1369 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (1255 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und die Rechtsanwaltsordnung geändert werden

Mit dem Erkenntnis VfGH 25.6.2015, G 7/2015, hat der Verfassungsgerichtshof § 40 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2016 in Kraft.

§ 40 VwGVG sieht vor, dass einem Beschuldigten – unter weiteren Voraussetzungen – im Verwaltungsstrafverfahren ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wird, wenn der Beschuldigte außerstande ist, die Kosten der Verteidigung zu tragen. § 40 (Abs. 1) VwGVG entspricht im Wesentlichen dem Art. 6 Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), BGBl. Nr. 210/1958. Diese Bestimmung sieht vor, dass jeder Angeklagte – unter weiteren Voraussetzungen – das Recht hat, unentgeltlich den Beistand eines Pflichtverteidigers zu erhalten.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beschränkt sich die EMRK jedoch nicht darauf, das Recht auf einen Pflichtverteidiger in Strafverfahren zu gewährleisten, sondern verpflichtet auch in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche – unter weiteren Voraussetzungen – zur Verfahrenshilfe. Unter Berufung auf diese Rechtsprechung wurde § 40 VwGVG vom Verfassungsgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, die Bestimmung schließe in unzulässiger Weise Verfahrenshilfe in Verfahren, die keine Verwaltungsstrafverfahren sind, aus.

Die Aufhebung des § 40 VwGVG durch den Verfassungsgerichtshof soll zum Anlass genommen werden, das Institut der Verfahrenshilfe im Verfahren der Verwaltungsgerichte neu zu regeln und einen Rechtszustand herzustellen, der der diesbezüglichen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Rechnung trägt.

Aus diesem Grund soll im 2. Hauptstück 1. Abschnitt VwGVG ein § 8a aufgenommen werden, der die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelt. Diese Verfahrenshilfe soll der Verfahrenshilfe im zivilgerichtlichen Verfahren entsprechen. Im Verwaltungsstrafverfahren soll – wie bisher – ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werden können. Es bedarf daher auch einer entsprechenden Anordnung im 3. Hauptstück 2. Abschnitt VwGVG (an Stelle des bisherigen § 40 VwGVG).

Die Änderungen sollen mit 1. Jänner 2017, also gleichzeitig mit der Aufhebung des § 40 VwGVG durch den Verfassungsgerichtshof in Kraft treten.

Gemäß Art. 136 Abs. 2 B‑VG wird das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt. Der Bund hat den Ländern Gelegenheit zu geben, an der Vorbereitung solcher Gesetzesvorhaben mitzuwirken. Aus diesem Grund hat eine Arbeitsgruppe, der Expertinnen und Experten der Länder und Vertreterinnen und Vertreter des Bundeskanzleramtes angehören, Textvorschläge des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst beraten. Der Entwurf entspricht grundsätzlich dem Ergebnis dieser Beratungen.

Im Begutachtungsverfahren war ua. angeregt worden, auch in anderen Verfahren als jenen in Verwaltungsstrafsachen die Möglichkeit vorzusehen, die Verhandlung zu schließen. Es wurde jedoch einerseits zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Übertragung der derzeit nur für das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen geltenden Regelung des § 47 Abs. 1 und 2 VwGVG auf andere Verfahren dem damit angestrebten Zweck der Vermeidung von Verfahrensverzögerungen nicht gerecht wird. Zur nahezu wortgleichen Vorgängerregelung des § 51h des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich ausgesprochen, dass „der ‚Schluss der Beweisaufnahme‘ im Sinne des § 51h Abs. 2 VStG nicht die Berücksichtigung allfälliger späterer, sich noch vor der Verkündung des Bescheides ergebender Beweise hindert. Gleiches hat für den Formalakt des ‚Schlusses der Verhandlung‘ gemäß § 51h Abs. 4 VStG zu gelten“. Von der Aufnahme eines von einer Partei angebotenen Beweises dürfe nur dann Abstand genommen werden, wenn der angebotene Beweis an sich nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern, also zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (vgl. VwGH 20.5.2003, 2002/02/0200 mwN). Andererseits wurden aber auch keine überzeugenden Gründe dafür vorgebracht, warum mit dem – gemäß § 17 VwGVG grundsätzlich auch im Verfahren der Verwaltungsgerichte anzuwendenden – § 39 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, nicht das Auslangen gefunden werden könnte. Der im Begutachtungsverfahren geäußerten Anregung wurde daher nicht entsprochen.

Kompetenzgrundlagen:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des vorgeschlagenen Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Verfassungsgerichtsbarkeit“; „Verwaltungsgerichtsbarkeit“) und Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG („Angelegenheiten der Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe“).

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 25. November 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Dr. Harald Troch die Abgeordneten Christoph Hagen, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Albert Steinhauser, Dr. Nikolaus Scherak und Dr. Georg Vetter sowie der Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Titel und Änderung der Rechtsanwaltsordnung:

Die in Art. 5 der Regierungsvorlage vorgeschlagene Änderung der Rechtsanwaltsordnung kann entfallen, da die betreffenden Bestimmungen Bestandteil einer anderen Regierungsvorlage, nämlich des Berufsrechts-Änderungsgesetzes 2016 – BRÄG 2016 (1346 d.B.), sind.

Zur Änderung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes:

Zu § 25 Abs. 6a, § 58 Abs. 4:

Legistische Korrektur: Art. 1 Z 6 der Regierungsvorlage hätte zur Folge, dass der bisherige § 25 Abs. 7 durch einen neuen § 25 Abs. 7 ersetzt wird. § 25 Abs. 7 VwGVG, der die Unmittelbarkeit des Verfahrens regelt, soll jedoch nicht aufgehoben werden. Vielmehr soll angeordnet werden, dass der Inhalt des in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen § 25 Abs. 7 als (neuer) Abs. 6a in § 25 eingefügt wird. Dies erfordert auch eine Anpassung der Inkrafttretensbestimmung.

Zur Änderung des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes:

Auch beim Bundesverwaltungsgericht sollen die Ausnahmen von der Sicherheitskontrolle gemäß § 4 GOG zur Anwendung gelangen.

Zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953:

Zu § 3a:

Auch im VfGG soll eine Regelung betreffend die Sicherheit im Amtsgebäude getroffen werden. Anders als im VwGG ist es jedoch nicht erforderlich, anzuordnen, dass die in den verwiesenen Bestimmungen des GOG vorgesehenen Befugnisse des Gerichtspräsidenten bzw. der Dienststellenleitung im Verfassungsgerichtshof allein dessen Präsidenten zukommen, da sich dies bereits aus § 95 VfGG sowie aus den in VfSlg. 15.762/2000 angestellten rechtsstaatlichen Überlegungen ergibt. Es ist auch nicht erforderlich, einen Hinweis darauf aufzunehmen, dass der Abschluss von Verträgen mit Sicherheitsunternehmen keiner Genehmigung des zuständigen Bundesministers (des Bundeskanzlers) bedarf, da der Präsident eines Höchstgerichtes zum Abschluss von Verträgen mit Sicherheitsunternehmen schon bisher keine Genehmigung des Bundeskanzlers benötigte.

Zu § 17 Abs. 3 Z 1 und § 19 Abs. 3 Z 4:

Sprachliche Korrekturen.

Zu § 18:

Legistische Korrekturen: § 18 VfGG wurde zuletzt durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 92/2014 geändert und nimmt auf § 62 Abs. 3 letzter Satz Bezug, der ebenfalls durch dieses Bundesgesetz geändert wurde. In § 94 Abs. 29 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 101/2014 wurde jedoch angeordnet, dass dieser § 62 Abs. 3 nicht in Kraft treten sollte; sein hier maßgeblicher Inhalt wurde in § 62 Abs. 2 letzter Satz geregelt. Es soll daher der Verweis richtiggestellt werden.

Zu § 20, § 22, Überschrift zu Abschnitt E des 2. Hauptstückes und § 83:

Legistische Korrekturen.

Zu § 71a Abs. 5:

Entspricht der Regierungsvorlage.

Zu § 82 Abs. 2:

Entspricht der Regierungsvorlage.

Zu § 82 Abs. 3a und 3b:

Entspricht der Regierungsvorlage.

Zu § 82 Abs. 5 letzter Satz:

Entspricht der Regierungsvorlage.

Zu § 94 Abs. 26 Z 1:

Legistische Korrektur: Beseitigung überflüssiger Klammerzeichen.

Zu § 94 Abs. 29 Z 1:

Legistische Korrektur: Die Inkrafttretensbestimmung geht hinsichtlich des § 20 Abs. 2 bis 5 ins Leere; dieses Zitat soll daher aus rechtsdokumentalistischen Gründen entfallen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, N, T, dagegen: G) beschlossen.

 

Weiters haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Maßnahmen zur Verhinderung der Verfahrensverschleppung eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, N, T, dagegen: G) beschlossen wurde.

 

Dieser Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Im Begutachtungsverfahren zum Ministerialentwurf betreffend die Änderung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes wurden auch einige Vorschläge zur Weiterentwicklung des diesbezüglichen Verfahrensrechts vorgebracht. So haben vor allem die Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichte in einer gemeinsamen Stellungnahme angeregt, neue Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr zu ermöglichen. Das Schließen der Verhandlung sollte demnach zur Konsequenz haben, dass nur noch neue Vorbringen erstattet werden können, welche ohne Verschulden der Parteien nicht bereits vor oder in der Verhandlung eingebracht wurden. Eine derartige Neuregelung wirft allerdings einige rechtspolitische Fragen auf und sollte daher vor einer Beschlussfassung gründlich vorbereitet werden.“


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2016 11 25

                                Dr. Harald Troch                                                             Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann