Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Nach dem von der Bundesregierung am 30. Jänner 2017 beschlossenen Arbeitsprogramm für die Jahre 2017/2018 soll die Sozialpartnereinigung zur Schaffung von Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit in der gesetzlichen Sozialversicherung umgesetzt werden.

Kompetenzgrundlage:

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG.

Besonderer Teil

Zu Art. 1 Z 1, Art. 2 Z 2 und Art. 3 Z 2 (§§ 412a bis 412e ASVG; § 194b GSVG; § 182a BSVG):

Tritt im Rahmen einer versicherungsrechtlichen Prüfung bzw. einer gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) der substantielle Verdacht auf, dass anstelle der bisherigen Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 und 4 GSVG (als freie Gewerbetreibende und neue Selbständige) bzw. § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG (als Ausübende eines bäuerlichen Nebengewerbes) eine Pflichtversicherung nach dem ASVG vorliegt, so hat gemäß den neuen Regelungen zur Schaffung von Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG bzw. das Finanzamt die SVA bzw. SVB ohne unnötigen Aufschub über diesen Verdacht zu verständigen.

Die weiteren Ermittlungen sind sodann vom Krankenversicherungsträger nach dem ASVG sowie von der SVA bzw. SVB, aufeinander abgestimmt, im Rahmen des jeweiligen Wirkungsbereiches durchzuführen. Über die konkrete Durchführung des Verfahrens können sich die Versicherungsträger intern verständigen.

Ergibt nun die Prüfung übereinstimmend, dass im maßgeblichen Zeitraum eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt, so bleibt es bei der Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG und der Zuständigkeit der SVA bzw. SVB. Über das Vorliegen der Pflichtversicherung in diesen Fällen ist von der SVA bzw. SVB mit Bescheid abzusprechen.

Wurde hingegen vom Krankenversicherungsträger und dem Dienstgeber oder von den Versicherungsträgern übereinstimmend festgestellt, dass entgegen der bisherigen Versicherung keine selbständige Erwerbstätigkeit (und damit auch keine Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG, das heißt keine Zuordnung zum Vollziehungsbereich der SVA bzw. SVB) vorliegt, sondern vielmehr eine Pflichtversicherung nach dem ASVG besteht, so kommt es zu einer Neuzuordnung zum ASVG. Der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG hat in diesen Fällen einen Bescheid zu erlassen, wenn dies die versicherte Person oder der Dienstgeber verlangt (vgl. § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG).

Auf Grund der Normierung einer gesetzlichen Bindungswirkung kann in einem späteren Prüfungsverfahren eine Neuzuordnung nur dann vorgenommen werden (durch Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG oder nach dem GSVG bzw. BSVG), wenn eine Änderung des für diese Zuordnung maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Wird keine Übereinstimmung über die Versicherungszuständigkeit erzielt, so hat der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG einen Bescheid über die Pflichtversicherung nach dem ASVG zu erlassen.

Es ist auf Grund der rechtswissenschaftlichen Literatur (zuletzt Müller, Die verfahrensrechtliche Bewältigung der Umstellung von Versicherungsverhältnissen, in Rebhahn (Hrsg), Probleme des Beitragsrechts) davon auszugehen, dass die SVA und die SVB ein Beschwerderecht haben.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat sich der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG mit dem abweichenden Vorbringen der SVA bzw. SVB auseinander zu setzen. Der Bescheid des Krankenversicherungsträgers nach dem ASVG ist nicht nur der versicherten Person und ihrem Dienstgeber zuzustellen, sondern auch den beteiligten Behörden (SVA, SVB, Krankenversicherungsträger sowie sachlich und örtlich zuständiges Finanzamt).

Auch bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit soll die geschilderte Vorgangsweise sinngemäß Platz greifen, wenn zu prüfen ist, ob für neue Selbständige nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, bestimmte BetreiberInnen freier Gewerbe und Ausübende bäuerlicher Nebentätigkeiten eine Zuständigkeit der SVA bzw. SVB oder des Krankenversicherungsträgers nach dem ASVG besteht. In diesen Fällen hat die SVA bzw. SVB den zuständigen Krankenversicherungsträger von der (vorläufigen) Anmeldung zur Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG zu informieren.

Für Fälle der Versicherungszuordnung zum GSVG bzw. BSVG soll darüber hinaus der versicherten Person oder ihrem Auftraggeber/ihrer Auftraggeberin die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Antrag auf Überprüfung der Versicherungszuordnung zu stellen. An das Feststellungsergebnis sind der Krankenversicherungsträger nach dem ASVG, die SVA bzw. SVB und das Finanzamt gebunden.

Der Bescheid nach § 412c ASVG ist auch dem sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt zuzustellen. Im Fall der Feststellung einer Pflichtversicherung nach dem ASVG ist das Betriebsstättenfinanzamt des Dienstgebers zuständig, in allen anderen Fällen das Wohnsitzfinanzamt der versicherten Person.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bestimmungen der §§ 412b und 412c ASVG über das Neuzuordnungsverfahren auch auf das Vorabprüfungsverfahren nach § 412d ASVG und sinngemäß auch auf das antragsgemäß einzuleitende Verfahren nach § 412e ASVG anzuwenden sind.

Zu Art. 1 Z 2, Art. 2 Z 3 und Art. 3 Z 3 (§ 707 ASVG; § 367 GSVG; § 360 BSVG):

Das neue Verfahren zur Versicherungszuordnung nach den §§ 412a ff. ASVG sowie § 194b GSVG und § 182a BSVG soll mit 1. Juli 2017 in Kraft treten. Es bezieht sich – entsprechend dem Zweck dieser Normen – auch auf die versicherungsrechtliche Prüfung von Zeiträumen, die vor dem Inkrafttretenszeitpunkt liegen.

Zu Art. 2 Z 1 und Art. 3 Z 1 (§ 41 Abs. 3 GSVG; § 40 Abs. 3 BSVG):

Kommt es zu einer rückwirkenden Neuzuordnung, so ist eine beitragsrechtliche Rückabwicklung vorzunehmen: Alle an die SVA bzw. SVB geleisteten Beiträge bzw. Beitragsteile, die auf die dem ASVG zuzuordnende Tätigkeit entfallen und daher zu Unrecht nach dem GSVG bzw. BSVG entrichtet wurden, sind an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen. Dieser hat diese Beiträge auf die Beitragsschuld nach dem ASVG anzurechnen; allfällige Überschüsse sind vom zuständigen Versicherungsträger von Amts wegen an die versicherte Person auszuzahlen.

Zu Art. 4 (§ 86 Abs. 1a EStG 1988):

Die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheides nach den §§ 412c ASVG, 194b GSVG und 182a BSVG über die Versicherungszuständigkeit soll auch Bindungswirkung für die Zuordnung der Einkünfte zu selbständigen oder unselbständigen Einkünften nach dem EStG 1988 entfalten. Eine Feststellung der Pflichtversicherung zum Beispiel nach dem GSVG soll demnach zu Einkünften aus Gewerbetrieb führen.

Keine Bindungswirkung soll hingegen eintreten, wenn der Bescheid auf falschen Angaben beruht oder eine Änderung des für diese Zuordnung maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist; das heißt es soll jedenfalls stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit beurteilt werden.

Wird im Zuge einer GPLA ein Verfahren nach den §§ 412a bis 412e ASVG oder 194b GSVG oder 182a BSVG eingeleitet, so ist vor Abschluss der GPLA das Ergebnis des Verfahrens über die Versicherungszuordnung durch den jeweiligen Krankenversicherungsträger abzuwarten.