Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die Vereinbarung über die Durchführung von Artikel 13 Abs. 1 lit. c und Kapitel VI des Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Lichtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (im Folgenden: Durchführungsvereinbarung) hat gesetzesändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Sie hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung der Durchführungsvereinbarung im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass diese Durchführungsvereinbarung durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, abzuschließen. Da durch die Durchführungsvereinbarung Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG.

Am 4. Juni 2012 wurde der Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit unterzeichnet (im Folgenden: Vertrag). Dieser ist eine Weiterentwicklung des am 27. April 1999 unterzeichneten Vertrages zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (BGBl. III Nr. 120/2001), die insbesondere aufgrund der Beteiligung der Schweiz und Liechtensteins an der Schengener Zusammenarbeit notwendig wurde.

Neben bereits bestehenden Regelungen zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit (grenzüberschreitende Nacheile, grenzüberschreitende Observation, kontrollierte Lieferung, verdeckte Ermittlungen u.a.) enthält der neue Polizeikooperationsvertrag in Art. 13 Abs. 1 lit. c und in Kapitel VI („Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs“) Bestimmungen über die Zusammenarbeit zur Verfolgung von Verkehrsdelikten. Diese Bestimmungen sehen folgende Formen der Zusammenarbeit vor:

a.      automatisierter Halterdatenaustausch (Art. 40 Abs. 1 iVm Art. 13 Abs. 1 lit. c);

b.     Ausforschung und Vernehmung des Lenkers (Art. 40 Abs. 2);

c.      Übersendung und Zustellung von amtlichen Schriftstücken (Art. 41);

d.     Vollstreckungshilfe (Art. 42 – 45).

Gemäß Art. 13 Abs. 4 und Art. 47 des Vertrages war für die verwaltungsmäßige und technische Durchführung der Zusammenarbeit zur Verfolgung von Verkehrsdelikten von den Vertragsstaaten eine trilaterale Vereinbarung zu schließen. Am 10. September 2015 wurde die Durchführungsvereinbarung unterzeichnet.

Mit der Umsetzung von Kapitel VI des Vertrages und der Durchführungsvereinbarung sind höhere einmalige und laufende Kosten verbunden. Nachdem die zusätzlichen Einnahmen aus der grenzüberschreitenden Verfolgung von Verkehrsdelikten nach heutigem Gesichtspunkt die finanziellen Erfordernisse für die Umsetzung des Vertrages erheblich übersteigen werden, wäre der tatsächliche Verwaltungsaufwand im Zuge der Umsetzung – so wie im Regierungsprogramm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode im Kapitel Inneres, Justiz, Landesverteidigung unter Punkt D.5. Verkehrssicherheit festgelegt – bei der Verteilung der Strafgeldeinnahmen entsprechend zu berücksichtigen. Des Weiteren wird es durch den Vertrag zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit kommen, die zu einer Ersparnis der Folgekosten aus Verkehrsunfällen führen wird.

Die in Kapitel VI vereinbarten Formen der Zusammenarbeit zur Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Straßenverkehrs stellen Bestimmungen der Amts- und Rechtshilfe dar. Vergleichbare Formen der Zusammenarbeit finden sich in verschiedenen Rechtsakten der EU, zu denen die Schweiz und Liechtenstein jedoch keine Vertragsparteien sind.

Besonderer Teil

Kapitel I – Allgemeines

Zu Art. 1 (Anwendungsbereich)

Dieser Artikel bezieht sich auf die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten im Falle von Zuwiderhandlungen im Bereich der straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften gemäß Artikel VI des Vertrages 2012.

Zu Art. 2 (Anwendbare Rechtsvorschriften)

Dieser Artikel dient dazu, den Anwendungsbereich des Vertrages dahingehend zu konkretisieren, als dieser Vertrag im Sinne der Gegenseitigkeit jedenfalls auch bei Zuwiderhandlungen, die den ruhenden Verkehr bzw. Parkdelikte betreffen, anzuwenden ist (in CH sind Parkzonen bzw. Kurzparkzonen straßenpolizeiliche Delikte). Dies ungeachtet dessen, ob es sich hierbei um (gebührenpflichtige bzw. nicht gebührenpflichtige) Kurzparkzonendelikte oder um Übertretungen nach den Bestimmungen betreffend (gebührenpflichtige bzw. nicht gebührenpflichtige) Parkzonen handelt.

Kapitel II – Datenaustausch

Zu Art. 3 (Elektronischer Fahrzeug- und Halterdatenaustausch)

Zur Verfolgung von Straßenverkehrsdelikten soll ein automatisiertes Anfrage- und Auskunftsverfahren eingerichtet werden, welches analog dem elektronischen Kfz-Halterdatenaustausch iSd Richtlinie 2015/413/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte (CBE-Richtlinie) konzipiert ist.

Art. 3 verweist explizit darauf, dass im Falle von Zuwiderhandlungen gegen die straßenpolizeilichen bzw. kraftfahrrechtlichen Vorschriften die elektronische Zulassungsbesitzerabfrage bzw. Halterabfrage nicht in einem on-line Verfahren (Einzelabfrage in Echtzeit), sondern nur in einem sogen. Batch-Verfahren (asynchrone Sammelabfrage von mehreren Kennzeichen) durchgeführt werden kann. Die angefragten Zulassungsbesitzerdaten werden daher zeitversetzt übermittelt.

Abs. 2 weist darauf hin, dass die elektronischen Zulassungsbesitzerabfragen im Wege der jeweils zuständigen nationalen Stellen zu erfolgen haben. In Österreich fungiert die nationale Kontaktstelle gemäß Richtlinie 2015/413/EU (§ 47a KFG) als zuständige nationale Stelle im Sinne des Vertrages (§ 47a Abs. 7 KFG).

Zu Art. 4 (Abruf der Daten)

Art. 4 Abs. 1 der Durchführungsvereinbarung hält fest, mit welchem Suchargument die elektronische Zulassungsbesitzerabfrage respektive Halterabfrage iS des Kapitel VI des Vertrages vorzunehmen ist. Die Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) ist als Suchargument für die elektronische Zulassungsbesitzerabfrage bei Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nicht vorgesehen.

Absatz 2 verweist darauf, welche rechtlichen Voraussetzungen für eine rechtskonforme Zulassungsbesitzerabfrage iS des Vertrages zu berücksichtigen sind.

Zu Art. 5 (Datenspiegel)

Im Datenspiegel sind jene fahrzeugspezifischen sowie personenbezogenen Daten gelistet, die die Vertragsstaaten im Falle einer elektronischen Zulassungsbesitzerabfrage austauschen können. Darüber hinaus werden bei elektronischen Zulassungsdatenabfragen iS des Kapitels VI des Vertrages keine personenbezogenen Daten ausgetauscht.

Zu Art. 6 (Datenschutz beim elektronischen Fahrzeug- und Halterdatenaustausch)

Abs. 1 verweist darauf, dass bei Zulassungsdatenabfragen lediglich jene Datenbanken abgefragt werden, die auch für die Abfrage von Zulassungsdaten auf der jeweiligen nationalen Ebene vorgesehen sind.

Abs. 2 legt für die Datenspeicherung eine maximale Speicherungsdauer fest. Fünf Jahre nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens sind die übermittelten Daten jedenfalls zu löschen. Jedoch kann das jeweilige nationale Recht entsprechend kürzere Löschungsfristen vorsehen und wäre dann ggf. dem nationalen Recht der Vorrang einzuräumen. In Österreich sind dies gemäß § 47a Abs. 5 KFG drei Jahre.

Abs. 3 sieht Protokollierungsvorschriften im Zusammenhang mit automatisationsunterstützten Zulassungsdatenabfragen vor und verweist speziell auf Art. 52 des Vertrages. Dieser sieht einen Mindestinhalt der Protokolldaten als auch eine Mindestdauer für die Aufbewahrung der Protokollaufzeichnungen vor.

Ergänzend zu Art. 6 (Abs. 3 letzter Satz) wurden seitens der Schweiz und Liechtensteins offizielle datenschutzrechtliche Zusatzerklärungen dahingehend abgegeben, dass in der Schweiz und in Liechtenstein jeweils sichergestellt ist, dass in Bezug auf Abrufe im österreichischen Fahrzeugregister, welche in einem sog. Batch-Verfahren erfolgen, nachträglich festgestellt werden kann, welcher Beamte den Abruf getätigt bzw. veranlasst hat.

Kapitel III – Nachermittlungen und Vollstreckung

Zu Art. 7 (Lenkerermittlung und Lenkerbefragung)

Abs. 1 legt fest, dass die in Art. 40 des Vertrages vorgesehene Zusammenarbeit (Lenkerermittlung) im direkten Behördenverkehr zu erfolgen hat. In Österreich sind die zuständigen Behörden die Landespolizeidirektionen und die Bezirksverwaltungsbehörden.

Abs. 2 verweist darauf, dass bei der sogenannten grenzüberschreitenden Amtshilfe das jeweilige nationale Recht des um Amtshilfe ersuchten Vertragsstaates zur Anwendung kommt.

Abs. 3 sieht vor, dass die jeweilige Amtshilfemaßnahme erst dann angefordert werden darf, wenn der verfahrensführende Vertragsstaat bereits selbst einen solchen Ermittlungsschritt gesetzt hat, dieser jedoch ergebnislos geblieben ist.

Zu Art. 8 (Vollstreckungshilfe)

Dieser Artikel nimmt darauf Bezug, dass auch bei Vollstreckungsersuchen der direkte Behördenverkehr zur Anwendung kommt.

Kapitel IV – Schlussbestimmungen

Zu Art. 9 (Elektronischer Datenaustausch mit dem Fürstentum Liechtenstein)

Dieser Artikel verweist lediglich darauf, dass der automatisationsunterstützte Zulassungsbesitzerdatenaustausch mit dem Fürstentum Liechtenstein auf Grund der technischen und administrativen Voraussetzungen über die dafür zuständige schweizerische Stelle erfolgt.

Zu Art. 10 (Inkrafttreten)

In Abs. 1 dieses Artikels wird auf den Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Vertrages hingewiesen.

In Abs. 2 wird darauf verwiesen, dass mit dem Außerkraftreten des Vertrages auch die für den Vertrag geltende Durchführungsvereinbarung außer Kraft gesetzt wird.