1133 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1111 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping (Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSD-BG) erlassen wird und das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das Landarbeitsgesetz 1984, das Arbeitsinspektionsgesetz 1993, das Heimarbeitsgesetz 1960, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Betriebspensionsgesetz, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

Hauptgesichtspunkte (Ausgangslage und Zielsetzung):

In Umsetzung des Regierungsprogramms und der Richtlinie 2014/67/EU zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) (im Folgenden: Durchsetzungsrichtlinie), ABl. Nr. L 159 vom 28.05.2014 S. 11, sind im Bereich der Lohn- und Sozialdumpingbekämpfung folgende wesentlichen Maßnahmen vorgesehen:

-       Herauslösen der Regelungen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping aus dem AVRAG und Schaffung eines formal neuen Gesetzes (LSD-BG) im Sinne einer Kodifikation mit einer klareren und übersichtlicheren Struktur, die dem Rechtsanwender ein leichteres Verständnis der komplexen Rechtsmaterie ermöglichen soll;

-       Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie zur wesentlichen Verbesserung der Durchführbarkeit von Verwaltungsstrafverfahren gegen Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nach Österreich grenzüberschreitend entsenden oder überlassen;

-       Einbindung der Beschäftigungsverhältnisse nach dem Heimarbeitsgesetz in das Lohnkontrollgefüge nach dem LSD-BG;

-       verstärkte Einbindung des Landarbeitsrechts in das LSD-BG im Vergleich zur Vorgängerregelung;

-       Harmonisierung der Regelungen über die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping im AVRAG und im AÜG im neuen LSD-BG;

-       Erweiterung der Ausnahmeregelungen für bestimmte Formen der Dienstleistungserbringung im Rahmen von grenzüberschreitenden Entsendungen nach Österreich;

-       Schaffung von Ausnahmeregelungen für grenzüberschreitende Entsendungen nach Österreich innerhalb von Konzernen für bestimmte kurzfristige Tätigkeiten in Österreich;

-       klare und übersichtliche Darstellung der materiell-rechtlichen Ansprüche von grenzüberschreitend entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern nach Österreich, insbesondere hinsichtlich Entgelt, Urlaub und Arbeitszeit;

-       Schaffung einer Auftraggeberhaftung für den Baubereich zur Absicherung der Lohnansprüche von grenzüberschreitend entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern; diese Haftung erfasst auch private und öffentliche Auftraggeber und nicht nur Unternehmer in Österreich;

-       Entfall der Frist für die Erstattung der ZKO 3- und ZKO 4-Meldungen von einer Woche; nunmehr sind die Meldungen vor Arbeitsaufnahme der grenzüberschreitend entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer in Österreich zu erstatten; der Entfall der Meldefrist wird mit einer Erhöhung des Strafrahmens für Verstöße gegen diese Norm kompensiert;

-       Erleichterungen bei den ZKO 3- und ZKO 4-Meldungen bei mehrmaligen Entsendungen innerhalb eines kurzen Zeitraums und einer größeren Anzahl von Auftraggebern;

-       Vereinfachung der Regelungen über den Ort der Bereithaltung von Unterlagen (ZKO-Meldung, A 1, Lohnunterlagen); die Novelle sieht eine Erweiterung der für die Bereithaltung der Unterlagen geeigneten Orte vor, die allerdings in der ZKO-Meldung genau zu bezeichnen sind;

-       übersichtliche Darstellung der Strafregelungen des LSD-BG und Beibehaltung der aus general- und spezialpräventiver Hinsicht relevanten Strafrahmen bei Verstößen gegen das LSD-BG;

-       Beibehaltung der Nachsichtregelungen iZm der Erstellung der Anzeige und dem verwaltungsrechtlichen Strafverfahren bei Unterentlohnungen; Fehler in der Lohnverrechnung, die auf einer leichten Fahrlässigkeit beruhen, sollen weiterhin nicht sanktioniert werden, wenn das ausstehende Entgelt nachgezahlt wird;

-       Vereinfachungen bei den Regelungen über die Anrechnung von Entgeltzahlungen zur Vermeidung verwaltungsstrafrechtlich relevanter Unterentlohnungen;

-       Bezirksverwaltungsbehörden müssen künftig das Verwaltungsstrafverfahren aussetzen, wenn die Unterentlohnung des Arbeitnehmers vorher oder gleichzeitig mit diesem Gegenstand eines Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht geworden ist;

-       Schaffung von Regelungen, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Behörden im Ermittlungsverfahren, im Strafverfahren und bei der Vollstreckung von in diesen Verfahren ergangenen Entscheidungen in den Mitgliedstaaten verbessern.

Zudem ist im AVRAG in Umsetzung der Richtlinie 2014/54/EU über Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung der Rechte, die Arbeitnehmern im Rahmen der Freizügigkeit zustehen, ABl. Nr. L 128 vom 30.04.2014 S. 8, die Schaffung eines Benachteiligungsverbots vorgesehen.

Die Durchsetzungsrichtlinie erfordert auch Anpassungen im Arbeitsinspektionsgesetz 1993 (ArbIG), weil die Kontrolle einiger der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (im Folgenden: Entsende-Richtlinie), ABl. Nr. L 18 vom 21.01.1997 S. 1, in der Fassung der Beitrittsakte ABl. Nr. L 236 vom 23.09.2003 S. 906, genannten Arbeitsbedingungen gemäß § 3 ArbIG zum Aufgabenbereich der Arbeitsinspektion gehört, nämlich Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen sowie von Kindern und Jugendlichen. Die grenzüberschreitende Strafverfolgung von diesbezüglichen Verwaltungsübertretungen durch die Verwaltungsstrafbehörden wird im vorliegenden Entwurf eines Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (Artikel 1, § 17 sowie 3. Hauptstück) geregelt, während die Vorgangsweise der Arbeitsinspektion bei der Kontrolle nicht dem LSD-BG, sondern dem ArbIG unterliegt. Schon bisher normiert § 20 Abs. 9 ArbIG – in Umsetzung der Entsende-Richtlinie – die gegenseitige Amtshilfe zwischen Arbeitsinspektion und den anderen Arbeitsaufsichtsbehörden im EWR. Zur Umsetzung von Art. 6 der Durchsetzungsrichtlinie wird diese Regelung nunmehr erweitert und die Anwendung des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI“) angeordnet. Außerdem werden im ArbIG (analog zum dem LSD-BG) Regelungen für die Zustellung von Schriftstücken der Arbeitsinspektion an ausländische Arbeitgeber vorgesehen.

Im Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes (SBBG) sind geringfügige prozessuale Änderungen vorgesehen.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der vorliegende Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 (Zivilrechtswesen), Z 11 und Art. 12 Abs. 1 Z 6 B-VG (Arbeitsrecht und Sozialversicherungswesen, Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Zweidrittelmehrheit im Nationalrat im Hinblick auf vorgesehene Verfassungsbestimmungen.

 


 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 12. Mai 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dietmar Keck die Abgeordneten Peter Wurm, August Wöginger, Johann Hechtl, Mag. Gerald Loacker, Ing. Waltraud Dietrich, Mag. Birgit Schatz, Mag. Michael Hammer, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Gabriel Obernosterer, Asdin El Habbassi, BA, Erwin Spindelberger und Ulrike Königsberger-Ludwig sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, T, dagegen: F, N) beschlossen.

Ferner beschloss der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, N, T, dagegen: F, G) folgende Feststellung zu § 9 des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes:

„Ein Erstauftraggeber haftet nicht als Auftraggeber im Sinne des § 9 Abs. 1 oder 8 für eine allfällige Unterentlohnung von grenzüberschreitend überlassenen oder durch einen ausländischen Subunternehmer entsandten Arbeitnehmern, wenn ein befugtes Unternehmen im Inland beauftragt wurde und es sich nicht um ein bewusstes Umgehungsgeschäft handelt.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1111 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2016 05 12

                                   Dietmar Keck                                                                  Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann