Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Im Vortrag der Bildungsreformkommission an den Ministerrat vom 17.11.2015 wurde für den elementarpädagogischen Bildungsbereich unter anderem die Einführung eines Bildungskompasses für alle Kinder ab 3,5 Jahren vorgeschlagen, der ein Kind bis zum Ende der Pflichtschule begleiten soll. Dadurch soll dokumentiert werden, in welchen Bereichen die Ressourcen und Kompetenzen jedes einzelnen Kindes liegen. Der Kindergarten als erste institutionelle Bildungseinrichtung legt das Fundament für die Bildungsbiografie eines Kindes.

Das Charlotte-Bühler-Institut wurde vom Bundesministerium für Familien und Jugend mit der Entwicklung eines Konzepts zum Bildungskompass im elementarpädagogischen Bildungsbereich beauftragt, welches sich am bundesländerübergreifenden BildungsRahmenPlan für elementare Bildungseinrichtungen in Österreich orientiert. Das Konzept zum Bildungskompass berücksichtigt sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch die Erfordernisse der elementarpädagogischen Praxis.

Der Bildungskompass mit der Analyse und Dokumentation der Lerndispositionen begleitet jedes Kind beim Übergang vom Kindergarten in die Volksschule und enthält wichtige Informationen für die zukünftige Lehrkraft zur individuellen Förderung des Kindes. Eine Kooperation zwischen Kindergarten und Volksschule in der erweiterten Schuleingangsphase birgt die Chance, die Bildungsprozesse der beiden Einrichtungen kindgerecht anschlussfähig zu gestalten.

Für die erfolgreiche Implementierung des Bildungskompasses sind Praxiserprobungen im Rahmen der wissenschaftlich begleiteten und evaluierten Pilotphase notwendig. Die gegenständliche Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG sieht daher vor, dass im Kindergartenjahr 2017/18 der Bildungskompass im elementarpädagogischen Bildungsbereich im Land Oberösterreich im Rahmen eines Pilotprojektes in 50 Kindergartengruppen erprobt wird. Die Evaluierungsergebnisse werden in eine flächendeckende Implementierung des bundesweiten Bildungskompasses einfließen. Zur Sicherstellung einer österreichweiten Akzeptanz und nachhaltigen Umsetzungsgarantie wird seitens des BMFJ dazu eine Steuergruppe unter Einbindung aller Länder und des Städte-Gemeinde-Bunds eingerichtet.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1

Der Bildungskompass im elementaren Bildungsbereich soll dazu dienen, die Potentiale und Interessen eines Kindes unter Berücksichtigung der individuellen Entwicklung in den jeweiligen Bildungsbereichen zu dokumentieren. Die Analyse der Lerndispositionen, die im Einklang mit der pädagogischen Orientierung in der elementaren Bildung steht, ist geeignet, dieses Vorhaben zu realisieren.

Lernen erfolgt in Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen nicht schulartig, sondern hat unter Berücksichtigung frühkindlicher Lernformen sowie der Erkenntnisse der Hirn- und Lernforschung ganzheitlich, spielerisch, erlebnisorientiert und möglichst individuell zu erfolgen. Dabei sind erprobte Methoden der Kleinkindpädagogik, aber auch aufgrund veränderter Bedingungen neue Methoden anzuwenden. Starre Zeitstrukturen sind nicht angebracht.

Ziel der Pilotphase ist es, dass das Land Oberösterreich in Zusammenarbeit mit dem Charlotte-Bühler-Institut, die praktische Durchführung des Konzeptes zum Bildungskompass im elementarpädagogischen Bildungsbereich erprobt. Dabei sollen insbesondere Erkenntnisse zu Schulungs- und Unterstützungsbedarf sowie zeitlicher Mehraufwand für Elementarpädagog(inn)en und Faktoren für positive Kommunikation mit Systempartner(inne)n gewonnen werden für eine österreichweit einheitliche, kindgerechte, potentialorientierte und nachhaltige Implementierung.

Zu Artikel 2

Im Rahmen des Pilotprojektes Bildungskompass sind die Aufgaben zwischen dem Charlotte-Bühler-Institut, dem Land Oberösterreich und den Elementarpädagog(inn)en an den Pilotstandorten aufgeteilt. Die Aufgaben des Charlotte-Bühler-Instituts – primär Gesamtkonzeption des Projekts, Erstellung des Konzepts und Durchführung der Schulungen sowie Evaluation – werden in einem privatrechtlichen Vertrag mit dem BMFJ geregelt. Die gegenständliche Vereinbarung regelt daher die Aufgaben des Landes Oberösterreich sowie der privaten und öffentlichen Kindergartenrechtsträger, die am Pilotprojekt teilnehmen und die Kooperation zwischen den Rechtsträgern, dem Charlotte-Bühler-Institut und dem BMFJ hinsichtlich der Durchführung des Pilotprojektes.

Das Land Oberösterreich übernimmt die Auswahl von 50 geeigneten Pilotgruppen in den elementarpädagogischen Kinderbildungs- und –betreuungseinrichtungen nach folgenden von Charlotte-Bühler-Institut festgelegten Kriterien:

            Öffentliche und privater Rechtsträger,

            heilpädagogische Gruppen und Integrationsgruppen,

            offenes Arbeiten,

            städtische und ländliche Einrichtungen,

            Einrichtungsgröße.

Weiters hat das Land die Mitteilungen über die fachlichen, organisatorischen und rechtlichen Rahmenbedingungen an die öffentlichen und privaten Rechtsträger der Einrichtungen sowie betroffener Eltern und Erziehungsberechtigten zu erteilen. In diesem Zusammenhang hat das Land unter anderem im Rahmen einer Kick-Off-Veranstaltung über die Inhalte des Pilotprojektes zu informieren, sowie Schulungsmaßnahmen und Gruppeninterviews für Kindergartenpädagog(inn)en zu organisieren.

Die teilnehmenden Pädagog(inn)en der Pilotgruppen werden durch zwei- oder dreitägige Schulungen, Befragungen in Gruppeninterviews, Führung eines Tagebuchs zum Zeitaufwand, Ausfüllen des Bildungskompasses, sowie die Übergabe der Beobachtungsergebnisse an die Eltern beim Entwicklungsgespräch in das Projekt eingebunden. Sollte das Entwicklungsgespräch nicht stattfinden können, erfolgt die Übergabe der Beobachtungsergebnisse an die Eltern im Rahmen einer schriftlichen Information. Die Beobachtung und Dokumentation der Lerndispositionen der vier- und fünfjährigen Kinder beinhaltet auch die interne Reflexion – etwa im Rahmen von Teamgesprächen – in den eigenen Organisationseinheiten. Die Ausarbeitung der exemplarischen Anleitungsfragen orientieren sich entlang der sechs Bildungsbereiche des BildungsRahmenPlans

Das Land hat in Absprache mit dem Charlotte-Bühler-Institut für unerwartete Ereignisse, wie Krankheit der Teilnehmer/innen oder Ausstieg einer Einrichtung aus dem Projekt Vorsorge zu treffen. Dazu müssen in Absprache mit dem Charlotte-Bühler-Institut Einzelfallregelungen getroffen werden, die ein eventuell erforderliches Nachholen von Maßnahmen im Sinne des Artikels 2 Abs. 2 betreffen.

Nach Durchführung des Entwicklungsgespräches soll die Übermittlung von anonymisierten Kopien der ausgefüllten Bildungskompasse an das Charlotte-Bühler-Institut zur Durchführung der Evaluation erfolgen.

Zu Artikel 3

Als Zuschuss zum Aufwand für die Erprobung des Bildungskompasses im Kindergartenjahr 2017/18 stellt das BMFJ dem Land Oberösterreich 164.000 Euro zur Verfügung.

Der Bundeszuschuss ist für die Durchführung des Pilotprojektes zu verwenden.

Zu Artikel 4

Der Zweckzuschuss umfasst die Abdeckung des Verwaltungsaufwandes und die zusätzlich entstandenen Personalkosten in der Pilotphase.

Die Bundeszuschüsse können für den entstehenden Aufwand des Landes für die Leitung des Pilotprojektes und für Maßnahmen der Projektbeteiligung gemäß der im Art. 2 dargelegten Aufgaben verwendet werden.

Bei der Verwendung der Mittel für das Pilotprojekt ist darauf zu achten, dass die Gewährung von projektbezogenen finanziellen Leistungen an die öffentlichen und privaten Rechtsträger der elementarpädagogischen Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen sichergestellt wird.

Konsequenzen des vorzeitigen Ausstieges einzelner Einrichtungen werden vertraglich zwischen dem Land Oberösterreich und den öffentlichen und privaten Rechtsträgern festgelegt. Im Falle, dass einzelne Gruppen das Projekt nicht abschließen, kann der Bundeszuschuss nur aliquot zum tatsächlich geleisteten Projektanteil gewährt werden.

Zu Artikel 5

Der Nachweis der widmungsgemäßen Verwendung hat durch Auflistung der Höhe der finanziellen Leistungen an die öffentlichen und privaten Rechtsträger und der durch das Pilotprojekt entstehenden Personalkosten für die Eigenleistungen des Landes zu erfolgen.

Der Nachweis ist ohne Aufforderung dem Bundesministerium für Familien und Jugend bis längstens 31.12.2018 vorzulegen. Wird der Nachweis nicht oder nur unzureichend erbracht, ist der bevorschusste Zuschuss zurückzuzahlen.

Zu Artikel 6

Die Auszahlung des Bundeszuschusses erfolgt im Vorhinein in 2 Raten jeweils im August 2017 und April 2018. Zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs hat das Land Oberösterreich seine Kontodaten sowie allfällige Änderungen derselben dem Bundesministerium für Familien und Jugend zeitgerecht bekanntzugeben.

Zu Artikel 7

Um die Auswirkungen der Pilotphase überprüfen zu können, werden diese Maßnahmen einer Evaluierung durch das Charlotte-Bühler-Institut begleitend unterzogen. Die Kosten dafür werden vom BMFJgetragen. Die Empfehlungen aus dem Evaluationsbericht sollen für eine flächendeckende Implementierung des bundesweiten Bildungskompasses herangezogen werden.

Die Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung des Bundeszuschusses durch die Förderungsempfänger (Kindergartenrechtsträger) obliegt dem Land.

Zu Artikel 8

Um die Abwicklung des Pilotprojekts im Kindergartenjahr 2017/18 vorbereiten zu können, muss mit den Vorbeitungsarbeiten wie Information der Rechtsträger, Auswahl der Pilotgruppen und Organisation der Schulungen sechs Monate vorher begonnen werden. Daher soll die Vereinbarung rückwirkend mit 1. April 2017 in Kraft treten. Dafür ist es notwendig, dass die bundes- und landesverfassungsrechtlichen Voraussetzungen bis 31. Juli 2017 erfüllt sind.

Zu Artikel 9

Sobald das Land den Nachweis der widmungsgemäßen Verwendung des Bundeszuschusses erbracht hat, tritt diese Vereinbarung gegenüber dem Land außer Kraft.

Zu Artikel 10

Die Hinterlegung der Urschrift erfolgt beim Bundeskanzleramt.