1622 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 2042/A(E) der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Dieter Brosz, MSc, Dr. Nikolaus Scherak, Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend „stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bereits im Vorfeld des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses – ein Umsetzungsschritt der Ergebnisse der Enquete-Kommission „Stärkung der Demokratie in Österreich“

Die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Dieter Brosz, MSc, Dr. Nikolaus Scherak, Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 2. März 2017 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in das Gesetzgebungsverfahren ist ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Akzeptanz der Rechtsnormen. Sie ist umso effizienter, je zeitiger diese Einbindung erfolgt, da hier der breiteste Gestaltungsraum besteht. Die Einbindung muss möglichst barrierefrei angeboten werden und verständlich gestaltet sein. Die eingebrachten Erfahrungen und das Wissen der BürgerInnen müssen vom Gesetzgeber gewürdigt und beachtet werden, da sonst die neuen Instrumente demokratiepolitisch mehr Schaden als Nutzen anrichten können.

Crowdsourcing

Diese Überlegungen führten zu zwei Schlussfolgerungen der Enquete-Kommission: Einerseits sollen bedeutsame Vorhaben einem Crowdsourcing nach dem finnischen Modell (siehe Sitzung der Enquete-Kommission vom 6.5.2016, Auszugsweise Darstellung, https://iwww.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00791/imfname_468784.pdf) unterworfen werden, was den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre Vorschläge für Maßnahmen einzubringen.

 

Die Pilotprojekte für das Crowdsourcing werden in vier Phasen abgewickelt:

1.      Problemsammlung

2.      Sammlung von Lösungen

3.      Evaluierung der gesammelten Lösungen durch Fachleute

4.      Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs unter Bezugnahme auf die eingegangenen Anregungen

und im Einvernehmen zwischen den Verfassungssprechern ausgewählt und festgelegt.

Es sollen also abstrakte Themen vorgegeben werden, wie beispielsweise ein Verkehrssicherheitspaket, das den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre konkreten Vorschläge dem zuständigen Ressort und dem Gesetzgeber vorzulegen. Die Plattform soll auch Interaktionen ermöglichen (z.B. die Unterstützung von Vorschlägen anderer TeilnehmerInnen).

All dies gilt natürlich auch für andere Institutionen und Einrichtungen.

Allgemeine Begutachtung

Andererseits soll eine Teilnahmemöglichkeit aller Bürgerinnen und Bürger sowie Institutionen und Einrichtungen am sogenannten Begutachtungsprozess eines Gesetzesvorhabens realisiert werden. Dabei können die Bürgerinnen und Bürger zu konkreten Gesetzesvorhaben der Ressorts Stellungnahmen abgeben und dabei Abänderungen bzw. Ergänzungen vorschlagen. Damit eine effiziente Einbindung erfolgen kann, muss über die Parlamentsdirektion eine transparente Darstellung der eingelangten Entwürfe über die Homepage des österreichischen Parlaments erfolgen, wobei von Seiten der Parlamentsdirektion eine kurze Beschreibung des Vorhabens beigegeben werden soll.

Die Parlamentsdirektion wird ersucht, auch darüber hinaus zu prüfen, ob es möglich ist, die Homepage so zu gestalten, dass auch Anregungen anderer Bürgerinnen und Bürger oder Institutionen und Einrichtungen kommentiert bzw. unterstützt werden können, um so Anliegen auch gewichtet darzustellen.

Nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens sollen die Änderungen aufgrund der Begutachtung hervorgehoben und kurz begründet werden. Als Plattform dafür bieten sich die Erläuterungen zu der daraus resultierenden Regierungsvorlage an. Die Details sollen in den Legistischen Richtlinien dargestellt und den Ressorts durch ein Rundschreiben mitgeteilt werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten gehen davon aus, dass diese Projekte bis zum nächsten Tagungsbeginn am 13. September 2017 umgesetzt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 3. Mai 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Rouven Ertlschweiger, MSc die Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Dieter Brosz, MSc, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan und Christoph Hagen sowie der Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien Mag. Thomas Drozda.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Dieter Brosz, MSc, Dr. Nikolaus Scherak und Christoph Hagen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1:

Crowdsourcing ist für den kompletten Gesetzgebungsprozess im Bereich des Nationalrates ein völliges Neuland. Somit gibt es keine Vorerfahrung sowohl in technischer Hinsicht als auch in der Prozessabwicklung. Die Umsetzung soll daher zunächst als Pilotprojekt erfolgen, das heißt, das Parlament bietet eine Plattform für den Kommunikations- und Informationsaustausch an, diese soll aber zunächst nicht in die Website integriert, jedoch damit prominent verlinkt werden.

Der mögliche Ablauf für ein derartiges Projekt stellt sich wie folgt dar:

Start: ein Bundesministerium gibt ein umfangreiches Vorhaben/allgemeines Thema bekannt, das vom NR als „crowdsourcentauglich“ angesehen wird.

Schritt 1: zunächst ergeht die Einladung an die Öffentlichkeit, die damit im Zusammenhang stehenden Probleme im Rahmen dieser elektronischen Plattform zu benennen;

Schritt 2: facheinschlägige ExpertInnen werden eingeladen, Lösungen zu präsentieren;

Schritt 3: Evaluierung dieser Lösungen;

Schritt 4: dem Nationalrat nach Abschluss eines derartigen Prozesses durch das zuständige Mitglied der Bundesregierung schriftlich mitzuteilen, ob eine oder keine Ausarbeitung eines konkreten Gesetzesvorhabens auf Basis der Anregungen erfolgt bzw. welche anderen Maßnahmen als Ergebnis des Crowdsourcing-Prozesses gesetzt werden sollen.

Die Umsetzung dieses Pilotprojektes soll am besten anhand von bereits in Österreich angewendeten Modellen vorbereitet werden. Es wird hierbei wohl notwendig sein, das Projekt sowohl technisch als auch inhaltlich zu begleiten.

Zu Z 2:

Mit der Neufassung der Ziffer 2 soll ein noch verständlicherer Ablauf für das neue erweiterte Begutachtungsverfahren vorgegeben werden, der auch klar die Zuständigkeiten für den jeweiligen Schritt regelt.

Sollte über einen Initiativantrag eine Ausschussbegutachtung beschlossen werden, soll von den Antragsstellern des Initiativantrages ebenfalls eine Erläuterung im Sinne von Z 2 lit. a der gegenständlichen Entschließung beigegeben werden.

In Aussicht genommene Zeithorizonte zu Z 1 und 2:

Die in Abstimmung mit der Parlamentsdirektion erforderlichen technischen Vorbereitungsmaßnahmen und die in diesem Zeitraum anfallende Übersiedlung des Parlaments in die Hofburg sowie die spätere Beschlussfassung des Entschließungsantrags machen eine Anpassung des Realisierungszeitpunkts zur Umsetzung der geplanten Projekte erforderlich. Die Umsetzung des erweiterten Begutachtungsverfahrens soll bis 13. September 2017 (Tagungsbeginn) erfolgen. Die Voraussetzungen für das Pilotprojekt Crowdsourcing sollen mit 1. Jänner 2018 gegeben sein.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Entschließungsantrag unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Dieter Brosz, MSc, Dr. Nikolaus Scherak und Christoph Hagen einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2017 05 03

                      Rouven Ertlschweiger, MSc                                                   Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann