1604 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (1478 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über soziale Sicherheit

Allgemeine Überlegungen

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über soziale Sicherheit hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

1.            Werdegang des Abkommens

Die Republik Albanien hat in den letzten Jahren mit einigen europäischen Staaten Abkommen über soziale Sicherheit abgeschlossen wie zB mit Belgien, Deutschland, Rumänien, Ungarn und Luxemburg. 2014 trat die Republik Albanien mit dem Wunsch nach Abschluss eines Abkommens an die Republik Österreich heran. Gespräche auf Expertenebene wurden im Februar 2015 begonnen und im November 2015 erfolgreich abgeschlossen.

Aus albanischer Sicht wurde ein umfassendes Abkommen angestrebt, das – so wie zB das österreichisch-serbische Abkommen über soziale Sicherheit (BGBl. III Nr. 155/2012) – Regelungen für alle Zweige der Sozialversicherung vorsieht und zwar hinsichtlich der Kranken- und Unfallversicherung sowohl in Bezug auf die Gewährung von Sach- als auch von Geldleistungen. Im Hinblick auf die mit anderen Staaten außerhalb der EU von der Republik Österreich gemachten Erfahrungen mit umfassenden Regelungen über die Sachleistungsaushilfe (zB Streitigkeiten über die Auslegung einzelner Bestimmungen zum Nachteil der versicherten Personen, Verzögerungen bei der Kostenerstattung) konnte von der Republik Österreich solchen umfassenden Regelungen zunächst nicht zugestimmt werden. Eine Rolle hat bei dieser Entscheidung auch gespielt, dass Deutschland in seinem Abkommen mit der Republik Albanien vom 23.9.2015 ebenfalls keine Regelungen betreffend die Kranken- und Unfallversicherung aufgenommen hat. Sollte sich allerdings in Zukunft herausstellen, dass die Republik Albanien mit anderen Staaten auch Abkommen schließt, die Regelungen betreffend die Gewährung von Sachleistungen enthalten und die in der praktischen Anwendung keine Probleme bereiten, kann auch von der Republik Österreich eine entsprechende Revision des Abkommens überlegt werden. Damit könnte dann dem von der Bundesarbeitskammer im Zuge des Begutachtungsverfahrens geäußerten Wunsch nach einem uneingeschränkten Abkommen Rechnung getragen werden.

2.            Das Abkommen im Allgemeinen

Der vorliegende Entwurf des Abkommens bezieht sich daher aus leistungsrechtlicher Sicht nur auf die Geldleistungen der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung und regelt darüber hinaus auch noch die anzuwendenden Rechtsvorschriften bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit.

Durch die Aufnahme auch von Regelungen über Geldleistungen der Kranken- und Unfallversicherung geht das Abkommen weiter als das diesem als Modell dienende Abkommen zwischen der Republik Österreich und Moldau (BGBl. III Nr. 174/2012), das nur leistungsrechtliche Regelungen im Bereich der Pensionsversicherung enthält. In dieser Hinsicht entspricht das Abkommen daher – entsprechend dem Wunsch der Republik Albanien – den mit anderen Balkanstaaten (zB mit Serbien) von der Republik Österreich geschlossenen Abkommen.

Das Abkommen ist in fünf Abschnitte gegliedert:

Abschnitt I enthält allgemeine Bestimmungen und legt im Wesentlichen den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich, den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie die Gebietsgleichstellung hinsichtlich der Gewährung von Geldleistungen aus der Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung fest.

Abschnitt II sieht in Bezug auf die jeweils hinsichtlich der Versicherungspflicht anzuwendenden Rechtsvorschriften das Beschäftigungslandprinzip sowie Ausnahmen von diesem Grundsatz vor.

Abschnitt III enthält die besonderen Bestimmungen betreffend die Geldleistungen bei Krankheit und Mutterschaft, bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie der Pensionsversicherung. Die Leistungsfeststellung der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenpensionen erfolgt unter Zusammenrechnung der in den beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten grundsätzlich entsprechend den in jedem Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten. Im Bereich der Unfallversicherung sind Zuständigkeitsregelungen insbesondere bei Verschlimmerung aufgrund einer Berufskrankheit oder nach einem Arbeitsunfall enthalten.

Die Abschnitte IV und V enthalten verschiedene Bestimmungen über die Durchführung und Anwendung des Abkommens sowie die erforderlichen Übergangs- und Schlussbestimmungen. Des Weiteren ist eine Datenschutzregelung enthalten und eine Regelung über Zusammenarbeit bei der Betrugsbekämpfung.

Im EU-Bereich stehen hinsichtlich von Abkommen über soziale Sicherheit mit Drittstaaten keine EU-Vorschriften in Kraft, sodass die Mitgliedstaaten einen diesbezüglichen Gestaltungsspielraum haben. Das vorliegende Abkommen entspricht aber den in diesem Bereich maßgebenden Grundsätzen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. Nr. L 166 vom 30.04.2004 S. 1, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1372/2013, ABl. Nr. L 346 vom 20.12.2013 S. 27. Der vom EuGH in C-55/00 Gottardo EU:C:2002:16 unmittelbar aus Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) abgeleiteten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei Abkommen mit Drittstaaten die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten den jeweils eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen, wird dadurch entsprochen, dass der persönliche Geltungsbereich des vorliegenden Abkommens unbeschränkt ist und daher alle versicherten Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit erfasst und darüber hinaus auch eine eigene unilateral für die Republik Österreich wirkende Gleichbehandlungsregelung für die vom EU-Recht erfassten Personen vorgesehen wird.

3.            Finanzielle Auswirkungen

Eine exakte Berechnung der finanziellen Auswirkungen des Abkommens ist insbesondere im Bereich der Pensionsversicherung mangels geeigneter Daten nicht möglich. Dies betrifft vor allem auch die mögliche Zahl jener Personen, die erst auf Grund des Abkommens einen Pensionsanspruch geltend machen können, denn nur bei diesem Personenkreis kann das Abkommen finanzielle Auswirkungen haben. Für die Berechnung finanzieller Auswirkungen der Abkommen mit neuen Vertragsstaaten wurden in letzter Zeit immer die Berechnungen für das Abkommen mit der Slowakei als Ausgangsbasis herangezogen (siehe 971 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI GP), das noch vor deren EU-Beitritt geschlossen wurde (im Hinblick auf die zuletzt in der Republik Österreich beschäftigten 1.168 albanischen Staatsbürger (9/2016) und die damals im Verhältnis zur Slowakei herangezogenen rund 5.000 beschäftigten slowakischen Staatsbürger allerdings nur zu 23 %).

Auch bei der Berechnung des Mehraufwandes aufgrund des Abkommens mit der Republik Albanien muss berücksichtigt werden, dass in vielen Fällen mit Erreichen des normalen Pensionsalters ein Anspruch auch ohne Abkommen bestehen würde. Ferner werden auch von der Republik Albanien an die Republik Österreich Pensionen gezahlt werden. Durch die Überweisung dieser Leistungen nach Österreich reduzieren sich zum Teil die Ansprüche auf Ausgleichszulage bzw., soweit ohne Abkommen kein österreichischer Pensionsanspruch besteht, auf entsprechende Leistungen der Mindestsicherung.

Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen kann daher im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten des Abkommens mit der Republik Albanien mit ca. 18 Neuzugängen sofort nach Inkrafttreten und mit durchschnittlich 5 Neuzugängen jährlich gerechnet werden (was 23 % der Slowakeifälle entspricht), wobei der Berechnung des sich daraus ergebenden Pensionsaufwandes und damit der finanziellen Auswirkungen auf den Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung eine Durchschnittspension von 328 Euro im Jahr 2017 (basierend auf der durchschnittlichen Pensionsgewährung ins Ausland für Angestellte) und einer Steigerung von 2 % pro Jahr zu Grunde gelegt werden kann.

Somit kann in den ersten fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Abkommens mit nachstehenden Auswirkungen auf den Bund/UG22 (Ausfallhaftung) (in Euro) gerechnet werden:

 

 

1.      Jahr

2.      Jahr

3.      Jahr

4.      Jahr

5.      Jahr

insgesamt

Pensionen auf Grund des Abkommens

94.136

119.238

145.607

172.956

201.285

733.222

 

 

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 6. April 2017 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatter fungierte Abgeordneter Dietmar Keck.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, N, dagegen: F, T) beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über soziale Sicherheit (1478 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2017 04 06

                                   Dietmar Keck                                                                  Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann