Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Die Finanzausgleichspartner haben mit dem Österreichischen Stabilitätspakt 2012 (ÖStP 2012) erstmals eine Beschränkung der Haftungsübernahmen durch Haftungsobergrenzen vereinbart und in der Folge autonom umgesetzt. Die resultierende Diversität der Regelungen führte zu einer nicht intendierten Verringerung der gesamtstaatlichen Transparenz des Systems der Haftungsobergrenzen. Von dieser Ausgangslage her wollen die Finanzausgleichspartner das System der Haftungsobergrenzen in Richtung Transparenz, Vollständigkeit und über Gebietskörperschaftsgrenzen hinausgehend vergleichbare Darstellungen weiterentwickeln.

Dazu nutzen die Vertragsparteien Empfehlungen die der Rechnungshof anlässlich einer Prüfung der Haftungsobergrenzen im Bereich der Länder und Gemeinden (vgl. Bund 2015/7) erarbeitete.

Haftungen der Gebietskörperschaften nehmen für verschiedene Sektoren der Privatwirtschaft, aber auch des öffentlichen Sektors eine bedeutende Rolle ein. Zwischen den Finanzausgleichspartnern gibt es einen Grundkonsens über die grundsätzliche wirtschaftspolitische Bedeutung und Notwendigkeit von Haftungen der Gebietskörperschaften.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 – Harmonisierung der Haftungsobergrenzen

Es besteht Einvernehmen zwischen den Gebietskörperschaften, das in Art. 13 ÖStP 2012 grundgelegte System an Haftungsobergrenzen zu harmonisieren und transparent zu gestalten. Dazu wird diese Vereinbarung in der erforderlichen Regelungstiefe abgeschossen,

Zu Artikel 2 – Berechnung der HOG

Haftungen werden im Rechnungsabschluss ohne Gewichtung, mit dem Nominalwert ausgewiesen. Die Obergrenzen der Haftungen werden nach der vereinbarten einheitlichen Formel berechnet. Mit dieser Formel werden jeweils die Abgabeneinnahmen als Basis der Berechnung der Haftungsobergrenzen normiert. Die Landesumlage wird als Deckungsstock bei den Ländern wirksam und ist daher bei den Gemeinden auszuscheiden. Entsprechend dem ÖStP 2012 gelten die Obergrenzen für Gemeinden landesweise, das Land hat damit die Aufgabe die Haftungsübernahmen der Gemeinden zu koordinieren, um deren langfristige Tragfähigkeit sicher zu stellen. Die Bemessungsgrundlage für die Haftungsobergrenzen sind zur erleichterten Planung die jeweiligen Steuereinnahmen des vorvergangenen Jahres (t-2).

Zu Artikel 3 – Berechnungsfaktor

Der Faktor für die Haftungsobergrenze berücksichtigt durch die Bezugnahme auf die Abgabeneinnahmen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften.

Zu Artikel 4 – Anrechnung von Haftungen

(1) Für die Ermittlung des relevanten Haftungsstandes wird nach dieser Vereinbarung die Methodik der RL 85/2011 (EU) sowie des Final reports der Task Force on the implementations of Council Directive 2011/85 on the collection and dissemination of fiscal data und damit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Unterschied zu einer formalrechtlichen Betrachtungsweise angewendet. Diese EU-Methodik kommt dem Sinn des vereinbarten Systems der Haftungsobergrenzen – Vermeidung zu hohen Risikos durch zu hohe Haftungsstände – am nächsten und löst auch die Empfehlung des Rechnungshofes, die Vorgangsweise bei Doppelanrechnungen zu klären.

(2) Die Haftungen werden mit dem Nominalbetrag auf die Haftungsobergrenze angerechnet. Und umfassen Risikogruppen werden nach dieser Vereinbarung für die Anrechnung nicht gebildet, können aber nach anderen Rechtsvorschriften (insb. ÖStP 2012 bzw. VRV) zur Ermittlung von Rückstellungen als Vorsorgeelement verwendet werden.

(3) Gesamthandhaftungen können zur Ausweisung hoher Haftungsstände führen, denen jedoch durch die Risikostreuung auf alle gesamthandhaftenden Einheiten kein ebenso großes Risiko entgegensteht. Für die Anrechnung auf die Haftungsobergrenzen wird daher vereinbart, den jeweils auf die Gebietskörperschaft entfallenden Anteil anzurechnen.

(4) Im Zuge von Umklassifizierungen nach ESVG wurden in der Vergangenheit mehrfach institutionelle Einheiten anderen Sektoren nach ESVG zugeordnet. Zur Regelung der dann allenfalls nicht plan- und gestaltbar entstehenden Haftungsstände des Sektors Staat (S 13) nach ESVG wird vereinbart, solche Verwerfungen nicht als Überschreitungen zu werten, aber eine Reduktion unter die Obergrenze nach Maßgabe wirtschaftspolitischer Möglichkeiten binnen angemessener Frist anzustreben. Die den Entscheidungen zugrundeliegenden wirtschaftspolitischen Überlegungen werden im Österreichischen Koordinationskomitee darzulegen sein.

(5) Ausgliederungen, die im ESVG als institutionelle Einheiten des Sektors Staat (S 13) erfasst werden, sind von den Haftungsobergrenzen nach dieser Vereinbarung erfasst. Die Gebietskörperschaften haben die Aufgabe, die Haftungsübernahmen ihrer Ausgliederungen in den Haftungsobergrenzen zu erfassen und gegebenenfalls entsprechende Governancestrukturen zu implementieren, um dies gewährleisten zu können.

Zu Artikel 5 – Untergruppen

Als Gliederungselement innerhalb der Haftungsobergrenze vereinbaren die Gebietskörperschaften innerhalb der einheitlich berechneten Haftungsobergrenze Untergruppen jedenfalls für Bankenhaftungen, grundbücherlich besicherte Haftungen für Wohnbau-Darlehen und sonstige Wirtschaftshaftungen auszuweisen. Es steht jedem Vertragspartner frei, innerhalb der Gesamt-Obergrenze eigene Teil-Obergrenzen festzulegen. Aus Gründen der Transparenz ist es zu empfehlen, eine Überleitung zwischen Haftungsstand nach rechtlicher Betrachtungsweise und nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszuweisen.

Zu Artikel 6 – Aufgaben des Österreichischen Koordinationskomitees

(1) Als zentrales Forum der Haushaltskoordination von Bund, Ländern und Gemeinden ist nach Art. 14 ÖStP 2012 das Österreichische Koordinationskomitee aus den Vertretern der Gebietskörperschaften eingerichtet. Die Vertragspartner vereinbaren sich im Österreichischen Koordinationskomitee – ÖKK regelmäßig zum Risikomanagement auszutauschen.

(2) Theoretisch wäre es möglich (wenn auch unwahrscheinlich), dass Haftungsobergrenzen ohne Zutun der Gebietskörperschaft überschritten werden (Passivüberschreitungen). Mögliche Bsp. dafür sind Änderungen bei der Ermittlung der Höhe von Rückstellungen für Pensions-, Abfertigungs-, Jubiläumsgeld- und vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen nach den Vorschriften des UGB[1]; dramatischer Einbruch der Bemessungsgrundlage der HOG; Reklassifikation von außerbudgetären Einheiten (von NON-S.13 zu S.13 und vice versa); methodische Änderungen der Berechnung der Haftungsstände im Sinne der Fiskalrahmen-Richtlinie (RL 2011/85/EU) respektive methodische Änderungen des MGDD sowie daran anknüpfender Dokumente, welche Rückkopplungen auf die hier beschriebenen Haftungsstände haben. Zu bedenken ist auch, dass es sich bei Entscheidungen und Empfehlungen von Eurostat nicht um juristische, sondern statistische Entscheidungen handelt, gegen welche kein Rechtsmittel eingelegt werden kann.

Sollte es zu einem Überschreiten der Haftungsobergrenze kommen, werden – unabhängig von den Folgen nach Bundes- oder Landesrecht – die Ursachen hiefür im Österreichischen Koordinationsgremium diskutiert. Die Haftungen sind ohne unnötigen Verzug wieder auf einen Wert unter der Haftungsobergrenze zu reduzieren.

(3) Die Vertragspartner verpflichten sich – unbeschadet sonstiger Folgen nach Bundes- oder Landesrecht – eingetretene Überschreitungen ohne unnötigen Verzug wieder auf das vereinbarte Limit zu reduzieren. Um in einem solchen Fall wirtschaftspolitischen Erfordernissen Rechnung tragen zu können und gleichzeitig die vereinbarte Reduktion sicherzustellen, darf nur ein Teil – 20% – der in einem Jahr abreifenden Haftungen neu vergeben werden, bis die vereinbarte Haftungsobergrenze wieder erreicht ist. Ohne unnötigen Verzug bedeutet, dass bestehende rechtliche oder zwingende wirtschaftspolitische Erfordernisse zu berücksichtigen sind.

Zu Artikel 7 – Inkrafttreten

(1) und (2) Diese Bestimmungen enthalten die üblichen Regelungen über das Inkrafttreten und die Information durch das Bundeskanzleramt.

(3) und (4) Die Anwendung des neuen Systems einheitlicher Haftungsobergrenzen soll gleichzeitig mit der Anwendung der VRV 2015, also ab dem Jahr 2019, erfolgen. Bis dahin gilt als Übergangsregel, dass bei Haftungsständen, welche die neuen Obergrenzen überschreiten würden, abreifende Haftungen nur zu 20% neu vergeben werden, um den Eintritt in das neue System regelkonform zu ermöglichen. Es handelt sich hier um eine Sicherungsbestimmung, die nach dzt. Stand nicht ausgelöst wird.

Zu Artikel 8 – Hinterlegung

Diese Bestimmung enthält die üblichen Regelungen über die Hinterlegung der Urschrift beim Bundeskanzleramt.

Zu Artikel 9 – Geltungsdauer

Das System einheitlicher Haftungsobergrenzen ist wie die Grundlage der Regelung – der ÖStP 2012 – auf Dauer angelegt und gilt daher für unbestimmte Zeit.



[1] Siehe AFRAC-Stellungnahme vom Juni 2015:

http://www.afrac.at/wp-content/uploads/AFRAC_Personalr%C3%BCckstellungen_Juni_2015.pdf