1119 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP
Bericht
des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft
über den Antrag 1627/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Milchdialog
Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 27. April 2016 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Das Milchmanifest wurde am 31. März diesen Jahres vorgestellt. Präsentiert wurde es von der IG-Milch, der ÖBV (Österreichische Berg- und Kleinbäuer_Innen Vereinigung)- Via Campesina und den Grünen Bäuerinnen und Bauern
Unterstützt wird es von der ARGE Schöpfungsverantwortung, der ARGE Weltläden, Attac, der Bank für Gemeinwohl, der EZA Fairer Handel, Fian, Greenpeace, Südwind, Weihbischof Scharl, dem Welthaus Graz und dem Welthaus St. Pölten
‚Milch-Manifest
Situationsanalyse
Der Milchmarkt ist ein einer schweren Krise, ohne Aussicht auf Besserung. Das Abschaffen der Milchquote mit 1. April 2015 hat zu einer vorhersehbaren Überproduktion geführt und die Milchpreise auf Talfahrt geschickt. Schon einige Zeit vor der Abschaffung haben viele Milchproduzenten den unrealistischen Prognosen von Branchenvertretern aus Landwirtschaft und Milchindustrie geglaubt und die Produktion ausgeweitet. Dies führte nicht nur zu einer Rekordstrafe in Form der Superabgabe, sondern auch zu einem dramatischen Absinken der Milcherzeugerpreise. Verbunden mit falschen Weichenstellungen laufen wir Gefahr nicht nur die Überproduktion weiter auszubauen, sondern auch das Verständnis und die Akzeptanz der Gesellschaft zu verlieren. Die Ratlosigkeit der Verantwortlichen aus Standesvertretung und Industrie führt zu Verunsicherung und Existenzängsten der Milchbäuerinnen und Milchbauern. Es ist daher notwendig auf breiter Front gegenzusteuern und einen schnellen, aber auch nachhaltigen Weg aus der Krise zu finden. Aus unserer Sicht sind daher folgende Schritte notwendig.
1. Fairness
gegenüber kleinen und extensiven Betrieben und Arbeitskraftförderung
Die systematische Benachteiligung kleiner und extensiver Betriebe muss sofort
beendet werden (Mengenstaffel, Fixkostenblöcke, Abholmodalitäten,
Förderbenachteiligung,…).
Gerade die Milchviehhaltung erfordert ein hohes Maß an Arbeitseinsatz.
Trotz aller Technisierung ist die gute Betreuung ein wesentlicher Faktor
für tiergerechte Haltung. Die hohe Arbeitsbelastung muss besondere
Berücksichtigung und Wertschätzung erfahren, um die Milchviehhaltung
attraktiv und zukunftsfähig zu machen. Der hohe Anteil an
Dauer-Grünland ist ein schützenswertes Gut und steht in
ursächlichem Zusammenhang mit Bodenschutz, Trinkwasserqualität und
funktionierendem Tourismus.
2. Investitionszuschüsse
ausschließlich für Modernisierungen und Umbauten und keinesfalls
für neue Produktionskapazitäten
Der Ausbau weiterer Produktionskapazitäten in einem übervollen
Markt führt zu sinkenden Milchpreisen, die auch die investierenden Betriebe
in Not bringt. Gleichzeitig schädigt der Milchpreisverfall aber auch die
Klein- und Mittelbetriebe die eine vernünftige Produktion beibehalten.
3. Neue
tiergerechte Zuchtziele und wiederkäuergerechte Fütterungsstandards
Schon jetzt wird deutlich sichtbar, dass die Züchtung auf
Laktationshöchstleistungen immer mehr zum Kern des Problems wird. Zum
einen wird damit die Produktion gesteigert, zum anderen sind die Kühe
jetzt schon nicht mehr in der Lage, die derzeitigen Leistungen ohne große
gesundheitliche Probleme zu erfüllen. Wir fordern daher eine
Neuausrichtung der Zuchtverbände und Zuchtziele. Gemeinsam mit Fachleuten
aus Landwirtschaft und Veterinärwesen müssen genetische Obergrenzen,
je nach Tierrasse, in Jahresmilch-kg definiert werden. Ist die Leistung
höher, wird diese nicht mehr ausgewiesen. Der Zuchtwert steigt nur mehr
mit Kriterien wie Nutzungsdauer, Leichtkalbigkeit, Eutergesundheit,
Fruchtbarkeit,...
Der Drang immer höhere Leistungen den Kühen abzuringen, führt
nicht nur zu gesundheitlichen Problemen bei Tier und Mensch, sondern auch dazu,
dass die Kuh zur Klimabelastung wird. Die Erhöhung der
Nährstoffkonzentration im Futter verdrängt das Gras aus der Ration,
verhindert Weidegang und verursacht Klauenprobleme. Weiters führt dies zu
mehr Futterimport und damit verbunden zur Landenteignung auf anderen
Kontinenten.
4. Wiedereinführung
der Mutterkuhprämie und Umstellungsförderung für Neueinsteiger
in die biologische Milchproduktion
Die Mutterkuhhaltung ist eine natürliche, nachhaltige und umweltschonende
Form der Rindfleischproduktion. Die extensive Nutzung von Dauergrünland
mit dieser Wirtschaftsweise ist in höchsten Maß sinnvoll und
würde zusätzlich den Milchmarkt entlasten. Außerdem kann damit
der Verwaldung vorgebeugt werden und eine offene Landschaft in extensiven
Regionen weiter ermöglichen.
Österreich wird im In- und Ausland als das Bioland Nr. 1 gepriesen. Die
Entwicklungen der letzten Jahre zeigen jedoch in eine andere Richtung. Das
Auslaufen der Milchquote hat viele Milcherzeugerbetriebe veranlasst aus der
Bio-Produktion auszusteigen. Gleichzeitig wächst der Bio-Markt
kontinuierlich, während der konventionelle Markt rückläufig ist,
die Produktion jedoch stark steigt. Der extreme Preisunterschied zwischen bio
und konventioneller Milch führt dennoch nicht zu mehr Umstellungen, da die
lange Umstellungszeit von zwei Jahren zu einem wirtschaftlichen Notstand
führt. Zwei Jahre nach Bio-Standard zu produzieren, die Milch jedoch
konventionell verkaufen zu müssen, überfordert finanziell viele
Betriebe. Dabei wäre es ökonomisch und ökologisch
äußerst sinnvoll, eine Umstellungsförderung einzuführen.
Damit könnte man die hohe Nachfrage am Bio-Markt bedienen, gleichzeitig
den konventionellen Markt entlasten und dabei auch noch die Umwelt schonen.
5. Neuausrichtung
der Exportstrategie
Es macht keinen Sinn um jeden Preis den Exportanteil zu erhöhen um die
Überschüsse außer Landes zu bringen. Es sollten nur mehr jene
Produkte exportiert werden, die eine gleich hohe oder höhere
Wertschöpfung erzielen, als am österreichischen Markt. Die derzeitige
Praxis, dass viele Exporte durch Querfinanzierung mit niedrigen
Erzeugermilchpreisen und guten Erlösen am österreichischen Markt
finanziert werden, darf nicht weitergeführt werden. Der Export von
Milchprodukten zu Dumpingpreisen setzt aber auch in entlegenen Regionen die
lokale Produktion unter Druck oder gefährdet diese sogar. Der
Großteil der Exportmengen wird überhaupt erst durch den
Futtermittelimport möglich. Dabei führt die Produktion dieser
Futtermittel oft zu Landenteignung von Kleinbauern und zum Abholzen von
Regenwald.
6. Mindestpreise
für gesunde österreichische Milch
Die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels aber auch die
genossenschaftliche Organisation der Molkereien, führt zu einem extremen
Ungleichgewicht der Kräfteverhältnisse. Dies hat dazu geführt,
dass Milch immer mehr zum Lockartikel wurde und weit unter dem
tatsächlichen Wert verkauft wird. In weiterer Folge führt dies zu den
schon beschriebenen Fehlentwicklungen. Gleichzeitig kann man jedoch keine
fairen Preise verlangen ohne einen Mindeststandard bei Tiergesundheit, Haltung
und Fütterung zu gewährleisten. Es ist aber auch das Angebot an die
Nachfrage anzupassen, um ein Marktgleichgewicht herzustellen.
7. Marktbeobachtungsstelle
mit Durchgriffsrecht
Die Politik beteuert in der Milchpreisdebatte immer wieder, „die Politik
macht keine Preise, sondern der Markt“. Dies ist bequem, aber falsch. Die
Politik ist für die Gesetzgebung verantwortlich und die Gesetzgebung
regelt die Rahmenbedingungen. Wir erleben jeden Tag, dass durch neue Gesetze
sich Märkte und Preise gewollt verändern. Zum Beispiel
Öko-Stromgesetz oder Gebietsschutz der Apotheken. Es ist daher notwendig
und ein gesellschaftliches Anliegen, dass wir in Österreich die
Rahmenbedingungen für eine vernünftige Landwirtschaft stellen. Dabei
ist eine Marktsteuerung ohne Alternative.
8. Reform
der landwirtschaftlichen Ausbildung
Die derzeitigen Ausbildungsschwerpunkte die auf Intensivierung,
Betriebswirtschaft und Wachstum ausgerichtet sind, führen die
Landwirtschaft noch weiter in die Sackgasse. Die nächste Generation von
Bäuerinnen und Bauern muss einen größeren Horizont
überblicken können. Der Schwerpunkt muss auf Nachhaltigkeit,
Kooperation, Regionalität, Veredelung, Wertschöpfung und auf gesellschaftlichen
Konsens ausgerichtet sein.
9. Bürokratie-Abbau
in der Landwirtschaft
Die Umsetzung der gemeinsamen Agrar-Politik hat zu einer enormen
bürokratischen Belastung der bäuerlichen Betriebe geführt.
Besonders hart trifft dies vielseitige Betriebe mit Tierhaltung und
Landschaftselementen. Je innovativer, tiergerechter, vielseitiger, desto
bürokratischer. Je spezialisierter, je mehr man die Landschaft
ausgeräumt hat, die Flächen arrondiert hat und auch die Tierhaltung
aufgegeben hat, desto weniger Bürokratie, desto weniger Fehler bei der
ganzen Abwicklung, desto höher sind oft die Prämien.
10. Milchdialog
Die zentrale Bedeutung der Milchproduktion für Österreichs
Landwirtschaft und Wirtschaft erfordert Verständnis auf breiter Ebene. Nur
durch ein gesellschaftliches Bündnis zwischen KonsumentInnen,
BäuerInnen der Lebensmittelwirtschaft aber auch der Politik, können
die Weichen richtig gestellt werden. Gegenseitiges Verständnis schafft
Vertrauen - Vertrauen ist die Basis für gesellschaftlichen Konsens und
nachhaltige Entwicklung.“
Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 4. Mai 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber die Abgeordneten Harald Jannach, Josef Schellhorn, Norbert Sieber, Leopold Steinbichler, Franz Leonhard Eßl und Erwin Preiner sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaf, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.‑Ing. Andrä Rupprechter.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: G, N, dagegen: S, V, F, T).
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Erwin Preiner, Jakob Auer, Harald Jannach, Josef Schellhorn und Leopold Steinbichler einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Milchdialog eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Norbert Sieber gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrages 1627/A(E) zur Kenntnis nehmen und
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2016 05 04
Norbert Sieber Jakob Auer
Berichterstatter Obmann