1083 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Antrag 1614/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gerichtsorganisationsgesetz geändert und die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich aufgehoben wird

Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 17. März 2016 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Zu Artikel 1 (Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes):

Bisher müssen die Urschriften und Protokolle gerichtlicher und staatsanwaltschaftlicher Erledigungen handschriftlich unterfertigt werden, was der künftigen elektronischen Aktenführung entgegensteht. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll die elektronische Fertigung ermöglicht werden. Diese Fertigung erfolgt in einem geschlossenen System lediglich für interne Zwecke. Die Authentizität wird im Regelfall durch die Verwendung des elektronischen Dienstausweises oder anderer geeigneter Verfahren sichergestellt, die den Zugang zu den Anwendungen der Justiz ermöglichen. Ferner wird jede Benutzereingabe in einem elektronischen Protokoll festgehalten und ist damit nachträglich nachvollziehbar.

Die in der vorgeschlagenen Bestimmung aufgenommenen technischen Möglichkeiten beziehen sich auf einen im sozialgerichtlichen Verfahren am Arbeits- und Sozialgericht Wien einzurichtenden Pilotbetrieb, dessen Vorbereitungen bereits getroffen wurden und der im zweiten Quartal 2016 starten soll. Ohne Erlassung der vorgeschlagenen Bestimmung könnte der Pilotbetrieb nur durch das parallele Führen des elektronischen und des herkömmlichen (Papier-)Akts unter erheblichem Einsatz von Ressourcen bewerkstelligt werden. Geplant ist, den Pilotbetrieb zur Gewinnung weiterer Erfahrungswerte künftig auch auf andere Gerichte und Staatsanwaltschaften auszudehnen. Auf Grundlage der aus dem Pilotbetrieb gewonnenen Erfahrungen und deren Evaluierung werden sich bei Bedarf weitere Änderungen ergeben.

Aufgrund des Verweises in § 34a Abs. 5 StAG findet die Bestimmung auch auf staatsanwaltschaftliche Erledigungen Anwendung.

Zu Artikel 2 (Aufhebung der Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich):

Mit der Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich, BGBl. I Nr. 81/2012, wurde das Ziel verfolgt, durch die Zusammenlegung des Bezirksgerichts Purkersdorf mit dem größeren Bezirksgericht Hietzing das Bürger/innen-Service weiter zu optimieren, Vertretungen zu erleichtern und eine stärkere Spezialisierung besonders der Rechtsprechungsorgane auf bestimmte Fachgebiete zu ermöglichen. Die Zusammenlegung sollte mit 1. Juli 2014 erfolgen.

In weiterer Folge ergaben sich aufgrund des Übergangsrechts aus 1920 bzw. 1925 (siehe § 8 Abs. 5 lit. d des Übergangsgesetzes vom 1 Oktober 1920, BGBl. Nr. 2/1920 idF BGBl. Nr. 368/1925, geändert durch BGBl. Nr. 393/1929, BGBl. Nr. 205/1962 und BGBl. I Nr. 2/2008) eine Reihe verfassungsrechtlicher Fragestellungen, die einer abschließenden Klärung bedurften und zur Folge hatten, dass das Inkrafttreten der Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich mit dem Budgetbegleitgesetz 2014, BGBl. I Nr. 40, auf 1. Juli 2016 verschoben wurde.

Nachdem nunmehr die offenen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt werden konnten, sprechen gewichtige Gründe dafür, von einem gemeinsamen bzw. bundesländerübergreifenden Bezirksgerichtsprengel „Hietzing-Purkersdorf“ Abstand zu nehmen: Schon die Diktion und einzelne Formulierungen des Übergangsgesetzes 1920 idF 1925 (ÜG) legen nahe, dass dieses das Verhältnis zwischen Bund und Ländern bzw. Bund und „jedem (einzelnen) Land“ zum Gegenstand hat und nicht (auch) das Verhältnis zwischen Ländern untereinander. Zudem läuft die mit einem bundesländerübergreifenden Sprengel verbundene Involvierung zweier unterschiedlicher beteiligter Länder auf eine wechselseitige Einschränkung der Organisationshoheit der beteiligten Länder im Bereich der allgemeinen staatlichen Verwaltung hinaus, die äußerst ungewöhnlich und bedenklich wäre. Wenn auch die Einschränkung im Falle Wiens als von der ÜG-Zustimmung ausgenommenem Bundesland nicht so deutlich in Erscheinung treten mag, kommt dazu, dass unklar ist, wie überhaupt erklärt werden kann, dass durch unterschiedliche Rechtsquellen (NÖ: Verordnung; Wien: Bundesgesetz) ein einziger, sich auf das Gebiet mehrerer Länder erstreckender Sprengel geschaffen werden könnte.

Vor diesem Hintergrund sollen nach eingehender Abwägung aller Für und Wider die Bezirksgerichte Hietzing und Purkersdorf am Standort Hietzing nun doch nicht zusammengelegt werden. Da somit der Status quo fortbesteht, ergeben sich daraus keine wie auch immer gearteten Mehrkosten.

In legistischer Hinsicht ist die Gerichtsorganisations-Novelle Wien-Niederösterreich, die einzig und allein die Aufnahme des Bezirksgerichts Purkersdorf durch das Bezirksgericht Hietzing zum Gegenstand hat, zur Gänze aufzuheben. Dabei schadet es auch nicht, dass damit der mit der besagten Novelle neu eingeführte, ohnehin erst mit 1. Juli 2016 in Kraft tretende § 2b StAG ersatzlos entfällt. Dieser dient lediglich der Klarstellung, dass sich der Sprengel einer Staatsanwaltschaft (vorbehaltlich der Sonderzuständigkeiten) jeweils nach jenem des Landesgerichts orientiert, an deren Sitz sie eingerichtet ist, und soll ausschließlich allfällige, aus der Zusammenlegung der Bezirksgerichte Purkersdorf und Hietzing resultierende Missverständnisse vermeiden. Würde nun § 2b StAG mit 1. Juli 2016 in Krafttreten, ohne dass es zu eben dieser Zusammenlegung kommt, könnte das erst recht wieder zu Fehlinterpretationen führen, die durch die ersatzlose Beseitigung auch dieser Bestimmung hintangehalten werden sollen.

Mit Blick darauf, dass die Gerichtsorganisationsnovelle Wien-Niederösterreich ohne entsprechende Änderung mit 1. Juli 2016 in Kraft treten würde, ist diese mit 30. Juni 2016 aufzuheben. Die entsprechende Aufhebungsregelung hat dabei aber auch auf die gleichzeitig erforderliche entsprechende Aufhebung der Bezirksgerichte-Verordnung Niederösterreich 2012, BGBl. II Nr. 204/2012 idF BGBl. II Nr. 147/2014, die durch eine neue Bezirksgerichte-Verordnung Niederösterreich 2016 ersetzt werden soll, Bedacht zu nehmen.“

 

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 4. April 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen der Berichterstatterin Abgeordneten Petra Bayr, MA die Abgeordneten Dr. Georg Vetter, Dr. Nikolaus Scherak und Mag. Philipp Schrangl sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter.

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, T, dagegen: N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2016 04 04

                                 Petra Bayr, MA                                                        Mag. Michaela Steinacker

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau