1074 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 1401/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Unmittelbarkeit von Einvernahmen

Die Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 11. November 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Einvernahme ist einer der wesentlichsten Bausteine in der Verhandlung über einen Sachverhalt. Die erste Einvernahme findet meistens bei der Polizei statt. Da diese Einvernahme in Regelfall im engsten zeitlichen Zusammenhang mit der Tat steht, sind diese Aussagen von Täter, Opfer und Zeugen am Relevantesten. Das Geschehen ist noch präsent und es gab kaum Zeit über die eigenen Aussage strategisch nachzudenken bzw die Konsequenzen zu bedenken.

Dennoch werden die Einvernahmen oft nicht unmittelbar protokolliert, es wird nicht wörtlich wiedergegeben, was die Person gesagt hat, Emotionen können im Protokoll nur unzureichend dargestellt werden. Generell ist es in einem schriftlichen Protokoll nicht möglich, die Dokumentation des tatsächlichen Eindrucks vor Ort für später zu konservieren.

In der meistens anschließenden Verhandlung kann der Richter sich nur auf das schriftliche Protokoll beziehen, dessen Qualität von der Protokollierung durch den Beamten bei der Einvernahme beeinflusst ist. Die Unmittelbarkeit, die in § 13 StPO normiert ist, verlangt die unmittelbare Aufnahme von Beweisen, wann immer dies möglich ist. Deswegen vernehmen die Richter die relevanten Personen in der Hauptverhandlung meistens erneut und es ergeben sich oft Widersprüche zum Protokoll.

Die Unmittelbarkeit könnte durch die Aufzeichnung der Einvernahmen auf Video deutlich besser gewahrt werden. So fordert es auch die Vereinigung der Strafverteidiger am 13. StrafverteidigerInnen Tag:

„Die Strafverteidiger machen sich für eine Änderung im Ermittlungsverfahren stark. Vernehmungen von Beschuldigten oder Zeugen sollen bei sonstiger Nichtigkeit des Beweismaterials auf Video aufgezeichnet werden, falls bei der Einvernahme kein Verteidiger anwesend ist. Ein entsprechender Beschluss ist am vergangenen Wochenende beim 13. StrafverteidigerInnentag in Linz gefasst worden.

„Es ist unerträglich, dass das bei den bestehenden technischen Möglichkeiten bisher nicht getan wird. Unter diesem schweren Missstand leidet die Qualität des Strafverfahrens. Dieses Manko gehört abgestellt“, forderte Richard Soyer, der Sprecher der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen, am Montag im Gespräch mit der APA.

In der Praxis stelle sich bei Einvernahmen immer wieder die Frage, wie die entsprechenden Protokolle zustande gekommen sind, erläuterte Soyer. Wurden Zeugen oder Beschuldigte ohne Rechtsbeistand befragt, kämen etliche Verteidiger später in der gerichtlichen Hauptverhandlung nicht mehr aus dem Kopfschütteln heraus: „Da passieren krasse Sachen, wo völlig klar ist, dass das, was da auf dem Papier steht, der Betreffende so nicht gesagt hat. Weil er entweder diesen Wortschatz nicht hat oder die Sprache nicht in diesem Umfang beherrscht.“

Daher sollen zukünftig die vorprozessualen Einvernahmen dokumentiert werden und als Ergänzung zu den schriftlichen Protokollen in die Hauptverhandlung miteinfließen. „Dafür sind keine großen finanziellen Ressourcen erforderlich. Noch dazu wäre diese Qualitätssteigerung in der Justiz sofort umsetzbar“, gab Soyer zu bedenken [...]“ (APA, 23.3.2015)

Ebenso beeinträchtigt es die Unmittelbarkeit in Gerichtsverfahren, wenn die Qualität der Übersetzung durch den Dolmetscher nicht ausreichend ist. So wird in der Wiener Zeitung vom 5.5.2015 Rupert Wolff, Vorsitzender der ÖRAK, zitiert:

„Genau hier wurzeln allerdings oft sämtliche weitere Verfahrensfehler. „Falsche Übersetzungen, die bei der Ersteinvernahme passieren, sind später sehr schwer nachzuweisen“, sagt Wolff, „weil es keine Video- und Tonaufnahmen gibt.“

Laut Justizministerium ist zwar ein Pilotprojekt in Konzeption, das zum Ziel hat, Verhandlungen mithilfe von Videos zu protokollieren. Bis diese zur Selbstverständlichkeit werden, wird es aber noch lange dauern.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 4. April 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak die Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Mag. Dr. Beatrix Karl, Dr. Johannes Jarolim, Mag. Gisela Wurm und Dr. Johannes Hübner sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, G, N, dagegen: S, V, T).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Dr. Beatrix Karl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2016 04 04

                           Mag. Dr. Beatrix Karl                                                  Mag. Michaela Steinacker

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau