997 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über das Volksbegehren „EU-AUSTRITTS-VOLKSBEGEHREN“(781 der Beilagen)

 

Die Unterstützer dieses Volksbegehrens haben die Einleitung eines Verfahrens für ein Volksbegehren mit folgendem Wortlaut beantragt:

„EU-AUSTRITTS-VOLKSBEGEHREN

Der Nationalrat möge den Austritt der Republik Österreich aus der Europäischen Union mit Bundesverfassungsgesetz, welches einer Volksabstimmung zu unterziehen ist, beschließen.

Begründung

So gut wie alle Versprechungen vor dem EU-Beitritt vor 20 Jahren, die damals zum mehrheitlichen „Ja zum EU-Beitritt“ geführt haben, wurden gebrochen. Anstatt eines Aufschwungs ist es zu einer enormen Abwärtsentwicklung Österreichs auf fast allen Gebieten gekommen: von der steigenden Arbeitslosigkeit, der steigenden Staatsverschuldung, dem Verlust an Kaufkraft der breiten Masse, der steigenden Kriminalität bis hin zum zunehmenden „Bauernsterben“ und den massiven Verschlechterungen im Umweltbereich. Die EU-Entscheidungsebenen werden nach Meinung vieler von Atom-, Gentechnik- und Pharmakonzernen diktiert und von international ausgerichteten Handelsketten, die einer mittelständisch geprägten, krisensicheren und naturverträglichen Nahversorgung keine Chance lassen.

Insbesondere die Friedenspolitik ist durch die EU-Mitgliedschaft schwerstens gefährdet. Die EU verstößt immer mehr gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Grundlage für Freiheit und Frieden; das Mittragen von Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland ist mit der gesetzlich verankerten immerwährenden Neutralität Österreichs unvereinbar. Wir wollen wieder ein freies und neutrales Österreich und keine „Kolonie“ von Brüssel oder Washington und schon gar nicht wollen wir dadurch in außenpolitische Konflikte mithineingezogen werden, die uns überhaupt nichts angehen und die auch im militärischen Sinn in höchstem Maße friedensgefährdend sind. Wehret den Anfängen, sonst könnte es zu spät dafür sein!

Das in Geheimverhandlungen seit Jahren von EU und USA/Kanada vorangetriebene transkontinentale Freihandelsabkommen TTIP bzw. CETA wird am sichersten durch den Austritt aus der EU für uns unwirksam, ebenso wie die jährlichen Nettozahler-Mitgliedsbeiträge, die Österreich für die EU seit 20 Jahren leisten muss. Von diesen, die jährlich – umgerechnet – Milliardenbeträge in Österreichischen Schilling ausmachen, bekommt Österreich nur einen Teil wieder zurück, dieser wird dann – propagandistischerweise – als EU-„Förderung“ bezeichnet. Und nicht einmal über die Verwendung dieser – ohnehin aus unserem eigenen Geld bezahlt – „darf“ (!) Österreich selbst entscheiden. Unter dem Strich ist das seit 20 Jahren ein jährliches Verlustgeschäft für Österreich und damit ein Mitverursacher des Sozialabbaus und des Zurückfahrens der staatlichen Leistungen für die Bürger generell.

Der Austritt aus der Europäischen Union ist rechtlich abgesichert in einem eigenen Austrittsartikel im EU-Vertrag, dem Art. 50 EUV. Darin heißt es in Abs. 1: Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

Abs. 2 lautet: Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten dieses Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Artikel 218 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

Abs. 3 lautet: Die Verträge finden auf den betroffenen Staat ab dem Tag des Inkrafttretens des Austrittsabkommens oder andernfalls zwei Jahre nach der in Abs. 2 genannten Mitteilung keine Anwendung mehr, es sei denn, der Europäische Rat beschließt im Einvernehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat einstimmig, diese Frist zu verlängern.

Dieser Austrittsartikel wird im Standardlehrbuch „Das Recht der Europäischen Union“ von Grabitz/Hilf/Nettesheim (erschienen 2014 im Verlag C.H. Beck oHG) im Kommentarband I von Dörr auf 13 Seiten näher erläutert. Darin heißt es u.a.:

Die wesentliche Funktion des neuen Artikel 50 ist vor allem die Schaffung von Rechtsklarheit. Artikel 50 Abs. 1 begründet das Austrittsrecht als ein einseitiges Optionsrecht jedes Mitgliedstaates. Dass es sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht der Staaten handelt, ergibt sich aus der Systematik dieses Artikels insgesamt: Es wird daraus klar, dass das auszuhandelnde Austrittsabkommen für die Wirksamkeit des Austritts nicht maßgeblich ist, sodass der Rechtsgrund für die Beendigung der Mitgliedschaft allein die einseitige Willenserklärung des Austrittstaates ist. Dies entspricht der Rechtslage nach allgemeinem Völkervertragsrecht (Rdnr. 13). Über den Wortlaut von Abs. 1 hinaus kann der austrittswillige Mitgliedstaat natürlich nicht nur „beschließen“, sondern auch ins Werk setzen.“ Und weiter im Fachkommentar von Dörr:

Die Ausübung des Austrittsrechts ist in Art. 50 selber an keine materiellen Voraussetzungen geknüpft, es handelt sich also um ein freies Kündigungsrecht. Weder gegenüber den EU-Organen noch gegenüber den übrigen Mitgliedstaaten ist der Austrittstaat durch die Vorschrift zur Erläuterung seiner Beweggründe verpflichtet.“

Von irgendwelchen Zahlungsverpflichtungen im Falle des Austritts ist nirgends die Rede, ganz im Gegenteil. Österreich würde sich dadurch nicht nur die jährlichen Nettozahler-Mitgliedsbeiträge ersparen, sondern vor allem auch alle Zahlungen für die sogenannten „Euro-Rettungsschirme“. Die milliardenschweren Einlagepflichten Österreichs im ESM würden wegfallen, ebenso die horrende Gewährleistungspflicht für den EFSF. Österreich könnte wieder seine eigene Währung, den Schilling, einführen und eine in erster Linie der österreichischen Volkswirtschaft dienende Währungspolitik betreiben.

Der Nationalrat hat jedes Recht dazu, den EU-Austritt Österreichs zu beschließen! Noch dazu, wo ein solcher Beschluss einer verpflichtenden Volksabstimmung zu unterziehen ist, sodass in jedem Fall das letzte Wort die Bürger – und damit EU-Befürworter und EU-Gegner gleichermaßen – haben und niemand „übergangen“ werden kann. Das Anliegen dieses Volksbegehrens ist demnach ein zutiefst demokratisches, dem sich niemand verschließen sollte.

Insgesamt soll durch den Austritt der Republik Österreich aus der Europäischen Union weiterer Schaden von der Bevölkerung abgewendet werden. Die EU wird von vielen Bürgern als lähmendes, zentralistisches Bevormundungsinstrument mit immer diktatorischeren Zügen empfunden, das nicht mehr zukunftsfähig scheint. Kleinere, selbständige Staaten bieten viel bessere Chancen auf eine naturverträgliche, nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise, die auch den kommenden Generationen noch „Luft zum Atmen“ lässt – im viele Bereiche umfassenden Sinn!

 

Das Volksbegehren wurde von 261.056 Stimmberechtigten unterstützt (Anzahl der gültigen Eintragungen inkl. Unterstützungserklärungen). Die Bundeswahlbehörde hat in ihrer Sitzung vom 22. Juli 2015 festgestellt, dass ein Volksbegehren im Sinne des Art. 41 Abs. 2 B-VG vorliegt und dieses an den Nationalrat zur parlamentarischen Behandlung weitergeleitet. Als Bevollmächtigte wurde Inge Rauscher namhaft gemacht, die nominierten stellvertretenden Bevollmächtigten sind: Helmut Schramm, Mag. Markus Lechner, Renate Zittmayr und Dr. Eva Maria Barki.

 

Der Verfassungsausschuss hat das gegenständliche Volksbegehren in seiner Sitzung am 16. September 2015 in Verhandlung genommen. Gemäß § 37 Abs. 4 GOG wurden die Bevollmächtigte und zwei weitere von dieser nominierte Stellvertreter/-innen im Sinne des Volksbegehrensgesetzes beigezogen. Gemäß § 40 Abs. 1 GOG wurde Dr. Franz­Joseph Plank für diese Sitzung als Vertreter des Volksbegehrens eingeladen.

Im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Otto Pendl ergriffen in der Debatte der Abgeordnete Dr. Johannes Jarolim und die Zustellungsbevollmächtigte des Volksbegehrens, Inge Rauscher das Wort. Danach wurden die Verhandlungen vertagt.

 

Der Verfassungsausschuss nahm die Beratungen am 3. Dezember 2015 wieder auf und beschloss einstimmig, folgende Auskunftspersonen gemäß § 40 Abs. 1 GOG zu laden und das Hearing mit den Expertinnen und Experten gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 GOG öffentlich durchzuführen: Univ.­Prof. Dr. Stefan Griller, Universität Salzburg; Sektionschef Dr. Gerhard Hesse, BKA-VD; Dr. Eva Lichtenberger, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments; Univ.­Prof. Dr. Sigmar Stadlmeier LL.M; Mag. Yvonne Toncic-Sorinj, Leiterin der EU­Grundsatzabteilung im BMeiA.

Für das Volksbegehren nahmen die Bevollmächtigte Inge Rauscher sowie der stellvertretende Bevollmächtigte Helmut Schramm an der Sitzung teil.

Die Bevollmächtigte des Volksbegehrens Inge Rauscher gab eine einleitende Stellungnahme ab. Nach den Ausführungen der oben angeführten Expertinnen und Experten ergriffen die Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Nikolaus Scherak und Christoph Hagen sowie die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt Mag. Sonja Steßl und der Ausschussobmann Abgeordneter Dr. Peter Wittmann das Wort.

Die Stellungnahme der Bevollmächtigten des Volksbegehrens Inge Rauscher sowie die Ausführungen der Expertinnen und Experten in den Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 3. Dezember 2015 und 26. Jänner 2016 sind in Anlage 1 enthalten.

Ferner beschloss der Verfassungsausschuss einstimmig die Einholung von schriftlichen Stellungnahmen gemäß § 40 Abs. 1 GOG zum Inhalt des Volksbegehrens sowie zu den in der Begründung ausgeführten Argumenten folgender Ressorts: Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Bundesministerium für Finanzen, Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerium für Integration und Äußeres, Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft. Die eingelangten Stellungnahmen sind dem Bericht als Anlage 2 angeschlossen.

Danach wurden die Beratungen neuerlich vertagt.

 

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen durch den Verfassungsausschuss erfolgte am 26. Jänner 2016. Der Ausschuss beschloss einstimmig zwei von der Bevollmächtigten des Volksbegehrens nominierte Experten, Univ. Prof. i. R. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider und Hon. Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Heinrich Wohlmeyer, gemäß § 40 Abs. 1 GOG den Beratungen beizuziehen und auch diese Anhörung gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 GOG öffentlich durchzuführen.

Für das Volksbegehren nahmen die Bevollmächtigte Inge Rauscher sowie die beiden Stellvertreter Helmut Schramm und Mag. Markus Lechner teil.

Nach den Ausführungen der beiden Experten Hon. Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Heinrich Wohlmeyer und Univ. Prof. i. R. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider beteiligten sich die Bevollmächtigte des Volksbegehrens Inge Rauscher sowie die beiden Stellvertreter der Bevollmächtigten Helmut Schramm und Mag. Markus Lechner sowie die Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Mag. Christine Muttonen, Mag. Dr. Beatrix Karl, Mag. Harald Stefan, Christoph Hagen, Dr. Nikolaus Scherak, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl und Karlheinz Kopf an der Debatte.

 

Die Berichterstattung der Parlamentskorrespondenz über die Arbeitssitzungen des Verfassungsausschusses vom 3. Dezember 2015 und 26. Jänner 2016 sind dem Bericht als Anlage 3 angeschlossen.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht samt Anlagen 1, 2 und 3 zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2016 01 26

                                      Otto Pendl                                                                   Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann