1246 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über die Regierungsvorlage (1186 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Börsegesetz 1989, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz 2011 und das Übernahmegesetz geändert werden

Grundlagen des Gesetzentwurfs:

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Richtlinie 2014/57/EU über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie), ABl. Nr. L 173 vom 12.06.2014 S. 179 umgesetzt und werden flankierende Regelungen zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung, im Folgenden: MAR) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG, ABl. Nr. L 173 vom 12.06.2014 S. 1 geschaffen. Zusätzlich wird die Durchführungsrichtlinie (EU) 2015/2392 zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014 hinsichtlich der Meldung tatsächlicher oder möglicher Verstöße gegen diese Verordnung, ABl. Nr. L 332 vom 18.12.2015 S. 126 umgesetzt.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Ursprünglich war die Umsetzung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinie 2002/92/EG und 2011/61/EU (im Folgenden: MiFID II), ABl. Nr. L 173 vom 12.06.2014 S. 349, in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 909/2014, ABl. Nr. L 257 vom 28.08.2014 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 74 vom 18.03.2015 S. 38, der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (im Folgenden: MiFIR), ABl. Nr. L 173 vom 12.06.2014 S. 84, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 270 vom 15.10.2015 S. 4, MAD (Marktmissbrauchsrichtlinie) und MAR (Marktmissbrauchsverordnung) als ein Gesamtpaket angedacht, da sich viele Bereiche jeweils darin überschneiden oder ergänzen. Aufgrund der Verzögerung der Veröffentlichung der Delegierten Rechtsakte und Technischen Regulierungsstandards (RTS) zu MiFID II und MiFIR, sowie der gemäß Art. 30 Abs. 1 MAR normierten Fallfrist, nach deren Ende (3. Juli 2016) es zumindest fraglich erscheint, ob die Mitgliedstaaten gerichtliche Straftatbestände für Insidervergehen und Marktmanipulation erlassen können, wurde die Umsetzung der MAD und MAR nun vorgezogen.

Durch das neue EU-Marktmissbrauchsregime werden Kernmaterien des Kapitalmarktrechts in Europa auf neue Füße gestellt. Insiderrecht, Ad hoc-Publizität, das Verbot der Marktmanipulation und die Veröffentlichung von Directors‘ Dealings sind nicht mehr durch einzelstaatliche Gesetze wie in Österreich durch das BörseG geregelt, sondern durch die in allen Mitgliedstaaten direkt geltenden Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung. Die Pflichten werden durch die Verordnung erweitert und die Sanktionen bei Verstößen drastisch verschärft, z.B. wird der Strafrahmen für juristische Personen bis zu 15% des Konzernumsatzes betragen (plus Abschöpfung eventueller Gewinne). Ergänzt wird die Verordnung durch eine in nationales Recht umzusetzende Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Insiderhandel und Marktmanipulation.

Sowohl die Richtlinie 2014/57/EU (Marktmissbrauchsrichtlinie; MAD) als auch die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Marktmissbrauchsverordnung, MAR) sehen für die Vornahme von Insidergeschäften bzw. Offenlegungen von Informationen sowie für Marktmanipulation Sanktionen vor.

Die verwaltungsrechtlichen Sanktionsbestimmungen der Marktmissbrauchsverordnung sind nicht unmittelbar anwendbar, sondern bedürfen einer nationalen Umsetzung (Art. 39 Abs. 3 der VO).

Die Marktmissbrauchsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten erstmals zwingend, für bestimmte „schwerwiegende Fälle“ gerichtliche Strafen vorzusehen (Art. 3, 4 und 5 sowie Erwägungsgrund 11). Den diesbezüglichen Verpflichtungen der MAR und der MAD soll durch die neuen §§ 48c, 48m und 48n nachgekommen werden. Zuständige Verwaltungsbehörde für den Vollzug der Marktmissbrauchsverordnung wird die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) sein.

Nach geltendem Recht sind Insidergeschäfte ausschließlich gerichtlich (§ 48b BörseG) und Marktmanipulation ausschließlich verwaltungsbehördlich strafbar (§ 48c BörseG). Diese Aufgabenverteilung zwischen Justiz (Strafgerichte und Staatsanwaltschaften) und Verwaltungsbehörden (FMA) kann wegen der Vorgaben der MAD nicht mehr beibehalten werden; es sind jedenfalls schwerwiegende Fälle von Marktmanipulation gerichtlich strafbar zu machen.

Der Entwurf schlägt vor, zwar bestimmte Erscheinungsformen der Marktmanipulation zur Gänze als Verwaltungsübertretungen auszugestalten (nämlich die in Art. 12 Abs. 1 lit. c und d MAR bzw. Art. 5 Abs. 2 lit. c und d MAD vorgesehenen Fälle), im Übrigen wird aber eine gerichtliche Strafbarkeit vorgeschlagen, wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten sind. Diese Lösung soll auch auf den Bereich des Insiderhandels übertragen werden.

Für die Abgrenzung zwischen gerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit wird für jene Fälle, denen Transaktionen zugrunde liegen, eine Abgrenzung nach der Höhe der Transaktion (1 Million Euro) vorgeschlagen; in den übrigen Fällen eine Abgrenzung nach der Höhe der Kursveränderung (mindestens 35 %), wobei das Vorliegen eines bestimmten Gesamtumsatzes (mindestens 10 Millionen Euro) kumulative Voraussetzung ist. Diese Kriterien werden deshalb vorgeschlagen, weil durch sie eine schon bei Beginn eines Verfahrens klare Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen Staatsanwaltschaft bzw. Gericht und FMA gewährleistet ist. Damit wird eine bewusste Abkehr von jenem Kriterium gewählt, das nicht nur im gesamten Vermögensstrafrecht, sondern auch im bisherigen Insidertatbestand höhere Strafdrohungen auslöst, nämlich dem erlangten Vermögensvorteil.

Im Einklang mit dem Grundsatz (und Grundrecht) ne bis in idem (Verbot der Doppelverfolgung und –bestrafung, Art. 4 7. Zusatzprotokoll zur EMRK; Art. 50 GRC) und Art. 30 Abs. 3 vorletzter Unterabsatz der Marktmissbrauchsverordnung sind nach § 22 Abs. 1 VStG bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen der gerichtlichen Straftatbestände in den §§ 48m, 48n keine verwaltungsrechtlichen Sanktionen zu verhängen.

Die Umsetzung des Art. 1 MAD (Anwendungsbereich) erfolgt durch § 48k, des Art. 2 MAD (Begriffsbestimmungen) durch § 48l und der Art. 3 bis 7 MAD durch die Straftatbestände in den §§ 48m und 48n.

Was die Höhe der angedrohten Freiheitsstrafen anlangt, beschränkt sich der Entwurf weitgehend darauf, die in der MAD vorgeschriebene Höhe zu übernehmen; eine etwas höhere Strafdrohung muss nur dort gewählt werden, wo die in der MAD vorgesehene Höhe dem österreichischen Strafrecht fremd ist: Dies betrifft die vorgesehene Freiheitsstrafe von vier Jahren, zu deren Umsetzung der Entwurf durchgehend und mit der im österreichischen Strafrecht gängigen Staffelung konform fünf Jahre vorschlägt (§ 48m Abs. 1, 2, 5 und 6; § 48n Abs. 1 und 2). Die im gesamten gerichtlichen Strafrecht übliche Staffelung – an die zahlreiche andere Bestimmungen z.B. des Allgemeinen Teils oder des Prozessrechts anknüpfen – ist erst kürzlich (mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2015) einer Revision unterzogen worden; aus diesem System sollte nicht ausgeschert werden.

Der Verpflichtung nach Art. 7 und 8 MAD, eine Strafbarkeit juristischer Personen vorzusehen, wird durch das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) nachgekommen, das auf sämtliche mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen anzuwenden ist (§ 1 Abs. 1 VbVG), also auch auf die §§ 48m und 48n.

Die Regelungen über die inländische Gerichtsbarkeit in Art. 10 MAD sind durch die geltenden Bestimmungen in §§ 62, 65 StGB umgesetzt.

 

Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 30. Juni 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Maximilian Unterrainer die Abgeordneten Mag. Andreas Zakostelsky und Mag. Werner Kogler.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Ing. Mag. Werner Groiß und Kai Jan Krainer einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Art. 1 (Änderung des Börsegesetzes 1989):

Abs. 2 sieht vor, dass der Emittent nicht zu bestrafen ist, falls dieser von der Führungskraft so spät die Meldung eines Eigengeschäfts gemäß Art. 19 MAR bekommt, dass er die Veröffentlichung dieser Meldung nicht innerhalb der vorgesehenen drei Geschäftstage ab dem Datum des Geschäfts vornehmen kann.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Ing. Mag. Werner Groiß und Kai Jan Krainer mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, dagegen: F, G, nicht anwesend: N, T) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2016 06 30

                     Mag. Maximilian Unterrainer                                             Ing. Mag. Werner Groiß

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann