 18. Februar 2015, Seite 14, 57

[13] Vgl. 92/KOMM XXV. GP - Ausschuss NR – Kommuniqué, 5. Sitzung, 15. April 2015, Seite 13, 14

[14] Vgl. 105/KOMM XXV. GP - Ausschuss NR – Kommuniqué, 6. Sitzung, 6. Mai 2015, Seite 5-10

[15] Vgl. 92/KOMM XXV. GP - Ausschuss NR – Kommuniqué, 5. Sitzung, 15. April 2015, Seite 24, 25

[16] Siehe 644/SN ÖGB vom 14 August 2013

[17] Siehe 648/SN Bundesarbeiterkammer  vom 14. August 2013

[18] 105/KOMM XXV. GP - Ausschuss NR – Kommuniqué, 6. Sitzung, 6. Mai, Seite 17-20, 22-26, 37-38