1598 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1343/A(E) der Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung zu Hartz IV im Zusammenhang mit der österreichischen Regelung der bedarfsorientierten Mindestsicherung

Die Abgeordneten Herbert Kickl, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 23. September 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In den deutschen Medien wurde die Entscheidung des EuGH von September 2015 zur Frage der Verweigerung von Hartz IV Leistungen an EU-Bürger auszugsweise folgendermaßen rezipiert:

‚Was hat der Europäische Gerichtshof bislang gesagt?

EuGH hat bereits 2014 entschieden: EU-Bürger dürfen von Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn sie gar nicht erst vorhaben, nach Arbeit zu suchen. Im damaligen Fall habe Deutschland einer in Leipzig lebenden Rumänin zu Recht Hartz IV verwehrt. Sie hatte sich niemals um Arbeit bemüht.

Was ist der Unterschied im aktuellen Fall?

Der 2014 entschiedene Fall war vergleichsweise einfach, weil die Klägerin ganz offensichtlich nicht nach Arbeit gesucht hatte. In diesen Fällen ist die EU-Unionsbürger-Richtlinie eindeutig. Aber es gibt noch weitere Konstellationen. Wie ist es zum Beispiel mit EU-Bürgern, die sich in Deutschland mit Kurzzeitjobs über Wasser halten, die hier also schon - zumindest zeitweise - gearbeitet haben? Um diese Frage ging es im aktuellen Fall einer aus Bosnien stammenden Frau, die inzwischen die schwedische Staatsbürgerschaft hat und mit ihren drei Kindern in Deutschland lebt. Die Kinder sind hier zur Welt gekommen. Die Mutter und die älteste Tochter hatten zwischen Sommer 2010 und Frühjahr 2011 immer wieder kurzzeitig gearbeitet. Für einige Monate hatten sie auch Hartz IV erhalten, aber dann griff die deutsche Ausschlussklausel. Der Fall ging vor Gericht.

Was hat der EuGH-Generalanwalt zum aktuellen Fall vorgeschlagen?

In seinem Schlussantrag, einer Art Gutachten für das Gericht, hatte der Generalanwalt drei Fälle unterschieden:

Fall 1: Ein EU-Ausländer reist ein, will aber gar nicht arbeiten. Hier sei ein Ausschluss von den Sozialleistungen gerechtfertigt. So hatte es der EuGH schon entschieden.

Fall 2: Ein EU-Ausländer reist ein und sucht Arbeit, hat aber noch keine gefunden. Auch hier ist ein Ausschluss gerechtfertigt.

Fall 3: In dieser Konstellation geht es darum, dass der EU-Bürger nicht nur Arbeit gesucht hat. Ein EU­Ausländer reist ein und bleibt hier länger als drei Monate. Er arbeitet kurzzeitig, verliert aber seinen Job vor Ablauf eines Jahres. Dann verstoße es gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn der EU-Bürger automatisch von den Sozialleistungen wie Hartz IV ausgeschlossen werde. Zumindest müsste in diesen Fällen genau geprüft werden, ob der betreffende EU-Bürger eine tatsächliche Verbindung zum aufnehmenden Staat nachweisen könne. Die kurzzeitige Arbeit und die familiäre Situation seien dafür wichtige Kriterien.



Was hat der EuGH nun entschieden?

Der EuGH fährt in seinem Urteil eine restriktivere Linie als der Generalanwalt. Einig sind sich beide in Fall 2. Hier sei ein Ausschluss von Hartz IV gerechtfertigt.

Für EU-Bürger, die hier schon kurzzeitig gearbeitet haben (Fall 3), setzt der Gerichtshof aber enge Grenzen. Wer nach einem Kurzzeitjob arbeitslos geworden ist, behält seine Eigenschaft als ‚Erwerbstätiger‘ noch für sechs Monate. Für diese Zeit gibt es einen Anspruch auf Hartz IV. Danach nicht mehr. Es reicht die Prüfung durch die Behörden, ob der EU-Bürger kurzzeitig gearbeitet hat und aktuell Arbeit sucht. Dann gibt es Hartz IV für sechs Monate. Eine weitergehende individuelle Prüfung des Einzelfalles ist nicht erforderlich, sagt der Gerichtshof. (tagesschau.de vom 15.09.2015)‘“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag erstmals in seiner Sitzung am 8. Oktober 2015 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein die Abgeordneten Peter Wurm, Ing. Mag. Werner Groiß, Mag. Michael Hammer, Mag. Judith Schwentner, Angela Fichtinger, Mag. Gerald Loacker und Ing. Markus Vogl sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer. Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt.

Die Verhandlungen wurden am 28. Juni 2016 wieder aufgenommen und es meldeten sich die Abgeordneten Ing. Waltraud Dietrich, Mag. Judith Schwentner, Erwin Spindelberger, Peter Wurm, Ulrike Königsberger-Ludwig, August Wöginger, Mag. Gerald Loacker, Ing. Markus Vogl, Karl Öllinger und Josef Muchitsch sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé zu Wort. Im Anschluss wurden die Verhandlungen erneut vertagt.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag abermals in seiner Sitzung am 6. April 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Gertrude Aubauer, Mag. Alev Korun, Mag. Gerald Loacker, Mag. Judith Schwentner, Mag. Birgit Schatz, Herbert Kickl, Peter Wurm, Ing. Waltraud Dietrich, Johann Hechtl, Josef Muchitsch, August Wöginger, Ulrike Königsberger-Ludwig und Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit (für den Antrag: F, T, dagegen: S, V, G, N).

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2017 04 06

                          Mag. Gertrude Aubauer                                                          Josef Muchitsch

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann