1134 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1439/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Faires Vergaberecht und Bestbieterprinzip umsetzen

Die Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 24. November 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Auf der Grundlage des immer größer werdenden Konkurrenzdrucks ausländischer bzw. internationaler Anbieter, vor allem im Bereich des Bau- und Baunebengewerbes, versucht man seit Jahren‚ faire Wettbewerbsbedingungen für heimische KMUs in diesem Bereich zu schaffen.

Das Lohn- und Sozialdumpinggesetz inklusive mehrerer Novellen sollte hier der erste Schritt sein. Wir wissen aber, dass es durch Umgehungen: Ketten-Subunternehmerverhältnisse, Scheinfirmen, Scheinanmeldungen von Arbeitnehmern, Hinterziehung von Lohn- und Sozialabgaben, großzügige Entsendungen fremder Arbeitnehmerkontingente aus dem EU-Ausland usw. zu einem Fass ohne Boden gekommen ist.

Die Bundesvergabegesetznovelle ist wieder einmal der Versuch, hier gewisse Dämme zu errichten.

Den großen Druck spürten letztendlich aus Rot und Schwarz, deshalb kam es zu einer Initiative von 12 WKO-Bundesinnungen und 3 Fachgewerkschaften im Jahr 2014.

Damals wurde unter dem Titel ‚Faire Vergabe‘ eine Initiative gesetzt, die davon ausgehen, dass Billigstanbieter Arbeitsplätze vernichten.

Der ambitionierte Forderungskatalog umfasste insgesamt 6 Forderungen mit einer ganzen Reihe von Detailforderungspunkten:

1. Adaptierung des Vergaberechts

             - Bestbieter statt Billigstbieter - ohne Ausnahme

             - Einbeziehung von Qualitätskriterien (z. B.: ‚Organisation, Qualifikation und Erfahrung von Schlüsselpersonal‘, ‚Ökologische Bauführung‘, Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz‘, ‚Mitarbeiterschulungen‘)

             - Einbeziehung von Regionalität sowie Berücksichtigung der Beschäftigung von Eigenpersonal (Eigenleistung), Lehrlingen und älteren Arbeitnehmern

             - Antragslegitimation gesetzlicher Interessensvertretungen zur Prüfung der Gesetzeskonformität von Ausschreibungsunterlagen vor Ablauf der Angebotsfrist

             - Einschränkung von Subvergaben und Benennungspflicht bei der Auftragsvergabe und verpflichtende laufende Kontrollen (§ 70 Abs. 5 BVergG 2006)

             - Einschränkung von Leiharbeit

             - Schärfere Sanktionen bei Verstoß gegen arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards, zwingendes Ausscheiden bei erstmaligem qualifizierten Verstoß, zwingendes Ausscheiden bei sonstigem Verstoß im Wiederholungsfall

             - Vertragsrechtliche Pönale bei Verstoß gegen arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards

             - Kontrolle und Meldung des vor Ort eingesetzten Personals

             - Erhebung der Schwellenwerteverordnung in Gesetzesrang (unbefristet) zur Stärkung der Regionalität

             - Mindestvorgaben für die Preisangemessenheit bzw. Preisangemessenheitsprüfung

             - Verbot der elektronischen Auktion für Bauleistungen

2. Maßnahmen gegen die Gründung und Geschäftstätigkeit von Scheinfirmen

             - Verstärkte Überprüfung des Standortes bei der Gewerbeanmeldung (Mietvertrag, Behördenkontrolle vor Ort - Betriebsmittel und Betriebsstruktur, etc.)

             - Schwerpunktaktionen der Behörden (Finanzpolizei, GKK, BUAK, AI, BH, Polizei) im Bereich der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung (auch am Wochenende; Personalaufstockung)

             - Erhöhung des Vernetzungsgrades zwischen den einzelnen Behörden (Austausch von Informationen aus Betriebsprüfungen, bei Abmeldung des gewerberechtlichen Geschäftsführers, etc.)

3. Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes

             - Verschiebung des Schwerpunkts der Kontrollen der gesetzlichen Vorgaben auf die Risikogruppen zur Steigerung der Effizienz

             - Erhöhung der Sanktionen/Strafen bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Bestimmungen (Strafe muss höher sein als der wirtschaftliche Vorteil). Nichtbereithaltung der Unterlagen muss strenger bestraft werden, als falsche/unzureichende Anmeldungen

             - Vollziehbarkeit von Verwaltungsstrafen muss auch in den anderen EU-Mitgliedsstaaten gewährleistet sein

4. Aufrechterhaltung des Befähigungsnachweises als Ausübungs- und Qualifikationskriterium

             - Berücksichtigung einer Stellungnahme durch die Wirtschaftskammer bei Ausstellung von individuellen Befähigungen. Bei Fachgesprächen Beteiligung der WKO

             - Bei der Registrierung im Dienstleisterregister hat eine Vorlage der inländischen Steuernummer bzw. die Weiterleitung der Registrierung vom Wirtschaftsministerium an das zuständige Finanzamt zu erfolgen

5. Änderung sonstiger Rahmenbedingungen

             - Gewerbeordnung: Verpflichtende Angabe der Haftpflichtversicherung und der Gewerbeberechtigung auf jedem Angebot

             - Zweckbindung der Wohnbauförderung

             - Einführung eines Sanierungsbonus - als Absetzbetrag

6. Rasche Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie in nationales Recht

Neue EU-Vergaberichtlinie - Möglichkeiten nach Art 67

Achtung: Vor allem dieser Art 67 EU-Vergaberichtlinie würde weitergehende Möglichkeiten bieten, hier im ganzen Vergabewesen ‚Österreich Zuerst‘ unter Zugrundelegung von materiellen Rahmenbedingungen durchzusetzen:

EU-Vergaberichtlinie 2014/24 und 2014/25 vom 26. 2. 2014

(Begründungserwägung 37)

Im Hinblick auf eine angemessene Einbeziehung umweltbezogener, sozialer und arbeitsrechtlicher Erfordernisse in die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ist es besonders wichtig, dass Mitgliedstaaten und öffentliche Auftraggeber geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Einhaltung der am Ort der Ausführung der Bauleistungen oder der Erbringung der Dienstleistungen geltenden Anforderungen auf dem Gebiet des Umwelt-, Sozial- und Arbeitsrechts zu gewährleisten [...]

Art 67 Z 2:

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die öffentlichen Auftraggeber nicht den Preis oder die Kosten allein als einziges Zuschlagskriterium verwenden dürfen, oder sie können deren Verwendung auf bestimmte Kategorien von öffentlichen Auftraggebern oder bestimmte Arten von Aufträgen beschränken.

Art 67 Z 2:

Das Kostenelement kann auch die Form von Festpreisen oder Festkosten annehmen, auf deren Grundlage die Wirtschaftsteilnehmer nur noch mit Blick auf Qualitätskriterien miteinander konkurrieren.

Art 67 Z 2:

... kann das beste Preis-Leistungs-Verhältnis beinhalten, das auf der Grundlage von Kriterien - unter Einbeziehung qualitativer, umweltbezogener und/oder sozialer Aspekte - bewertet wird, die mit dem Auftragsgegenstand des betreffenden öffentlichen Auftrags in Verbindung stehen.

Zu diesen Kriterien kann unter anderem Folgendes gehören:

a.      Qualität, einschließlich technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit, Design für Alle, soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften und Handel, sowie die damit verbundenen Bedingungen

b.     Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, oder

c.      Kundendienst und technische Hilfe, Lieferbedingungen wie Liefertermin, Lieferverfahren sowie Liefer- oder Ausführungsfrist

Art 67 Z 3:

Zuschlagskriterien stehen mit dem Auftragsgegenstand des öffentlichen Auftrags in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen, einschließlich Faktoren, die zusammenhängen mit

a.      dem spezifischen Prozess der Herstellung oder der Bereitstellung solcher Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen oder des Handels damit oder

b.     einem spezifischen Prozess in Bezug auf ein anderes Lebenszyklusstadium, auch wenn derartige Faktoren sich nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.

Aktuell blockiert die ÖVP die Umsetzung des 2014 zwischen allen Beteiligten das auf Schiene gebrachte umfassenden Vergaberechtspakets, und gefährdet damit heimische Arbeitsplätze und die regionalen kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich massiv.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 12. Mai 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin, der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, die Abgeordneten Peter Wurm, August Wöginger, Johann Hechtl, Mag. Gerald Loacker, Ing. Waltraud Dietrich, Mag. Birgit Schatz, Mag. Michael Hammer, Gabriel Obernosterer, Asdin El Habbassi, BA, Erwin Spindelberger, Dietmar Keck und Ulrike Königsberger-Ludwig sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch.

 

Auf Antrag des Abgeordneten Dietmar Keck beschloss der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, dagegen: F, N, T), der Präsidentin des Nationalrates die Zuweisung dieser Vorlage an den Verfassungsausschuss zu empfehlen.

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Dietmar Keck gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2016 05 12

                                   Dietmar Keck                                                                  Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann