1044 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1555/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein einheitliches und existenzsicherndes Pensionssystem für alle

Die Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 24. Februar 2016 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die österreichischen Systeme der Alterssicherung sind im internationalen Vergleich besonders sicher, aber auch sehr kompliziert. Dies hat zur Folge, dass oftmals nur Menschen mit sehr hohem Spezialwissen in der Lage sind, zielgerichtete Debatten zu führen. Die öffentliche Debatte ist daher vielfach von Schlagworten geprägt, die für MedienkonsumentInnen vielfach unverständlich sind und Unsicherheit auslösen.

Gespeist wird diese Unsicherheit etwa durch die Tatsache, dass Pensionsreformen immer erst in der Zukunft wirken. Daher reduzieren Pensionsreformen auch immer nur die Kosten der Zukunft. Es ist also nicht so, dass Pensionsreformen mit Kostenreduktionen im Fokus etwa die heutigen BeitragszahlerInnen entlasten. In Wahrheit kürzen sie ausschließlich die Pensionserwartungen der heutigen BeitragszahlerInnen.

Die öffentlichen Debatte um Pensionsreformen der letzten Jahrzehnte war folglich geprägt von der Darstellung zukünftiger Pensionshöhen auf Basis von Erwerbskarrieren derzeitiger PensionistInnen: Es wurde stets so gerechnet (und dargestellt), als ob aktuelle BeitragszahlerInnen ebenso wie ihre Eltern in den 1950ern bis 1980ern sich darauf verlassen können, jahrzehntelang in dauerhafter Vollzeitbeschäftigung mit kontinuierlich steigenden Löhnen zu bleiben. Diese Darstellung ist nicht zielführend: Lag die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, im Jahr 1970 unter einem Prozent, so gibt es heute Berufsgruppen, die mit einer 40%igen Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit rechnen müssen. War Teilzeitbeschäftigung in den frühen 1970ern eine fast vernachlässigbare Erscheinung, so sind heute mehr als 70% aller Frauen in Teilzeitbeschäftigung.

Die Änderung der Erwerbsverläufe wird jedoch bei der Darstellung der Wirkung von Pensionsreformen regelmäßig ausgeblendet. So wurde etwa im Zuge der Pensionskürzungsreformen 2003/04 Pensionsberechnungen für Personen mit 45 Jahren durchgängiger Vollzeiterwerbstätigkeit präsentiert und mit einander verglichen, um darzustellen, dass die zu erwartenden Pensionskürzungen gering sind. Tatsächlich werden im Jahr 2050 aber keine Menschen in Pension gehen können, die 45 Jahre lang ohne Unterbrechung erwerbstätig waren, weil dies schlicht und einfach nicht mehr der Realität des Erwerbslebens entspricht (und zwar ohne, dass der oder die Einzelne die Möglichkeit hat, darauf mit Verhaltensänderungen zu reagieren). Dies und die Ausweitung einerseits der Ausbildungszeiten und andererseits der Teilzeitbeschäftigung wird für die betroffene Einzelperson jedoch verheerende Folgen auf die zu erwartenden Pensionshöhen haben.

Das österreichische System der Alterssicherung ist jedoch auch geprägt von anderen Verzerrungen:

             - Es ist aufgeteilt in eine Vielzahl von inhomogenen Teilsystemen (unselbständig Erwerbstätige im ASVG, selbständig Erwerbstätige im GSVG, BäuerInnen im BSVG, BeamtInnen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie verschiedene Sondersysteme wie etwa jenes der Nationalbank oder anderer Betriebe);

             - Es verteilt die eingesetzten Steuermittel extrem ungerecht.

             - Es wird aus einer Vielzahl für die Einzelperson kaum überschaubarer Töpfe finanziert und ist somit sehr bürokratisch

             - Es sichert nicht gegen Altersarmut (so gibt es Gruppen von Menschen im Pensionsalter wie etwa alleinlebende Frauen, die zu knapp 25% armutsgefährdet sind)

Die Summe der derzeit geltenden Regelungen des Systems der Alterssicherung in Österreich sind also geprägt von

             - Veralteten und ineffektiven Differenzierungen zwischen Berufsgruppen und Versicherungsträgern

             - Einer Ungleichheit fördernden Verteilung der Steuermittel

             - Unzureichendem Schutz vor Armut im Alter und

             - hohem bürokratischem Aufwand

             - Erhebliche Mittel aus Steuern werden direkt oder indirekt zur Finanzierung des Kapitalmarkts eingesetzt, ohne dass eine Alterssicherung damit erreicht oder gar garantiert werden kann.

Diese Tatsachen muss eine moderne, demokratische Gesellschaft zum Anlass einer Überprüfung des Rechtsbestands und zur Suche nach Verbesserungsmöglichkeit nutzen. Dabei haben aber nicht primär Kostenfragen im Brennpunkt zu stehen, sondern die Frage:

Was soll ein Pensionssystem eigentlich leisten können? welche Ziele wollen wir damit erreichen?

Die AntragsstellerInnen haben sich diese Fragen gestellt und Parameter entwickelt, an denen sich ein zukunftsfähiges Pensionssystem messen lassen muss. Es soll…

             - Existenz im Alter sichern

             - Altersarmut verhindern

             - Lebensstandard sichern

             - geschlechtergerechte sein

             - Ausgleich für Zeiten ohne Einkommen bieten

             - für die Menschen verständlich und nachvollziehbar sein sowie

             - für die Politik prognostizierbar

Der vorliegende Antrag schlägt ein Modell der Alterssicherung vor, das die genannten Kriterien erfüllt und im Vergleich zur Summe der Kosten der derzeitigen Alterssicherungssysteme in Österreich neutral ist. Es zielt darauf ab, die derzeit in den verschiedenen Systemelementen eingesetzten (und bisweilen versteckten) Mittel aus Steuern zusammengefasst und als Grundpension an alle Menschen ab Erreichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters in jeweils gleicher Höhe auszubezahlen. Mit dieser Grundpension in der Höhe der derzeitigen Ausgleichszulage sind alle Menschen ab Erreichung des Pensionsantrittsalters jedenfalls individuell vor Altersarmut geschützt.

Als zweite Komponente im vorgeschlagenen Modell dient eine Erwerbspension, die aus Versicherungsbeiträgen auf Grund von Erwerbstätigkeit gespeist wird. Dieser Pensionsteil kommt nach versicherungsmathematischen Kriterien zu Stande, sodass er regelmäßig keiner zusätzlichen Mittel aus Steuern bedarf.

Beide Pensionsteile zusammen sind mit einer Höchstpension begrenzt (vorgeschlagen sind € 3.100,- im Monat, 14 Mal im Jahr).

Mit der Grundpension sind alle Kosten für im gegenwärtigen Recht vorgesehenen (ehemaligen) ‚Ersatzzeiten‘ abgedeckt. In der Erwerbspension werden ausschließlich tatsächliche Versicherungsbeiträge aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt.

Die vorgeschlagene Systematik erlaubt wesentliche Veränderungen zur Herstellung größerer Gerechtigkeit im System der Alterssicherung:

             - Die einheitliche Grundpension gleicht gesellschaftliche Ungleichheit im Erwerbsleben insbesondere für Frauen, für Menschen mit sehr niedrigen Einkommen oder auch Menschen mit Behinderung (von denen viele derzeit zwar arbeiten, aber nie eine Pension erhalten werden) aus.

             - Das vorgeschlagene Splitting von in Partnerschaften erworbenen Pensionsansprüchen auf Basis der existenzsichernden Grundpension erhöht für Männer den Anreiz, sich stärker an Betreuungsarbeit zu beteiligen, ohne erhebliche Nachteile in der Alterssicherung befürchten zu müssen.

             - Das vorgeschlagene Modell macht es aber auch attraktiv, in der Erwerbsphase in Bildung zu investieren, berufliche Auszeiten zu nehmen oder sich beruflich neu zu orientieren.

             - Es beendet die unhaltbare Situation, dass meist Frauen im Alter von ihren Partnern sozial und existenziell abhängig sind, da dieses Modell jedem Menschen eine existenzsichernde Grundpension garantiert.

Die Kosten des Modells entsprechend jenen aller derzeitigen Elemente der Alterssicherung zusammen, sind transparent und nachhaltig prognostizierbar. Es muss nicht mehr auf Basis fiktiver zukünftiger Erwerbskarrieren gerechnet werden. Im vorgeschlagenen Modell können ein einheitlicher Betrag mit der Zahl der in Österreich lebenden Menschen im Pensionsalter verknüpft werden.

Zur Finanzierung der Grundpension sind nicht allein die derzeitigen Bundesmittel im gesetzlichen Pensionssystem, sondern auch die (um fiktive DG-Beiträge reduzierten) Mittel für BeamtInnen des Bundes, der Länder und Gemeinden. In den einheitlichen Topf zur Finanzierung der Grundpension fließen aber etwa auch jene Mittel, die derzeit aus dem FLAF oder dem AMS und anderen Quellen für Beitragszeiten eingesetzt werden sowie die indirekten und direkten Mittel zur Förderung unsicherer kapitalgedeckter Anlageformen oder auch Mittel für die Mindestsicherung von Menschen im Pensionsalter.

Derzeitige Debatten um Pensionen sind geprägt vom Aufbau von Gegensätzen: Jung gegen Alt, Frauen gegen Männer, Paare mit Kindern gegen Paare ohne Kinder, Menschen mit höheren Einkommen gegen Menschen mit niedrigen, beruflich mobile Menschen gegen weniger mobile, in Österreich geborene gegen nicht in Österreich geborene Menschen, kranke Menschen gegen gesunde Menschen, BeamtInnen gegen NichtbeamtInnen, um nur einige dieser konstruierten Gegensätze zu nennen.

Die AntragsstellerInnen schlagen ein Modell vor mit dem Ziel, Menschen Vertrauen in ihre Zukunft zu vermitteln.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 10. März 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Judith Schwentner die Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Mag. Gerald Loacker, August Wöginger, Ing. Markus Vogl, Dietmar Keck und Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: G, dagegen: S, V, F, N, T).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Ing. Markus Vogl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2016 03 10

                               Ing. Markus Vogl                                                               Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann