1493 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 759/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Herkunftslandprinzip bei der Mindestsicherung

Die Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 5. November 2014 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Nach Art 4 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist der anspruchsberechtigte Personenkreis folgendermaßen umschrieben:

Artikel 4

Personenkreis

(1) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind vorbehaltlich des Abs. 3 für alle Personen für die Dauer ihres gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland vorzusehen, die nicht in der Lage sind, die in Art. 3 genannten Bedarfsbereiche zu decken.

(2) Volljährigen Personen stehen ein eigenes Antragsrecht und eine Parteistellung im Verfahren zu. Diese Rechte dürfen nicht eingeschränkt werden, es sei denn, die Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung werden nur als Annex zu einer sozialversicherungs- oder versorgungsrechtlichen Leistung erbracht, die einer anderen Person gebührt. Personen nach Abs. 1 dürfen dennoch Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auch im Namen der mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden, ihnen gegenüber unterhaltsberechtigten oder mit ihnen in Lebensgemeinschaft lebenden Personen geltend machen.

(3) Rechtsansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind für alle Personen vorzusehen, die zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind. Dazu gehören jedenfalls

1.

österreichische Staatsangehörige einschließlich ihrer Familienangehörigen;

2.

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte;

3.

EU-/EWR-BürgerInnen, Schweizer Staatsangehörige und deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden;

4.

Personen mit einem Aufenthaltstitel ‚Daueraufenthalt-EG‘ oder ‚Daueraufenthalt–Familienangehörige‘;

5.

Personen mit einem Niederlassungsnachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung.

(4) Kein dauernder Aufenthalt im Sinne des Abs. 3 liegt insbesondere bei nichterwerbstätigen EU­/EWR-BürgerInnen und Schweizer Staatsangehörigen und deren Familienangehörigen, jeweils in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes, AsylwerberInnen sowie bei Personen vor, die auf Grund eines Reisevisums oder ohne Sichtvermerk einreisen (TouristInnen) durften. Die Verpflichtungen aus der Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B-VG (BGBl. I Nr. 80/2004) bleiben unberührt

Nach Art 10 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung sind die Mindeststandards des Leistungsumfangs folgendermaßen umschrieben:

Artikel 10

Mindeststandards

(1) Die Länder gewährleisten nach Maßgabe des Art. 4 dieser Vereinbarung monatliche Geldleistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes (Art. 3 Abs. 1) und des angemessenen Wohnbedarfes (Art. 3 Abs. 2) als Mindeststandards.

(2) Ausgangswert ist der für alleinstehende AusgleichszulagenbezieherInnen monatlich vorgesehene Betrag abzüglich des davon einzubehaltenden Beitrages zur Krankenversicherung. Dieser Mindeststandard gilt für Alleinstehende und AlleinerzieherInnen.

(3) Die Mindeststandards für andere Personen betragen folgende Prozentsätze des Ausgangswertes nach Abs. 2:

1.

für volljährige Personen, die mit anderen Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben:

a)

pro Person

75%;

b)

ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person, wenn diese einer anderen Person im gemeinsamen Haushalt gegenüber unterhaltsberechtigt ist

50%;

2.

für minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht und die mit zumindest einem Volljährigen im gemeinsamen Haushalt leben:

a)

für das älteste, zweit- und drittälteste dieser Kinder

18%,

b)

ab dem viertältesten Kind

15%.

(4) Die Mindeststandards nach Abs. 2 und 3 sind 12 Mal pro Jahr zu gewährleisten.

(5) Die Mindeststandards nach Abs. 2 bis 4 werden zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem gleichen Prozentsatz erhöht wie die Ausgleichszulagenrichtsätze.

(6) Geldleistungen nach Abs. 2 bis 4 können ausnahmsweise bescheidmäßig durch Sachleistungen ersetzt werden, wenn dadurch eine den Zielen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung dienende Deckung des Lebensunterhaltes besser erreicht werden kann.

Durch diese großzügige Regelung für Personen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft werden diese und ihre Angehörigen eingeladen, nach Österreich zu kommen, um hier kurz-, mittel- oder langfristig ihren Lebensunterhalt über die Mindestsicherung zu finanzieren. Dies macht Österreich zum einem Land, das für Einwanderungsbewegungen in den Sozialstaat äußerst attraktiv macht. Vor allem seit der EU­Ostöffnung für Bulgarien und Rumänien kann es dazu zu zusätzlichen Wanderungsbewegungen kommen.

Gleichzeitig stieg die Zahl jener Bezieher von Mindestsicherung, die gleichzeitig einen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung erhalten in der Zeitspanne 2010 bis 2013 überaus stark an. Dies geht mit einer starken Erhöhung der Arbeitslosigkeit in Österreich, die derzeit rund 400.000 Personen umfasst und zur Jahreswende 2014/2015 die 500.000 Personen-Grenze erreichen kann, einher.

Um die ungezügelte Einwanderung in den österreichischen Arbeitsmarkt und das österreichische Sozialsystem durch Einwohner aus EU-/EWR-Mitgliedsstaaten sowie Drittstaaten zu verhindern, sollte man bei den Transferleistungen aus der Mindestsicherung daher bundesweit auf das Herkunftslandprinzip abstellen. Dieses Herkunftslandprinzip sollte sich an der Höhe der in den jeweiligen Herkunftsländern durchschnittlichen Lebenshaltungskosten orientieren.

Die folgende Tabelle, in welcher die Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte in einzelnen Mitgliedstaaten im Jahr 2012 verglichen werden, veranschaulicht sehr deutlich die im Vergleich zu Österreich wesentlich niedrigeren Lebenshaltungskosten etwa in den potentiellen Zuwanderungsländern Bulgarien und Rumänien.

 

EU-28

100

Österreich

105,50

Bulgarien

48,30!

Rumänien

55,40!

Slowakei

70,40

Polen

56,70

Slowenien

82,90

 

Die europäische Sozialpolitik ist kompetenzrechtlich gemäß Art. 4 Abs. 2 Z. b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine von der Union mit den Mitgliedstaaten geteilte Zuständigkeit hinsichtlich der im AEUV genannten Aspekte. Diese finden sich konkret im Titel X Sozialpolitik, Art. 151-161 AEUV.

Maßgeblich ist hier insbesondere Art. 153 AEUV, der die Zuständigkeiten der Union und der Mitgliedsstaaten darlegt.

Abs. 4 leg.cit. lautet: Die aufgrund dieses Artikels erlassenen Bestimmungen

— berühren nicht die anerkannte Befugnis der Mitgliedstaaten, die Grundprinzipien ihres Systems der sozialen Sicherheit festzulegen, und dürfen das finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme nicht erheblich beeinträchtigen;

— hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit den Verträgen vereinbar sind.

Über die sozialpolitischen Regelungen im AEUV hinausgehend, kann die Union intergouvernemental gemäß Art. 5 Abs. 3 AEUV lediglich Initiativen zur Koordinierung der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten ergreifen.

Aus ökonomischer Sicht ist das Herkunftslandprinzip für den Arbeitsmarkt und Sozialstaat das Äquivalent für das Ursprungslandprinzip für die Gütermärkte in der Europäischen Union. Das Herkunftslandprinzip sollte daher das bisher geltende Beschäftigungs- bzw. Wohnsitzlandprinzip ablösen. Man vollzieht also auf der Basis der gegenseitigen Anerkennung, dem Fundamentalprinzip für den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsaustausch, dieses Herkunftslandprinzip beim Arbeitsmarkt und bei Sozialleistungen nach.

Wenn die Europäische Union das Ursprungslandprinzip für die Gütermärkte vorsieht, dann mündet dies geradezu im Herkunftslandprinzip auf den Arbeitsmärkten und im Sozialstaat: Importiere Güter und Dienstleistungen sind auf Basis der Arbeits- und Sozialbedingungen der jeweils exportierenden Länder produziert worden.

Die dort hergestellten Waren und Dienstleistungen inkorporieren geradezu die Herkunftslandsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt und in der sozialen Versorgung.

Daraus folgt, dass das Herkunftslandprinzip die EU-Rechtskonformität erfüllt.

Das Herkunftslandprinzip kann in zwei Varianten ausgestaltet werden: Das Herkunftsland gewährt den ‚Wanderarbeitnehmern‘ die einschlägigen Sozialleistungen gemäß dem dort herrschenden Niveau oder das Beschäftigungs- und Aufenthaltsland gewährt die entsprechenden Leistungen gemäß dem Niveau des Herkunftslandes.

Um auf die dynamische Entwicklung auf den Arbeitsmärkten und im Sozialstaat zu reagieren, sollte weiters die Möglichkeit zeitlicher Befristungen bzw. Übergangsbestimmungen für einzelne Herkunftsländer geschaffen werden.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag erstmals in seiner Sitzung am 3. Dezember 2014 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Erwin Spindelberger, Mag. Judith Schwentner, Walter Schopf, Mag. Gertrude Aubauer, Ing. Waltraud Dietrich, August Wöginger und Ing. Markus Vogl sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Die Verhandlungen wurden am 12. Februar 2015 wieder aufgenommen und es meldeten sich die Abgeordneten Werner Neubauer, Mag. Judith Schwentner, Peter Wurm, Martina Diesner-Wais, Mag. Gerald Loacker, Ing. Waltraud Dietrich und Mag. Birgit Schatz sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer zu Wort. Die Verhandlungen wurden wiederum vertagt.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag abermals in seiner Sitzung am 15. April 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Rainer Wimmer, Mag. Michael Hammer, Mag. Judith Schwentner, Johann Hechtl, Johann Höfinger, Herbert Kickl, Gabriel Obernosterer, Mag. Gerald Loacker, Mag. Birgit Schatz, Ulrike Königsberger­Ludwig, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Josef Muchitsch sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

In der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 3. Dezember 2015 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Dr. Angelika Winzig, Herbert Kickl, Ulrike Königsberger-Ludwig, Ing. Waltraud Dietrich, Mag. Birgit Schatz, Mag. Gerald Loacker, Johann Hechtl, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Peter Wurm sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer das Wort. Die Verhandlungen wurden vertagt.

Die Verhandlungen wurden vom Ausschuss für Arbeit und Soziales am 10. März 2016 erneut aufgenommen und es meldeten sich die Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Johann Hechtl, Johann Höfinger, Ing. Waltraud Dietrich, Johann Hell, Peter Wurm, Mag. Gerald Loacker, Dr. Angelika Winzig, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Josef Muchitsch und Carmen Schimanek zu Wort. Die Verhandlungen wurden wiederum vertagt.

Am 28. Juni 2016 nahm der Ausschuss für Arbeit und Soziales die Verhandlungen zum gegenständlichen Entschließungsantrag erneut auf. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Mag. Judith Schwentner, Erwin Spindelberger, Peter Wurm, Ulrike Königsberger-Ludwig, August Wöginger, Mag. Gerald Loacker, Ing. Markus Vogl, Karl Öllinger und Josef Muchitsch sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Schließlich wurden die Verhandlungen in der Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 15. Februar 2017 wieder aufgenommen. In der Debatte ergriffen die Abgeordneten Johann Höfinger, Mag. Birgit Schatz, Peter Wurm, Mag. Gerald Loacker, Mag. Helene Jarmer, Herbert Kickl, Ulrike Königsberger-Ludwig und Ing. Mag. Werner Groiß sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé das Wort.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F, T, dagegen: S, V, G, N).

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Michael Hammer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2017 02 15

                           Mag. Michael Hammer                                                         August Wöginger

                                   Berichterstatter                                                                Obmann-Stellvertreter