Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Der vorliegende Entwurf beinhaltet folgende Schwerpunkte:

1.)           Die verfahrensrechtliche Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI (in der Folge: RL Opferschutz), ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012 S 57;

2.)           Verankerung einer gesetzlichen Grundlage für die Abfrage von Strafverfolgungsbehörden im Kontenregister, welches mit dem Kontenregister– und Konteneinschaugesetz (KontRegG), BGBl. I Nr. 116/2015 eingeführt wurde;

3.)           Erweiterung des Rechtsschutzes im Strafverfahren, unter anderem durch die teilweise verfahrensrechtliche Umsetzung der Richtlinie 2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (in der Folge: RL Rechtsbeistand), ABl. Nr. L 294 vom 6.11.2013 S 1 sowie Umsetzung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Problematik des agent provocateur;

4.)           Klarstellung der Zulässigkeit der Bestimmung der Zuständigkeit („Delegierung“) auch im Fall der Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

Ad 1.)     Am 10. Juni 2011 hat der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Rechte und des Schutzes von Opfern, insbesondere im Strafverfahren angenommen (Budapest-Fahrplan). In diesem Fahrplan wird dazu aufgerufen, verschiedene Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels zu ergreifen.

Durch die Umsetzung der RL Opferschutz als Maßnahme A werden die Rechte der Opfer und ihrer Angehörigen auf Information, Unterstützung und Schutz sowie ihre Verfahrensrechte bei Beteiligung am Strafverfahren über die im Rahmenbeschluss 2001/220/JI über die Stellung des Opfers im Strafverfahren, ABl. Nr. L 82 vom 22.03.2001 S 1, aufgehoben durch die Richtlinie 2012/29/EU, ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012 S 57, vorgesehenen Mindeststandards weiter ausgebaut, wobei die Umsetzung dieser Mindestvorschriften die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Urteile und Entscheidungen erleichtern soll. Die Richtlinie ist bis 16. November 2015 innerstaatlich umzusetzen. Unter Berücksichtigung des bereits bestehenden hohen Niveaus des Opferschutzes im Strafverfahren und des Umstandes, dass in der StPO bereits zahlreiche Bestimmungen zu Opferrechten vorhanden sind, beschränkt sich der Umsetzungsbedarf in Österreich auf einige wenige Aspekte, in denen durch die europäische Vorgabe einzelne Rechte weiter ausgebaut bzw. neu eingeführt werden.

Die RL Opferschutz findet nicht nur auf das gesamte Strafverfahren Anwendung, sondern stellt auch auf Straftaten ab, die in der Europäischen Union begangen wurden (Erwägungsgrund 13). Der Anwendungsbereich umfasst daher nicht nur das gesamte Strafverfahren vom Beginn des Ermittlungsverfahrens (§ 1 Abs. 2 StPO) bis zum Abschluss eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens, sondern reicht punktuell in das Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens. So ist von der Richtlinie auch die Erstattung einer Anzeige durch ein Opfer umfasst, wofür ihm bereits Unterstützung durch qualifizierte Einrichtungen zustehen soll.

Institutionen, Behörden und Gerichte, die am Strafverfahren mitwirken, haben nach der RL die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse von Opfern zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass Opfer umfassende Informationen erhalten und sich selbst verständlich machen können. Wie auch die Richtlinie 2010/64/EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (in der Folge: RL Dolmetsch), ABl. Nr. L 280 vom 26.10.2010 S 1 (umgesetzt für Beschuldigte mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 195/2013), so unterscheidet auch die RL Opferschutz zwischen Dolmetschleistungen (mündlich) und Übersetzungen (schriftlich), wobei von den Mitgliedstaaten sicherzustellen ist, dass Opfer, die die Sprache des betreffenden Strafverfahrens nicht verstehen oder sprechen, auf Antrag (mündliche) Dolmetschleistungen während des Strafverfahrens in Anspruch nehmen können, z.B. also bei Vernehmungen durch die Kriminalpolizei bzw. Staatsanwaltschaft oder in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht, zur Verfügung gestellt werden. Diese Übersetzungshilfe ist durch Beistellung eines Dolmetschers zu gewähren, soweit dies zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers (§ 10 StPO) erforderlich ist.

Die Richtlinie erfordert überdies eine ehestmögliche Beurteilung und – gegebenenfalls – Berücksichtigung besonderer Schutzbedürfnisse von Opfern (Art. 22 RL Opferschutz) nach Maßgabe ihrer persönlichen Merkmale, der Art und dem Wesen der Straftat sowie den Umständen der Straftat. Hinsichtlich der Anspruchsberechtigung unterscheidet das Gesetz zwischen Opfern, bei denen die in Abs. 1 aufgezählten Kriterien jedenfalls als erfüllt anzusehen sind (Opfer von Sexualdelikten und Gewalt in Wohnungen) und daher von Gesetzes wegen als besonders schutzbedürftig gelten und solchen, deren besondere Schutzbedürftigkeit anhand dieser gesetzlich normierten Kriterien zu bestimmen ist. Diese Beurteilung hat dabei individuell, allerdings aufgrund objektiver Kriterien zu erfolgen; ausschlaggebend sind daher ausschließlich die in § 66a Abs. 1 StPO taxativ aufgezählten Gründe, nicht jedoch die subjektive Einschätzung des Opfers. Bei Vorliegen einer besonderen Schutzbedürftigkeit stehen dem Opfer die erweiterten Opferrechte nach § 66a Abs. 2 StPO zu.

Besondere Aufmerksamkeit erhalten nach der RL Opferschutz Opfer im Kindesalter, worunter alle Personen zu verstehen sind, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Art. 2 Z 1 lit. c RL Opferschutz). Minderjährige Opfer gelten in jedem Fall als Opfer mit besonderen Schutzbedürfnissen (Art. 22 Abs. 4 RL Opferschutz), denen ganz besondere Schutzmaßnahmen zugutekommen (Art. 24 RL Opferschutz).

Die RL Opferschutz sieht überdies erweiterte Informations- und Verständigungsrechte vor. Umsetzungsbedarf ergibt sich dabei angesichts der umfassenden Informationsverpflichtungen insbesondere im Fall der antragsgemäßen Verständigung des Opfers von der Flucht eines festgenommenen bzw. in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten.

Überdies soll gewährleistet werden, dass Opfer eine in einem anderen Mitgliedstaat begangene Straftat unter bestimmten Voraussetzungen auch in jenem Mitgliedstaat zur Anzeige bringen können, in dem sie ihren Wohnsitz haben.

Ad 2.) Der Nationalrat hat mit 7. Juli 2015 das Bundesgesetz, mit dem das Bankwesengesetz geändert, das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Kontenregisters und die Konteneinschau (Kontenregister- und Konteneinschaugesetz – KontRegG), das Bundesgesetz über die Meldepflicht von Kapitalabflüssen und von Kapitalzuflüssen (Kapitalabfluss-Meldegesetz) und das Bundesgesetz zur Umsetzung des gemeinsamen Meldestandards für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz – GMSG) erlassen, das EU-Amtshilfegesetz und das Amtshilfe-Durchführungsgesetz geändert werden, beschlossen.

Das Bundesgesetz über die Einrichtung eines Kontenregisters und die Konteneinschau (Kontenregister- und Konteneinschaugesetz – KontRegG), BGBl. I Nr. 116/2015. sieht u. a. vor, dass der Bundesminister für Finanzen ein Kontenregister zu führen hat, welches gemäß § 2 Abs. 1 KontRegG folgende Daten zu enthalten hat:

         „1. bei natürlichen Personen als Kunden das bereichsspezifische Personenkennzeichen für Steuern und Abgaben (bPK SA); sofern das bPK SA über das Stammzahlenregister nicht ermittelt werden konnte, sind Vorname, Zuname, Geburtsdatum, Adresse und Ansässigkeitsstaat aufzunehmen;

           2. bei Rechtsträgern als Kunden die Stammzahl des Unternehmens gemäß § 6 Abs. 3 des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004, oder ein Ordnungsbegriff, mit dem diese Stammzahl ermittelt werden kann; sofern die Stammzahl bzw. der Ordnungsbegriff über das Unternehmensregister nicht ermittelt werden konnte, sind Name, Adresse und Ansässigkeitsstaat aufzunehmen;

 

           3. allfällige gegenüber dem Kreditinstitut hinsichtlich des Kontos oder des Depots vertretungsbefugte Personen, Treugeber und wirtschaftliche Eigentümer, wobei Z 1 und Z 2 sinngemäß anzuwenden sind;

           4. die Kontonummer bzw. Depotnummer,

           5. der Tag der Eröffnung und der Auflösung des Kontos bzw. des Depots,

           6. die Bezeichnung des konto- bzw. depotführenden Kreditinstitutes.“

Gemäß § 4 Abs. 1 KontRegG sind Auskünfte aus dem Kontenregister u. a. für strafrechtliche Zwecke den Staatsanwaltschaften und den Strafgerichten im Wege elektronischer Einsicht zu erteilen. Suchbegriffe dürfen nur konkrete Personen oder Konten sein.

Die Erläuterungen zu den gemeinsam mit der Einführung des Kontenregisters beschlossenen Änderungen im Bankwesengesetz (BWG) weisen darauf hin, dass im Gleichklang mit der Erleichterung des Zugangs zu durch das Bankgeheimnis geschützten Informationen durch den neu geschaffenen § 38 Abs. 2 Z 11 BWG, nach dem künftig den Abgabenbehörden des Bundes derartige Informationen zu erteilen sind, auch die Durchbrechung des Bankgeheimnisses im gerichtlichen Strafverfahren neu geregelt werden soll, eine Änderung des § 116 StPO jedoch einem gesonderten Gesetzgebungsvorhaben vorbehalten bleibt (685 BlgNR 25. GP 2).

Aufgrund dieser neuen Rechtslage wird nunmehr vorgeschlagen, die Ermittlungsmaßnahme der Auskunft aus dem Kontenregister in der Strafprozessordnung einzuführen. Die Änderungen betreffen sohin die §§ 109 und 116 StPO.

Die Richtlinie 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (in der Folge: RL Einziehung und Sicherstellung), ABl. Nr. L 2014/127 vom 29.04.2014 S 39, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 138 vom 13.05.2014 S 114 ist bis 4. Oktober 2016 umzusetzen. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs mit § 116 StPO soll Art. 9 der Richtlinie bereits jetzt umgesetzt werden.

Art. 9 der RL Einziehung und Sicherstellung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit sie sicherzustellende und einzuziehende Vermögensgegenstände auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat aufspüren und nachverfolgen und die erfolgreiche Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung gewährleisten können, wenn eine solche Entscheidung bereits ergangen ist.

Grundsätzlich ist das Aufspüren von Vermögenswerten durch die der Einbringungsstelle beim OLG Wien zur Verfügung stehenden Mittel wie Grundbuch-, Firmenbuch- und Drittschuldnerabfrage gewährleistet. Für den besonders wichtigen Bereich jener Vermögenswerte, die als Guthaben oder in Schließfächern bei Kreditinstituten erliegen, verfügt die Einbringungsstelle aufgrund von § 38 BWG derzeit allerdings über kein taugliches Mittel zur Ausforschung derartiger Vermögenswerte.

Die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte gemäß § 116 StPO steht wiederum nur im Ermittlungsverfahren und kraft § 210 Abs. 3 StPO im Hauptverfahren zur Verfügung. Eine Anwendung des § 116 StPO im „Einbringungsverfahren“ ist nach der geltenden Rechtslage unzulässig, was in Einzelfällen bereits zur Ablehnung von Rechtshilfeersuchen geführt hat.

In Bezug auf bei Kreditinstituten erliegende Vermögenswerte erscheint daher nach der geltenden Rechtslage ein Umsetzungsbedarf in Bezug auf Art. 9 der RL Einziehung und Sicherstellung zu bestehen. Zur Umsetzung wäre es daher sicherzustellen, dass zeitlich nach Rechtskraft des Urteils mittels Auskunft aus dem Kontenregister und Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte auch bei Banken erliegende Vermögenswerte aufgespürt werden können, die zur Vollstreckung einer mit Urteil ausgesprochenen Entscheidung über eine vermögensrechtliche Maßnahme erforderlich sind.

Für die Zwecke der Umsetzung der RL Einziehung und Sicherstellung wäre es ausreichend, diese Möglichkeit für vermögensrechtliche Maßnahmen vorzusehen. Allerdings erscheint es zur besseren Einbringlichmachung von Geldstrafen und zur Vermeidung des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen sachgerecht, diese Möglichkeit auch für die Vollstreckung von Geldstrafen nutzbar zu machen. Insbesondere für Geldstrafen nach dem FinStrG erschiene dies sinnvoll, weil deren Höhe sowie die im Vergleich mit dem StGB relativ niedrigen Ersatzfreiheitsstrafen dazu führen, dass Beschuldigte relativ häufig den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe in Kauf nehmen.

Ad 3.) Am 30. November 2009 nahm der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren an (ABl. Nr. C 295 vom 04.12.2009 S 1). In dieser „Roadmap“ wird dazu aufgerufen, verschiedene Maßnahmen zu Erreichung dieses Ziels zu ergreifen. Unter anderem ist als Maßnahme C „Rechtsbeistand und Prozesskostenhilfe“ zur Sicherstellung eines fairen Verfahrens die Gewährleistung des Zugangs zu einem Rechtsbeistand für einen Verdächtigen oder Beschuldigten zum frühesten geeigneten Zeitpunkt in einem Strafverfahren und das Recht auf Prozesskostenhilfe vorgesehen. Maßnahme D „Kommunikation mit Angehörigen, Arbeitgebern und Konsularbehörden“ soll garantieren, dass ein Verdächtiger oder Beschuldigter, dem die Freiheit entzogen wurde, über sein Recht unterrichtet wird, mindestens eine Person, beispielsweise einen Angehörigen oder Arbeitgeber, über den Freiheitsentzug informieren zu lassen, und im Fall der Festnahme in einem anderen Mitgliedstaat darüber hinaus auch die zuständigen Konsularbehörden von dem Freiheitsentzug verständigen zu lassen.

Der von der Europäischen Kommission am 8. Juni 2011 vorgelegte Entwurf der RL Rechtsbeistand dient der Umsetzung der Maßnahmen C (ohne Verfahrenshilfe, die in der noch in Verhandlung befindlichen Richtlinie über vorläufige Prozesskostenhilfe für Verdächtige oder Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, sowie über Prozesskostenhilfe in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls geregelt werden soll, enthalten ist) und D der Roadmap. Die nach längeren Verhandlungen am 22. Oktober 2013 angenommene RL Rechtsbestand sieht gemeinsame Mindestnormen für das Recht auf Rechtsbeistand und das Recht auf Kontaktaufnahme bei der Festnahme innerhalb der Europäischen Union vor.

Art. 1 umschreibt in allgemeiner Weise den Gegenstand der RL Rechtsbeistand, Art. 2 ihren Anwendungsbereich. Demnach gilt die RL Rechtsbeistand ab dem Zeitpunkt, ab dem der Beschuldigte von dem Strafverfahren in Kenntnis gesetzt wurde bis zur rechtskräftigen Endentscheidung. Sie gilt darüber hinaus auch in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls. Die Ausnahmebestimmung des Abs. 4 für Verfahren über geringfügige Zuwiderhandlungen hat für das Strafverfahren keine Bedeutung.

Art. 3 über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand ist die zentrale Bestimmung der RL Rechtsbeistand. Gemäß Abs. 1 haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Beschuldigten das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand so rechtzeitig und in einer solchen Art und Weise zukommt, dass sie ihre Verteidigungsrechte praktisch und wirksam wahrnehmen können (vgl. §§ 49f, 57 ff StPO). Der Zugang zu einem Rechtsbeistand ist Beschuldigten gemäß Abs. 2 unverzüglich zu gewähren, jedenfalls

a) vor ihrer Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden (vgl. §§ 153 Abs. 2, 221 Abs. 2 StPO);

b) ab der Durchführung von Ermittlungs- oder anderen Beweiserhebungshandlungen durch Ermittlungs- oder andere zuständige Behörden gemäß Absatz 3 Buchstabe c (s. §§ 49f, 57 ff StPO);

c) unverzüglich nach dem Entzug der Freiheit;

d) wenn der Beschuldigte vor ein Strafgericht geladen wurde, rechtzeitig bevor der Beschuldigte vor diesem Gericht erscheint (s. §§ 153 Abs. 2, 221 Abs. 2 StPO).

Art. 3 Abs. 3 gestaltet das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand näher aus. Demnach hat der Beschuldigte das Recht, mit dem Rechtsbeistand, der ihn vertritt, unter vier Augen zusammenzutreffen und mit ihm zu kommunizieren, auch vor der Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden (s. § 58 Abs. 1 StPO) sowie das Recht, dass der Rechtsbeistand bei der Befragung zugegen ist und wirksam teilnimmt. Diese Teilnahme an der Befragung erfolgt gemäß dem nationalen Recht, sofern die wirksame Ausübung und der Wesensgehalt gewahrt sind. Die Teilnahme ist schriftlich festzuhalten (§ 96 StPO). Erwägungsgrund 25 der RL Rechtsbeistand erwähnt als Beispiele der wirksamen Teilnahme die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Erläuterungen zu verlangen und Erklärungen abzugeben. Schließlich hat der Beschuldigte das Recht, dass der Rechtsbeistand Identifizierungsgegenüberstellungen, Vernehmungsgegenüberstellungen und Tatortrekonstruktionen beiwohnt, falls diese im nationalen Recht vorgesehen sind, und die Anwesenheit des Beschuldigten vorgeschrieben oder zulässig ist.

Gemäß Art. 3 Abs. 4 der RL Rechtsbeistand sind allgemeine Informationen zur Verfügung zu stellen, um es Beschuldigten zu erleichtern, einen Rechtsbeistand zu erhalten (§ 50 StPO). Unbeschadet des nationalen Rechts über die zwingend vorgeschriebene Anwesenheit eines Rechtsbeistands haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, in der Lage sind, ihr Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand wirksam auszuüben, es sei denn, sie haben gemäß Art. 9 der RL Rechtsbeistand auf dieses Recht verzichtet.

Die beispielsweise auf entlegene Inseln zugeschnittene Ausnahmeregelung des Art. 3 Abs. 5 RL Rechtsbeistand, wenn es aufgrund der geografischen Entfernung nicht möglich ist, das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand unverzüglich nach dem Entzug der Freiheit zu gewährleisten, wird entsprechend der bisherigen Rechtslage nicht in Anspruch genommen. Andere Ausnahmen von den nach Art. 3 Abs. 3 RL Rechtsbeistand gewährten Rechten sind gemäß Abs. 6 nur unter außergewöhnlichen Umständen und nur im vorgerichtlichen Stadium zulässig, wenn dies angesichts der besonderen Umstände des Falles durch einen der nachstehenden Gründe gerechtfertigt ist:

a) wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben oder für die Freiheit einer Person dringend erforderlich ist (Diese Ausnahme ist z.B. auf Entführungen oder im Ablauf befindliche terroristische Straftaten zugeschnitten);

b) wenn ein sofortiges Handeln (Erwägungsgrund 32 RL Rechtsbeistand erwähnt die Befragung des Beschuldigten ohne Rechtsbeistand) der Ermittlungsbehörden zwingend geboten ist, um eine erhebliche Gefährdung eines Strafverfahrens abzuwenden.

Art. 4 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Beschuldigten und Rechtsbeistand bei der Wahrnehmung des im Rahmen dieser Richtlinie vorgesehenen Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand beachten.

Die Richtlinie sieht weiters Rechte auf unverzügliche Benachrichtigung eines Dritten, unter anderem den Inhabern der elterlichen Verantwortung für ein festgenommenes Kind, von dem Freiheitsentzug (Art. 5 RL Rechtsbeistand), auf unverzügliche Kommunikation mit Dritten während des Freiheitsentzugs (Art. 6 RL Rechtsbeistand) und auf unverzügliche Kommunikation mit den Konsularbehörden (Art. 7 RL Rechtsbeistand) vor.

Art. 8 regelt allgemeine Bedingungen für Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und auf Verständigung eines Dritten nach Art. 3 Abs. 5 oder 6 oder nach Art. 5 Abs. 3 RL Rechtsbeistand. Derartige Ausnahmen sind nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig, zeitlich eng begrenzt und nicht über das erforderliche Maß hinausgehend sind, nicht ausschließlich durch die Art oder die Schwere der mutmaßlichen Straftat begründet werden und sie ein insgesamt faires Verfahren nicht beeinträchtigen. Sie können nur im Wege einer ordnungsgemäß begründeten Einzelfallentscheidung angeordnet werden, die protokolliert werden muss und – sofern sie nicht von einer Justizbehörde stammt – einer richterlichen Kontrolle unterliegt. Der Verzicht auf einen Rechtsbeistand wird in Art. 9 RL Rechtsbeistand geregelt.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 bis 3 RL Rechtsbeistand besteht das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand nach einer Festnahme aufgrund eines Europäischen Haftbefehls im Vollstreckungsmitgliedstaat unverzüglich ab dem Entzug der Freiheit. Das Recht auf Benennung eines Rechtsbeistands auch im Ausstellungsstaat eines Europäischen Haftbefehls und entsprechende Verständigungspflichten werden in Art. 10 Abs. 4 bis 6 RL Rechtsbeistand geregelt.

Kein legistischer Umsetzungsbedarf ergibt sich aus Art. 11 RL Rechtsbeistand über die Prozesskostenhilfe, wonach nationale Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe unberührt bleiben, sowie aus Art. 12 Abs. 1 RL Rechtsbeistand über Rechtsbehelfe im Falle der Verletzung der Rechte aus der RL Rechtsbeistand, weil solche im Rechtschutzsystem der StPO bereits verankert sind. Die Verpflichtung, die Verteidigungsrechte und die Einhaltung eines fairen Verfahrens bei der Beurteilung einer unter Verletzung der Rechte nach der RL Rechtsbeistand zustande gekommenen Aussage zu beachten (Art. 12 Abs. 2 RL Rechtsbeistand), ist bei richtlinienkonformer Auslegung im Rahmen der freien Beweiswürdigung iVm §§ 152 Abs. 1, 166 Abs. 1 Z 2 StPO sichergestellt. Entsprechendes gilt auch für Art. 13 RL Rechtsbeistand über die besonderen Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen. Diese besonderen persönlichen Bedürfnisse werden bei der Auslegung und Anwendung der durch die RL Rechtsbeistand gewährleisteten Rechte zu berücksichtigen sein.

Das Regressionsverbot des Art. 14 RL Rechtsbeistand, demzufolge ihre Bestimmungen nicht so auszulegen ist, dass dadurch die Rechte oder Verfahrensgarantien nach Maßgabe der Charta, der EMRK oder anderer einschlägiger Bestimmungen des Völkerrechts oder des Rechts der Mitgliedstaaten, die ein höheres Schutzniveau vorsehen, beschränkt oder beeinträchtigt würden, wurde bei dem vorliegenden Entwurf berücksichtigt.

Die RL Rechtsbeistand ist gemäß Art. 15 von den Mitgliedstaaten bis zum 27. November 2016 umzusetzen.

Mit dem vorliegenden Entwurf soll die RL Rechtsbeistand weitgehend umgesetzt werden. Noch nicht umgesetzt werden jene Bestimmungen, die den Zugang zu einem Rechtsbeistand vor der Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden (Art. 3 Abs. 2 lit. a RL Rechtsbeistand) und nach dem Entzug der Freiheit regeln (Art. 3 Abs. 2 lit. c und Abs. 4 2. Satz, 10 Abs. 1 bis 3 RL Rechtsbeistand). In diesem Bereich bedarf es umfangreicherer organisatorischer Vorkehrungen in Abstimmung mit dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag um den unverzüglichen Zugang zu einem Rechtsbeistand zu gewährleisten. Darüber hinaus stehen diese Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der noch in Verhandlung befindlichen Richtlinie über vorläufige Prozesskostenhilfe für Verdächtige oder Beschuldigte, denen die Freiheit entzogen ist, sowie über Prozesskostenhilfe in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls geregelt werden, sodass jedenfalls die Beschlussfassung dieser Richtlinie vor näheren Überlegungen zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 lit. a und c RL Rechtsbeistand abzuwarten ist.

Das in Art. 10 Abs. 4 bis 6 RL Rechtsbeistand geregelte Recht auf Benennung eines Rechtsbeistands auch im Ausstellungsstaat eines Europäischen Haftbefehls und entsprechende Verständigungspflichten bleiben einer gesonderten Umsetzung im EU-JZG vorbehalten.

Angesichts der rezenten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besteht in Österreich Handlungsbedarf betreffend die Rechtsfolge einer unzulässigen Tatprovokation.

Ad 4.) In ihrer Entscheidung vom 20. Oktober 2015, Gw 324/15b, führt die Generalprokuratur aus, dass sich die Notwendigkeit der Prüfung einer Delegierung nach § 28 StPO erst dann ergebe, wenn tatsächlich ein Verfahren zu führen sei. Das (Ermittlungs-)Verfahren beginne erst, wenn und sobald die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat ermittle, in welchem Fall zumindest ein Ermittlungsakt, allenfalls auch ein Tagebuch anzulegen sei. Ein bloßer Verdacht einer Straftat könne daher ebenso wenig delegiert werden wie eine Anzeige, zu welcher ein Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft oder nachprüfend von der Generalprokuratur verneint werde.

Mit der vorgeschlagenen Änderung soll zur Vermeidung jeglichen Anscheins der Befangenheit der (Ober-)Staatsanwaltschaften klargestellt werden, dass die Prüfung der Notwendigkeit einer Delegierung auch schon in dem Fall zu erfolgen hat, dass bloß die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 1 Abs. 3 StPO) zu prüfen ist.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel I (Änderungen der StPO)

Zu Z 1, 2 und 25 (Inhaltsverzeichnis und Überschrift des 1. Abschnittes des 8. Hauptstückes der StPO):

Diese Änderungen umfassen Anpassungen an die Begriffe der neuen Ermittlungsmaßnahme.

Zu Z 3 und 30 (§§ 5 Abs. 3 und 133 Abs. 5 StPO):

Gemäß § 5 Abs. 3 StPO ist es unzulässig, Beschuldigte oder andere Personen zur Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung einer Straftat zu verleiten (Lockspitzelverbot). Aufgrund von Anregungen im Begutachtungsverfahren wird im Sinne der Rechtssicherheit und eindeutigen Abgrenzung der unzulässigen Tatprovokation nach § 5 Abs. 3 StPO gegenüber den zulässigen Maßnahmen des Scheingeschäfts und der verdeckten Ermittlung ein Verweis auf den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) vorgeschlagen. Der gefestigten Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zufolge liegt eine polizeiliche Provokation dann vor, wenn sich die beteiligten Polizeibeamten nicht auf eine weitgehend passive Strafermittlung beschränken, sondern die betroffene Person derart beeinflussen, dass diese zur Begehung einer Straftat verleitet wird, die sie andernfalls nicht begangen hätte, und zwar mit dem Zweck – durch Beweiserbringung und Einleitung einer Strafverfolgung – die Feststellung einer Straftat zu ermöglichen (EGMR 5.2.2008, 74420/01, Ramanauskas/Litauen, Z 55; EGMR 4.11.2010, 18757/06, Bannikova/Russland, Z 37; EGMR 21.2.2008, 15100/06, Pyrgiotakis/Griechenland, Z 20). In die Prüfung einzubeziehen sind hierbei die Gründe, auf denen die verdeckte Maßnahme beruhte, sowie das Verhalten der Beamten, die die Maßnahme durchgeführt haben. Entscheidend ist insbesondere, ob es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht gab, dass der Beschuldigte an kriminellen Tätigkeiten beteiligt oder tatgeneigt war (EGMR 4.11.2010, 18757/06, Bannikova/Russland, Z 38). Dabei spielt es eine Rolle, ob der Betroffene vorbestraft ist (was aber für sich allein noch kein ausreichendes Indiz darstellt) und bereits ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden war. Darüber hinaus kann im Rahmen dieser Prüfung, je nach den Umständen des konkreten Falles, nach Ansicht des Gerichtshofs Folgendes für eine Tatgeneigtheit sprechen: die zu Tag getretene Vertrautheit des Täters mit den im illegalen Suchtmittelhandel üblichen Preisen, seine Fähigkeit, kurzfristig Drogen beschaffen zu können, sowie der Umstand, dass er aus dem Geschäft einen finanziellen Vorteil ziehen würde. Bei der Prüfung des Verhaltens der Ermittlungspersonen untersucht der EGMR, ob auf den Betroffenen Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen. In Suchtmittelfällen können nach Ansicht des Gerichtshofs folgende Verhaltensweisen dafür sprechen, dass die Ermittlungsbehörden den Bereich des passiven Vorgehens verlassen haben: das Ergreifen der Initiative beim Kontaktieren des Betroffenen, das Erneuern des Angebots trotz anfänglicher Ablehnung, hartnäckiges Auffordern zur Tat, Steigern des Preises über den Durchschnitt oder Vorspiegelung von Entzugserscheinungen, um das Mitleid des Betroffenen zu erregen.

Einer Anregung im Begutachtungsverfahren folgend, wird aus Gründen der Vereinfachung und Konformität die Verwendung des Wortes „Begehung“ anstelle von „Unternehmung, Fortsetzung oder Vollendung“ vorgeschlagen. Inhaltlich soll sich hierdurch nichts ändern. Das Tatprovokationsverbot soll sich wie bisher auf sämtliche Phasen einer Straftat beziehen. Es soll folglich weiterhin das Verleiten zum Versuch einer Tat ebenso wie die Bestimmung zu Ausführungshandlungen und zu Fortsetzungshandlungen erfasst sein.

Der gefestigten Rsp des OGH zufolge kann ein Angeklagter, welcher entgegen dem Verbot der Tatprovokation zur Tat verleitet wird, im Fall des gesetzlichen Nachweises seiner Schuld – unter Verwendung der durch die Tatprovokation gewonnenen Beweisergebnisse – dennoch für die Tat verurteilt werden. Denn aus diesem Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK sei weder ein materieller Straflosigkeitsgrund noch ein Verfolgungshindernis für die provozierte Straftat abzuleiten. Allerdings sei ein in unzulässiger, dem Staat zuzurechnender Tatprovokation gelegener Konventionsverstoß ausdrücklich im Urteil festzustellen und durch eine ausdrückliche und messbare Strafmilderung auszugleichen (RIS-Justiz RS 0119618, T7).

Im Lichte der rezenten Judikatur des EGMR ist jedoch eine bloße Strafminderung keine angemessene Wiedergutmachung für eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens angesichts einer unzulässigen Tatprovokation (EGMR 23.10.2014, 54648/09, Furcht/Deutschland, insb. Z 69). Vielmehr verlangt der EGMR, dass alle als Ergebnis polizeilicher Provokation gewonnenen Beweismittel ausgeschlossen werden oder aber ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen greift (EMGR 24.4.2014, 6228/09, 19123/09, 19678/07, 52340/08 und 7451/09, Lagutin u.a./Russland, Z 117 mit weiteren Verweisen). Diese Vorgabe wird in Österreich bis dato nicht ausreichend erfüllt.

Um eine konventionsrechtskonforme Rechtslage herzustellen, soll daher in Abkehr des Vorschlags im Ministerialentwurf und in Übereinstimmung mit einigen Anregungen im Begutachtungsverfahren als Folge einer unzulässigen Tatprovokation ein prozessuales Verfolgungshindernis eingeführt werden. Ein solches stellt jedenfalls ein Verfahren mit vergleichbaren Konsequenzen im Sinne der Anforderungen des EGMR dar. Auf diese Weise erübrigt sich die im Begutachtungsverfahren kritisierte Problematik der Abgrenzung, welche Ergebnisse dem ursprünglich vorgeschlagenen Beweisverwertungsverbot unterliegen würden und welche nicht. Ebenso wird jenen Anregungen im Begutachtungsverfahren nach einer Einschränkung auf den Verleiteten selbst sowie auf die Tat, zu der verleitet wurde, entsprochen. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein solches Verfolgungshindernis Verstößen gegen § 5 Abs. 3 StPO vorbeugt, weil der Anreiz (Überführung des Verleiteten) weitgehend entfallen würde.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung der Rechtsprechung in Deutschland, wo der BGH zuletzt mit Urteil vom 10. Juni 2015, BGH 2 StR 97/14, ausgesprochen hat, dass die rechtsstaatswidrige Provokation einer Straftat durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden oder von ihnen gelenkter Dritter regelmäßig ein Verfahrenshindernis zur Folge hat.

Zu Z 4 (§ 10 Abs. 2 StPO):

Zentraler Aspekt der RL Opferschutz ist eine frühzeitige individuelle Beurteilung der besonderen Schutzbedürfnisse eines Opfers, bei deren Vorliegen sich daraus weitergehende Rechte zum Schutz vor sekundärer und wiederholter Viktimisierung, Einschüchterung und Vergeltung (Art. 23 und 24) ableiten.

Neben dem durch § 10 Abs. 1 StPO verbrieften Recht auf Verfahrensbeteiligung, aus welchem auch eine grundsätzliche Verpflichtung zur Berücksichtigung von Opferinteressen abzuleiten ist (Kier WK StPO § 10 Rz 29), wird diese im Besonderen durch Abs. 2 nochmals ausdrücklich hervorgehoben. Danach sind Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht verpflichtet, auf die Rechte und Interessen der Opfer angemessen einzugehen. Darunter versteht man zusammengefasst, dass das Opfer einen grundsätzlichen Anspruch auf Achtung und Anerkennung seiner Person und seiner Verfahrensstellung hat (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz 261).

Die angemessene Berücksichtigung besonderer Schutzbedürfnisse von Opfern ist somit zwar weitgehend faktisch umfasst, soll nunmehr allerdings angesichts der zentralen Bedeutung der Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürfnisse von Opfern in der RL Opferschutz und der damit einhergehenden Einführung der Kategorie der besonders schutzbedürftigen Opfer (§ 66a StPO) ausdrücklich als Verfahrensgrundsatz normiert werden. Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht sollen künftig die besondere Schutzbedürftigkeit von Opfern ehestmöglich beurteilen (§ 66 Abs. 1 Z 1b iVm § 66a Abs. 1 StPO) und die besonders schutzbedürftigen Opfern zukommenden weitergehenden Rechte, wozu auch die Information über diese Rechte gehört, im Strafverfahren (§ 66a StPO) angemessen berücksichtigen.

Zu Z 5, 62 und 63 (§§ 20a Abs. 1, 445 Abs. 2a und 489 Abs. 1 StPO):

Die vorgeschlagene Änderung dient der Beseitigung von Redaktionsversehen; der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015, BGBl. I Nr. 112/2015, eingeführte neue Inhalt der Bestimmungen bleibt unverändert.

Zu Z 6 (§ 25 Abs. 7 StPO):

Gemäß Art. 17 Abs. 2 der RL Opferschutz haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Wohnsitzes Opfer einer Straftat wurden, Anzeige bei den Behörden ihres Wohnsitzmitgliedstaats erstatten können, wenn sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Straftat verübt wurde, dazu nicht in der Lage sind, oder wenn sie die Anzeige im Falle einer nach dem einzelstaatlichen Recht jenes Mitgliedstaats als schwer eingestuften Straftat nicht dort erstatten möchten. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung haben die Mitgliedstaaten weiters sicherzustellen, dass die zuständige Behörde, bei der das Opfer die Anzeige erstattet, diese unverzüglich der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem die Straftat verübt wurde, übermittelt, wenn der Mitgliedstaat, in dem die Anzeige erstattet wurde, seine Zuständigkeit, das Verfahren einzuleiten, noch nicht ausgeübt hat.

Nach § 25 Abs. 7 StPO soll daher die Staatsanwaltschaft im Fall des Tatorts in einem anderen EU-Mitgliedstaat bei ihr einlangende Anzeigen eines im Inland wohnhaften Opfers unverzüglich an die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaats weiterleiten, soweit diese Straftat nicht der inländischen Gerichtsbarkeit nach den §§ 62 bis 67 StGB unterliegt. Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend, soll die Weiterleitungspflicht auf Anzeigen des Opfers eingeschränkt werden, weil auch mit dieser Einschränkung die Vorgaben der RL Opferschutz erfüllt werden und es sich um eine Hilfestellung im Hinblick auf die persönliche Betroffenheit des Opfers handeln soll. Hingegen ist es sonstigen Anzeigern zumutbar, die Anzeige im zuständigen Staat einzubringen. Erstattet das Opfer die Anzeige bei der Kriminalpolizei, so hat diese die Anzeige nicht direkt an die ausländische Behörde weiterzuleiten, sondern der Staatsanwaltschaft zu berichten, die das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit zu prüfen hat.

Bei der Ermittlung der zuständigen Behörde ist vom Inhalt der Anzeige auszugehen; zeitaufwändige Ermittlungen zur Abklärung des Tatorts oder allfälliger Ausnahmen von der Zuständigkeit des Tatorts (z.B. bei jugendlichen Beschuldigten) sind nicht vorzunehmen. Ist die örtlich zuständige Behörde nicht feststellbar, ist die Anzeige an die jeweils für die Strafverfolgungsbehörden zuständige Zentralstelle des betroffenen Mitgliedstaats zu übermitteln. Die zuständige Behörde kann mit Hilfe des Atlas des Justiziellen Netzwerks in Strafsachen (www.ejn-crimjust.europa.eu/ejn/) ermittelt werden.

Von der Übermittlung der Anzeige an die ausländische Behörde soll jedoch in folgenden Fällen abgesehen werden können:

1. Die Tat und die für ihre Verfolgung wesentlichen Umstände sind der zuständigen ausländischen Behörde bekannt (Z 1), z.B. weil das Opfer im Tatortstaat bereits Anzeige erstattet hat. Zu den wesentlichen Umständen der Tat gehört auch Kenntnis von der Identität des Opfers. Ob die Voraussetzungen der Z 1 vorliegen, wird anhand des Akteninhalts zu beurteilen sein.

2. Die Anzeige wäre dem Opfer im Ausland möglich gewesen, es sei denn, dass es sich um eine Straftat mit schweren Folgen (Z 2) handelt. Bei der Beurteilung, ob es sich auch nach dem Recht des zuständigen EU-Mitgliedstaats um eine Straftat mit schweren Folgen handelt, ist im Zweifel von gleichen Maßstäben auszugehen. Der Begriff „Straftat mit schweren Folgen“ ist daher wie in § 21 Abs. 1 StGB und § 173 Abs. 2 Z 3 lit. a StPO zu verstehen. Eine Anzeige wäre dem Opfer im Tatortstaat beispielsweise trotz faktischer Anwesenheit dann nicht möglich, wenn mangels örtlicher Sprachkenntnisse bis zur Rückreise die zuständige Behörde nicht ausfindig gemacht werden konnte oder bei dieser kein Dolmetscher für die Sprache des Opfers zur Verfügung steht. Durch die Formulierung „im Ausland möglich gewesen wäre“ soll klargestellt werden, dass eine nachträgliche Anzeigeerstattung an die ausländische Behörde z.B. per Post – sofern dies nach der jeweiligen in Betracht kommenden Rechtsordnung überhaupt zulässig wäre – vom Opfer nicht verlangt werden kann.

Zu Z 7 und 8 (§§ 28 Abs. 1 und 2, 28a StPO):

Gemäß § 28 StPO kann die Oberstaatsanwaltschaft von Amts wegen oder auf Antrag aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen ein Verfahren der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und innerhalb ihres Sprengels einer anderen Staatsanwaltschaft übertragen. Unterstehen die Staatsanwaltschaften verschiedenen Oberstaatsanwaltschaften, entscheidet die Generalprokuratur.

In ihrer Entscheidung vom 20. Oktober 2015, Gw 324/15b, führt die Generalprokuratur aus, dass sich die Notwendigkeit der Prüfung einer Delegierung nach § 28 StPO erst dann ergebe, wenn tatsächlich ein Verfahren zu führen sei. Das (Ermittlungs-)Verfahren beginne erst, wenn und sobald die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat ermittle, in welchem Fall zumindest ein Ermittlungsakt, allenfalls auch ein Tagebuch anzulegen sei. Ein bloßer Verdacht einer Straftat könne daher ebenso wenig delegiert werden wie eine Anzeige, zu welcher ein Anfangsverdacht von der Staatsanwaltschaft oder nachprüfend von der Generalprokuratur verneint werde. Sollte die konkrete Befangenheit aller Staatsanwälte einer Behörde der Bearbeitung einer Anzeige entgegenstehen, wäre deren Abnahme und Zuteilung zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung im Dienstweg zu veranlassen.

Mit der Änderung des § 28 StPO durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, wurde klargestellt, dass eine Notwendigkeit, eine Delegierung zu prüfen, nur besteht, wenn tatsächlich ein Verfahren zu führen ist. Ergibt sich von vornherein kein Verdacht, so braucht es keiner Entscheidung über die Bestimmung der Zuständigkeit (RV 113 BlGNR 24. GP, 44). Mit anderen Worten ist eine Staatsanwaltschaft nicht verpflichtet, jede Anzeige, aus der eine der im zweiten Satz des § 28 genannten Konstellationen hervorgeht, zum Zweck einer Übertragungsentscheidung vorzulegen, sondern kann die (endgültige) Entscheidung über die Verfahrenseinstellung auch selbst treffen (Nordmeyer in Fuchs/Ratz, WK StPO § 28a Rz 14).

Das Anlegen eines Ermittlungsakts als Grundvoraussetzung der Prüfung der Notwendigkeit einer Delegierung und das Abstellen auf ein (bereits eingeleitetes) Ermittlungsverfahren liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass eine dem Anschein nach möglicherweise strukturell befangene Behörde die Initiative für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und somit Ermittlungsschritte setzen muss.

Um von vornherein jeglichen Anschein der Befangenheit der (Ober-)Staatsanwaltschaften schon bei der Prüfung, ob überhaupt ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist, zu vermeiden, wird unter Berücksichtigung der zitierten Kommentierung vorgeschlagen, § 28 StPO zur Klarstellung dahingehend zu ergänzen, dass die Prüfung der Notwendigkeit einer Delegierung schon dann zu erfolgen hat, wenn (bloß) die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen ist (§ 1 Abs. 3 und § 35c StAG).

Zu Z 9, 10, 12, 38 und 45 (§§ 31 Abs. 3 und 4, 56 Abs. 3, 155 Abs. 1 und 165 Abs. 5 StPO):

Die vorgeschlagenen Änderungen dienen der Beseitigung von Redaktionsversehen.

Zu Z 11 (§ 50 Abs. 3 StPO):

Der Verzicht auf einen Rechtsbeistand gemäß Art. 9 Abs. 1 der RL Rechtsbeistand setzt die Information des Beschuldigten und die Freiwilligkeit des Verzichts voraus. Diesen Vorgaben wird schon nach geltendem Recht hinsichtlich der Information des Beschuldigten durch §§ 50 Abs. 2 und 3, 153 Abs. 2, 171 Abs. 4 StPO und hinsichtlich der Freiwilligkeit durch §§ 7, 164 Abs. 4, 166 Abs. 1 Z 2 StPO entsprochen. Dass der Verzicht jederzeit widerrufen werden kann (Art. 9 Abs. 3 RL Rechtsbeistand), ergibt sich schon aus §§ 7, 49 Z 2, 58 ff, 164 Abs. 4 StPO und dem Fehlen einer Bestimmung über eine Bindung an den Verzicht. Der Verpflichtung, den Verzicht und dessen Umstände schriftlich festzuhalten, regelt das geltende Recht in §§ 96, 271 StPO. Dennoch soll zur Klarstellung im Hinblick auf die Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation des Verzichts auf einen Rechtsbeistand in § 50 Abs. 3 StPO eine ausdrückliche Verpflichtung aufgenommen werden, diesen Verzicht schriftlich zu dokumentieren. Diese Verpflichtung soll über den Anwendungsbereich der RL Rechtsbeistand hinaus für alle Beschuldigtenrechte gelten.

Zu Z 13, 14 und 40 (§§ 59 Abs. 1 und 2 sowie 157 Abs. 2 StPO):

Art. 4 der RL Rechtsbeistand sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und seinem Rechtsbeistand bei der Wahrnehmung des im Rahmen dieser Richtlinie vorgesehenen Rechts auf Zugang zu einem Rechtsbeistand beachten. Diese Kommunikation umfasst Treffen, Schriftverkehr, Telefongespräche und sonstige Kommunikationsformen. Ausnahmen sieht die RL Rechtsbeistand nicht vor. Unberührt bleiben Verfahren, in denen der Rechtsbeistand verdächtig ist, gemeinsam mit dem Beschuldigten in eine Straftat verwickelt zu sein. Art. 4 gilt auch für die Kommunikation mit dem inhaftierten Beschuldigten, nicht hingegen für (offenbar gemeint: zufällige; vgl. die englische Sprachfassung „incidental“) Verletzungen des Vertraulichkeitsgebots, zu denen es im Zuge rechtmäßiger Überwachungsmaßnahme durch zuständige Behörden kommt (Erwägungsgrund 33 und 34 RL Rechtsbeistand).

Da gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. a der RL Rechtsbeistand der Beschuldigte mit seinem Rechtsbeistand unter vier Augen zusammentreffen und kommunizieren darf, besteht insofern Umsetzungsbedarf, als die derzeit bestehende Möglichkeit zur Überwachung des Kontakts des festgenommenen Beschuldigten mit dem Verteidiger gemäß § 59 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 zweiter und dritter Satz StPO nicht richtlinienkonform ist. Die in diesen Bestimmungen vorgesehene Überwachung des Kontakts mit dem Verteidiger soll daher entfallen. Damit wäre aufgrund des in § 188 Abs. 3 StPO enthaltenen Verweis auf § 59 Abs. 2 StPO auch klargestellt, dass auch eine auf § 188 StPO basierende Überwachung des Verkehrs des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten mit seinem Verteidiger unzulässig ist.

Ausnahmen von den nach Art. 3 Abs. 3 der RL Rechtsbeistand gewährten Rechte sind gemäß Abs. 6 nur unter außergewöhnlichen Umständen und nur im vorgerichtlichen Stadium zulässig, wenn dies angesichts der besonderen Umstände des Falles durch einen der nachstehenden Gründe gerechtfertigt ist:

a) wenn dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben oder für die Freiheit einer Person dringend erforderlich ist;

b) wenn ein sofortiges Handeln der Ermittlungsbehörden zwingend geboten ist, um eine erhebliche Gefährdung eines Strafverfahrens abzuwenden.

Die in Art. 3 Abs. 6 lit. a RL Rechtsbeistand angeführte Ausnahme im Zusammenhang mit der Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben ist der StPO bisher fremd. Da sich bislang kein Bedarf für eine derartige Ausnahme ergeben hat, soll diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen werden.

Hingegen soll auch weiterhin die Möglichkeit der Beschränkung des Kontakts zu einem Verteidiger in Entsprechung der Ausnahmebestimmung des Art. 3 Abs. 6 lit. b RL Rechtsbeistand bestehen, wobei allerdings eine im Vergleich zur geltenden Rechtslage deutlich restriktivere Formulierung der Voraussetzungen erforderlich ist. Als besondere Umstände, die eine vorübergehende Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Verteidiger rechtfertigen, werden insbesondere das Gewicht der heranzuziehenden Haftgründe zu berücksichtigen sein. Da die RL Rechtsbeistand darauf abstellt, dass die Beschränkung dieses Beschuldigtenrechts zwingend erforderlich ist, wird das Erfordernis dieser Beschränkung künftig im Sinne der vorgeschlagenen unbedingten Notwendigkeit strenger zu prüfen sein.

Entsprechendes gilt auch für die vorgeschlagene Änderung des § 164 Abs. 2 StPO. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf Art. 8 der RL Rechtsbeistand, welcher allgemeine Bedingungen für Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand und auf Verständigung eines Dritten nach Art. 3 Abs. 5 oder Abs. 6 oder nach Art. 5 Abs. 3 regelt. Derartige Ausnahmen sind nach Art. 8 Abs. 1 RL Rechtsbeistand nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig und zeitlich eng begrenzt sind, nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, nicht ausschließlich durch die Art oder die Schwere der mutmaßlichen Straftat begründet werden und sie ein insgesamt faires Verfahren nicht beeinträchtigen.

Ausnahmen können nach Art. 8 Abs. 2 und 3 RL Rechtsbeistand nur im Wege einer ordnungsgemäß begründeten Einzelfallentscheidung angeordnet werden, die protokolliert werden muss und – sofern sie nicht von einer Justizbehörde stammt – einer richterlichen Kontrolle unterliegt, was durch § 106 StPO gewährleistet ist. Die insbesondere bei durch mehrere Täter begangenen Straftaten z. B. im Bereich der organisierten Kriminalität oder des SMG erforderliche Möglichkeit der Beschränkung des Kontakts mit dem Verteidiger nach §§ 59 Abs. 1 und 164 Abs. 2 StPO durch die Kriminalpolizei soll demnach aufrechterhalten werden. Da Art. 3 Abs. 6 RL Rechtsbeistand eine Beschränkung des Kontakts mit dem Verteidiger nur unter außergewöhnlichen Umständen und nur zum Zweck sofortigen Handelns der Ermittlungsbehörden erlaubt, soll diese Beschränkung künftig allerdings nur mehr dann anwendbar sein, wenn sie aufgrund besonderer Umstände unbedingt erforderlich erscheint, um eine erhebliche Gefahr der Beeinträchtigung des Strafverfahrens durch eine sofortige Einvernahme oder andere unverzügliche Ermittlungen abzuwenden.

Aufgrund der vorgeschriebenen Protokollierung ist eine schriftliche Begründung durch die Kriminalpolizei (vgl. § 171 Abs. 3 StPO) oder eine Anordnung der Staatsanwaltschaft vorzusehen.

Art. 4 der RL Rechtsbeistand stellt nicht bloß auf die Wahrung der Verschwiegenheit des Verteidigers ab, sondern lässt es angesichts des Abstellens auf die Vertraulichkeit der Kommunikation an sich auch geboten erscheinen, das nach der bisherigen Rechtslage grundsätzlich zulässige (Fabrizy StPO12 § 157 Rz 23) Sicherstellen des Schriftverkehrs mit dem Verteidiger beim Beschuldigten zu untersagen. Durch das Abstellen der RL Rechtsbeistand auf die Vertraulichkeit der Kommunikation mit dem Verteidiger ist jedoch die Auslegung der Judikatur (z.B. 13 Os 71/13k), wonach sonstiges Belastungsmaterial wie Urkunden und andere Schriftstücke seiner Klienten, die nicht erst zu Zwecken der Verteidigung hergestellt wurden, nicht geschützt ist, mit der RL Rechtsbeistand und den nunmehr vorgeschlagenen Änderungen der StPO weiterhin vereinbar. Mit der nunmehr vorgeschlagenen Änderung soll sichergestellt sein, dass die Sicherstellung oder Beschlagnahme von Unterlagen oder Informationen, die für die Beratung oder Verteidigung des Beschuldigten – gleich ob durch den Verteidiger oder durch den Beschuldigten – erstellt werden, auch beim Beschuldigten unzulässig und als Umgehung des Aussageverweigerungsrechts mit Nichtigkeit bedroht ist. Dies gilt auch für belangte Verbände, denen kraft § 13 Abs. 1 VbVG im Strafverfahren die Rechte des Beschuldigten zukommen.

Zu Z 15 (§ 61 Abs. 1 Z 5a StPO):

In den letzten Jahren wurden wiederholt Forderungen nach Unterstellung der kontradiktorischen Vernehmung unter jene Fälle gestellt, in denen der Beschuldigte gemäß § 61 Abs. 1 StPO durch einen Verteidiger vertreten sein muss. Angesichts der in Umsetzung der RL Opferschutz beabsichtigten Ausdehnung des Anwendungsbereichs der kontradiktorischen Vernehmung einerseits und dem mit dem vorliegenden Entwurf angestrebten Ausbau der Möglichkeiten des Verteidigers zur wirksamen Teilnahme an Vernehmungen andererseits soll nunmehr die notwendige Verteidigung auch auf die kontradiktorische Vernehmung ausgedehnt werden. Dies soll allerdings nur für jene Fälle gelten, in denen in der Hauptverhandlung ebenfalls eine Vertretung durch einen Verteidiger geboten wäre.

Zu Z 16 und 17 (§ 65 Z 1 lit. a und b StPO):

Opfer im Sinn des § 65 Z 1 lit. a StPO ist jede Person, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnte. Grundsätzlich kommen alle Delikte des Besonderen Teils des StGB in Betracht, die Gewalteinwirkung, gefährliche Drohung oder Beeinträchtigung der sexuellen Integrität beinhalten. Auch Vermögensdelikte, die mit Gewalt oder gefährlicher Drohung begangen werden (wie Raub und Erpressung), können darunter fallen (Fabrizy, StPO12 § 65 Rz 3).

Nunmehr soll im Sinne einer umfassenden Berücksichtigung der besonderen Schutzbedürftigkeit von Opfern klargestellt werden, dass auch das Ausnützen eines Abhängigkeitsverhältnisses vom Beschuldigten durch eine solche, d.h. vorsätzlich begangene, Straftat in der Regel eine besondere individuelle Schutzbedürftigkeit des Opfers auslöst (Art. 22 Abs. 3 RL Opferschutz). Abhängigkeit besteht gegenüber einer Person, deren Anordnungen man sich fügen muss, um die im Fall der Nichtbefolgung zu erwartende nachteilige Konsequenz zu vermeiden. Das Abhängigkeitsverhältnis beruht auf einer aus wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen gegebenen Überlegenheit einer Person gegenüber dem Opfer (Jerabek WK² StGB § 93 Rz 5). Durch die Einschränkung auf persönliche Abhängigkeit wird allerdings klargestellt, dass das Ausnutzen von Abhängigkeit infolge von Autoritätsverhältnissen im Beruf- oder Ausbildungsbereich sowie aufgrund einer behördlichen Funktion (Bediensteter einer Polizei oder Justizanstalt) nicht generell von der Bestimmung umfasst ist. Das bloße Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses soll nicht ausreichend sein, die Abhängigkeit muss vielmehr durch eine vorsätzlich begangene Straftat ausgenützt worden sein. Zu denken ist in diesem Zusammenhang daher insbesondere an das Vernachlässigen oder Überanstrengen von unmündigen, jüngeren oder wehrlosen Personen (§ 92 Abs. 2, § 93 StGB) oder Fälle von Menschenhandel, in denen eine Autoritätsstellung oder eine Zwangslage ausgenutzt wurde. Ebenso fällt darunter ein minderjähriges Opfer des Menschenhandels, wenn es sich beim Täter um ein Elternteil oder eine andere Person, deren Obhut es untersteht, handelt.

Die Einfügung der Wendung „und Selbstbestimmung“ stellt eine Anpassung an die Terminologie des Zehnten Abschnittes des Besonderen Teils des StGB dar.

Die Änderung in § 65 Z 1 lit. b StPO soll der Umsetzung von Art. 2 Z 1 lit. a (ii) und lit. b der RL Opferschutz dienen, wonach auch Unterhaltsberechtigte als Familienangehörige einer Person gelten. Aufgrund der bereits bestehenden weiten Definition der Familienangehörigen in § 65 Z 1 lit. b StPO ist eine Erweiterung lediglich um Unterhaltsberechtigte erforderlich, die keine Angehörigen iSd § 72 StGB sind (z.B. ehemalige Ehegatten bzw. eingetragene Partner, die nach der Scheidung bzw. der Auflösung der eingetragenen Partnerschaft einen Unterhaltsanspruch gegen die getötete Person hatten).

Zu Z 18 und 24 (§§ 66 Abs. 1 Z 1a und 1b sowie 80 Abs. 1 StPO):

Gemäß Art. 5 Abs. 1 der RL Opferschutz haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Opfer eine schriftliche Bestätigung ihrer förmlichen Anzeige mit Angabe der grundlegenden Elemente der betreffenden Straftat erhalten.

§ 80 Abs. 1 StPO soll daher um das Recht des Opfers ergänzt werden, eine schriftliche Bestätigung der erstatteten Anzeige zu erhalten. Diese hat neben Aktenzeichen, Datum und Ort der Anzeigenerstattung auch Angaben zur Art der Straftat, der Tatzeit und dem Tatort sowie den durch die Straftat verursachten Schaden zu enthalten. Opfern, die die Verfahrenssprache nicht verstehen oder sprechen, ist überdies auf Verlangen kostenlos eine Übersetzung der Anzeigenbestätigung in einer Sprache, die sie verstehen, auszuhändigen (§ 66 Abs. 1 Z 5 und Abs. 3 StPO).

Die individuelle Ermittlung besonderer Schutzbedürfnisse von Opfern und deren Berücksichtigung im Strafverfahren stellt einen zentralen Aspekt der RL Opferschutz dar (Art. 22). § 66 Abs. 1 Z 1b StPO sieht nunmehr ein ausdrückliches Recht von Opfern auf ehestmögliche Beurteilung ihrer besonderen Schutzbedürfnisse im Strafverfahren nach Maßgabe des § 66 Abs. 1 StPO vor. Bei Vorliegen der Voraussetzungen leiten sich daraus erweiterte Opferrechte ab (§ 66a Abs. 2 StPO; siehe im Folgenden).

Zu Z 21, 39, 43 und 44 (§§ 66a, 156 Abs. 1 Z 2 und 165 Abs. 3 und 4 StPO):

Die individuelle Beurteilung besonderer Schutzbedürftigkeit von Opfern und deren Berücksichtigung im Strafverfahren stellen zentrale Aspekte der RL Opferschutz dar (Art. 22). Bei der Beurteilung der besonderen Schutzbedürftigkeit sind insbesondere die persönlichen Merkmale des Opfers, die Art der Straftat sowie die Umstände der konkreten Straftat zu berücksichtigen (Abs. 2). Minderjährige Opfer gelten nach der Richtlinie grundsätzlich als Opfer mit besonderen Schutzbedürfnissen. Darüber hinaus zählen dazu bestimmte Opfergruppen aufgrund ihrer besonderen Betroffenheit, insbesondere Opfer von Menschenhandel, geschlechtsbezogener Gewalt, Gewalt in engen Beziehungen, sexueller Gewalt oder Ausbeutung sowie Opfer mit Behinderungen. Bei wesentlichen Änderungen ist die Einschätzung der besonderen Schutzbedürfnisse entsprechend zu aktualisieren (Abs. 7).

Derzeit wird die besondere Schutzbedürftigkeit grundsätzlich bereits in der Form festgestellt und berücksichtigt, als die Kriminalpolizei das Alter der vernommenen Person aufnimmt, Opfer gegebenenfalls durch eine Person gleichen Geschlechts vernommen werden (§ 6 Abs. 2 Richtlinien-Verordnung) und Opfer entsprechend ihrer Rechte und Interessen informiert werden (§§ 66 Abs. 2, 67 Abs. 6, 70 Abs. 2 StPO); bei Gericht wiederum findet eine schonende Vernehmung bestimmter Opfergruppen statt.

Besondere Schutzbedürftigkeit ist ehestmöglich zu beurteilen (§ 66 Abs. 1 Z 1b StPO). § 66a Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO stellt klar, welche Opfer in jedem Fall als besonders schutzbedürftig gelten und denen daher erweiterte Opferrechte zukommen sollen. Dazu gehören Personen, die durch eine Straftat in ihrer sexuellen Integrität und Selbstbestimmung verletzt worden (Z 1) oder die Gewalt in Wohnung (§ 38a SPG) ausgesetzt gewesen sein könnten (Z 2), sowie Opfer, die minderjährig iSd § 74 Abs. 1 Z 3 StGB (Z 3) sind. Gegen die im Ministerialentwurf vorgesehene vierte Kategorie von ex lege besonders schutzbedürftigen Opfern (psychisch kranke oder geistig behinderte Personen; vgl. 171/ME XXV. GP), wurde im Begutachtungsverfahren Kritik von Opferschutzeinrichtungen geäußert, die befürchteten, dass damit eine Diskriminierung der Opfer verbunden sein könnte und Beschuldigte diese Einstufung zum Nachteil dieser Opfer verwenden könnten. Es soll daher davon abgesehen werden, diese Personengruppe als ex lege besonders schutzbedürftige Opferkategorie zu erfassen, weil die genannten Umstände ohnehin bei der Einzelfallprüfung der besonderen Schutzbedürftigkeit im Rahmen der persönlichen Merkmale des Opfers zu berücksichtigen sind (vgl. auch Erwägungsgrund 56 der RL Opferschutz).

Bei den in § 66a Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Personen erübrigt sich eine individuelle Begutachtung zur Feststellung der besonderen Schutzbedürftigkeit. Diesen Opfergruppen kommen bereits im geltenden Recht erweiterte Informations- und Opferrechte zu (siehe insb. § 70, 156, 165, 177 StPO), die nunmehr zusammengefasst und systematisch eingegliedert werden sollen (Abs. 2).

Auch anderen Opfern kann bei Erfüllung der taxativ aufgezählten Kriterien besondere Schutzbedürftigkeit zukommen. Auf die subjektive Einschätzung des Opfers kommt es dabei allerdings nicht an, vielmehr ist die Ermittlung in jedem Einzelfall anhand der in § 66a Abs. 1 StPO taxativ aufgezählten objektiven Parameter vorzunehmen. Dazu zählen das Alter des Opfers, sein seelischer und gesundheitlicher Zustand, sowie die Art und die konkreten Umstände der Straftat.

Im Fall der Minderjährigkeit ist das Opfer jedenfalls als besonders schutzbedürftig anzusehen (Z 3), allerdings kann eine Person auch bei entsprechend hohem Alter (insbesondere auch in Zusammenhang mit seinem gesundheitlichen Zustand) als besonders schutzbedürftig einzustufen sein (z.B. wenn es Opfer eines Raubes geworden ist). Der gesundheitliche Zustand kann sowohl in physischer als auch in psychischer Form (z.B. bei Vorliegen einer Angststörung, Schizophrenie etc.) eine besondere Schutzbedürftigkeit bedingen. Ebenso kann die besondere Schutzbedürftigkeit aus einer Schwangerschaft des Opfers resultieren. Bei der Art der Straftat ist besonderes Augenmerk auf das verletzte Rechtsgut sowie das mit der Schwere der Straftat korrelierende Ausmaß der Schädigung des Opfers zu legen. Bei den konkreten Umständen einer Straftat sind insbesondere eine persönliche Abhängigkeitsbeziehung des Opfers vom Beschuldigten (insbesondere bei Menschenhandel und Schlepperei) oder eine Begehung im Familienkreis zu berücksichtigen. In die Beurteilung wird auch das Bestehen eines Kontaktverbots des Beschuldigten gegenüber dem Opfer einzufließen haben. Insgesamt soll auf die konkrete Schutzbedürftigkeit des Opfers im Einzelfall abgestellt werden. So wird ein Opfer eines Wohnungseinbruchs oder ein Opfer, dem im Zuge des Entreißens seiner Handtasche eine leichte Körperverletzung zugefügt wurde, in der Regel weniger schutzbedürftig sein als ein Opfer, das sexueller Gewalt oder einer fortgesetzten Gewaltausübung ausgesetzt war.

Die oben genannten Umstände sind beim Erstkontakt mit dem Opfer, im Regelfall daher von der Kriminalpolizei im Vorfeld der ersten Vernehmung bzw. bei Anzeigenerstattung, in formalisierter Form zu erheben und zu dokumentieren. Diese Beurteilung hat bei allen Opfern stattzufinden, kann aber je nach Schwere der Tat und dem Ausmaß der erkennbaren Schädigung des Opfers mehr oder weniger umfassend sein (vgl. Art. 22 Abs. 5 RL Opferschutz) und wird daher bei Opfern eines reinen Vermögensdeliktes im Regelfall wesentlich knapper ausfallen als bei Opfern, die beispielsweise in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten. Ausgehend vom Ergebnis dieser Beurteilung sind besonders schutzbedürftige Opfer nicht nur über ihre Rechte nach § 66 StPO (und gegebenenfalls auch nach § 67 StPO), sondern auch über die erweiterten Opferrechte (Abs. 2) zu verständigen. Ändern sich wesentliche Umstände, aus denen sich eine besondere individuelle Schutzbedürftigkeit des Opfers ergibt, oder kommen für die Beurteilung wesentliche Umstände erst im Laufe des Strafverfahrens ans Licht, so ist die geänderte Beurteilung zu dokumentieren.

Im Wesentlichen sollen besonders schutzbedürftige Opfer eine besondere rechtliche Stellung im Verfahren erlangen, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben bei Vorliegen der besonderen Schutzbedürftigkeit dem Opfer die erweiterten Rechte faktisch zu gewähren, eine formalisierte Entscheidung soll nicht erforderlich sein. Vielmehr soll es auf einfachem Weg möglich sein, die besondere Schutzbedürftigkeit zu beurteilen und das Ergebnis nachvollziehbar zu dokumentieren, damit es als Grundlage für Entscheidungen insbesondere auch der Staatsanwaltschaft und dem Gericht zur Verfügung steht. Liegen nach Ansicht eines Opfers die Voraussetzungen der besonderen Schutzbedürftigkeit vor, wurden ihm allerdings die in Abs. 2 genannten Rechte nicht gewährt, so sind ihm die Gründe für diese Beurteilung mitzuteilen. Der Rechtsschutz bei einer Verletzung dieser Rechte von besonders schutzbedürftigen Opfern (§ 66a Abs. 2 StPO) entspricht der allgemeinen Regelung: Ist die behauptete Verletzung im Zuge des Ermittlungsverfahrens durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft erfolgt, so steht dem betroffenen Opfer ein Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO zu. Ist die behauptete Verletzung hingegen durch das Gericht erfolgt, so ist sie im Rahmen einer Beschwerde nach § 87 Abs. 2 zweiter Satz StPO geltend zu machen.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Beurteilung der besonderen Schutzbedürfnisse (Art 22 RL Opferschutz) haben Opfer mit besonderen Schutzbedürfnissen sowie Opfer im Kindesalter (Art. 23 und 24 RL Opferschutz) einen besonderen Schutzanspruch während des Strafverfahrens. Das österreichische Strafverfahrensrecht sieht bereits grundsätzlich alle in der RL Opferschutz geforderten besonderen Schutzmaßnahmen vor; mit dem Entwurf soll nunmehr eine Zusammenfassung dieser Rechte für besonders schutzbedürftige Opfer erfolgen, womit auch eine Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten verbunden ist. Systematisch werden die bislang lediglich für Opfer, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten, vorgesehenen Rechte auf Information (§ 70 Abs. 2 StPO) in § 66a Abs. 2 Z 1 bis 4 StPO übergeführt, erfahren dadurch jedoch – soweit nicht der Wortlaut geändert wurde (vgl. unten die Ausführungen zu § 66a Abs. 2 Z 3 StPO) – keine Bedeutungsänderung. Daher setzt das in § 66a Abs. 2 Z 4 StPO genannte Recht auf Ausschluss der Öffentlichkeit einen der in § 229 Abs. 1 Z 1 bis 3 StPO genannten Gründe voraus. Anregungen im Begutachtungsverfahren folgend soll in § 66a Abs. 2 Z 2 StPO der Verweis auf § 158 Abs. 1 Z 2 StPO um Abs. 1 Z 3 und Abs. 2 leg. cit. ergänzt werden, um klarzustellen, dass auch die Beantwortung von Fragen, die den höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen, in Umsetzung von Art. 23 Abs. 3 lit. c der RL Opferschutz verweigert werden kann. Durch den Verweis auf § 158 Abs. 2 StPO soll umgekehrt klargestellt werden, dass dieses Zeugnisverweigerungsrecht bei Unerlässlichkeit der Aussage nicht besteht, was mit den Vorgaben der RL Opferschutz im Einklang steht.

Das Recht zu verlangen, im Ermittlungsverfahren (§ 165 StPO) und in der Hauptverhandlung (§ 250 Abs. 3 StPO) auf schonende Weise vernommen zu werden (Abs. 2 Z 3), soll nunmehr auf alle besonders schutzbedürftigen Opfer ausgeweitet werden. Die Gelegenheit zur Beteiligung an der Vernehmung von besonders schutzbedürftigen Opfern (§ 66a StPO) und sonstigen Zeugen, die zwar keine Opfer im Sinn des § 66a StPO sind, auf die jedoch die darin normierten Kriterien zutreffen (und die somit im Wesentlichen bereits von § 165 Abs. 3 StPO umfasst waren) oder im Interesse der Wahrheitsfindung auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder von Amts wegen auf die in § 165 Abs. 3 StPO vorgesehene Weise beschränkt werden. Ausdrücklich soll überdies klargestellt werden, dass auf Grund der besonderen Belastung, insbesondere beim Vorliegen besonderer Schutzbedürftigkeit ein Sachverständiger mit der Befragung beauftragt werden kann (§ 165 Abs. 3 vorletzter Satz StPO), was (wie bisher) vor allem bei Unmündigen, psychisch kranken oder geistig behinderten sowie schwer traumatisierten Opfern in Betracht zu ziehen sein wird.

Opfer bis zum vollendeten 18. Lebensjahr gelten als Opfer mit besonderen Schutzbedürfnissen (Art. 2 Z 1 lit. c, Art. 22 Abs. 4 der RL Opferschutz), denen gemäß Art. 24 ein besonderer Schutzanspruch während des Strafverfahrens zukommt. Die Verpflichtung, Zeugen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt worden sein könnten, jedenfalls auf die in Abs. 3 leg. cit. beschriebene Weise zu vernehmen, soll künftig auf Opfer dieser Straftaten bis zu deren Volljährigkeit ausgeweitet werden (§ 165 Abs. 4 StPO). Mit diesem Recht auf obligatorische kontradiktorische Vernehmung korrespondiert die Befreiung Minderjähriger von der Pflicht zur Aussage nach § 156 Abs. 1 Z 2 StPO. Andere in § 156 Abs. 1 Z 1 und 2 StPO genannte Zeugen sollen auch weiterhin nicht in jedem Fall auf die in § 165 Abs. 3 StPO genannte Art und Weise vernommen werden, aber einen entsprechenden Antrag stellen können; gleiches gilt für die übrigen in § 66a StPO genannten Opfer (§ 165 Abs. 4 StPO). Auch hier soll die Ausweitung des § 165 Abs. 4 StPO bezüglich besonders schutzbedürftiger Opfer mit einer Ausweitung der Befreiung von der Pflicht zur Aussage nach § 156 Abs. 1 Z 2 StPO einhergehen.

Über die bislang in § 70 Abs. 2 StPO genannten Rechte hinaus sollen besonders schutzbedürftigen Opfern auch weitere Rechte zukommen: Die amtswegige Verständigung von Opfern von Gewalt in Wohnung (§ 38a SPG) und Opfern iSd § 65 Z 1 lit. a StPO von der Freilassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft wird in § 66a Abs. 2 Z 5 StPO überführt erweitert. Nunmehr sollen alle besonders schutzbedürftigen Opfer von Amts wegen zu informieren sein und eine Verständigung auf Antrag nicht nur bei einer Freilassung, sondern auch einer Flucht des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft (§ 177 Abs. 5, § 181a StPO) erfolgen. Überdies wird klargestellt, dass diese Opfer ihrer Vernehmung eine Person ihres Vertrauens (§ 160 Abs. 2 StPO) beiziehen können (Z 6).

Insbesondere haben die Mitgliedstaaten für solche Opfer einen besonderen Vertreter zu bestellen, wenn die Träger des elterlichen Sorgerechts das Opfer im Kindesalter auf Grund eines Interessenkonfliktes zwischen ihnen und dem Opfer im Kindesalter nicht vertreten dürfen oder wenn es sich um ein unbegleitetes oder von seiner Familie getrenntes Opfer im Kindesalter handelt.

Nach § 37 B-KJHG ist dann, wenn sich in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit der begründete Verdacht ergibt, dass das Wohl von Kindern oder Jugendlichen erheblich gefährdet ist und diese konkrete erhebliche Gefährdung eines bestimmten Kindes oder Jugendlichen nicht anders verhindert werden kann, unverzüglich schriftlich Mitteilung an den örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger zu erstatten. Von dieser Mitteilungspflicht sind neben den in § 37 Abs. 1 Z 1 B-KJHG explizit erwähnten Gerichten auch die Staatsanwaltschaften erfasst (EBRV 2191 BlgNR 24. GP). Dem örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger obliegt in der Folge eine etwaige Anregung der Bestellung eines Kollisionskurators beim zuständigen Pflegschaftsgericht (§ 271 ABGB).

Im Hinblick auf die in einzelnen Fällen gebotene rasche Durchführung einer kontradiktorischen Vernehmung wäre die Befassung des Kinder- und Jugendhilfeträger zu zeitaufwändig. Künftig soll in Fällen eines Interessenkonfliktes des gesetzlichen Vertreters rascher ein Kollisionskurator für das minderjährige Opfer im betreffenden Strafverfahren bestellt werden können.

Nach § 66a Abs. 3 StPO sollen daher Staatsanwaltschaften und Gerichte in Fällen, in denen ein gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Opfers entweder selbst der Straftat verdächtig oder überwiesen ist, sonst ein Interessenkonflikt vorliegen könnte (z.B. bei Verdacht des sexuellen Missbrauchs eines minderjährigen Opfers durch den Lebensgefährten der Kindesmutter) oder keine obsorgeberechtigte Person greifbar ist (z.B. bei einem minderjährigen Opfer von Menschenhandel) direkt beim zuständigen Pflegschaftsgericht die Bestellung eines Kollisionskurators iSd § 271 ABGB anregen.

Zur Frage der effektiven Durchsetzung der Rechte von Opfern ist Folgendes auszuführen:

Bei Verletzung subjektiver Rechte im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei (bis 1.8.2016) oder Staatsanwaltschaft steht jeder Person – ungeachtet der Stellung im Strafverfahren, also auch Opfern – Einspruch an das Gericht (§ 106 StPO) zu.

Gemäß § 107 Abs. 4 StPO haben Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei den entsprechenden Rechtszustand mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln herzustellen, wenn das Gericht dem Einspruch stattgegeben hat.

Aus dieser Bestimmung ergibt sich ua gegenüber Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei die Bindungswirkung der Entscheidung des Gerichts (vgl. RIS-Justiz RS0124006), das schließlich auch auszusprechen hat, auf welche Weise einer festgestellten Verletzung eines subjektiven Rechts Rechnung zu tragen ist. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei haben die für die Umsetzung erforderlichen Anordnungen zu erteilen bzw. Maßnahmen zu ergreifen.

In den Fällen, in welchen einem Einspruch gemäß § 106 Abs. 1 Z 1 StPO stattgegeben wird und die monierte Verweigerung der Ausübung eines Rechts nach der StPO noch fortdauert, wird die Herstellung des entsprechenden Rechtszustands darin bestehen, dem Betroffenen die Ausübung des gegenständlichen Rechts unverzüglich zu ermöglichen, also etwa Akteneinsicht zu gewähren, die beantragten Beweise aufzunehmen oder ihm einen Dolmetscher beizustellen ([Pilnacek/Koenig in Fuchs/Ratz, WK StPO § 107 RZ 24-25 (Stand 1.1.2014, rdb.at)].

Im Falle der Verletzung subjektiver Rechte durch das Gericht im Rahmen einer Beweisaufnahme steht der betroffenen Person Beschwerde nach § 87 Abs. 2 StPO zu. Zu denken ist dabei etwa an Verletzung des Rechts nach § 160 Abs. 2 StPO, der Vernehmung eine Vertrauenspersonen zuzuziehen (Tipold in Fuchs/Ratz, WK StPO § 87 RZ 21 (Stand 1.8.2011, rdb.at).

Im Übrigen ist für das Vorgehen der Kriminalpolizei auf die Bestimmungen des § 6 Abs. 2 Z 2 und 3 RLV zu verweisen, deren Missachtung gemäß § 89 SPG („Richtlinienbeschwerde“) vor dem Landesverwaltungsgericht geltend gemacht werden kann.

Schließlich besteht insbesondere im Rahmen der juristischen Prozessbegleitung aber auch sonst auf Grund der durchzuführenden Belehrungen die Möglichkeit, dass das Opfer die Gewährung bestimmter Rechte ausdrücklich verlangt (z.B. Beiziehung eines Dolmetschers oder Durchführung einer kontradiktorischen Vernehmung) und sich im Fall deren Verweigerung an die Staatsanwaltschaft wendet. Im Regelfall wird ein entsprechendes Verlangen auch im Hinblick auf die sonst zu befürchtenden Beweismittelverluste nicht schlichtweg übergangen werden können, worüber das Bundesministerium für Justiz noch in dem zu erstellenden Einführungserlass Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft ausführlich informieren wird.

Zu Z 19 und 20 (§ 66 Abs. 1 Z 5, Abs. 3 und 4 StPO):

Gemäß Art. 7 der RL Opferschutz haben Opfer das Recht auf Dolmetschleistung und Übersetzungshilfe, wenn sie die Sprache des Strafverfahrens nicht verstehen oder sprechen. Dolmetschleistungen sind mündlich zu erbringen und dem Opfer im Einklang mit seiner Verfahrensstellung auf Antrag kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dolmetschleistungen sind zumindest bei Vernehmungen oder Befragungen des Opfers im Rahmen des Strafverfahrens, für ihre aktive Teilnahme an allen Gerichts- und notwendigen Zwischenverhandlungen sowie im Bedarfsfall bei der Anzeigenerstattung (Art. 5 Abs. 2) zu gewähren. Dabei können auch Kommunikationstechnologien verwendet werden (Art. 7 Abs. 2).

Darüber hinaus räumt Art. 7 Abs. 3 der RL Opferschutz solchen Opfern das Recht ein, im Einklang mit ihrer Stellung im Strafverfahren auf Antrag kostenlos schriftliche Übersetzungen der für die Ausübung ihrer Rechte wesentlichen Informationen in einer Sprache, die sie verstehen, zu erhalten. Dazu gehören zumindest jede Entscheidung, mit der ein Strafverfahren beendet wird, das auf Grund einer vom Opfer erlittenen Straftat eingeleitet wurde, und auf Antrag die (allenfalls kurze Zusammenfassung der) Begründung dieser Entscheidung sowie die Anzeigenbestätigung. Das Opfer kann unter Angabe von Gründen beantragen, dass ein Dokument als wesentlich betrachtet wird, wobei eine Beschränkung der Übersetzung auf jene Passagen eines Dokuments, die dafür maßgeblich sind, dass das Opfer aktiv am Strafverfahren teilnehmen kann, zulässig ist. Überdies kann eine mündliche Übersetzung oder Zusammenfassung der wesentlichen Dokumente anstelle einer schriftlichen Übersetzung zur Verfügung gestellt werden, sofern dies einem fairen Verfahren nicht entgegensteht (Art. 5 Abs. 6.).

Mit der Neuregelung soll eine Benachteiligung der Amtssprache nicht mächtiger Opfer vermieden und die Unterscheidung zwischen mündlicher Dolmetschleistung und schriftlicher Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke beibehalten werden. Letztere hat innerhalb einer angemessenen, zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers (§ 10 StPO) geeigneten Frist zu erfolgen, wobei je nach Umfang und Schwierigkeitsgrad sowie der Dringlichkeit der Übersetzung eine Frist für die Fertigstellung zu setzen ist.

Da mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2013 in Umsetzung der RL Dolmetsch bereits eine unionskonforme Neuregelung der Übersetzungshilfe für Beschuldigte erfolgte und die RL Opferschutz in diesem Bereich im Wesentlichen ähnliche Bestimmungen für Opfer enthält, kann mit den entsprechenden Maßgaben sinngemäß auf die gesamte Bestimmung des § 56 StPO – und nicht wie bisher nur auf dessen Abs. 2 und 7 – verwiesen werden.

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit tritt an Stelle der in § 56 StPO vorgesehenen Erforderlichkeit zur Wahrung der Verteidigungsrechte jene zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers (§ 10 StPO). Dadurch wird entsprechend der in der RL Opferschutz vorgesehenen Abstufung der Anspruchsberechtigung für Opfer „im Einklang mit seiner Verfahrensstellung“ im Einzelfall zu prüfen sein, ob (insbesondere schriftliche) Übersetzungen zur Wahrnehmung der Opferrechte erforderlich sind. Im Regelfall wird daher die Erforderlichkeit bei Privatbeteiligten, denen aufgrund ihres rechtlichen Interesses gemäß § 67 Abs. 6 StPO weitergehende Rechte (einschließlich dem Recht auf Berufung wegen ihrer privatrechtlichen Ansprüche) zukommen, weniger restriktiv zu handhaben sein als bei Opfern (lediglich) nach § 65 Z 1 StPO.

Die Zuständigkeit für die Gewährung mündlicher wie schriftlicher Übersetzungen soll sich – wie auch beim Beschuldigten (vgl. Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2013, EBRV 2402 24. GP, 14) – grundsätzlich nach der allgemeinen funktionellen Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Gewährung von Akteneinsicht orientieren, wie der Verweis in § 56 Abs. 1 letzter Satz StPO verdeutlicht. Maßgeblich soll daher sein, ob die konkret betroffene Amtshandlung von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht geleitet wird. Dass die Staatsanwaltschaft etwa eine Vernehmung durch die Kriminalpolizei angeordnet hat, lässt jedoch den Umstand unberührt, dass diese Vernehmung, für die die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich ist, sodann unter der Leitung der Kriminalpolizei stattfindet.

Ebenso soll das Verursacherprinzip auch für die schriftliche Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke gelten, als die – abweichend von § 56 Abs. 3 StPO – für das Opfer die schriftliche Bestätigung der Anzeige (§ 80 Abs. 1 StPO), die Verständigung von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens und deren Begründung (§ 194 Abs. 2 StPO) sowie eine Ausfertigung des Urteiles oder der Strafverfügung (§ 491 StPO) anzusehen sind. Diese sind – soweit nicht nach Abs. 5 oder 6 vorgegangen wird – im Fall des § 80 Abs. 1 StPO durch die Kriminalpolizei, bei Begründungen nach § 194 StPO durch die Staatsanwaltschaft und im Falle eines Urteiles sowie einer Strafverfügung durch das Gericht übersetzen zu lassen. In Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 3 erster Satz RL Opferschutz ist Opfern Übersetzungshilfe ausschließlich auf Verlangen zu gewähren ist; eine amtswegige Verpflichtung zur Übersetzung von Aktenstücken besteht nicht.

Für mündliche Dolmetschleistungen, für die Entscheidung über das Verlangen der schriftlichen Übersetzung weiterer erforderlicher Aktenstücke (§ 66a Abs. 3 iVm § 56 Abs. 4 StPO) sowie für die Kostentragung soll die Leitung der jeweiligen Amtshandlung entscheidend sein und damit streng das Verursacherprinzip gelten. Wie bei der Übersetzungshilfe für Beschuldigte soll die Kriminalpolizei aus Eigenem und ohne Einholung einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft mündliche Dolmetschleistungen und schriftliche Übersetzungen gewähren können und im Falle der Antragstellung bei ihr auch für die Kosten des Dolmetschens bzw. Übersetzung von weiteren erforderlichen Unterlagen aufkommen.

Auf Verlangen des Opfers sind ihm weitere konkret zu bezeichnende Aktenstücke schriftlich zu übersetzen, soweit die Übersetzung zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers erforderlich ist (siehe oben) und entsprechend begründet wird oder offenkundig ist. Dabei kann die Übersetzung eines konkret bezeichneten weiteren Aktenstückes auf jenen Teil des Aktenstückes beschränkt werden, der zur Wahrung der Rechte und Interessen des Opfers erforderlich ist (§ 66 Abs. 3 iVm § 56 Abs. 4 StPO) und durch eine mündliche Übersetzung oder durch eine mündliche Zusammenfassung ersetzt werden. Da für Opfer im Gegensatz zu Beschuldigten keine Verteidigerpflicht besteht, ist eine mündliche Zusammenfassung nicht auf Fälle der anwaltlichen Vertretung beschränkt. Falls dem Verlangen eines Opfers nicht nachgekommen wird, steht diesem der Rechtsbehelf des Einspruches wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO offen. Bestehen seitens der Kriminalpolizei Zweifel über den Umfang der Übersetzungen oder ein Verlangen nach § 66a Abs. 3 iVm § 56 Abs. 4 StPO, so kann auf kurzem Weg Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufgenommen werden, ohne dass ein außerordentlicher Anfallsbericht erstattet wird. Im Falle einer gerichtlichen Amtshandlung (z.B. bei einer kontradiktorischen Vernehmung nach § 165 StPO oder einer Tatrekonstruktion nach § 149 StPO) hätte eine Abweisung im Beschlussweg zu ergehen und wäre mit Beschwerde nach § 87 StPO zu bekämpfen. Bei einer diesbezüglich erfolglosen Antragstellung in der Hauptverhandlung steht dem Angeklagten die Geltendmachung der Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO offen.

Im Sinne der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der vertraglichen Beauftragungen von bewährten geeigneten Opferhilfeeinrichtungen als Prozessbegleitungseinrichtungen durch das Bundesministerium für Justiz (§ 66 Abs. 2 letzter Satz StPO) sowie zur Sicherung der Qualität der Prozessbegleitungen soll der Bundesminister für Justiz dazu ermächtigt werden, im Verordnungsweg die Voraussetzungen für eine Beauftragung und im Einvernehmen mit der Bundesministerin für Bildung und Frauen sowie der Bundesministerin für Familien und Jugend die von der Prozessbegleitung einzuhaltenden Qualitätsstandards, insbesondere die erforderlichen Qualifikationen von Prozessbegleitern (v.a. im Hinblick auf die erforderliche Aus- und Weiterbildung von Prozessbegleitern) festzulegen.

Zu Z 22 und 23 (§ 70 Abs. 1 und 2 StPO):

Das Recht des Opfers auf Information nach Art. 4 Abs. 1 der RL Opferschutz ist innerstaatlich bereits überwiegend durch § 70 Abs. 1 StPO umgesetzt. Eine Anpassung ergibt sich durch die Einführung der Kategorie der besonders schutzbedürftigen Opfer samt erweiterten Informationsrechten. Eine Differenzierung zwischen Opfern nach § 65 Z 1 lit. a StPO und nach § 66a StPO ergibt sich aus deren unterschiedlichen Schutzbedürfnis. So kann Opfern nur ein Anspruch auf Prozessbegleitung (z.B. Opfer einer leichten Körperverletzung im Rahmen eines zufälligen Handgemenges ohne emotionale Beeinträchtigung mit Schmerzengeldanspruch), auf besondere Schutzrechte (z.B. ein psychisch krankes Opfer eines reinen Vermögensdeliktes) oder aber auf beide Rechte zukommen (z.B. ein Opfer, das in seiner sexuellen Integrität verletzt worden sein könnte). Die Information über die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozessbegleitung ist allen Opfern iSd § 65 Z 1 lit. a und b StPO zu erteilen.

Weitere Anpassungen ergeben sich aus der Erweiterung der Informationsrechte für Opfer über den Fall des ersten unbewachten Verlassen der Anstalt oder von der bevorstehenden oder erfolgten Entlassung des Strafgefangenen (§ 149 Abs. 5 StVG) hinaus auch auf die Freilassung oder Flucht des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft und seine Wiederergreifung (§ 177 Abs. 5, § 181a) sowie auf die Flucht des Strafgefangenen aus der Strafhaft und seine Wiederergreifung (§ 106 Abs. 4 StVG) und auf der Ausweitung dieses Antragsrechts auf alle Opfer nach § 65 Z 1 StPO.

Der in Art. 6 Abs. 4 der RL Opferschutz geregelte Mindeststandard, wonach der Wunsch des Opfers, Informationen zu erhalten bzw. nicht zu erhalten, verbindlich ist und vom Opfer jederzeit geändert werden kann, ist durch § 70 Abs. 1a StPO bereits umgesetzt. Auf Grund der Überführung der in § 70 Abs. 2 StPO geregelten Rechte in § 66a Abs. 2 StPO und deren Ausweitung auf besonders schutzbedürftige Opfer wird der Regelungsinhalt des § 70 Abs. 1a StPO unverändert in Abs. 2 übernommen.

Durch den Verweis auf § 50 Abs. 2 StPO wird klargestellt, dass die Informationen in einer Sprache, die das Opfer versteht, und in einer verständlichen Art und Weise zu erteilen sind, wobei besondere persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen sind.

Zu Z 26 und 27 (§ 109 Z 3 und 4 StPO)

Es wird vorgeschlagen, die Auskunft aus dem Kontenregister in § 109 Z 3 in Anlehnung an das KontRegG und in einer neu eingefügten Z 4 die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zu regeln.

Zu Z 28 (§ 116 StPO)

Die Zulässigkeit der Auskunft aus dem Kontenregister soll in § 116 StPO geregelt werden, wobei die gleichen allgemeinen Voraussetzungen wie auch für die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte gelten sollen (Abs. 1). Die Voraussetzungen für die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte bleiben unverändert erhalten.

Bereits die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu den mit BGBl. I Nr. 116 /2015 vorgenommenen Änderungen in § 38 Abs. 2 BWG führen aus, dass zur Erleichterung des Zugangs für die ebenfalls dem Bankgeheimnis unterliegende Auskunft aus dem Kontenregister eine Anordnung der Staatsanwaltschaft ausreichen soll. Durch die erleichterte Einsichtnahme in „äußere“ Kontodaten soll eine Vereinfachung und Beschleunigung der insbesondere in Wirtschaftsstrafsachen und im Zusammenhang mit der Erlangung oder Gewährung von Rechtshilfe oft als schwerfällig und langwierig kritisierten Abläufe erreicht und der internationalen Kritik beispielsweise der Financial Action Task Force oder der OECD an der bisherigen Regelung Rechnung getragen werden (EBRV 685 BlgNR 25. GP, 2).

Im Gegensatz zur eingriffsintensiveren Auskunft über Bankkonten- und Bankgeschäfte soll daher die Anordnung der Auskunft aus dem Kontenregister nicht an eine gerichtliche Bewilligung geknüpft sein, wodurch weitgehender Einklang mit den verfahrensrechtlichen Erfordernissen im Abgaben- und verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren erreicht werden soll. Aufgrund des Erfordernisses einer Anordnung der Staatsanwaltschaft für die Erteilung einer Auskunft aus dem Kontenregistern ist mit dieser Regelung auch keine Beeinträchtigung des Rechtschutzes verbunden, weil dieser künftig durch den Einspruch wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) und die Möglichkeit einer Beschwerde gegen die daraufhin erfolgende Entscheidung des Gerichts gewährleistet sein soll. Das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip (§ 5 StPO) ist auch bei der Anordnung der Auskunft aus dem Kontenregister zu wahren.

Durch die Einsicht in das Kontoregister erlangt die Staatsanwaltschaft nur die äußeren Kontodaten. Dieser Eingriff ist im Sinne der Verhältnismäßigkeit als geringerer Grundrechtseingriff zu werten als die Auskunft über innere Kontodaten. Diese Ansicht wird auch durch die Rechtsprechung des EGMR zum Telekommunikationsgeheimnis (EGMR 2.8.1984 Malone/VK, Nr. 8691/79, Rz 83 f; 25.9.2001 P.G. u. J.H./VK, Nr. 44787/98, Rz 42) gestützt. Verglichen mit den Eingriffen, die im Bereich der Telekomunikation den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stehen, ist die Einsicht in das Kontoregister ein geringerer Eingriff, der mit einer Stammdatenabfrage nach § 76a StPO (iVm §§ 90 Abs. 7 und 92 Abs. 3 Z 3 TKG) vergleichbar ist, die ebenso keiner gerichtlichen Bewilligung bedarf. Für den Inhalt der Anordnung der Auskunft aus dem Kontenregister sollen die allgemeinen Erfordernisse des § 102 Abs. 2 StPO gelten, während die Inhaltserfordernisse der Anordnung der Auskunft über Bankkonten- und Bankgeschäfte unverändert bleiben.

Ebenso wie die Anordnung der Auskunft über Bankkonten- und Bankgeschäfte soll die Anordnung der Auskunft aus dem Kontenregister an Beschuldigte und die aus der Geschäftsverbindung verfügungsberechtigten Personen zugestellt werden, sobald diese der Staatsanwaltschaft bekannt geworden sind (Abs. 5). Auch für die Anordnung der Auskunft aus dem Kontenregister wird vorgeschlagen, der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit einzuräumen, die Zustellung an die Genannten aufzuschieben, solange durch sie der Zweck der Ermittlungen gefährdet wäre.

In Abs. 6 soll weiters im Sinne der ständigen Judikatur legistisch klargestellt werden, dass lediglich einer Beschwerde des Kredit- oder Finanzinstituts gegen die gerichtliche Bewilligung aufschiebende Wirkung zukommt.

Die in Abs. 6 vorgeschlagene Streichung des Verweises auf ein Vorgehen nach §§ 93 Abs. 2 und 112 StPO, wenn das Kredit- oder Finanzinstitut erklärt, bestimmte Auskünfte nicht zu erteilen oder Unterlagen nicht herauszugeben, stellt eine adäquate Anpassung des Rechtsschutzes an den Bereich des Abgaben- und verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens dar, in denen diese Möglichkeit nicht besteht. Auch ist eine Verletzung des Bankgeheimnisses im Gegensatz zu den anderen durch § 112 StPO geschützten Berufsgeheimnissen nicht durch Nichtigkeit bedroht. Die bisherigen Erfahrungen mit der bestehenden Regelung im Bereich der StPO haben überdies gezeigt, dass die Bestimmung vor allem in jenen Verfahren von den Kredit- oder Finanzinstituten in Anspruch genommen wird, in denen gegen diese selbst oder ihre Organe ermittelt wird und es aufgrund des großen Umfangs der Daten, die in der Regel zu sichten sind, zu erheblichen Verzögerungen des Ermittlungsverfahrens kommt, sodass bereits die Forderung nach einem Tätigwerden des Gesetzgebers zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Bankgeheimnis und Widerspruchsrecht erhoben wurde (Haumer, JSt 2014, 128). Als Ausgleich für diese Streichung des Verweises auf § 112 StPO in § 116 StPO wird jedoch – im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes und § 9 Abs. 5 KontRegG – durch einen Verweis auf § 89 Abs. 4 StPO die Verankerung eines Verwertungsverbotes vorgeschlagen, sodass die ermittelten Daten zu löschen sind, wenn einem eingebrachten Rechtsmittel Erfolg beschieden ist. Eine Vernichtung kommt naturgemäß nicht in Betracht, wenn Originale sichergestellt wurden – diese sind umgehend an das Bank- oder Kreditinstitut zurück zu stellen (§ 114 Abs. 2 StPO). Eine ähnliche Regelung ist bereits jetzt bei weitaus eingriffsintensiveren Ermittlungsmaßnahmen wie z.B. der Überwachung von Nachrichten nach §§ 134 Z 3, 135 Abs. 3 StPO oder der optischen und akustischen Überwachung von Personen nach §§ 134 Z 4, 136 Abs. 1 StPO vorgesehen.

Zu Z 29 (§ 128 Abs. 1 StPO):

Im Bereich der Leichenfälle sieht § 128 Abs. 1 StPO die von der Kriminalpolizei zu veranlassende Durchführung einer Leichenbeschau vor, „sofern nicht ein natürlicher Tod feststeht“. Diese Voraussetzung begründet jedoch nicht notwendig einen Anfangsverdacht iSd § 1 Abs. 3 StPO, weshalb die Leichenbeschau trotz deren systembedingter Einordnung im 8. Hauptstück auch nicht jedenfalls eine Ermittlung iSd § 91 Abs. 2 StPO darstellt. Durch den Entfall des Klammerverweises soll der Kriminalpolizei die Möglichkeit eröffnet werden, in diesen Fällen auch nach § 100 Abs. 3a StPO zu berichten, wenn keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat bestehen.

Zu Z 31 bis 34 und 37 (§§ 137 Abs. 3, 138 Abs. 2 und 3, 140 Abs. 1 Z 4 und 147 Abs. 1 Z 2a StPO):

Da §§ 137 Abs. 3, 138 Abs. 2, 140 Abs. 1 Z 4 und 147 Abs. 1 Z 2a StPO noch Verweise auf die vom VfGH aufgehobene Vorratsdatenspeicherung (VfGH 27.6.2014, G 47/2012, G 59/2012, G 62, 70, 71/2012) enthalten, sollen auch diese Verweise entfallen.

Die vorgeschlagenen Anpassungen in § 138 Abs. 2 und 3 StPO dienen lediglich der Angleichung an die Begrifflichkeiten des TKG.

Zu Z 35 und 36 (§§ 141 Abs. 4 und 142 Abs. 5 StPO):

In § 141 StPO soll ein redaktionelles Versehen richtiggestellt werden. Der Entfall einer Löschungsverpflichtung im Fall der erfolgreichen Beschwerde gegen einen automationsunterstützten Datenabgleichs oder bei Widerruf desselben scheint nicht sachgerecht, weswegen die Aufnahme einer entsprechenden Verpflichtung in § 142 vorgeschlagen wird.

Zu Z 41 (§ 163 Abs. 4 StPO):

Art. 3 Abs. 3 lit. c der RL Rechtsbeistand gewährleistet das Recht auf Teilnahme des Rechtsbeistands an Identifizierungs- und Vernehmungsgegenüberstellungen sowie Tatortrekonstruktionen insoweit, als diese im nationalen Recht vorgesehen sind, und die Anwesenheit des Beschuldigten vorgeschrieben oder zulässig ist. Dieses Recht auf Teilnahme des Verteidigers ist für die Tatrekonstruktion in § 150 Abs. 1 StPO umgesetzt. Auf die Gegenüberstellung im Falle abweichender Angaben gemäß § 163 Abs. 3 StPO sind auch die Bestimmungen über die Vernehmung sinngemäß anzuwenden, woraus das Recht auf Teilnahme des Verteidigers an dieser Art der Gegenüberstellung resultiert, sodass auch hinsichtlich der Vernehmungsgegenüberstellung das geltende Recht mit der RL Rechtsbeistand konform ist. Aus Gründen der Klarstellung soll in § 163 StPO ein zusätzlicher Absatz angefügt werden, der das Recht auf Teilnahme des Verteidigers an jenen Gegenüberstellungen festschreibt, zu denen der Beschuldigte beigezogen wird. Kein Recht auf Teilnahme des Verteidigers besteht hingegen in jenen Fällen, in denen der Beschuldigte nicht zur Gegenüberstellung beigezogen wird, beispielsweise im Falle der Gegenüberstellung nur von Zeugen.

Zu Z 42 und 56(§§ 164 Abs. 2 und 249Abs. 1 StPO):

Art. 3 Abs. 3 der RL Rechtsbeistand gestaltet das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand näher aus. Demnach hat der Beschuldigte das Recht, mit dem Rechtsbeistand, der ihn vertritt, unter vier Augen zusammenzutreffen und mit ihm zu kommunizieren, auch vor der Befragung durch die Polizei oder Justizbehörden. Dies ist nach geltendem Recht durch § 58 Abs. 1 StPO bereits gewährleistet.

Weiters hat der Beschuldigte das Recht gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. b RL Rechtsbeistand auf Anwesenheit und wirksame Teilnahme des Rechtsbeistandes bei der Befragung. Diese Teilnahme erfolgt gemäß dem nationalen Recht, sofern die wirksame Ausübung und der Wesensgehalt gewahrt sind. Die Teilnahme ist schriftlich festzuhalten (s. dazu die Regelung der Protokollierung in § 96 StPO).

Art. 3 Abs. 3 lit. b der RL Rechtsbeistand verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, das Recht des Beschuldigten auf Anwesenheit des Rechtsbeistands bei der Befragung und seiner wirksamen Teilnahme daran sicherzustellen. Im Hinblick auf das ausdrücklich festgelegte Recht auf Anwesenheit des Verteidigers kann die bisher vertretene Ansicht, dass auf das Eintreffen des Verteidigers nicht zugewartet werden muss, nicht mehr aufrechterhalten werden. Angelehnt an § 37 JGG ist daher festzulegen, dass mit der Vernehmung des festgenommenen Beschuldigten bis zum Eintreffen des Verteidigers zuzuwarten ist, sofern dies nicht zu einer unangemessenen Verlängerung der Anhaltung führt. Auch für den Fall der Vorführung zur sofortigen Vernehmung gemäß § 153 Abs. 3 StPO gilt dies entsprechend. Für Vernehmungen eines auf freien Fuß befindlichen Beschuldigten ist zu beachten, dass dem Beschuldigten in diesem Fall angesichts dahingehender Belehrung in der Ladung, die durch entsprechende Gestaltung der Formblätter sicherzustellen ist, die Möglichkeit zur Vorbereitung durch rechtzeitige Beiziehung eines Verteidigers uneingeschränkt zur Verfügung steht. Insofern ist ein Zuwarten auf das Eintreffen des Verteidigers in diesem Fall grundsätzlich nicht erforderlich. Allerdings steht es dem Beschuldigten auch frei, sich erst in der Vernehmung oder zu deren Beginn (beispielsweise nach der erfolgten Belehrung über das Recht auf Beiziehung auf einen Verteidiger) für die Beiziehung eines Verteidigers zu entscheiden und bis zu dessen Eintreffen das ihm stets zustehende Recht auf Verweigerung der Aussage auszuüben. Ob in diesen Fällen bis zum Eintreffen des Verteidigers zuzuwarten, aus Zweckmäßigkeitsgründen ein neuer Termin für die Vernehmung festzulegen ist oder zur Vermeidung von Verzögerungen die Vernehmung ohne Verteidiger fortgesetzt wird, ist daher vom Vernehmungsorgan nach den Umständen des Einzelfalles nach dessen Ermessen zu entscheiden.

Bis zum Eintreffen des Verteidigers wird abhängig von den Umständen des Einzelfalles eine entsprechende Zeit, längstens jedoch drei Stunden zuzuwarten sein, weil laut der zwischen dem Bundesministerium für Justiz und dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag abgeschlossenen Vereinbarung über den Betrieb des rechtsanwaltlichen Journaldienstes die Vertretung durch einen Verteidiger ehestmöglich, tunlichst binnen drei Stunden persönlich und vor Ort zu erfolgen hat. In Ballungsräumen, in denen eine ausreichende Anzahl von Rechtsanwälten tätig ist, wird in der Regel hingegen auch ein kürzerer Zeitraum ausreichen.

Gemäß § 164 Abs. 1 zweiter Satz ist dem Beschuldigten Gelegenheit zur Beratung mit dem Verteidiger vor der Vernehmung zu gewähren. Nach Eintreffen des Verteidigers ist daher Zeit für eine Beratung einzuräumen. Deren Dauer wird sich nach Umfang und Komplexität des Sachverhalts zu richten haben, wobei angesichts der Dringlichkeit von Haftsachen (§ 172 StPO) und des bei der Festnahme in aller Regel noch relativ frühen Zeitpunktes der Ermittlungen in aller Regel eine 30 Minuten keinesfalls übersteigende Besprechung zu ermöglichen sein wird. Bei einfachen Sachverhalten kann auch eine kürzere Beratung ausreichend sein.

Dem Gebot des § 172 Abs. 2 StPO nach unverzüglicher Vernehmung des festgenommenen Beschuldigten durch die Kriminalpolizei wird durch ein angemessenes Zuwarten auf das Eintreffen des Verteidigers kein Abbruch getan. So wie schon bisher wird durch das Verstreichen der für die Gewährung der Beschuldigtenrechte notwendigen Zeit wie beispielsweise dem Zuwarten bis zum Eintreffen eines benötigten Dolmetschers die unverzügliche Durchführung der Vernehmung nicht in Frage gestellt.

Im Begutachtungsverfahren wurden massive Bedenken geäußert, dass die Ermöglichung der Beratung mit dem Verteidiger vor der Beantwortung jeder Frage das Strafverfahren in Richtung eines Machthaberprozesses verändern und zu einer deutlichen Erschwerung und Verlängerung der Vernehmungen führen würde. Die Erfahrungen in Deutschland belegen, dass mit einer derartig ausgebauten Möglichkeit zur Beratung mit dem Verteidiger tatsächlich eine deutlich längere Dauer der Hauptverhandlung korreliert. Diese Kritik soll berücksichtigt werden und anstelle der umstrittenen Möglichkeit zur Beratung über einzelne Fragen das Fragerecht des Verteidigers in anderer Weise ausgebaut werden. Dementsprechend soll dem Verteidiger die Möglichkeit eingeräumt werden, nicht erst nach Abschluss der Vernehmung sondern bereits nach jeweils abgeschlossenen thematisch zusammenhängenden Abschnitten Fragen zu stellen. Demnach wäre dem Verteidiger das Fragerecht zwar nicht zu einzelnen Tatbestandselementen, aber beispielsweise zu einzelnen Sachverhaltskomplexen, Faktengruppen oder Lebenssachverhalten zu ermöglichen. Dies wird umso mehr Bedeutung haben, je umfangreicher und komplexer das Strafverfahren ist. Als Nebeneffekt dieses ausgebauten Fragerechts sind auch eine vernehmungstechnisch sinnvolle Gliederung der Vernehmung und eine leichtere Lesbarkeit des Protokolls zu erwarten.

Darüber hinaus wird dem Verteidiger auch das Recht eingeräumt, Erklärungen abzugeben, die ebenfalls zu protokollieren sind. Solche Erklärungen sind ausschließlich in prozessualer Hinsicht sowie betreffend Verfahrensabläufe zu verstehen (z.B. über Probleme mit der Übersetzung des beigezogenen Dolmetschers im Rahmen der Vernehmung oder dass keine ausreichende Zeit für die Beratung vor der Vernehmung zur Verfügung gestellt wurde), nicht jedoch in Bezug auf inhaltliche Aspekte oder die Schuldfrage, weil ansonsten ebenfalls die Erklärung des Verteidigers an die Stelle der Aussage des Beschuldigten treten würde.

In § 164 Abs. 2 StPO sind darüber hinaus jene Anpassungen vorzunehmen, die sich aus der im Vergleich zum geltenden Recht restriktiveren Formulierung der Ausnahmebestimmungen der Art. 3 Abs. 6 und Art. 8 der RL Rechtsbeistand ergeben. Hiezu ist auf die Ausführungen unter Z 11 zu § 59 Abs. 1 StPO zu verweisen.

Zu Z 46 und 47 (§ 171 Abs. 4 Z 2 lit. a und c StPO):

Das Recht auf unverzügliche Benachrichtigung eines Dritten vom Freiheitsentzug gemäß Art. 5 der RL Rechtsbeistand und auf unverzügliche Kommunikation mit Dritten während des Freiheitsentzugs gemäß Art. 6 ist durch § 171 Abs. 4 Z 2 lit. a StPO und Art. 4 Abs. 7 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit umgesetzt. Aus der genannten Bestimmung des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit ergibt sich, dass dieses Recht unverzüglich („ohne unnötigen Aufschub“) zu gewähren ist. Festzuhalten ist, dass dieses Recht auf Information für Verteidiger, Angehörige und andere Vertrauenspersonen gilt. Als andere Vertrauenspersonen kommen bei Jugendlichen insbesondere auch die in § 37 Abs. 2 JGG erwähnten Personen in Frage.

Das Recht auf Kommunikation mit den Konsularbehörden gemäß Art. 7 der RL Rechtsbeistand ist durch § 171 Abs. 4 Z 2 lit. c StPO und Art. 36 Wiener Konsularübereinkommen, BGBl. Nr. 318/1969, garantiert. Das Recht auf Besuch durch die Konsularbehörden, das Recht, sich mit ihnen zu unterhalten und mit ihnen zu korrespondieren, sowie das Recht, dass ihre Konsularbehörden für eine rechtliche Vertretung sorgen, ergibt sich aus Art. 36 Abs. 1 lit. b und c Wiener Konsularübereinkommen. Aus dem Wiener Konsularübereinkommen sind allerdings im Gegensatz zur RL Rechtsbeistand keine Vorgaben darüber zu entnehmen, wann die genannten Rechte zu gewähren sind.

Es soll daher in § 171 Abs. 4 Z 2 lit. a und c StPO klargestellt werden, dass die dort angeführten Rechte unverzüglich zu gewähren sind.

Zu Z 48 bis 50 (§§ 172 Abs. 4, 177 Abs. 5 und 181a StPO):

Gemäß Art. 6 Abs. 5 der RL Opferschutz haben Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Opfer die Möglichkeit erhalten, sich unverzüglich von der Freilassung oder der Flucht der Person, die wegen Straftaten gegen sie in Untersuchungshaft genommen, strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurde, in Kenntnis setzen zu lassen, sowie Informationen über alle Maßnahmen zu erhalten, die zu seinem Schutz getroffen wurden.

Nach bisherigem Recht ist das Opfer, soweit es dies beantragt hat, von einer Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz unter Angabe der hiefür maßgeblichen Gründe und der dem Beschuldigten auferlegten gelinderen Mittel sogleich zu verständigen. Opfer von Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG) und Opfer gemäß § 65 Z 1 lit. a StPO sind jedenfalls unverzüglich von Amts wegen in diesem Sinn zu informieren. Diese Verständigung hat die Kriminalpolizei, bei der Entlassung aus der Untersuchungshaft jedoch die Staatsanwaltschaft zu veranlassen.

In Umsetzung der RL Opferschutz soll die Pflicht zur Verständigung von Amts wegen auf alle besonders schutzbedürftigen Opfer ausgeweitet werden. Die zeitliche Begrenzung der Verständigung auf die Freilassung vor Fällung des Urteils erster Instanz hat im Hinblick auf die Vorgaben der Richtlinie zu entfallen. Weiters sollen aus Anlass der Richtlinienumsetzung die Zuständigkeiten für die Verständigung neu geregelt werden, zumal im Begutachtungsverfahren darauf hingewiesen wurde, dass es bei der Verständigung durch die Staatsanwaltschaft über die Enthaftung durch das Gericht infolge der üblichen Dauer des Aktenlaufes zu Verzögerungen kommen kann.

1. Zur Freilassung:

Im Falle der Freilassung aus der Verwahrungshaft soll die Verständigung des Opfers – wie bisher – bis zur Einlieferung in die Justizanstalt durch die Kriminalpolizei veranlasst werden (§ 172 Abs. 4 dritter Satz zweiter Fall StPO). Wird von der Staatsanwaltschaft nach Einlieferung in die Justizanstalt kein Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft gestellt und der Beschuldigte enthaftet, obliegt ihr die Verständigung (§ 172 Abs. 4 vierter Satz erster Fall StPO). Wird der Beschuldigte vom Gericht freigelassen, hat es die Verständigung des Opfers zu veranlassen (§ 177 Abs. 5 erster Satz StPO). Über die Opferverständigung hat das Gericht auch die Kriminalpolizei zu informieren, damit unverzüglich nach der Freilassung zum Schutz des Opfers sicherheitspolizeiliche Maßnahmen ergriffen werden können.

2. Zur Flucht:

Ergänzend soll in § 181a StPO das Recht aller Opfer verankert werden, auf Antrag von einer Flucht des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft sowie von seiner Wiederergreifung verständigt zu werden. Aus dem Verweis auf § 172 Abs. 4 zweiter Satz folgt, dass Opfer nach § 65 Abs. 1 Z 1 lit. a StPO und besonders schutzbedürftige Opfer (§ 66a StPO) jedoch in diesem Sinne von Amts wegen zu verständigen sind. Da die Justizanstalt während der Untersuchungshaft nicht über alle erforderlichen Informationen verfügt, hat die Verständigung eines Opfers von der Flucht eines Beschuldigten aus der Untersuchungshaft und seiner Wiederergreifung durch die Staatsanwaltschaft zu erfolgen; sie kann diese selbst durchführen oder die Kriminalpolizei damit beauftragen. Zu diesem Zwecke hat die Justizanstalt die Staatsanwaltschaft unverzüglich über die Flucht und Wiedereinbringung des Beschuldigten zu verständigen. Die Veranlassung der Verständigung durch die Staatsanwaltschaft auch im Hauptverfahren erscheint vor allem aus praktischen Erwägungen sachgerecht: Die unverzügliche Verständigung der Staatsanwaltschaft ist schon deshalb erforderlich, weil es der Staatsanwaltschaft obliegt, in diesen Fällen eine Festnahmeanordnung beim Gericht zu beantragen (§ 210 Abs. 3 StPO). Nur durch die unmittelbare Weiterleitung dieser Informationen an das Opfer ist eine dem Gesetzeszweck entsprechende rasche Verständigung des Opfers gewährleistet.

Über diese Rechte sind Opfer spätestens im Zeitpunkt ihrer Vernehmung zu informieren (§ 70 Abs. 1 StPO).

Stellt sich aufgrund der Flucht des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft für die Sicherheitsbehörde eine Aufgabe nach § 22 Abs. 4 SPG, hat diese das potentielle Opfer vom Bestehen einer konkreten Gefahr für einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen zu verständigen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn das Opfer selbst dazu nicht in der Lage ist oder nicht ausdrücklich darauf verzichtet.

Zu Z 51 (§ 188 Abs. 2 StPO):

Aus Anlass dieser Novelle soll ein Redaktionsversehen in § 188 Abs. 2 dritter Satz StPO beseitigt werden. § 88 StVG wurde bereits mit BGBl Nr. 799/1993 aufgehoben, wobei der verbleibende Regelungsinhalt des § 88 StVG, wonach in jenen Fällen, in denen der Anstaltsleiter gemäß § 87 Abs. 2 im Einzelfall Beschränkungen angeordnet hat, diese bezüglich des Schriftverkehrs mit öffentlichen Stellen, Rechtsbeiständen und Betreuungsstellen nicht zum Tragen kommen, nunmehr im § 90b StVG enthalten ist (EBRV 946 BlgNR 23. GP). Auf § 90b StVG wird in § 188 Abs. 2 dritter Satz StPO bereits verwiesen.

Zu Z 52 und 53 (§§ 195 Abs. 2 und 196 Abs. 2 StPO):

Aufgrund des Kostenrisikos bei Zurück- oder Abweisung eines Fortführungsantrages (§ 195 Abs. 2 StPO) wird in der Praxis für Fortführungsanträge von Minderjährigen eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung gefordert und deren Antrag auf Fortführung des Verfahrens ansonsten als unzulässig zurückgewiesen. Aufgrund der nötigen Bearbeitungsdauer des Pflegschaftsgerichts können minderjährige Opfer regelmäßig nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von ihrem Recht auf Einbringung eines Fortführungsantrages Gebrauch machen.

Da auch unionsrechtlich das Recht aller Opfer auf Überprüfung einer Entscheidung über den Verzicht auf Strafverfolgung sicherzustellen ist, soll künftig von der Einhebung eines Pauschalkostenbeitrages im Falle einer Zurück- oder Abweisung eines Fortführungsantrages eines minderjährigen Opfers abgesehen werden. Überdies soll klargestellt werden, dass die Einbringung eines Fortführungsantrages durch ein minderjähriges Opfer keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf.

Bereits derzeit wird regelmäßig davon abgesehen, einem minderjährigen Opfer bei Zurückweisung seines Fortführungsantrages auf Grund einer fehlenden pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung den Pauschalkostenbeitrag aufzuerlegen. Ein dem minderjährigen Opfer auferlegter Pauschalkostenbeitrag wird überdies im Fall der juristischen Prozessbegleitung von der Einrichtung vorgestreckt und mit dem Bundesministerium für Justiz abgerechnet, womit ein erhöhter Aufwand für die Verwaltung und Überprüfung der Abrechnungen verbunden ist. Da im Rahmen juristischer Prozessbegleitung auch die Kosten für einen Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Fortführungsantrages bei minderjährigen Opfern erstattet werden, ist durch die Neuregelung letztlich insgesamt von Kostenneutralität auszugehen.

Zu Z 54, 57 und 61 (§§ 197 Abs. 2b, 275, 427 Abs. 2 StPO):

Durch die vorgeschlagene Änderung soll – im Einklang mit der geübten Praxis – sichergestellt werden, dass ein Ermittlungsverfahren auch dann abgebrochen werden darf, wenn infolge einer Erkrankung des Beschuldigten mit einem alsbaldigen Wiedererlangen seiner Verhandlungs- und/oder Vernehmungsfähigkeit nicht zu rechnen ist. Durch den Verweis auf § 197 Abs. 2b StPO in § 427 Abs. 2 StPO wird verdeutlicht, dass die Abbrechung des Verfahrens auch in dem Fall in Betracht kommt, dass der Angeklagte aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung nicht in der Hauptverhandlung vernommen werden kann. Im Falle einer die Vernehmung nicht auf absehbare Zeit verhindernden Erkrankung gilt § 275 StPO.

Zu Z 55 (§ 236 Abs. 1 StPO):

Da der Verteidigerbegriff seit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 71/2014, in § 48 Abs. 1 Z 5 StPO definiert ist, ist das Klammerzitat in § 236 Abs. 1 StPO entsprechend anzupassen.

Zu Z 58 (§ 347 StPO):

Seit Inkrafttreten des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, mit 1.1.2008 bildet das Geschworenengericht ebenso wie Einzelrichter und Schöffengericht, bloß noch einen Spruchkörper des Landesgerichtes (§§ 31 Abs. 2, 32 StPO); die Bestimmung ist seitdem obsolet und kann daher entfallen.

Zu Z 59 und 60 (§ 409 Abs. 1 und 2 StPO)

§ 409 StPO regelt die Vollstreckung jener Urteile, die auf die Zahlung eines Geldbetrags lauten. Dabei handelt es sich neben Geldstrafen in erster Linie um den Wertersatzverfall nach § 20 Abs. 3 StGB. Die durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 eingeführte Konfiskation von Ersatzwerten nach § 19a Abs. 1a StGB ist nunmehr auch in § 409 Abs. 1 StPO aufzunehmen.

In Umsetzung von Art. 9 der RL Einziehung und Sicherstellung soll Abs. 2 ergänzt werden, um das Aufspüren von Vermögenswerten nach einem rechtskräftigen Urteil zu ermöglichen. Zur Umsetzung der Richtlinie ist es jedenfalls geboten, dass diese Möglichkeit für vermögensrechtliche Maßnahmen (vgl. § 2 Z 11 EU-JZG) zur Verfügung steht.

Über die Umsetzung der Richtlinie hinausgehend wird vorgeschlagen, die neue Bestimmung auch auf rechtskräftig verhängte Geldstrafen zur Anwendung zu bringen. Dies erscheint vor allem aufgrund ihrer Höhe und der im Verhältnis dazu relativ geringen Höhe der Ersatzfreiheitsstrafen bei den Geldstrafen nach dem FinStrG geboten.

Voraussetzung ist jedenfalls, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass Vermögenswerte, die zur Vollstreckung herangezogen werden können, durch die Auskunft aus dem Kontenregister oder die Auskunft über Bankkonten oder Bankgeschäfte aufgefunden werden können. Derartige Tatsachen können sich insbesondere aus Erhebungen der Kriminalpolizei oder der Einbringungsstelle ergeben. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit wird neben der Höhe der zu vollstreckenden Strafe oder vermögensrechtlichen Maßnahme insbesondere auch die unterschiedliche Eingriffsintensität der nur „äußere“ Kontodaten umfassenden Auskunft aus dem Kontenregister und der „inhaltlichen“ Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte zu berücksichtigen sein. Diese Tatsachen werden auch in die hier ebenfalls gebotene Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 5 StPO) einzufließen haben.

Voraussetzungen und Inhalt der Anordnung richten sich nach § 116 StPO. Gemäß § 32 Abs. 3 StPO entscheidet der Vorsitzende alleine über diese außerhalb der Hauptverhandlung zu treffenden Anordnungen.

Zu Z 64 (§ 514 Abs. 32 bis 34 StPO):

Diese Bestimmungen regeln das Inkrafttreten.

Zu Z 65 (§ 516a Abs. 3 bis 5 StPO):

Durch die genannten Änderungen werden die RL Opferschutz sowie Teile der RL Rechtsbeistand und der RL Einziehung und Sicherstellung im nationalen Recht umgesetzt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes):

Zu Z 1 und 2 (§§ 106 Abs. 4 und 149 Abs. 5 StVG):

Die Änderungen dienen ebenfalls der Umsetzung von Art. 6 Abs. 5 der RL Opferschutz.

Für den Bereich der Strafhaft soll auch zukünftig keine amtswegige Verständigung von Opfern erfolgen. Entsprechend der Vorgaben in Art. 6 Abs. 5 der RL Opferschutz soll aber künftig allen Opfern iSd § 65 Z 1 StPO die Möglichkeit eingeräumt werden, unverzüglich vom ersten unbewachten Verlassen und der bevorstehenden oder erfolgten Entlassung des Strafgefangenen verständigt zu werden, sofern sie dies beantragt haben. Wurden dem Strafgefangenen im Falle einer bedingten Entlassung Weisungen zum Schutz des Opfers erteilt, so hat sich die Verständigung auch darauf zu beziehen (§ 149 Abs. 5 StVG). Darüber hinaus sind alle Opfer auf Verlangen künftig auch von einer Flucht des Strafgefangenen sowie von dessen Wiedereinbringung unverzüglich zu verständigen (§ 106 Abs. 4 StVG). Die Verständigung hat in jedem Fall der Anstaltsleiter zu veranlassen, der auch die Kriminalpolizei zu verständigen haben wird, damit letztere im Fall einer Flucht prüfen kann, ob Anlass zur Ergreifung von Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 22 Abs. 4 SPG besteht. Stellt sich aufgrund der Flucht des Verurteilten für die Sicherheitsbehörde eine Aufgabe nach § 22 Abs. 4 SPG, hat diese das potentielle Opfer vom Bestehen einer konkreten Gefahr für einen gefährlichen Angriff gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Vermögen zu verständigen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn das Opfer selbst dazu nicht in der Lage ist oder nicht ausdrücklich darauf verzichtet.

Zu Z 3 (§ 181 Abs. 27 StVG):

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten.

Zu Z 4 (§ 181b StVG):

Durch die genannten Änderungen wird die RL Opferschutz im nationalen Recht umgesetzt.

Zu Artikel 3 (Änderung des Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes):

Zu Z 1 (§ 27 Abs. 1 VbVG):

Die geltende Fassung von § 27 Abs. 1 zweiter Satz VbVG wurde seinerzeit in Anlehnung an die geltende Fassung des § 409 Abs. 2 StPO aufgenommen. Die Auskunft aus dem Kontenregister und die Auskunft über Bankkonten soll nun auch für die Vollstreckung von Verbandsgeldbußen nutzbar gemacht werden. Daher wird vorgeschlagen, im VbVG zusätzlich zu dem Verweis auf das GEG auch auf die neue Regelung zu den Auskünften aus dem Kontenregister und über Bankkonten zu verweisen.

Zu Z 2 (§ 28 Abs. 3 VbVG):

Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten.