1016 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Kulturausschusses

über die Regierungsvorlage (1011 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Gesetz 2002 geändert wird

Hauptgesichtspunkt des Entwurfes:

Teile der Geschichte Österreichs wurden zwar in der Vergangenheit in einer Reihe von Sonderausstellungen wie etwa zuletzt 2005 „Das Neue Österreich“ im Belvedere und „Österreich ist frei!“ auf der Schallaburg oder die Ausstellung „90 Jahre Republik“ der breiten Bevölkerung vermittelt, in Österreich fehlt jedoch eine permanente Einrichtung, die ein breites Spektrum an Fragestellungen mit dem Fokus auf die jüngere und jüngste österreichische Geschichte abdeckt.

Die Planungen zur Errichtung eines Museums zur österreichischen Geschichte reichen bis in die Erste Republik zurück. Im Jahr 1919 dachte der Staatsrat die Einrichtung einer Geschichtekammer an, die in der Republik Deutsch-Österreich kulturelle, identitätsstiftende Werte vermitteln sollte.

In der Nachkriegszeit wurden gleich zwei Institutionen mit nationalem Anspruch geplant. Einerseits etablierte Bundespräsident Dr. Karl Renner 1946, kurz nach dem Beginn der Zweiten Republik im Leopoldinischen Trakt der Hofburg ein „Museum der Ersten und Zweiten Republik“, andererseits wurde unter Leitung von August Ritter von Loehr, Kustos am Kunsthistorischen Museum, in der Neuen Burg am Heldenplatz das Museum für Österreichische Kultur (MÖK) eingerichtet. Während sich das „Renner-Museum“ in den Räumen der Präsidentschaftskanzlei klar auf die Geschichte der Republik bezog, widmete sich das MÖK der Kulturgeschichte Österreichs und seiner ehemaligen Territorien ab der Römerzeit. Bis zu Renners Tod im Jahr 1951 war das „Museum der Ersten und Zweiten Republik“ nur teilweise realisiert worden. Die nachfolgenden Bundespräsidenten setzten die Finalisierung dieser Museumsinitiative nicht fort. Die Bestände des MÖK wurden 1975 magaziniert, erst 1987 wurden sie in Eisenstadt für einige Jahre wieder präsentiert. 1988/89 zeigte man mit der Schau „Bausteine der Republik Österreich“ auch Objekte, des nicht mehr existenten „Museum der Ersten und Zweiten Republik“.

Erneut wurde die Idee für ein Haus der Geschichte seit den 1980er Jahren diskutiert, ausgehend von dem Vorschlag ein „Haus der Republik“ am Albertinaplatz zu errichten. Mitte der 1990er Jahre plädierte Leon Zelman, Leiter des Wiener Jewish Welcome Service, für die Etablierung eines „Hauses der Toleranz“ im Palais Epstein. Die Einrichtung sollte das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes und die EU-Beobachtungsstelle gegen Rassismus aufnehmen. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr, unter Bundesminister Caspar Einem, wurde unter der Leitung von Anton Pelinka im Oktober 1999 eine Machbarkeitsstudie für ein „Haus der Toleranz“ vorgelegt.

Parallel dazu forcierte der damalige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) Manfried Rauchensteiner, die Erweiterung des HGM um ein „Österreichisches Nationalmuseum“. Der realisierte Teil seiner Idee ist bis heute in der Dauerausstellung „Republik und Diktatur. Österreich 1918–1945“ im HGM zu sehen. Im Auftrag der Salzburger Dr. Wilfried Haslauer Stiftung ließ Rauchensteiner eine Studie durchführen, die sich mit den Möglichkeiten und Problemen der Musealisierung österreichischer Zeitgeschichte befassen sollte. Die damit beauftragte Historikerin Sabine Fuchs legte schließlich erste Überlegungen zu einem „Museum der Zweiten Republik“ vor.

Stefan Karner, Historiker an der Universität Graz und Leiter des Ludwig Boltzmann-Institutes für Kriegsfolgenforschung, trat 1998 mit einem Konzeptpapier zu einem „Haus der Geschichte“ an die Öffentlichkeit. Er legte damit auch Ergebnisse der von Wolfgang Schüssel eingesetzten „Denkwerkstatt Österreich Zukunftsreich“ vor. Diese Ergebnisse flossen als Vorüberlegungen in die unter der Leitung von Stefan Karner und Manfried Rauchensteiner erarbeitete Machbarkeitsstudie für das „Haus der Geschichte der Republik Österreich (HGÖ)“ ein. Das im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur erarbeitete Papier wurde Bundesministerin Elisabeth Gehrer 1999 vorgelegt.

Im Zusammenhang mit der Jubiläumsausstellung 2005 im Belvedere äußerte Hannes Androsch, Angehöriger des Proponentenkomitees der Ausstellung, medial den Vorschlag, die verschiedenen Ausstellungen des Gedenkjahres 2005, vor allem jene aus dem Belvedere, der Schallaburg und des Jüdischen Museums Wien, als Grundstock für ein „Haus der Geschichte“ zu verwenden. Des Weiteren schlug Bundeskanzler Wolfgang Schüssel vor, die Objekte aus der Staatsvertragsschau im Belvedere als Basis für ein „Österreich-Museum“ heranzuziehen. Als mögliche Standorte nannte er die ehemalige Staatsdruckerei in der Wollzeile, das Künstlerhaus am Karlsplatz und das HGM im Arsenal. Schon 1946 war die Überführung des Heeresmuseums, wie das HGM noch nach 1945 geheißen hatte, in ein neu zu errichtendes „Österreichisches Nationalmuseum“ erwogen worden.

Im März 2006 gaben Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer und Verteidigungsminister Günther Platter eine weitere Studie in Auftrag. Dieses als „Roadmap“ bezeichnete Konzept entstand unter der Leitung von Günther Düriegl, dem Chefkurator der Belvedere-Staatsvertragsschau, und Stefan Karner, sowie unter Mitarbeit einer „ständigen Historiker-Expertengruppe“. Die Studie wurde im Juni 2006 fertiggestellt. Die „Roadmap“ bezog die Machbarkeitsstudie von Karner und Rauchensteiner aus dem Jahr 1999 und die Studie zu einem „Haus der Toleranz“ von Pelinka sowie die Erfahrungen der beiden Großausstellungen zum Staatsvertragsjahr 2005 im Belvedere (kuratiert von Günther Düriegl) und in der Schallaburg (kuratiert von Stefan Karner) mit ein.

Im November 2008 beauftragten die zuständigen Ministerien die Erstellung einer musealen Machbarkeitsstudie für ein „Haus der Geschichte Österreich“. Ein professionelles Museumsberatungsunternehmen unter der Leitung von Claudia Haas erarbeite in Kooperation mit der Firma Lord Cultural Ressources bis Juli 2009 ein detailliertes Konzept.

Ende Jänner 2015 hat Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien, Dr. Josef Ostermayer, einen internationalen wissenschaftlichen Beirat unter dem Vorsitz von Univ. Prof. DDr. Oliver Rathkolb zur Erstellung eines Detailkonzepts für ein Haus der Geschichte in der Neuen Burg in 1010 Wien, Heldenplatz, eingesetzt.

Der Beirat setzte sich aus nationalen und internationalen WissenschaftlerInnen, darunter großteils HistorikerInnen, MuseologInnen sowie ArchivarInnen zusammen, deren Forschungsschwerpunkte insbesondere die Bereiche Zeitgeschichte, Frauen- und Geschlechtergeschichte, Anthropologie, Kultur-, Migrations-, Politik-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sind und die ausgewiesenes Expertenwissen in den Bereichen Ausstellungsgestaltung, Medien sowie Geschichtsvermittlung vorweisen können.

Ausgangspunkt für die Beratungen des internationalen wissenschaftlichen Beirates bildete die erwähntemuseale Machbarkeitsstudie der Arbeitsgemeinschaft Haas & Lordeurop aus dem Jahr 2009 (abrufbar unter der Internetadresse https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=58747).

Der internationale wissenschaftliche Beirat hat am 4. September 2015 die Umsetzungsstrategie für ein „Haus der Geschichte Österreich“ vorgelegt. Diese wurde am 9. September 2015 der Öffentlichkeit präsentiert. Die Umsetzungsstrategie ist unter der Internetadresse www.bka.gv.at abrufbar. Es soll als Museum eine wissenschaftliche Einrichtung des Bundes sein, die die Geschichte Österreichs ab der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Zeit von 1918 bis in die Gegenwart einem möglichst breiten Publikum in ihrem europäischen und internationalen Kontext vermittelt und eine objektive historische Auseinandersetzung ermöglicht. Das Haus der Geschichte Österreich soll auch ein aktives und offenes Diskussionsforum für historische Fragestellungen und Themen der Gegenwart sein.

Zusammenfassend soll somit das Haus der Geschichte sein:

-       eine fachlich eigenständig agierende neue kulturelle Einrichtung;

-       ein Kompetenzzentrum für die Darstellung und Erörterung der jüngeren und jüngsten österreichischen Geschichte mit qualitätsvoller, unabhängiger Geschichtsvermittlung in Ausstellungen, Veranstaltungen und der interaktiven Website;

-       ein multifunktionales Forum und eine offene Diskussionsplattform sowie als wachsender Geschichtsspeicher materieller wie immaterieller Zeugnisse, an dem Museen, Archive, Bibliotheken und Forschungseinrichtungen sowie die Bevölkerung mitwirken;

-       ein zentraler Knotenpunkt im Netzwerk aller mit Geschichtszeugnissen befassten Institutionen und Forschungs- und Bildungseinrichtungen in Österreich und im Austausch mit internationalen Einrichtungen und eine Schnittstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit.

Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) als herausragende Gedächtnisinstitution Österreichs mit reichhaltigem Erbe der Vergangenheit und mit den zukunftsorientierten Ansprüchen einer modernen Informationsgesellschaft ist die geeignete Einrichtung, das Haus der Geschichte zu beherbergen.

Die ÖNB ist nach dem Bundesmuseen-Gesetz als wissenschaftliche Anstalt öffentlichen Rechts ein eigener Rechtsträger.

Um das Haus der Geschichte organisatorisch an die ÖNB anzubinden, ist eine entsprechende Anpassung des Bundesmuseen-Gesetzes erforderlich.

 

Der Kulturausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 2. März 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Elisabeth Hakel die Abgeordneten Dr. Karlheinz Töchterle, Dr. Harald Walser, Mag. Dr. Maria Theresia Fekter, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Walter Rosenkranz, Dr. Josef Cap, Ulrike Weigerstorfer, Dr. Harald Troch sowie der Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Dr. Josef Ostermayer und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Nikolaus Alm.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Elisabeth Hakel und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Die vorliegenden Änderungen dienen der Präzisierung in Bezug auf die Stellung des Hauses der Geschichte Österreich im Rahmen der Organisation der Österreichischen Nationalbibliothek, der Bestellung und Position der/des wissenschaftlichen Direktors/Direktorin sowie der Regelungen betreffend das Publikumsforum.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Elisabeth Hakel und Mag. Dr. Maria Theresia Fekter mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V; dagegen: F, G, N, T) beschlossen.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Fekter und Elisabeth Hakel einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend weitere Infrastrukturprojekte am Standort Neue Burg/Heldenplatz eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V; dagegen: F, G, N, T) beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Zur ressortübergreifenden Koordinierung der Weiterentwicklung der Neuen Burg/Heldenplatz gibt es seit März 2015 eine interministerielle Arbeitsgruppe, an der auch die Parlamentsdirektion beteiligt ist. Zu den anstehenden Umsetzungsschritten am Areal Neue Burg/Heldenplatz zählen die Einrichtung eines Hauses der Geschichte Österreich, die Umsetzung eines Bücherspeichers bzw. zusätzlicher Lagerflächen für die Österreichische Nationalbibliothek und Universitäten, einer Tiefgarage sowie eines Hauses der Zukunft. Die Arbeitsgruppe hat zur Aufgabe, notwendige Umsetzungsschritte zu definieren, einen Zeitplan für die Umsetzung zu entwerfen und Kostenberechnungen anzustellen.

In Bezug auf die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage ist die Einrichtung eines Hauses der Geschichte Österreich unter dem Dach der Nationalbibliothek jenes Projekt, das schon am weitesten fortgeschritten ist. Es wurde am 23.02.2016 vom Ministerrat beschlossen und dem Nationalrat vorgelegt.

Aufgrund der noch offenen finanziellen Bedeckung in den betroffenen Untergliederungen, der fehlenden Finanz- und Bauplanung wurde eine Vorstudie für das Haus der Geschichte Österreich als Voraussetzung für die weitere Umsetzung vom Ministerrat beschlossen. Diese Studie ist Grundlage für die weitere Umsetzung des Hauses der Geschichte Österreich und dient als finale Entscheidungsgrundlage für die Bundesregierung hinsichtlich der Errichtung und Budgetierung, die im Bundesfinanzrahmen abgedeckt werden soll.“


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Kulturausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2016 03 02

                                 Elisabeth Hakel                                                              Mag. Nikolaus Alm

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann