1652 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

Berichtigte Fassung vom 02.06.2017

Bericht

des Tourismusausschusses

über den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2016 (III-390 der Beilagen)

Die Situation der österreichischen Tourismuswirtschaft

Die Übernachtungen im Österreich-Tourismus wuchsen 2016 mit +4,1 % überraschend kräftig und überstiegen damit den langfristigen Trendwert seit der Jahrtausendwende (ø 2000/2016 +1,3 % p. a.; Abb. 2; Detaildaten siehe Tabelle A1 im Anhang). Das Nächtigungsvolumen erreichte insgesamt 140,8 Mio. und liegt damit um knapp 5,6 Mio. über dem bisherigen Rekordwert des Jahres 2015. In der Sommersaison 2016 (Mai bis Oktober) wuchs die Nächtigungsnachfrage mit +5,1 % deutlich stärker als im Winterhalbjahr (November 2015 bis April 2016 +4,0 %), die rückläufige Aufenthaltsdauer kam dabei im Sommer mit 3,2 Nächten erstmals seit 2003 zum Stillstand, während sie im Winter nach den beiden Saisonen davor weiter abnahm und nun bei 3,7 Nächten liegt.

Das Nächtigungswachstum 2016 in Österreich lag nicht nur deutlich über dem langfristigen jährlichen Durchschnitt seit 2000, sondern überstieg – entgegen der bisherigen Entwicklung – auch die Dynamik der gesamten EU-28 und erreichte in der Sommersaison einen wesentlich höheren Wert als der österreichische Städtetourismus (dies trifft insbesondere auf den Vergleich mit Wien zu, das seit 2003 deutliche Wachstumsvorsprünge generieren konnte). In der Wintersaison 2015/16 überstieg das Wachstum im Städtetourismus noch knapp die bundesweite Entwicklung, wobei der Vorsprung Wiens im Vergleich zum Durchschnitt der Landeshauptstädte deutlicher als im Sommer ausfiel. Für die Erklärung der Wachstumsdifferenz zwischen dem Österreich-Tourismus und der internationalen Entwicklung sowie dem Städtetourismus spielen in erster Linie folgende Faktoren eine Rolle: Die im Vergleich zum internationalen und Städtetourismus stärkere Dynamik im österreichischen Tourismus kann zum Teil als Aufholeffekt interpretiert werden (Konjunktureffekte spielten 2016 sowohl im Städte- als auch im Gesamttourismus kaum eine Rolle). Eine Ursache für das stärkere Wachstum des heimischen Tourismus ist, dass sich Österreich durch die in den letzten beiden Jahren anhaltende, relativ stabile Sommerwetterlage (Klimawandel!) als attraktive Sommerdestination reetablieren und damit auch wieder Marktanteile gewinnen konnte. Im internationalen Vergleich zeigte sich auch, dass der Österreich-Tourismus auf Basis der Übernachtungen ausländischer Gäste um etwa 2 Prozentpunkte rascher wuchs als in der EU-28. Dies wurde auch dadurch reflektiert, dass sich in Österreich 2016 der negative Trend einer verkürzten Aufenthaltsdauer deutlich verringerte (Abb. 4).

Eine andere Ursache für eine generell stärkere Nachfrage nach nicht-städtischen Aufenthalten könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass die Vielzahl an Terroranschlägen in den letzten beiden Jahren die Tourist/innen dazu bewog, Reisen in urbane Ballungszentren zu vermeiden und eher Autodestinationen in ruralen Gebieten zu bevorzugen. Die internationalen Städtedaten sowie auch die touristischen Gesamtdaten auf Basis von TourMIS liegen zur Zeit nur lückenhaft vor, lassen aber den Schluss zu, dass in Europa (insbesondere in Westeuropa) der Tourismus in den Städten langsamer wuchs als in den übrigen Gebieten. Weiters zeigte sich auch, dass sich die interkontinentale Nachfrage – vermutlich ebenfalls aus Sicherheitsgründen – vom terrorgefährdeten Europa zum Teil abgewandt hat und asiatische Destinationen bevorzugt wurden (vor allem von den Märkten im arabischen Raum). So konnte auch der Städtetourismus anders als bisher weniger Nachfrage aus den Fernmärkten anlocken, wogegen diese Entwicklung eine geringere Bedeutung im Gesamttourismus bzw. bei Reisen in nicht-städtische Gebiete hatte, da hier im Allgemeinen die Nahmärkte eine stärkere Rolle spielen.

Im Gegensatz zum Nächtigungswachstum war die Entwicklung der Tourismuseinnahmen 2016 weniger befriedigend: Konnte nominell eine ähnliche Steigerung wie für die mengenmäßige Nachfrage realisiert werden (+4,0 %; Abb. 2), blieben die preisbereinigten Umsätze mit +1,7 % zurück (Tabelle A1).

Die Wachstumsdifferenz zwischen den realen Tourismuseinnahmen und der Nächtigungsentwicklung ist vorsichtig zu interpretieren. Einerseits lässt sich der Wachstumsrückstand auf eine im Allgemeinen qualitative Verminderung der realisierten Tourismusnachfrage zurückführen. Dies ist zum Teil dadurch bedingt, dass die Konsument/innen aus Ersparnisgründen billigere Reiseformen sowie -komponenten bevorzugen. Dabei spielen kostengünstigere Packages sowie der Preis-/ Qualitätsdruck durch die Transparenz des Internets eine wichtige Rolle, wobei die ständig wachsende Zahl der Internetnutzer/innen einen weiteren preis- bzw. qualitätsdämpfenden strukturellen Faktor darstellt. Andererseits muss auch berücksichtigt werden, dass in den hier erfassten Umsätzen auch Ausgaben enthalten sind, die nicht mit Übernachtungen in entgeltlichen Unterkünften zusammenhängen, sodass erhebliche Verzerrungen möglich sind.

Im internationalen Vergleich konnte Österreich 2016 sowohl nominell als auch real seinen Marktanteil an den Tourismusexporten der EU-28 etwas ausweiten, wobei jedoch die seit der Jahrtausendwende vorherrschenden niedrigen Niveaus (etwa 5 % bis 5,5 %) nicht mehr signifikant angehoben werden konnten (Abb. 3). Ein seit 2000 deutlich stärkeres Gewicht wiesen aktuell Schweden, Kroatien, Portugal, Spanien, Deutschland, Belgien-Luxemburg, die Slowakei, Bulgarien und Rumänien auf (Zugewinne von insgesamt 1,5 bis 0,3 Prozentpunkten), Marktanteile eingebüßt haben hingegen Frankreich, Italien, Griechenland und Ungarn (im Ausmaß von –4,9 bis –0,3 Prozentpunkten; Abb. 3).

 

Der Tourismusausschuss hat den gegenständlichen Bericht in seiner Sitzung am 30. Mai 2017 gemäß § 28b Abs. 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates öffentlich in Verhandlung genommen.

Vor Eingang in die Debatte beschloss der Ausschuss gemäß § 40 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Nationalrates einstimmig, Univ.-Prof. Dr. Egon Smeral (Modul University), Dr. Oliver Fritz, PhD (WIFO) sowie Dr. Peter Laimer (Statistik Austria) als Auskunftspersonen zu laden.

Vor Schluss der Debatte beschloss der Ausschuss gemäß § 28b Abs. 4 der Geschäftsordnung des Nationalrates einstimmig, den vorliegenden Bericht aus wichtigen Gründen nicht endzuerledigen.

An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Peter Haubner die Abgeordneten Hermann Brückl, Mag. Maximilian Unterrainer, Josef Schellhorn, Matthias Köchl, Georg Willi, Konrad Antoni, Leopold Steinbichler, Ing. Wolfgang Klinger, Gabriel Obernosterer, Dr. Peter Laimer, Univ.-Prof. Dr. Egon Smeral sowie der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Gerald Hauser.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, N dagegen: F, T ) beschlossen, dem Nationalrat die Kenntnisnahme des gegenständlichen Berichtes zu empfehlen.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Tourismusausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle den Bericht des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 2016 (III-390 der Beilagen) zur Kenntnis nehmen.

 

Wien, 2017 05 30

                                  Peter Haubner                                                               Mag. Gerald Hauser

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann