947 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 1420/A(E) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nachhaltige Erneuerung des Vergaberechts

Die Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 12. November 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„‘Die Macht des Einkaufswagens‘ bezeichnet die Möglichkeit, Hersteller und Geschäfte durch nachhaltige Produktauswahl zu einem ökologisch, ökonomisch und sozial verträglichen Umdenken zu bewegen. Dieser geflügelte Begriff der 2000er Jahre[1] bezeichnet ein neues Selbstbewusstsein der Konsumenten, die mit jedem ausgegebenen Euro versuchen, das große Ganze im Blick zu behalten.

Der Einkaufswagen der öffentlichen Auftraggeber ist besonders groß: 2014 wurden rund 19-20% des europäischen BIP nach Schätzungen des Städtebundes[2] durch öffentliche Aufträge erwirtschaftet. 10 Jahre nach dem Startschuss für das europäische Vergaberecht für öffentliche Auftraggeber bleibt die Materie zentral für die nachhaltige Mittelverwendung öffentlicher Haushalte. Das bedeutet auch gleichzeitig: Die Gestaltung der öffentlichen Vergabe ist essentiell für die regionale Auftragslage der österreichischen KMU und damit für den nachhaltigen Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Österreich.

Der europäische Gesetzgeber hat die entsprechenden Richtlinien – sprich die europäischen Vergaberechtsstandards – 2014 erneuert. Dabei flossen Erfahrungen des letzten Jahrzehnts zu Transparenzregeln, der Nutzung des Bestbieterprinzips sowie der Bedeutung der Vollkostenrechnung ein.

Eine intensivere Berücksichtigung von sozialen und ökologisch nachhaltigen Kriterien durch eine Stärkung des Bestbieterprinzips für alle Bereiche steht hierbei im Vordergrund. Zukünftig sollen also Auswirkungen von Vergaben auf Umwelt, Kosten und die Gesellschaft über die gesamte Nutzungsdauer des Produktes oder der Dienstleistung berücksichtigt werden. Ein Beispiel: Bei der Auftragserteilung für den Bau einer Schule sind damit neben den Baukosten auch z.B. der Energieverbrauch (und die damit verbundenen Kosten) über die gesamte Lebensdauer zu berücksichtigen.

Externe Umweltkosten (z.B. CO2-Ausstoss), Recycling Kosten oder aber auch relevante soziale Kriterien können zukünftig in die Bewertung von Angeboten miteinbezogen werden. Bleibt man beim Beispiel des zu bauenden Schulgebäudes, so kann damit sichergestellt werden, dass der erfolgreiche Auftragnehmer kein Lohndumping betreibt oder auch sein Maschinenpark auf der Baustelle so umweltfreundlich wie möglich ist.

Daneben werden in den neuen Richtlinien Standards für elektronische Rechnungen bei öffentlichen Aufträgen ins Auge gefasst und die Mindestverfahrensdauern für Ausschreibungen verkürzt. Mit letzterer Maßnahme soll der von Auftraggebern und Auftragnehmern geforderten Zeitnähe in Vergabeverfahren entsprochen werden. Gänzlich neu ist die  Regelung von Konzessionsvergaben in einer eigenen EU-Richtlinie.

Das Richtlinienpaket der EU enthält folgende Bestandteile:

-           2014 / 24 / EU - "Festlegung klarer Grundregeln" | Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, Umsetzungsfrist: 16.4.2016

-        2014 / 25 / EU -" Öffentliches Beschaffungswesen - Vorschriften für die Bereiche Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie Postdienste " | Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, Umsetzungsfrist: 16.4.2016

-        2014 / 23 / EG: Konzessionsverträge | Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, Umsetzungsfrist: 16.4.2016

-        2014 / 55 / EG: Elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen | Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen, Umsetzungsfrist 27.11.2018.

Eine zeitnahe, vollständige und transparente Umsetzung der oben genannten EU-Richtlinien tut Not – wertet dieses Richtlinienpaket doch die Bedeutung von Gesellschaft und Umwelt auf und führt zu einer realistischeren Kostenbetrachtung (Lebenszyklusprinzip).“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 3. Dezember 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Gabriela Moser die Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Mag. Birgit Schatz, Mag. Wolfgang Gerstl, Josef Muchitsch, Christoph Hagen, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Mag. Andreas Schieder und Mag. Michaela Steinacker sowie der Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer das Wort.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (dafür: F, G, N, dagegen: S, V, nicht anwesend: T).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Angela Lueger gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2015 12 03

                                  Angela Lueger                                                               Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann



[1] http://www.zeit.de/2007/01/Die_Macht_des_Einkaufswagens

[2] Kurzleitfaden zum neuen EU-Vergaberecht, Österreichischer Städtebund, 2014