1426 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verkehrsausschusses

über den Antrag 1834/A(E) der Abgeordneten Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kontrolle der Abgasminderungseinrichtungen von Kraftfahrzeugen

Die Abgeordneten Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. September 2016 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In Österreich sind gut 7.000 vorzeitige Todesfälle durch Luftschadstoffe, die großteils aus Kfz-Abgasen stammen, zu beklagen, das sind rund 15- bis 20-mal so viele Todesopfer wie jährlich bei Verkehrsunfällen zu beklagen sind.

Die LandesumweltreferentInnenkonferenz hat bereits bei ihrer Tagung im Mai 2015 in Pörtschach am Wörthersee auf Antrag des Landes Wien folgenden Beschluss gefasst (Hervorhebung durch die Anfragesteller):

,Die LandesumweltreferentInnenkonferenz hält fest:

Abgasminderungseinrichtungen bei Kraftfahrzeugen stellen ein wesentliches Element in der Luftreinhaltung dar.

Aufgrund der leicht zugänglichen Methoden, in die Motorsteuerung einzugreifen (vgl. die vielfältigen Angebote im Internet zum Chip-Tuning), liegt nahe, dass von diesen Angeboten auch Gebrauch gemacht wird.

Der Herr Bundesminister für Verkehr, Infrastruktur und Technologie wird ersucht,  gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft folgende Themen kritisch zu hinterfragen:

-       ,Ist die derzeit gepflegte Praxis der Abgasüberprüfung von Diesel-Kfz geeignet, um die Funktionsfähigkeit der Abgasnachbehandlungssysteme von Diesel-Kfz hinreichend zu überprüfen?

-       Wurden auf österreichischen Straßen bereits Fahrzeuge registriert, bei denen verbotenerweise in das Motormanagement bzw. in die Abgasnachbehandlung eingegriffen wurde mit dem Ergebnis massiv erhöhter Luftschadstoffemissionen?

-       Wenn ja, existieren Informationen, die eine Quantifizierung hinsichtlich der Auswirkungen auf Flottenemissionen erlauben und damit eine qualitative Einschätzung des Handlungsbedarfs?

-       Welche konkreten Schritte werden gegen solche verbotenen Manipulationen gesetzt?‘

Die LandesumweltreferentInnenkonferenz ersucht den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in der Folge um Berichtlegung.‘

Die dahinterliegende Problemstellung ist folgendermaßen zu umreißen:

Der Verkehr verursacht zB im Jahr 2013 (Bezugsjahr der bislang letzten veröffentlichten Bundesländer-Luftschadstoffinventur des Umweltbundesamtes vom November 2015) 56 % der österreichischen Stickoxid/NOX-Emissionen sowie 20% der Feinststaub PM2.5-Emissionen und 18% der Feinstaub PM10-Emissionen. Ein großer Teil davon entfällt auf den Straßenverkehr. Die Gesamtemissionen des Straßenverkehrs werden neben dem Verkehrsaufkommen vor allem durch die Emissionen der Einzelfahrzeuge bestimmt, die durch Verordnungen der EU-Kommission reguliert werden (,Euro-Klassen‘), derzeit aktuell ist für PKW die Emissionsklasse EURO 6.

Emissionsreduktionen werden bei Diesel-Kfz im Wesentlichen durch die Motorsteuerung, den Einsatz von geschlossenen Dieselpartikelfiltersystemen sowie Einheiten zur Stickoxidreduktion unter Zudosierung einer Harnstofflösung bewirkt (selektive katalytische Reduktion, ,SCR‘). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein gegenüber früheren Euro-Klassen niedrigeres Emissionsniveau von modernen Kraftfahrzeugen nur im Fall funktionstüchtiger Abgasnachbehandlungssysteme überhaupt möglich ist, andernfalls steigen die Emissionen der Fahrzeuge massiv an.

Dieser Zusammenhang erfordert zur Sicherstellung der Wirksamkeit der emissionsmindernden Maßnahmen auch die Möglichkeit einer adäquaten (!) Überprüfung von Fahrzeugen, zB im Rahmen der wiederkehrenden Überprüfung gem. §57a des Kraftfahrgesetzes (KFG BGBl 1967/ 267 idgF) oder der Prüfung an Ort und Stelle gem. §58 KFG.

Zu bezweifeln ist, ob

-       der derzeitige Prüfumfang - so werden Stickoxide bei Diesel-Kfz gar nicht überprüft! - und

-       die derzeit (Prüf- und Begutachtungsstellenverordnung BGBl. II Nr. 78/1998) vorgeschriebene Prüfmethode der Trübungsmessung im Abgas von Dieselfahrzeugen als Hinweis auf die Partikelemissionen

den technischen Anforderungen bei modernen Kraftfahrzeugen und der Brisanz in Sachen Gesundheit hinreichend entsprechen.

Das gilt umso mehr, als u.a. über Internetvertriebe Gerätschaften einfach und zu sehr geringen Kosten zu erwerben sind, die manipulierend in die emissionsmindernde Hard- und Software der Fahrzeuge eingreifen. Entsprechende Beispiele sind den Ressorts BMLFUW und BMVIT nachweislich bekannt.

Dabei geht es beispielsweise um

a)     Geräte, die die Harnstoffzugabe für die Stickoxidreduktion ausschalten (‚Adblue – Emulator‘) oder reduzieren, mit dem Vorteil geringerer Betriebskosten.

b)     Außerdem wird verbreitet über Chiptuning in das Motormanagement eingegriffen, um z.B. die Leistung zu erhöhen, was regelmäßig Veränderungen des Verbrauchs und/oder des Emissionsverhaltens zur Folge hat.

c)     Auch das Entfernen bzw. Deaktivieren von Dieselpartikelfiltern zur Leistungssteigerung bei geringerem Verbrauch wird offen angeboten (siehe zB www.dpf-deaktivieren.at).

d)     Ebenso wird die Deaktivierung der Abgasrückführung und sogar die Deaktivierung von Katalysator/Lambdasonde kommerziell angeboten.

Hinsichtlich der Emissionen an Stickoxiden und Partikeln bewirken diese (verbotenen und wettbewerbsverzerrenden) Manipulationen massive Verschlechterungen.

Im Hinblick auf

-       die gravierende Gesundheits- und Umweltbelastung durch die erwähnten Schadstoffgruppen

sowie auf

-       die wegen europarechtswidrig zu hohen Emissionen und Immissionen bestehenden Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission (vgl. zB Pilotverfahren …), die letztlich bis zu Strafzahlungen der Republik Österreich führen könnten,

wäre

1.      zügigstmögliche Befassung mit den bereits im LandesumweltreferentInnenkonferenz-Beschluss vom Mai 2015 aufgeworfenen Fragen,

2.      zügigstmögliche Beantwortung bzw Berichtslegung und

3.      zügigstmögliches entsprechendes Tätigwerden

geboten.

Da bei den entsprechend manipulierten Fahrzeugen auch die Konformität mit der Typisierung nicht mehr gegeben ist, müssten auch aus diesem Titel entsprechende Kontrollen und vor allem entsprechende Maßnahmen (Strafen, Zulassungsentzug) getätigt werden.

Da Anbieter entsprechender Manipulations-Dienste auch Leistungen für Produkte aus dem Landmaschinen- und Baumaschinen-Segment anbieten (zB für in ,New Holland‘-Modellen verbaute Steuergeräte), wären über den Bereich der PKW und LNF hinaus auch in diesem Kraftfahrzeug-Segment (Mitzuständigkeit BMWFW) entsprechende Kontrollen und gegebenenfalls Sanktionen erforderlich.

Entgegen der klaren und sehr stichhaltig begründeten Beschlussfassung der LandesumweltreferentInnen im Mai 2015, trotz der spätestens seit September 2015 infolge des Abgas-/VW-Skandals hohen öffentlichen Aufmerksamkeit und trotz Nachfragen von Länderseite erfolgte bis zur Folgekonferenz im Juni 2016 in Wien keine Berichtslegung seitens der beiden angesprochenen Bundesminister für Umwelt bzw. Verkehr.

Auch zwei von den AntragstellerInnen an den Umwelt- und den Verkehrsminister gerichtete Parlamentarische Anfragen wurden aus diesem passiven Zugang heraus ausweichend und unter primärem Verweis darauf, wer sonst aller zuständig sein könnte, beantwortet.

Es wurde dann bei der LURK am 20.6.2016 vom anwesenden Umweltminister eine bis dahin offenbar nicht schriftlich zugegangene ,Stellungnahme‘ des BMVIT zum Thema verlesen (!), deren schriftliche Übermittlung vom Umweltminister zugesagt wurde.

Von Seiten des (2015 und aufgrund der Regierungs-Untätigkeit auch wieder 2016) antragstellenden Landes Wien wurde bei der Konferenz am 20.6.2016 nochmals die Problematik erläutert und wörtlich unterstrichen, dass es sich dabei um ein offensichtlich brennendes Problem handle, das in den Griff zu bekommen sei.

Die LandesumweltreferentInnenkonferenz war angesichts dessen und der fehlenden Lösungsbereitschaft von Bundesregierungsseite am 20.6.2016 zu einem erneuten Beschluss gezwungen. Dieser lautet folgendermaßen:

,Die LandesumweltreferentInnenkonferenz ersucht den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und den Herrn Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie neuerlich um Berichtlegung im Sinne des Beschlusses der LandesumweltreferentInnenkonferenz vom 29. Mai 2015 betreffend eine wirkungsvolle Kontrolle der Abgasminderungseinrichtungen von Kraftfahrzeugen sowie darüber, welche Maßnahmen gesetzt werden, um derartige Manipulationen künftig wirkungsvoll zu unterbinden.‘“

 

Der Verkehrsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 7. Dezember 2016 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller die Abgeordneten Georg Willi, Christian Hafenecker, MA sowie der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: G, N, dagegen: S, V, F, T).

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2016 12 07

            Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller                                               Anton Heinzl

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann