Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Das Mehrseitige Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Multilateral Convention to Implement Tax Treaty-Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting, in Folge: „MLI“) hat gesetzändernden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Das MLI hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 3 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Das MLI dient der Umsetzung des Base Erosion and Profit Shifting (in Folge: „BEPS“) Aktionsplans in die Doppelbesteuerungsabkommen der teilnehmenden Staaten. Der Begriff „BEPS“ bezeichnet dabei Maßnahmen der aggressiven internationalen Steuerplanung, durch die Gewinne künstlich an Orte verlagert werden, an denen sie nicht oder niedrig besteuert werden. Daher zielt der BEPS-Aktionsplan der OECD/G20-Staaten darauf ab, sicherzustellen, dass Gewinne an dem Ort besteuert werden, an dem die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit, durch die sie erzielt werden, ausgeübt wird und an dem die Wertschöpfung stattfindet. Damit soll letztlich der Verlust von Unternehmenssteuereinnahmen – laut Schätzungen der OECD betragen diese weltweit zwischen 100 und 240 Milliarden USD pro Jahr – verhindert werden.

Das MLI umfasst insbesondere Maßnahmen der BEPS-Aktionspunkte 2 (Hybride Gestaltungen), 6 (Verhinderung von Abkommensmissbrauch), 7 (Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebstätte) sowie 14 (Streitbeilegungsmechanismen). Das MLI ermöglicht eine rasche, international abgestimmte und einheitliche Umsetzung der steuerabkommensbezogenen BEPS-Maßnahmen in einem multilateralen Zusammenhang. Durch die Unterzeichnung des MLI können gleichzeitig alle Abkommen eines Staats, welche der Anwendung des MLI unterliegen, modifiziert werden. Somit ist eine zeitgleiche und effiziente Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen möglich, ohne umfangreiche Ressourcen für bilaterale Neuverhandlungen der einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen zu beanspruchen.

Das MLI beinhaltet zum einen Bestimmungen, die den BEPS Mindeststandard darstellen und daher verpflichtend in die zu revidierenden Doppelbesteuerungsabkommen aufzunehmen sind. Zum anderen enthält das MLI zusätzliche, optionale und alternative Bestimmungen. Der Mindeststandard wurde vereinbart, um in besonders sensiblen Bereichen die Umsetzung der BEPS-Maßnahmen sicherzustellen. Eine Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen in diesen Bereichen nur durch einige Staaten könnte negative Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit haben. Um einheitliche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Staaten herzustellen, haben sich alle OECD/G20-Länder daher verpflichtet, die Maßnahmen betreffend Treaty Shopping, Abkommensmissbrauch und Streitbeilegung einheitlich umzusetzen. Daneben beinhaltet das MLI eine größere Zahl an optionalen sowie alternativen Bestimmungen, welche die Staaten freiwillig und zum Teil auch einseitig in das Doppelbesteuerungsabkommen aufnehmen können, um Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung zu vermeiden. Die jeweiligen Positionen Österreichs in Bezug auf diese Optionen und Alternativen kommen in den österreichischen Vorbehalten und Notifikationen zum MLI zum Ausdruck.

Das MLI wurde als Teil des Aktionspunkts 15 des BEPS-Aktionsplans der OECD/G20 im Rahmen einer Ad Hoc Arbeitsgruppe – bestehend aus 99 Ländern, darunter auch Österreich – ausgearbeitet. Der Text wurde am 24. November 2016 finalisiert. Diese Arbeitsgruppe wurde vom Fiskalkomitee der OECD einberufen, basierend auf dem im Februar 2015 erteilten Mandat der am BEPS-Aktionsplan teilnehmenden Länder. Als Ausgangspunkt für das MLI diente der am 5. Oktober 2015 veröffentlichte Abschlussbericht für den Aktionspunkt 15.

Durch die Unterzeichnung des MLI trägt Österreich somit den jüngsten Arbeiten auf Ebene der OECD/G20 zur Bekämpfung von BEPS Rechnung und stellt sicher, dass österreichische Doppelbesteuerungsabkommen dem neuesten Stand des internationalen Steuerrechts entsprechen. Zugleich erfordert der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen Österreichs zu seinen Vertragspartnern die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung durch den neuesten Entwicklungen im internationalen Steuerrecht entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen. Es soll damit auch der Standort Österreich für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen gestärkt werden. Gleichzeitig wird durch die Vermeidung von BEPS das österreichische Steueraufkommen gesichert.

Das MLI führt eine Modifikation der zugrundeliegenden Doppelbesteuerungsabkommen der unterzeichnenden Staaten herbei. Durch das MLI kann ein Doppelbesteuerungsabkommen aber letztlich nur insoweit modifiziert werden, als die Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich mit jenen eines Doppelbesteuerungsabkommenspartners übereinstimmen. Dies gilt nicht nur in inhaltlicher Hinsicht. Vielmehr ist auch die Anwendung des Multilateralen Übereinkommens davon abhängig, dass die jeweiligen Parteien des MLI im Hinblick auf ein bestimmtes Doppelbesteuerungsabkommen beidseitig eine Änderung dieses Abkommens wünschen und dies entsprechend erklären. Das MLI ist zugleich ein flexibles Instrument, weil mit späteren Änderungen der Vorbehalte und Notifikationen der teilnehmenden Staaten Modifikationen der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen einhergehen. Die von Österreich gewählte Vorgehensweise ist in den Vorbehalten und Notifikationen der Republik Österreich dargestellt. Die Auswirkungen der gewählten Vorgangsweise im Lichte der einzelnen Bestimmungen des MLI werden im Besonderen Teil erläutert.

Mit dem Inkrafttreten bzw. Wirksamwerden des Staatsvertrags werden keine wesentlichen finanziellen und keine personellen Wirkungen verbunden sein. Höhere Aufwendungen sind lediglich im Bereich der Schiedsverfahren zu erwarten. Aus Erfahrungswerten der Vergangenheit heraus wird mit drei zusätzlichen Verfahren bis 2020 gerechnet, wodurch Aufwendungen von insgesamt € 45.000 Euro für den Bund entstehen würden.

II. Besonderer Teil:

Zu Artikel 1 – Geltungsbereich des Übereinkommens und Artikel 2 – Auslegung von Ausdrücken

Laut Artikel 1 und Artikel 2 Absatz 1 lit. a ist das MLI nur auf ausgewählte Doppelbesteuerungsabkommen eines Staates anwendbar. Die Notifikation der Republik Österreich an den Verwahrer enthält eine Auflistung jener Abkommen, welche Österreich gegenwärtig der Anwendung des MLI unterziehen möchte. Dabei hat Österreich die gewünschte Anwendung des MLI auf 38 Abkommen bekannt gegeben. Der Geltungsbereich des MLI in Bezug auf Abkommen mit diesen 38 Partnerstaaten ist allerdings davon abhängig, dass auch Österreichs Vertragspartner die jeweiligen Abkommen in ihre Notifikation eingeschlossen haben. Nur wenn beide Doppelbesteuerungsabkommenspartner das MLI auf ein Abkommen anwenden wollen, wird dieses zu einem „unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen“ und fällt somit gemäß Artikel 1 in den Geltungsbereich des MLI.

Voraussichtlich wird das MLI mit folgenden Doppelbesteuerungsabkommenspartnern zur Anwendung gelangen: Belgien, Bulgarien, Chile, China, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Hongkong, Indien, Irland, Israel, Italien, Kanada, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Mexiko, Niederlande, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweiz, Serbien, Slowenien, Slowakei, Singapur, Spanien, Südafrika, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Zypern. Denn im Fall dieser Abkommen haben sowohl Österreich als auch der jeweilige Partnerstaat angegeben, dass sie das MLI auf das jeweilige Abkommen anwenden wollen.

Artikel 2 enthält außerdem die Definition der Begriffe „Vertragspartei dieses Übereinkommens“ und „Vertragsstaat“. Mit dem ersten Ausdruck werden jene Staaten bezeichnet, für welche das MLI gemäß Artikel 34 in Kraft getreten ist. Der Ausdruck „Vertragsstaat“ bezieht sich auf die Doppelbesteuerungsabkommenspartner der vom MLI erfassten Doppelbesteuerungsabkommen.

Weiters sieht Artikel 2 Absatz 2 eine allgemeine Auslegungsregel für im MLI nicht definierte Begriffe vor. Diese sind, sofern der Zusammenhang nichts anderes erfordert, gemäß dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen auszulegen. In Doppelbesteuerungsabkommen nicht definierte Begriffe sind wiederum, laut der in Artikel 3 Absatz 2 OECD Musterabkommen (OECD MA) verankerten allgemeinen Auslegungsregel, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, im Anwendungszeitraum nach dem innerstaatlichen Recht des Anwenderstaates auszulegen. Das innerstaatliche Steuerrecht hat dabei Vorrang vor einer Bedeutung, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat.

Laut den Erläuterungen der OECD/G20 zum MLI ist unter dem „Kontext“ des MLI der Zweck des Abkommens zu verstehen, welcher aus den Erläuterungen entnommen werden kann. Außerdem umfasst der „Kontext“ auch den Zweck des modifizierten Doppelbesteuerungsabkommens, welcher von dessen Präambel, in ihrer durch Artikel 6 des MLI geänderten Fassung, widergespiegelt wird.

Zu Artikel 3 – Transparente Rechtsträger

Der Artikel setzt die im Abschlussbericht zum BEPS-Aktionspunkt 2, „Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltungen“, vorgeschlagenen Maßnahmen für die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen im Zusammenhang mit transparenten Rechtsträgern um. Artikel 3 Absatz 1 stellt sicher, dass die Einkünfte transparenter Rechtsträger für die Zwecke der erfassten Abkommen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Personengesellschaftsberichts („The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships“, OECD, 1999) behandelt werden. Zudem dehnt die Bestimmung die Anwendung dieser Grundsätze auch auf Sachlagen aus, die der Bericht nicht direkt behandelt. Die in Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen Vorteile sollen nicht gewährt werden, wenn keiner der Doppelbesteuerungsabkommenspartner die Einnahmen eines Rechtsträgers nach seinem innerstaatlichen Recht als Einnahmen einer in diesem Staat ansässigen Person behandelt. Dadurch sollen Qualifikationskonflikte bei transparenten Gebilden verhindert werden. Ein von einer der beiden Vertragsparteien als (zum Teil) transparent eingestuftes Gebilde einer Vertragspartei soll als intransparent und somit als ansässig gewertet werden, wenn die Vertragspartei diesem Gebilde Einkünfte zurechnet.

Die Umsetzung einer Bestimmung bzgl. transparenter Rechtsträger ist optional, da sie keinen Mindeststandard darstellt. Österreich sieht davon ab, diesen Artikel umzusetzen. Da z. B. österreichische Investmentfonds und Personengesellschaften nach österreichischem nationalem Recht als transparent gewertet werden, könnten sich aus österreichischer Sicht Nachteile ergeben. Wenn z. B. aus Österreich stammende Kapitaleinkünfte einem im Ausland als intransparent qualifizierten Fonds zuzurechnen sind, die an in Österreich oder in Drittstaaten ohne vergleichbare DBA-Begünstigungen ansässige Steuerpflichtige weiterfließen, wären diese Einkünfte auf Grund der anzuerkennenden Ansässigkeit des Fonds im Empfängerstaat an der Quelle (also in Österreich) vollständig von der Steuer zu entlasten. Diese Regelung bedürfte daher umfangreicher Begleitbestimmungen, welche die Verständlichkeit von Doppelbesteuerungsabkommen erheblich erschwert hätten. Da der Personengesellschaftsbericht der OECD ohnedies Lösungsmechanismen bei abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten enthält, erschien die Annahme dieses Artikels u.a. auch aus standortpolitischen Gesichtspunkten nicht prioritär. Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung beider Abkommenspartner eines jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs.

Zu Artikel 4 – Rechtsträger mit doppelter Ansässigkeit

Artikel 4 soll Abkommensmissbrauch durch doppelt ansässige Rechtsträger verhindern und beruht auf dem BEPS-Aktionspunkt 6 zur „Verhinderung von Abkommensmissbrauch“. Artikel 4 sieht für doppelansässige Gesellschaften die verpflichtende Durchführung eines Verständigungsverfahrens zur endgültigen Feststellung der Ansässigkeit vor.

Die Umsetzung der Bestimmung ist optional, denn sie ist kein Mindeststandard. Österreich sieht davon ab, diesen Artikel umzusetzen. Abgesehen davon, dass dadurch alle doppelansässigen Gesellschaften unter „Generalverdacht“ gestellt werden, ist die Administration dieser Bestimmung äußerst verwaltungsaufwändig. Darüber hinaus hätte die Bestimmung große Rechtsunsicherheit zur Folge, da im Hinblick auf doppelansässige Unternehmen womöglich über mehrere Jahre hinweg ein Verständigungsverfahren über ihre Ansässigkeit geführt werden müsste.

Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs.

Zu Artikel 5 – Anwendung von Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung

Artikel 5 setzt die im Abschlussbericht zum BEPS-Aktionspunkt 2 vorgeschlagenen Maßnahmen um, die im Zusammenhang mit der Anwendung einer Abwehrregel für hybride Finanzinstrumente durch den Staat des Zahlungsempfängers stehen.

Option B des Artikels 5 fokussiert die doppelte Nichtbesteuerung von Dividenden im Rahmen von hybriden Gestaltungen. Option C des Artikels 5 sieht den generellen Wechsel zur Anrechnungsmethode vor. In den Erklärungen und Vorbehalten zum MLI hat sich Österreich allerdings zu Option A des Artikels 5 bekannt, d.h. die Absätze 2 und 3 des Artikels sind anzuwenden. Option A entspricht – mit wenigen Abweichungen – Artikel 23 A Absatz 4 des OECD MA 2000. Durch Einfügung dieser Bestimmung in die bestehenden Abkommen, die eine solche Bestimmung noch nicht enthalten, wird sichergestellt, dass bei sachverhalts- oder auslegungsbedingten Qualifikationskonflikten unerwünschte doppelte Nichtbesteuerungen durch Zuweisung des Besteuerungsrechts an den Ansässigkeitsstaat vermieden werden. Option B hätte Sachverhalte hybrider Gestaltungen erfasst, bei denen im Quellenstaat als Dividende zu beurteilende Einkünfte dort steuerliche Abzugsfähigkeit genießen und nach dem Recht des Ansässigkeitsstaat auf Grund der Befreiungsmethode freizustellen wären. Diese Regelung erschien aber für Österreich nicht erforderlich, da derartige Vorkehrungen bereits im innerstaatlichen Recht getroffen wurden (vgl. § 10 Abs. 7 KStG). Da zahlreiche von Österreich bisher abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen bereits eine der Option A entsprechende Bestimmung enthalten, erschien es naheliegend, diese Regelung auch auf die übrigen in Betracht kommenden Doppelbesteuerungsabkommen auszudehnen. Option C sieht den Umstieg auf die Steueranrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor. Eine solche generelle Maßnahme erschien Österreich aus standportpolitischen Gründen nicht geboten.

Die Ausübung der Option A durch Österreich ist unabhängig von den Optionen ihrer Vertragspartner, sodass Österreich bei den als relevant notifizierten Abkommen die Absätze 2 und 3 des Artikels 5 auf die in seinem Staatsgebiet ansässigen Personen anwenden wird, während die Vertragspartner die von ihnen gewählte Option oder, wenn sie sich für die Nichtanwendung des Artikels 5 entschieden haben, die ursprüngliche Regelung auf ihre eigenen Ansässigen anwenden.

Zu Artikel 6 – Zweck eines unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommens

Der Mindeststandard des BEPS-Aktionspunkts 6 sieht vor, dass Staaten eine eindeutige Aussage in ihre Doppelbesteuerungsabkommen einfügen, wonach sie durch den Abschluss der Abkommen die Vermeidung der Doppelbesteuerung ohne die gleichzeitige Schaffung von Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder zur niedrigen Besteuerung aufgrund von Steuervermeidung oder Steuerumgehung, wie bspw. Treaty-Shopping, beabsichtigen.

Diese Aussage findet durch Artikel 6 des MLI Eingang in die Präambeln der erfassten Doppelbesteuerungsabkommen. Wenngleich eine solche Formulierung keine Besteuerungsrechte zu begründen vermag, so geht dennoch in klarstellender Weise daraus hervor, dass die Staaten die Doppelbesteuerungsabkommen auch zum Zwecke der Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung abgeschlossen haben und dies als Kontext bei der Auslegung des Abkommens zu berücksichtigen ist.

Artikel 7 – Verhinderung von Abkommensmissbrauch

Artikel 7 setzt den von OECD/G20 im BEPS-Aktionspunkt 6 vorgesehenen Mindeststandard durch die Einführung eines „Principal Purpose- Test“ (PPT, Hauptzweck-Kriterium) und einer vereinfachten Bestimmung zur Beschränkung von Vergünstigungen (limitation-on-benefits Klausel / LOB-Klausel) um.

Aufgrund der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich wird Österreich den Mindeststandard durch die Anwendung von Artikel 7 Absatz 1 erfüllen, dh durch das Hauptzweck-Kriterium. Artikel 7 Absatz 4 und die Absätze 8 bis 14 (LOB-Klausel) sind somit auf die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen nicht anwendbar, denn Österreich hat der einseitigen Anwendung der LOB-Klausel durch den anderen Vertragspartner nicht zugestimmt.

Der PPT des Artikels 7 Absatz 1 setzt die bereits in den Randziffern 9.5, 22, 22.1 und 22.2 des OECD Musterkommentars zu Art. 1 enthaltenen Grundsätze in der Form einer allgemeinen Anti-Treaty-Shopping Regel um. Der PPT versagt die Gewährung von Abkommensbegünstigungen bei Transaktionen, wenn der Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke dieser Transaktionen der Erhalt solcher Vergünstigungen sind.

Im Kommentar zu Artikel 1 des OECD-Musterabkommens wird im Abschnitt „Improper Use of the Convention“ auf das Verhältnis der Anwendung von innerstaatlichen Antimissbrauchsregelungen und entsprechenden Regelungen eines Doppelbesteuerungsabkommens näher eingegangen. Auch in der durch den BEPS-Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 revidierten Form des Kommentars wird die Auffassung, dass ein Staat nicht daran gehindert wird, die Gewährung von Abkommensvergünstigungen in Fällen des Abkommensmissbrauchs auf Grund innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften zu verwehren, grundsätzlich aufrecht erhalten (vgl. insb. Abs. 11 ff. des OECD-Kommentars zu Artikel 1 OECD-MA idF des BEPS-Schlussberichts, Abschnitt A, Abs. 59). Diese Auslegung wird Österreich weiterhin und auch bei Anwendung der durch das MLI modifizierten bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen vertreten.

Zu Artikel 8 – Transaktionen zur Übertragung von Dividenden

Artikel 8 enthält eine im Rahmen des BEPS-Aktionspunkts 6 vorgeschlagene spezielle Anti-Missbrauchsregel. Diese zielt auf Fälle ab, in denen Steuerpflichtige versuchen, eine günstigere Quellenbesteuerung bei Dividenden zu erreichen, indem sie kurz vor Auszahlung der Dividenden ihren Anteil am auszahlenden Unternehmen erhöhen. Um dies zu vermeiden, wird eine Mindesthaltedauer von 365 Tagen für die Anteile vorgeschrieben.

Artikel 8 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional umzusetzen. Österreich sieht von der Anwendung dieser Bestimmung ab. Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen.

Zu Artikel 9 – Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen oder Rechten an Rechtsträgern, deren Wert hauptsächlich auf unbeweglichem Vermögen beruht

Artikel 9 enthält eine im BEPS-Aktionspunkt 6 vorgeschlagene spezielle Anti-Missbrauchsregel, welche die Umgehung einer dem Artikel 13 Absatz 4 OECD MA nachgebildeten Bestimmung in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen verhindern soll. Zum einen wird dies durch die Einführung des Erfordernisses der Erreichung der maßgebenden Wertgrenze am unbeweglichen Vermögen während einer Frist von 365 Tagen vor Veräußerung sichergestellt, welche die Zuführung von unbeweglichem Vermögen in ein zu verkaufendes Unternehmen kurz vor dessen Verkauf verhindert. Zum anderen wird der Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 4 OECD MA nachgebildeten Bestimmungen auf Rechte an einer Personengesellschaft bzw. einem Trust ausgedehnt.

Artikel 9 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional umzusetzen. Österreich sieht von der Anwendung dieser Bestimmung ab. Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs.

Zu Artikel 10 –Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung für in Drittstaaten oder -gebieten gelegene Betriebsstätten

Artikel 10 enthält eine im BEPS-Aktionspunkt 6 vorgeschlagene spezielle Anti-Missbrauchsregel für die Besteuerung von Betriebsstätteneinkünften in Dreiecksachverhalten. Die Regel spricht jene Fälle an, in denen Steuerpflichtige versuchen, eine Niedrigbesteuerung oder Nichtbesteuerung von Anteilen, Forderungen, Rechten und anderen Wirtschaftsgütern zu erreichen, indem sie eine Zurechnung an zu diesem Zweck errichtete ausländische Betriebsstätten vornehmen. Das Missbrauchspotential aufgrund ausländischer Betriebsstätten wurde bereits in Rz. 32 des OECD Musterkommentars zu Artikel 10, Rz 25 des OECD Musterkommentars zu Artikel 11, Rz. 21 des OECD Musterkommentars zu Artikel 12 und Rz 71 des OECD Musterkommentars zu Artikel 24 angesprochen. Artikel 10 ermöglicht dem Quellenstaat, die Abkommensvorteile für solche niedrig oder nicht besteuerten Einkünfte zu versagen, wenn der Ansässigkeitsstaat sie freistellt oder nur sehr niedrig besteuert. Der Quellenstaat kann in diesem Fall gemäß seinem nationalen Recht besteuern.

Artikel 10 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional. Österreich hat keinen Vorbehalt hinsichtlich dieser Bestimmung abgegeben und beabsichtigt somit, durch diese Bestimmung die relevanten Doppelbesteuerungsabkommen zu modifizieren. Nur mit Chile (BGBl. III Nr. 140/2015) wurde bereits eine ähnliche Bestimmung in das Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen, welche aufgrund von Chiles Vorbehalt voraussichtlich unverändert bleibt.

Die Anwendung des Artikels 10 auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit wird dieser Artikel nur insoweit Eingang in die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen finden, als der jeweilige Partnerstaat ebenfalls keinen Vorbehalt gegen diese Bestimmung abgegeben hat. Voraussichtlich wird diese Bestimmung mit folgenden Doppelbesteuerungsabkommenspartnern zur Anwendung gelangen: Bulgarien, Deutschland, Indien, Israel, Mexiko, Niederlande, Rumänien, Russland, Slowakei, Slowenien, Spanien.

Zu Artikel 11 – Anwendung von Steuerabkommen zur Einschränkung des Rechtes einer Vertragspartei dieses Übereinkommens auf Besteuerung der in ihrem Gebiet ansässigen Personen

Artikel 11 enthält die im BEPS-Aktionspunkt 6 vorgeschlagene sogenannte „savings-clause“ (Öffnungsklausel). Die Öffnungsklausel dient der Klarstellung, dass Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich nicht das Recht von Ansässigkeitsstaaten einschränken sollen, ihre eigenen Ansässigen zu besteuern. Diese Tatsache wurde bereits an mehreren Stellen des 2014 OECD Musterkommentars bestätigt: Rz. 6.1. und 23 des Musterkommentars zu Artikel 1 und Rz. 14 des OECD Musterkommentars zu Artikel 7. Die Öffnungsklausel soll zusätzlich eine Auslegung des Doppelbesteuerungsabkommens verhindern, welche den Ansässigkeitsstaat an der Anwendung seiner nationalen Anti-Missbrauchsreglungen hindert. In manchen Fällen sehen Doppelbesteuerungsabkommen allerdings auch Verpflichtungen für den Ansässigkeitsstaat bezüglich seiner ansässigen Steuerpflichtigen vor. Diese Fälle sind von der Anwendung der Öffnungsklausel ausgenommen.

Artikel 11 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional umzusetzen. Da diese Bestimmung als Korrelativ zur Regelung des Artikel 3 betreffend transparente Rechtsträger dient, welche von Österreich nicht übernommen wurde, sieht Österreich auch von der Anwendung des Artikel 11 ab. Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs.

Zu Artikel 12 – Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch Kommissionärsmodelle und ähnliche Strategien

Artikel 12 setzt die im BEPS-Aktionspunkt 7 zur „Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebstätte“ vorgesehenen Maßnahmen bzgl. Vertreterbetriebsstätten um. Im Rahmen des Artikels 7 begründen Personen, die für eine andere Person tätig werden und z. B. eine wesentliche Rolle beim Abschluss von Verträgen spielen, Vertreterbetriebstätten für das ausländische Unternehmen. Dies gilt grundsätzlich auch für Tochtergesellschaften mit Kommissionärsfunktionen, wenn die für das Vorliegen eines abhängigen Vertreters vorgesehenen allgemeinen Rechtsmerkmale eines abhängigen Vertreters erfüllt sind.

Artikel 12 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional umzusetzen. Österreich sieht von der Anwendung dieser Bestimmung ab. Denn bereits nach der bisherigen Verwaltungspraxis kann in bestimmten Fällen vom Vorliegen einer Vertreterbetriebstätte ausgegangen werden. Diese Verwaltungspraxis stützt sich auf den OECD-Musterkommentar zu Artikel 5 Absatz 5, Rz 32.1, wonach bei einem Vertreter, der im eigenen Namen Verträge abschließt, welche allerdings wirtschaftlich das Unternehmen binden, von Artikel 5 Absatz 5 erfasst sein können. Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs. Österreich nimmt jedoch in Aussicht, diese Bestimmung erforderlichenfalls bei bestimmten Abkommen im Wege bilateraler Abkommensverhandlungen entsprechend den im Musterabkommen der OECD in der Fassung von 2017 vorgesehenen bilateralen Regelungen zu Artikel 5 OECD-Musterabkommen umzusetzen.

Zu Artikel 13 – Künstliche Umgehung des Betriebsstättenstatus durch die Ausnahme bestimmter Tätigkeiten

Artikel 13 setzt die im BEPS-Aktionspunkt 7 vorgesehenen Maßnahmen um, welche die Umgehung des Betriebsstättenstatus aufgrund der in Artikel 5 Absatz 4 OECD MA enthaltenen Ausnahmen verhindern sollen. Eine weite Auslegung der Ausnahmen für vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten würde dazu führen, dass auch Tätigkeiten erfasst werden, die nicht bloß unterstützender Natur sind, sondern eventuell sogar die Kerntätigkeit des Unternehmens darstellen, aber dem Wortlaut nach von Artikel 5 Absatz 4 erfasst sind.

Daher normiert Artikel 13, dass für bestimmte Tätigkeiten die Ausnahme vom Betriebstättenstatus nicht greifen soll: Nach der Option A können die Staaten klarstellen, dass die Ausnahmebestimmung im Sinne des Artikels 5 Absatz 4 OECD MA nur greift, wenn die Tätigkeit vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Option B ermöglicht es den Staaten zu vereinbaren, dass bestimmte Tätigkeiten per se keine Betriebstätte begründen.

Laut den Erklärungen und Vorbehalten der Republik Österreich wird die Option A des Artikels 13 gewählt und auf die Anwendung des Artikels 13 Absatz 4 verzichtet. Denn bereits nach der geltenden Verwaltungspraxis gelangt die Ausnahmebestimmung des Artikels 5 Absatz 4 OECD-MA nur zur Anwendung, wenn es sich dabei nicht um die Haupttätigkeit des Unternehmens handelt. Insofern ist die im MLI befindliche Bestimmung nur klarstellend.

Die Anwendung der Option A auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert jedoch die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner, sodass diese Option nur anwendbar wird, wenn die jeweiligen Partnerstaaten Österreichs sich für die Anwendung der gleichen Option entscheiden. Voraussichtlich wird diese Bestimmung daher nur mit folgenden Doppelbesteuerungsabkommenspartnern zur Anwendung gelangen: Bulgarien, Deutschland, Indien, Israel, Italien, Kroatien, Mexiko, Niederlande, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Türkei.

Zu Artikel 14 – Aufteilung von Verträgen

Artikel 14 setzt eine im BEPS-Aktionspunkt 7 vorgesehene Anti-Missbrauchsklausel für Baubetriebstätten um, welche die künstliche Teilung von Baustellenfristen und somit die Vermeidung einer Betriebstättenbegründung verhindern soll.

Artikel 14 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional umzusetzen. Österreich sieht von der Anwendung dieser Bestimmung ab. Denn die künstliche Aufsplittung von Baubetriebstätten um die Baustellenfristen in den Doppelbesteuerungsabkommen zu umgehen wäre bereits von der allgemeinen Anti-Missbrauchsklausel der Doppelbesteuerungsabkommen (PPT) erfasst. Die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI erfordert die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat dieser Artikel keine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs.

Zu Artikel 15 – Bestimmung des Begriffs der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person

Artikel 15 definiert den in den Artikeln 12, 13 und 14 verwendeten Begriff der mit einem Unternehmen eng verbundenen Person gemäß den Vorgaben im BEPS-Aktionspunkt 7. Artikel 15 ist nicht Teil des Mindeststandards und somit optional umzusetzen. Da diese Bestimmung nur in Verbindung mit den Artikeln 12 Absatz 4, 13 Absatz 6 (c) und 14 (3) (a) zur Anwendung zu gelangen vermag und Österreich Vorbehalte betreffend dieser Bestimmungen abzugeben beabsichtigt, hat die Republik Österreich ebenfalls einen Vorbehalt bzgl. der Anwendung dieser Bestimmung bekannt gegeben. Somit ist Artikel 15 auf österreichische Doppelbesteuerungsabkommen nicht anwendbar.

Zu Artikel 16 – Verständigungsverfahren

Artikel 16 setzt den im BEPS-Aktionspunkt 14 zu „Streitbeilegungsmechanismen“ vorgesehenen Mindeststandard um. Der Mindeststandard verlangt erstens die Einführung der Absätze 1 bis 3 des Artikels 25 des OECD MA. Gleichzeitig soll der Zugang zum Verständigungsverfahren verbessert werden, indem beide Vertragsparteien darüber informiert werden, dass ein Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens eingegangen ist und die Möglichkeit erhalten über den Antrag abzusprechen.

Die Staaten haben mehrere Möglichkeiten, diesen zweiten Aspekt des Mindeststandards einzuhalten. Österreich hat sich dazu entschieden, den Mindeststandard zu erfüllen, indem es einen Vorbehalt gemäß Artikel 16 Absatz 5 lit. a MLI abgibt und Artikel 25 Absatz 1 OECD MA 2014 umsetzt. Zusätzlich wird die zuständige Behörde Österreichs ein zweiseitiges Notifikations- und Konsultationsverfahren mit der zuständigen Behörde der anderen Vertragspartei für jene Fälle durchführen, in denen der Antrag des Steuerpflichtigen auf Eröffnung des Verständigungsverfahrens für unberechtigt gehalten wird und das Verständigungsverfahren somit national nicht eingeleitet werden würde. Da die österreichische zuständige Behörde in der Rolle als Ansässigkeitsstaat nahezu immer zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens bereit ist, besteht kein Erfordernis einer Einleitung im Nichtansässigkeitsstaat. Kommt Österreich allerdings die Rolle als Quellenstaat zu, so erscheint es schwierig, den Ansässigkeitsstaat in ein Verständigungsverfahren zu zwingen, wenn dieser im Vorfeld bereits nicht zur Einleitung eines Verständigungsverfahrens bereit war.

Zu Artikel 17 – Gegenberichtigung

Artikel 17 normiert eine Gegenberichtigungsverpflichtung für Verrechnungspreise, die im Einklang mit dem Mindeststandard und der „best practice 1“ des BEPS-Aktionspunkts 14 steht. Österreich hat sich für die Umsetzung dieser Bestimmung entschieden. Artikel 17 Absatz 1 stellt somit die Umsetzung von Artikel 9 Absatz 2 OECD MA in den vom MLI erfassten Doppelbesteuerungsabkommen sicher. Folgende der österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen, welche der Anwendung des MLI unterzogen werden sollen, enthalten bereits eine Gegenberichtigungsverpflichtung: Bulgarien, Chile, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Hongkong, Indien, Israel, Lettland, Litauen, Mexiko, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Singapur, Slowenien, Südafrika, Türkei, Zypern. Voraussichtlich wird in folgende Doppelbesteuerungsabkommen eine Gegenberichtigungsverpflichtung aufgenommen: Belgien, China, Irland, Italien, Kanada, Kroatien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Pakistan, Portugal, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn.

Zu Artikel 18 – Entscheidung für die Anwendung des Teiles VI (Schiedsverfahren)

Die Bestimmungen der Artikel 18 bis 26 (Teil VI) des MLI betreffen insofern nicht den BEPS Mindeststandard, als sie im Grundsatz optional umzusetzen sind. Sie setzen die gemäß dem BEPS-Aktionspunkt 14 von einigen Staaten, darunter auch Österreich, eingegangene Verpflichtung zur Einführung und Anwendung einer Schiedsklausel in ihren Doppelbesteuerungsabkommen um.

Dieser Verpflichtung wurde von der Republik Österreich in ihren Vorbehalten und Erklärungen nun Rechnung getragen, indem die Anwendung des Teils VI des MLI bekanntgegeben wurde. Allerdings erfordert die Anwendung dieser Bestimmungen auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat die Option Österreichs zur Einführung einer Schiedsklausel und zur Anwendung des Teils VI nur dann eine Auswirkung auf die Doppelbesteuerungsabkommen, wenn die jeweiligen Vertragspartner ebenfalls dazu optieren. Voraussichtlich wird eine Bestimmung zur Durchführung eines Schiedsverfahrens mit folgenden Staaten zur Anwendung gelangen: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kanada, Luxemburg, Malta, Niederlande, Portugal, Schweiz, Singapur, Slowenien, Spanien.

Zu Artikel 19 – Obligatorisches verbindliches Schiedsverfahren

Artikel 19 sieht die Einführung einer Schiedsklausel in die Doppelbesteuerungsabkommen im Anwendungsbereich des MLI vor. Die in Artikel 19 Absatz 1 angeführte Schiedsklausel entspricht mit wenigen Änderungen dem Artikel 25 Absatz 5 des OECD MA und sieht vor, dass das Schiedsverfahren auf Antrag des Steuerpflichtigen verbindlich einzuleiten ist, wenn das Verständigungsverfahren zwei Jahre nach dem Anfangszeitpunkt erfolglos geblieben ist.

Allerdings hat Österreich die in Artikel 19 Absatz 11 enthaltene Option zu einer längeren Verfahrensdauer für das Verständigungsverfahren ausgeübt. Somit kann ein Schiedsverfahren gemäß Artikel 19 Absatz 1 erst nach drei anstatt von zwei Jahren eingeleitet werden. Die Option Österreichs entfaltet auch dann Wirkung, wenn die jeweiligen Vertragspartner nicht dazu optieren. Folgende Abkommenspartner Österreichs haben voraussichtlich ebenfalls für eine dreijährige Frist optiert: Deutschland, Frankreich, Griechenland, Portugal, Schweiz, Slowenien. Hier ist allerdings Artikel 26 MLI zu beachten, welcher in Absatz 4 die Möglichkeit des Vorbehalts einräumt, Teil VI nicht auf erfasste Abkommen anzuwenden, welche bereits ein verbindliches Schiedsverfahren vorsehen. Österreich hat von diesem Vorbehalt Gebrauch gemacht. Somit würden die in den Abkommen mit Deutschland und der Schweiz vorgesehenen Schiedsklauseln unverändert weiter gelten.

Artikel 19 enthält auch eine weitere Option in Absatz 12, welche Österreich ebenfalls ausgeübt hat. Diese Option betrifft das Verhältnis zwischen dem Schiedsverfahren und innerstaatlichen Rechtsmitteln und erlaubt es Vertragsparteien, deren zuständige Behörden an die Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte und Verwaltungsbehörden gebunden sind, die Einleitung eines Schiedsverfahrens zu versagen, wenn der jeweilige Streitpunkt bereits von einem innerstaatlichen Gericht oder einer innerstaatlichen Verwaltungsbehörde entschieden wurde. Außerdem dürfen sie ein Schiedsverfahren automatisch beenden, wenn währenddessen eine solche Entscheidung ergeht. Diese Option bedarf nicht der Zustimmung des Vertragspartners, um wirksam zu sein. Daher kommt sie für alle österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen zum Tragen, welche der Anwendung des Teils VI des MLI unterliegen.

Mit Ausnahme der zwei erwähnten Optionen sind alle anderen Bestimmungen des Artikels 19 zwingend anzuwenden. Die Absätze 2 und 3 des Artikels 19 modifizieren den Zeitpunkt der Einleitung des Schiedsverfahrens. Artikel 19 Absatz 2 sieht vor, dass bei einer Aussetzung des Verständigungsverfahrens durch die zuständigen Behörden infolge eines parallel laufenden nationalen Rechtsmittelverfahrens die Frist gehemmt wird. Laut Artikel 19 Absatz 3 wird die Frist verlängert, wenn die zuständigen Behörden sich einig sind, dass der Steuerpflichtige mit der Beschaffung von geforderten Informationen säumig war.

Artikel 19 Absatz 4 regelt die Umsetzung und die Rechtswirkungen des Schiedsspruchs. Der Schiedsspruch ist durch ein Verständigungsverfahren umzusetzen und bindet die zuständigen Behörden außer in den in Artikel 19 Absatz 4 lit. b aufgezählten Umständen.

Artikel 19 Absatz 5 und 6 geben die Vorgangsweise der zuständigen Behörden nach Erhalt eines Antrags auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens vor. Die zuständigen Behörden haben zwei Monate nach Erhalt des Antrags Zeit, den Erhalt zu bestätigen und die zuständigen Behörden des Vertragspartners vom Eingang des Antrags zu informieren. Sie haben drei Monate nach Erhalt des Antrags Zeit, um die erforderlichen Zusatzinformationen anzufordern.

Artikel 19 Absatz 7 und 8 bestimmen, wie der Anfangszeitpunkt des Verständigungsverfahrens und damit der Zeitpunkt berechnet werden, ab dem ein Schiedsverfahren verpflichtend einzuleiten ist. Der Anfangszeitpunkt hängt davon ab, ob zusätzliche Informationen angefordert wurden.

Gemäß Artikel 19 Absatz 10 sind die genauen Verfahrensregeln des Schiedsverfahrens im gegenseitigen Einvernehmen zwischen den Vertragsparteien zu regeln, bevor das Schiedsverfahren für einen Fall beantragt werden kann.

Zu Artikel 20 – Bestellung der Schiedsrichter

Artikel 20 legt Ausfallsregeln für die Ernennung von Schiedsrichtern fest. Im gegenseitigen Einvernehmen können die zuständigen Behörden davon abweichen. Grundsätzlich besteht das Schiedsgericht aus 3 Schiedsrichtern. Jeweils ein Richter wird von jedem Abkommenspartner bestellt. Gemeinsam bestellen die 2 Richter dann den Vorsitzenden. Sollte eine der Bestellungen nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit erfolgen, so schreitet der ranghöchste Funktionsträger des Zentrums für Steuerpolitik und -verwaltung der OECD ein, der nicht Angehöriger eines der beiden Vertragsstaaten ist und ernennt den/die fehlenden Schiedsrichter.

Artikel 20 sieht vor, dass Schiedsrichter unparteilich und von den zuständigen Behörden, Steuerverwaltungen und Finanzministerien der Vertragsstaaten sowie allen unmittelbar von dem Fall betroffenen Personen unabhängig sein müssen. Diese Unparteilichkeit und Unabhängigkeit müssen sie nicht nur bei der Bestellung vorweisen, sondern auch während des Verfahrens und für einen angemessenen Zeitraum danach. Zu den Verhaltensweisen, welche die Unparteilichkeit in Frage stellen könnten, gehören beispielsweise die Annahme eines Stellenangebots von einem der Steuerpflichtigen im Verständigungsfall kurze Zeit nach Ergehen des Schiedsspruches. Die Erläuterungen der OECD/G20 zum MLI weisen darauf hin, dass die Vereinbarung einer Offenlegungspflicht für die Schiedsrichter sinnvoll sein könnte.

Zudem müssen die Schiedsrichter Fachkenntnisse oder Erfahrung auf dem Gebiet des internationalen Steuerrechts besitzen. Es ist jedoch nicht notwendig, dass die Schiedsrichterkandidaten Erfahrung als Schiedsrichter oder Richter besitzen.

Zu Artikel 21 – Vertraulichkeit von Schiedsverfahren

Artikel 21 regelt den Zugang der Schiedsrichter und ihrer Mitarbeiter zu vertraulichen Informationen sowie den Umgang der zuständigen Behörden mit vom Schiedsgericht erhaltenen Informationen. Die Schiedsrichter und ihre Mitarbeiter sind verpflichtet, vor dem Beginn des Schiedsverfahrens eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben. Die Rechtsfolgen eines Bruchs der Verschwiegenheitspflicht bestimmen sich nach dem nationalen Recht der Vertragspartner.

Die Bestimmung stellt sicher, dass die zuständigen Behörden den Schiedsrichtern alle notwendigen Informationen zukommen lassen können, ohne durch ihre nationalen oder abkommensrechtlichen Verschwiegenheitspflichten daran gehindert zu sein.

Artikel 22 – Regelung eines Falles vor Abschluss des Schiedsverfahrens

Artikel 22 bestimmt, dass sowohl das Verständigungs- als auch das Schiedsverfahren automatisch beendet werden, wenn die zuständigen Behörden der Vertragsparteien nach Einlangen des Antrags auf Einleitung des Verständigungsverfahrens – aber vor Bekanntgabe der Entscheidung durch die Schiedsrichter – eine einvernehmliche Einigung erzielen oder der Steuerpflichtige während dieses Zeitraumes seinen Antrag auf das Verständigungs- oder ein Schiedsverfahren zurückzieht.

Die Bestimmung trägt dem Grundgedanken des Teils VI des MLI Rechnung, eine wirksame und effiziente Streitbeilegung sicherzustellen. Dies ist naturgemäß nicht mehr erforderlich, sobald sich die Vertragspartnerstaaten einigen oder wenn der Steuerpflichtige, der durch die Maßnahmen der jeweiligen Staaten betroffen ist, es nicht mehr wünscht.

Zu Artikel 23 – Art des Schiedsverfahrens

Artikel 23 regelt die Art des anzuwendenden Schiedsverfahrens. Gemäß Artikel 23 Absatz 1 soll grundsätzlich das „Final Offer“-Verfahren (auch „Last Best Offer“ oder „Baseball Arbitration“) zur Anwendung kommen, bei welchem die Schiedsrichter keine eigene Entscheidung treffen, sondern nur zwischen den von den beteiligten zuständigen Behörden vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten wählen. Diese Vorschläge können entweder monetärer Natur sein (Geldbeträge oder die Höhe der erhobenen Steuern) oder eine Antwort auf eine „Ja/Nein“-Frage darstellen. Die zuständigen Behörden haben jedoch die Möglichkeit, sich im beidseitigen Einvernehmen auf andere Verfahrensregeln zu einigen, welche gemäß Artikel 23 Absatz 1 Vorrang haben würden.

Sollten Vertragsparteien des MLI nicht die Anwendung des „Final Offer“ Verfahrens wünschen, können sie sich die Anwendung des Artikel 23 Absatz 2 vorbehalten. Dieser regelt die „Independent Opinion“-Methode, nach welcher die Schiedsrichter eine von den Positionen der Vertragsparteien unabhängige Entscheidung treffen können. Auch Artikel 23 Absatz 2 kommt nur in Ermangelung einer Vereinbarung anderer Verfahrensregeln zwischen den zuständigen Behörden der Vertragspartner zur Anwendung.

Treffen zwei Abkommenspartner aufeinander, welche beide den Vorbehalt des Artikels 23 Absatz 2 nicht ausgeübt haben, so kommt naturgemäß das „Final Offer“-Verfahren laut Artikel 23 Absatz 1 zur Anwendung. Wenn einer der zwei Abkommenspartner sich jedoch die Anwendung der „Independent Opinion“-Methode vorbehalten hat und sich der andere Staat diesbezüglich nicht geäußert hat oder sich ebenfalls die Anwendung des Artikel 23 Absatz 2 vorbehalten hat, kommt für das betroffene Doppelbesteuerungsabkommen Artikel 23 Absatz 2, also die „Independent Opinion“-Methode zur Anwendung.

Damit ein Staat, welcher keinen Vorbehalt gemäß Artikel 23 Absatz 2 abgegeben hat, nicht gezwungen ist, im Verhältnis zu seinen Doppelbesteuerungsabkommenspartnern, welche solche Vorbehalte abgegeben haben, die „Independent Opinion“-Methode anzuwenden, sieht Artikel 23 Absatz 3 vor, dass der Staat sich vorbehalten kann, mit einem Staat, welcher die „Independent Opinion“-Methode anwenden will, keine der zwei von Artikel 23 vorgesehenen Methoden anzuwenden. In diesem Fall werden die anwendbaren Verfahrensregeln mittels Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden entschieden. Solange keine diesbezügliche Einigung erfolgt ist, bleiben die Regeln über das Schiedsverfahren unanwendbar.

Österreich hat weder vom Vorbehalt in Artikel 23 Absatz 2 noch vom Vorbehalt in Artikel 23 Absatz 3 Gebrauch gemacht. Dies bedeutet, dass im Verhältnis zwischen Österreich und einem Doppelbesteuerungsabkommenspartner, welcher die „Independent Opinion“-Methode anwenden will, diese Methode zur Anwendung kommen wird. Folglich hängt die Art des Schiedsverfahrens in den modifizierten österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen zur Gänze von der Wahl des Abkommenspartners ab. Die in den österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen voraussichtlich eingeführten Bestimmungen zur Durchführung eines Schiedsverfahrens werden mehrheitlich die „Final Offer“-Methode anwenden. Folgende Bestimmungen setzen voraussichtlich die „Independent Opinion“-Methode um: Griechenland, Malta, Portugal, Slowenien.

Artikel 23 Absatz 5 sieht eine weitere Option zur Art des Schiedsverfahrens vor. So können sich Vertragsparteien vorbehalten, vor dem Beginn des Schiedsverfahrens von den betroffenen Steuerpflichtigen und ihren Beratern die Unterzeichnung einer Verschwiegenheitserklärung zu verlangen. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht vor dem Ergehen des Schiedsurteils würde zu einem Abbruch des Schiedsverfahrens führen. Die Ausübung dieser Option ist auch einseitig möglich, sie erfordert also nicht die Übereinstimmung mit dem jeweiligen Vertragspartner. Vertragsparteien können jedoch die Anwendung des Artikels 23 Absatz 5 auf einzelne ihrer Doppelbesteuerungsabkommen ausschließen. Gleichzeitig können sich Vertragsparteien vorbehalten, die Schiedsbestimmungen des MLI zur Gänze nicht anzuwenden, wenn ihre Vertragspartner gegen die Anwendung der Verschwiegenheitspflicht optiert haben.

Österreich hat keine der in Artikel 23 Absätze 4 bis 7 enthaltenen Optionen ausgeübt. Daher wird für keines der österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen die Abgabe einer Verschwiegenheitserklärung an die österreichische zuständige Behörde fällig. Eine solche Erklärung könnte jedoch für die andere zuständige Behörde erforderlich sein, wenn diese die Option ausgeübt hat.

Zu Artikel 24 – Verständigung auf eine andere Regelung

Artikel 24 erlaubt es den Vertragsparteien, für die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidungsfindung zu optieren. Der Schiedsspruch ist gemäß der Bestimmung insofern nicht verbindlich und umsetzungspflichtig, als die Vertragsparteien sich innerhalb von drei Kalendermonaten nach seiner Übermittlung einvernehmlich auf eine andere Lösung einigen, welche alle offenen Fragen regelt.

Österreich hat diese Option ausgeübt. Allerdings erfordert die Anwendung dieser Bestimmung auf ein Doppelbesteuerungsabkommen im Geltungsbereich des MLI die Zustimmung beider Doppelbesteuerungsabkommenspartner. Somit hat diese Option nur dann eine Auswirkung auf die österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen, wenn die jeweiligen Vertragspartner ebenfalls dazu optieren. Im Verhältnis zu folgenden Staaten wird Artikel 24 Absatz 2 voraussichtlich zur Anwendung kommen: Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Malta, Portugal, Singapur, Slowenien, Spanien.

Absatz 3 von Artikel 24 sieht für Vertragsparteien, die für die Anwendung von Absatz 2 optiert haben, die Möglichkeit vor, Absatz 2 nur für Abkommen anzuwenden, bei denen das „Independent Opinion“-Verfahren zur Anwendung kommt. Österreich hat von diesem Vorbehalt nicht Gebrauch gemacht.

Zu Artikel 25 – Kosten von Schiedsverfahren

Artikel 25 bestimmt, dass die Aufteilung der Kosten für das Schiedsverfahren grundsätzlich gemäß einer von den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung erfolgen soll. Als Ausfallsregel wird festgelegt, dass jeder Staat seine eigenen Kosten und die Kosten für den von ihm ernannten Schiedsrichter tragen soll. Somit wird Österreich grundsätzlich die eigenen Kosten der zuständigen Behörde, die Kosten für einen der bestellten Schiedsrichter, sowie die Hälfte der Kosten für den Vorsitzenden und der sonstigen allgemeinen Verfahrenskosten zu tragen haben. Unter allgemeinen Verfahrenskosten versteht die OECD die Kosten für die Anfahrt und die Telekommunikation durch den Vorstand. Die Kosten für die Logistik und Administration des Schiedsverfahrens, sowie die Kosten des Sitzungsraumes fallen jedoch nicht unter die allgemeinen Kosten. Solche Kosten hätte zur Gänze der Vertragsstaat zu tragen, in welchem das Schiedsverfahren stattfindet und welcher Räumlichkeiten dafür zur Verfügung stellt.

Die zuständigen Behörden können sich auch auf fixe Sätze für die Vergütung der Schiedsrichter einigen, wie bspw. jene, welche das ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes) festgelegt hat (Schedule of Fees, 2016) oder jene, welche im Revised Code of Conduct zur EU Schiedskonvention vorgeschlagen werden (EU Kommission, 2009).

Zu Artikel 26 – Vereinbarkeit

Artikel 26 Absatz 1 beschreibt die Auswirkungen des Teils VI des MLI auf bestehende Doppelbesteuerungsabkommen. Die im Teil VI vorgesehenen Bestimmungen werden hinzugefügt bzw. ersetzen grundsätzlich bereits bestehende Schiedsklauseln. Artikel 26 Absatz 4 bietet Vertragsparteien die Möglichkeit, bereits bilateral vereinbarte Schiedsklauseln beizubehalten, indem sie einen Vorbehalt bzgl. der Anwendung des Teils VI darauf aussprechen. Österreich hat von diesem Vorbehalt Gebrauch gemacht für die Abkommen mit Deutschland und der Schweiz. Da laut Artikel 18 die Bestimmungen des Teils VI nur dann Anwendung finden, wenn alle Vertragspartner dafür optieren, verhindert der Vorbehalt Österreichs jegliche Auswirkung der Artikel 18 bis 26 auf die zwei genannten Schiedsklauseln.

Artikel 26 Absatz 2 vermeidet Doppelgleisigkeiten mit anderen internationalen Rechtsgrundlagen, indem die Einleitung eines Schiedsverfahrens ausgeschlossen wird, wenn die strittigen Aspekte eines Falls bereits aufgrund eines anderen bilateralen oder multilateralen Abkommens vor ein Schiedsgericht gebracht wurden. Dies ist im Interesse der Effizienz und Effektivität. Artikel 26 Absatz 3 stellt klar, dass weiterreichende Verpflichtungen der Vertragsparteien aufgrund anderer Übereinkünfte unberührt bleiben. Artikel 26 Absatz 2 und 3 könnten für Österreich insofern Auswirkungen haben, als Österreich die EU Schiedskonvention ratifiziert hat. Wird ein Fall somit laut den Bestimmungen der EU Schiedskonvention vor ein Schiedsgericht gebracht, so darf für den gleichen Fall kein Schiedsverfahren gemäß dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen mehr eingeleitet werden. Sollte die EU Schiedskonvention weiterreichende Verpflichtungen für Österreich vorsehen, so bleiben diese ebenfalls unberührt.

Zu Artikel 27 – Unterzeichnung und Ratifikation, Annahme oder Genehmigung

Laut Artikel 27 Absatz 1 kann das MLI von einigen Staaten, sowie bestimmten Gebieten wie Guernsey unterzeichnet werden. Je nach nationalem Recht bedarf das MLI entweder der Ratifikation, der Annahme oder der Genehmigung. Nach Abschluss des anwendbaren innerstaatlichen Verfahrens muss das Instrument der Ratifikation oder Ähnliches beim Verwahrer hinterlegt werden. Diese Hinterlegung ist maßgeblich für das Inkrafttreten gemäß Artikel 34 des MLI.

In Österreich erlangt das MLI, wie jedes Doppelbesteuerungsabkommen, durch die Genehmigung im Nationalrat und Bundesrat Gültigkeit. Folglich ist im Falle Österreichs der Beschluss des Nationalrats und des Bundesrats beim Verwahrer zu hinterlegen. Nach österreichischem Recht handelt es sich um einen Staatsvertrag gemäß Art. 50 B-VG, der vom Bundespräsidenten ratifiziert wird.

Zu Artikel 28 – Vorbehalte

Die Absätze 1 und 2 des Artikels 28 legen fest, welche Vorbehalte unter dem MLI zulässig sind. Die Aufzählung ist taxativ, weshalb ein Staat keine anderen als die erwähnten Vorbehalte abgeben kann.

Österreich hat folgende Vorbehalte gemäß Artikel 28 Absatz 1 des MLI abgeben:

1.      Vorbehalt gemäß Artikel 3 Absatz 5, dass Artikel 3 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

2.      Vorbehalt gemäß Artikel 4 Absatz 3 lit. a, dass Artikel 4 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

3.      Vorbehalt gemäß Artikel 8 Absatz 3 lit. a, dass Artikel 8 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

4.      Vorbehalt gemäß Artikel 9 Absatz 6 lit. a, dass Artikel 9 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

5.      Vorbehalt gemäß Artikel 11 Absatz 3 lit. a, dass Artikel 11 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

6.      Vorbehalt gemäß Artikel 12 Absatz 4, dass Artikel 12 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

7.      Vorbehalt gemäß Artikel 13 Absatz 6 lit. c, dass Artikel 13 Absatz 4 unangewendet bleiben soll;

8.      Vorbehalt gemäß Artikel 14 Absatz 3 lit. a, dass Artikel 14 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

9.      Vorbehalt gemäß Artikel 15 Absatz 2, dass Artikel 15 zur Gänze unangewendet bleiben soll;

10.    Vorbehalt gemäß Artikel 16 Absatz 5 lit. a, dass der erste Satz des Artikel 16 Absatz 1 nicht angewendet werden soll;

11.    Vorbehalt gemäß Artikel 19 Absatz 11, dass das Schiedsverfahren erst nach 3 Jahren beginnen soll;

12.    Vorbehalt gemäß Artikel 19 Absatz 12, dass das Schiedsverfahren nicht zur Anwendung kommt oder beendet wird, sobald ein nationales Gericht oder eine nationale Verwaltungsbehörde über die Streitpunkte abgesprochen hat;

13.    Vorbehalt gemäß Artikel 26 Absatz 4, dass die neue Schiedsklausel nicht für Abkommen anwendbar sein soll, welche eine in bestimmter Form abgefasste Schiedsklausel enthalten;

14.    Vorbehalt gemäß Artikel 36 Absatz 2, dass einem Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens, welcher vor dem Inkrafttreten des MLI in beiden Vertragsparteien eingebracht wird, nur stattgegeben wird, wenn beide zuständigen Behörden dem zustimmen.

Zusätzlich hat Österreich einen Vorbehalt gemäß Artikel 28 Absatz 2 lit. a abgegeben, wonach sich Österreich das Recht vorbehält, bestimmte Fälle von der Möglichkeit der Durchführung eines Schiedsverfahrens auszuschließen, wenn nationale Missbrauchsvorschriften zur Anwendung gelangen.

Ziel des Artikels 28 Absatz 2 ist es, den Vertragsparteien die notwendige Flexibilität in der Anwendung der Schiedsklausel zu bieten. Dieser Vorbehalt bedarf laut Artikel 28 Absatz 2 lit. b der Annahme durch die andere Vertragspartei, wobei das Fehlen einer rechtzeitigen Notifizierung ebenfalls als Annahme gewertet wird. Sollte eine Vertragspartei den Vorbehalt nicht annehmen, so würden die Bestimmungen bzgl. des Schiedsverfahrens mit dieser Partei nicht zur Anwendung kommen.

Artikel 28 Absatz 3 regelt die Wirkungsweise eines Vorbehalts. Sofern nicht explizit anders festgehalten, wirkt sich ein Vorbehalt sowohl auf die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens durch den einbringenden Staat, als auch auf die Anwendung des Abkommens durch den Abkommenspartner aus. Mit anderen Worten, ein Vorbehalt modifiziert ein Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich auf gleiche Weise für beide Staaten. Dadurch verhindern die Vorbehalte Österreichs, dass der Abkommenspartner einseitig eine von Österreich nicht gewünschte Bestimmung anwendbar macht.

Laut Artikel 28 Absätze 5 bis 7 wäre es möglich, eine bloß vorübergehende Liste der Vorbehalte gleichzeitig mit der Unterzeichnung des MLI beim Verwahrer einzubringen. Die endgültigen Vorbehalte wären sodann beim Einbringen der Ratifikationsurkunde (oder eines etwaigen anderen innerstaatlichen Ratifikationsdokuments) beim Verwahrer einzureichen. Die bei der Unterzeichnung eingebrachte Liste an Vorbehalten kann als final gelten, soweit dies im Dokument selbst explizit angemerkt ist. Die Vorbehalte können in beiden Fällen gemäß Artikel 28 Absätze 2, 5 und 9 sowie Artikel 29 Absatz 5 noch nachträglich geändert werden. Gemäß Art. 28 Abs. 6 und Art. 29 Abs. 3 des Multilateralen Übereinkommens wurden bereits anlässlich der Unterzeichnung die Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich abgegeben. Die Bestätigung dieser Vorbehalte und Notifikationen erfolgt anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde.

Artikel 28 Absatz 8 sieht vor, dass bei der Abgabe bestimmter Vorbehalte eine Notifizierung der betroffenen Doppelbesteuerungsabkommen bzw. der betroffenen Bestimmungen in den Abkommen eingereicht werden muss. Dies soll über den Anwendungsbereich der Vorbehalte Klarheit schaffen. Auf ein nicht notifiziertes Abkommen sind die Vorbehalte demgemäß nicht anwendbar.

Laut Artikel 28 Absatz 9 darf eine Vertragspartei die eigenen Vorbehalte nachträglich einschränken oder zurücknehmen, nicht jedoch ausweiten. Ziel der Bestimmung ist es, weitreichendere Auswirkungen des MLI auf die Doppelbesteuerungsabkommen einer Partei zu ermöglichen. Da Österreich zwar viele der möglichen Vorbehalte ausgenutzt hat, aber nicht alle, verliert es die Möglichkeit, diese Vorbehalte in Anspruch zu nehmen, sobald Vorbehalte beim Verwahrer anlässlich der Ratifikation abgegeben werden.

Absatz 9 regelt zudem den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Vorbehalte, welcher anhand der Steuerperiode oder eines steuerbaren Vorgangs definiert wird. Für Abkommen, bei welchen im Zeitpunkt der Änderung des Vorbehalts beide Staaten bereits Vertragsparteien waren (siehe Artikel 28 Absatz 9 lit. a), hängt der Zeitpunkt des Wirksamwerdens zudem davon ab, ob es sich um Abzugsteuern (siehe Artikel 28 Absatz 9 lit. a sublit. i), oder eine andere Steuerart (siehe Artikel 28 Absatz 9 lit. a sublit. ii) handelt. Der zeitliche Anwendungsbereich bestimmt sich in beiden Fällen aus dem Zeitpunkt des Ablaufs einer Frist von sechs Monaten ab Abgabe der Notifikation. Gibt eine Vertragspartei bspw dem Verwahrer am 25. August 2018 die Änderung eines Vorbehalts bekannt und teilt sie diese allen anderen Vertragsparteien am 1. September 2018 mit, so wird die Änderung für Abzugssteuern wirksam, für welche der steuerpflichtige Vorgang am oder nach dem 1. Jänner 2020 verwirklicht wurde (Artikel 28 Absatz 9 lit. a sublit. i). Gleichzeitig wird die Änderung für alle Steuern wirksam, welche sich auf Perioden nach dem 1. Jänner 2020 beziehen (Artikel 28 Absatz 9 lit. a sublit. ii; vgl Explanatory Statement, Rz 286 f). Falls einer der Abkommenspartner erst nach Bekanntgabe der Änderung an den Verwahrer Vertragspartei geworden ist, so wird die Änderung mit Inkrafttreten des MLI für das betroffene Doppelbesteuerungsabkommen wirksam. Laut Artikel 35 Absatz 7 kann der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung nach hinten verschoben werden um den Abschluss aller erforderlichen nationalen Verfahren zu ermöglichen.

Zu Artikel 29 – Notifikationen

Ähnlich wie im Fall der Vorbehalte ist gemäß der Absätze 1 bis 4 des Artikels 29 zumindest eine vorläufige Liste der Notifikationen gleichzeitig mit der Unterzeichnung des MLI beim Verwahrer einzubringen. Die endgültigen Notifikationen sind beim Einbringen der Ratifikationsurkunde oder des anderen nach nationalem Recht erforderlichen Dokuments beim Verwahrer einzureichen bzw. ist deren Endgültigkeit zu bestätigen. Die bei der Unterzeichnung eingebrachte Liste an Notifikationen kann auch als final gelten, soweit dies im Dokument selbst explizit angemerkt ist. Die Notifikationen können in beiden Fällen gemäß Artikel 29 Absätze 5 und 6 sowie Artikel 35 Absatz 7 noch nachträglich geändert werden.

Eine Vertragspartei kann gemäß Artikel 29 Absatz 5 jederzeit die Liste der angemeldeten Doppelbesteuerungsabkommen ergänzen. Etwaige damit zusammenhängende Notifikationen oder Änderungen von Notifikationen müssen gleichzeitig durchgeführt werden. Das Datum des Wirksamwerdens richtet sich für die neu angemeldeten Abkommen ebenfalls nach Artikel 35 des MLI. Ziel der Bestimmung ist es, den Anwendungsbereich des MLI erweitern zu können. Daher kann die Liste der angemeldeten Abkommen nicht eingeschränkt werden.

Artikel 29 Absatz 6 erlaubt es den Vertragsparteien, nachträglich Notifikationen bekannt zu geben. Die Bestimmungen für das Wirksamwerden entsprechen jenen der nachträglichen Vorbehalte gemäß Artikel 28 Absatz 9 des MLI. Es wird daher auf die Erläuterungen zu dieser Bestimmung verwiesen.

Zu Artikel 30 – Nachträgliche Änderungen von unter das Übereinkommen fallenden Steuerabkommen

Artikel 30 stellt klar, dass das MLI nachträgliche Änderungen eines darunter fallenden Doppelbesteuerungsabkommens durch die Vertragspartner nicht verhindert. Alle Bestimmungen des Steuerabkommens dürfen nachträglich geändert werden, auch diejenigen, deren Anwendung durch das MLI modifiziert wurde.

Zu Artikel 31 – Konferenz der Vertragsparteien

Artikel 31 erlaubt es den Vertragsparteien, eine Konferenz einzuberufen, um Aufgaben wahrzunehmen, die aufgrund des MLI gegebenenfalls erforderlich oder zweckdienlich sind. Darunter fallen beispielsweise die Klärung von Auslegungsfragen gemäß Artikel 32 Absatz 2 oder die Entscheidung über eine mögliche Ergänzung des MLI gemäß Artikel 33 Absatz 2. Artikel 31 Absatz 3 regelt den Prozess der Einberufung.

Zu Artikel 32 – Auslegung und Durchführung

Artikel 32 Absatz 1 legt die Auslegungsregel für die durch das MLI modifizierten Bestimmungen bilateraler Doppelbesteuerungsabkommen fest. Auslegungsfragen bzgl. dieser Bestimmungen sind durch die üblichen in einem Doppelbesteuerungsabkommen vorhandenen Mechanismen zu lösen, somit mit Hilfe des Verständigungsverfahrens. Darunter fallen auch Fragen bzgl. der Auswirkung der Kompatibilitätsklauseln. Die zuständigen Behörden können sich somit auf die Auswirkungen des MLI auf ihre Abkommen einigen, sofern die Einigung mit den Bestimmungen des MLI im Einklang ist.

Artikel 32 Absatz 2 bestimmt die Auslegungsregeln für das MLI selbst. Fragen zur Auslegung des MLI können durch die Einberufung einer Konferenz der Parteien geklärt werden. Absatz 2 schließt jedoch die Anwendung anderer Mechanismen nicht aus. Daher können bspw. die zuständigen Behörden untereinander vereinbaren, welche Auswirkungen das MLI auf ein erfasstes Doppelbesteuerungsabkommen haben soll und bilaterale Auslegungen in Bezug auf bestimmte Doppelbesteuerungsabkommen nicht ausgeschlossen. Bei der Auslegung der MLI sind jedoch die authentischen Sprachen, somit Englisch und Französisch, zu beachten.

Zu Artikel 33 – Änderungen

Jede Partei kann Änderungen des MLI vorschlagen, indem sie diese dem Verwahrer zukommen lässt, welcher eine Konferenz der Parteien einberufen kann.

Zu Artikel 34 – Inkrafttreten

Für die ersten fünf Länder, welche Ratifikationsurkunden oder ähnliche Urkunden beim Verwahrer einreichen, tritt das MLI am 1. Tag des 4. Kalendermonats nach Einreichung der letzten Urkunde in Kraft (Artikel 34 Absatz 1), für alle anderen Unterzeichner, jeweils am 1. Tag des 4. Kalendermonats nach Einreichung der eigenen Urkunde (Artikel 34 Absatz 2). Wenn die relevante Urkunde bspw. am 1. März 2018 eingereicht wird, tritt das MLI am 1. Juli 2018 in Kraft.

Zu Artikel 35 – Wirksamwerden

Laut Artikel 35 Absatz 1 hängt das Datum des Wirksamwerdens des Abkommens von der Art der erhobenen Steuer ab. Sollte das Abkommen, nachdem es bereits in einem Vertragsstaat in Kraft getreten ist, am 1. September 2018 im späteren, zweiten, Vertragsstaat in Kraft getreten sein, so bestimmt Absatz 1 lit. a, dass das MLI für jene Abzugssteuern wirkt, für welche das steuerpflichtige Ereignis ab dem 1. Jänner 2019 eingetreten ist. Für alle anderen Steuern ist das MLI in diesem Fall wirksam, wenn sie Steuerperioden nach dem 1. Jänner 2020 betreffen, da das MLI für diese Fälle nach dem Inkrafttreten ein Verstreichen von 6 Monaten erfordert (vgl Explanatory Statement, Rz 326 f).

Artikel 35 Absatz 2 ermöglicht es Staaten, das Wirksamwerden des MLI für Abzugssteuern auf eine Steuerperiode anstatt eines Kalenderjahres zu beziehen, um jenen Fällen Rechnung zu tragen, in denen die zwei Zeiträume sich nicht überlappen. Diese Option ist einseitig anwendbar. Dies bedeutet, dass der andere Vertragsstaat gleichzeitig auf das Kalenderjahr abstellen kann.

Weiters dürfen Vertragsparteien laut Artikel 35 Absatz 3 das Wirksamwerden des MLI für Steuern außer Abzugssteuern an den Beginn eines Kalenderjahres anstelle des Beginns einer neuen Steuerperiode knüpfen. Dies dient der Sicherstellung, dass das MLI immer am Anfang eines Kalenderjahres in Kraft tritt. Diese Option ist ebenfalls einseitig anwendbar und kann daher zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Wirksamwerdens in den beiden Vertragsstaaten führen. Österreich hat bekannt gegeben, dass es von dieser Option Gebrauch machen möchte.

Artikel 35 Absatz 4 sieht eine spezielle Regel für das Wirksamwerden des MLI in Bezug auf das Verständigungsverfahren vor. Anträge auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens können unabhängig vom betroffenen Steuerzeitraum am oder nach dem Tag des Inkrafttretens des MLI im letzten der beiden Vertragsstaaten wirksam eingebracht werden. Eine Ausnahme gilt jedoch für jene Fälle, deren Vorlage bis zu diesem Tag im Rahmen des Doppelbesteuerungsabkommens vor dessen Änderung nicht möglich war.

Ziel der Bestimmung ist es, ein möglichst schnelles Wirksamwerden der Bestimmungen bzgl. des Verständigungsverfahrens nach dem Inkrafttreten des MLI zu ermöglichen. Gleichzeitig soll das MLI allerdings Altfällen keinen Zugang zum Verständigungsverfahren verschaffen, für welche die Einbringung eines Antrags vor der Änderung des Steuerabkommens unzulässig war.

Artikel 35 Absatz 5 sieht spezielle Regeln für das Wirksamwerden des MLI in Bezug auf nachträglich angemeldete Doppelbesteuerungsabkommen vor. Die Zeiträume werden auf sehr ähnliche Art und Weise wie die Zeiträume in Absatz 1 berechnet. Der Unterschied besteht darin, dass sie ausgehend vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Änderungen an alle Vertragsparteien durch den Verwahrer anstelle des Zeitpunkts des Inkrafttretens berechnet werden. Zudem wurden die Fristen für das Wirksamwerden im Vergleich zu den Fristen nach Absatz 1 verlängert, um 30 Tage im Falle der lit. a und um 3 Monate im Falle der lit. b.

Laut Artikel 35 Absatz 6 darf eine Vertragspartei einen Vorbehalt in Bezug auf Absatz 4, dh das Wirksamwerden des Artikels 16, abgeben. Der Vorbehalt bewirkt, dass die Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Verständigungsverfahren erst später, gemeinsam mit den anderen Bestimmungen des MLI, dh zum Zeitpunkt gemäß Artikel 35 Absätze 1 bis 3, in Kraft treten. Artikel 35 Absatz 7 erlaubt es den Staaten, Vorbehalte bezüglich der Absätze 1 und 5 abzugeben. Der Vorbehalt soll den Staaten ermöglichen, die innerstaatlich erforderlichen Inkraftsetzungsverfahren ungehindert abzuschließen. Daher wird die Wirksamkeit bis nach der Notifikation an den Verwahrer bezüglich des Abschlusses dieser Verfahren hinausgezögert. In diesen Fällen würde das MLI erst 30 Tage nach der Notifikation des Verwahrers durch den Abkommenspartner wirksam werden. Sollten beide Vertragsstaaten eines Doppelbesteuerungsabkommens diesen Vorbehalt ausgenützt haben, so gilt der Zeitpunkt der letzten derartigen Notifikation an den Verwahrer.

Österreich hat von diesen Vorbehalten keinen Gebrauch gemacht, sie könnten jedoch insofern für österreichische Doppelbesteuerungsabkommen relevant sein, als einer der Abkommenspartner Österreichs einen solchen Vorbehalt abgegeben haben könnte. Dann würden im Verhältnis zu diesem Staat die Bestimmungen des MLI entsprechend später wirksam werden.

Zu Artikel 36 – Wirksamwerden des Teiles VI

Für das Wirksamwerden der Schiedsbestimmungen werden Sonderregeln vorgesehen. Laut Artikel 36 Absatz 1 lit a ist Teil VI des MLI wirksam für jene Anträge auf Einleitung eines Schiedsverfahrens, welche nach dem Inkrafttreten des MLI in beiden Vertragsstaaten gestellt werden.

Für Anträge, welche vor diesem Zeitpunkt gestellt werden, gilt als Zeitpunkt des Wirksamwerdens jener Zeitpunkt, in welchem die Vertragsparteien dem Verwahrer gemeldet haben, dass sie eine Verständigungsvereinbarung gemäß Artikel 19 Absatz 10 bzgl. der Anwendung des Teils VI abgeschlossen haben. Gleichzeitig bestimmen in diesem Fall die Vertragsparteien im gegenseitigen Einvernehmen, wann die Anträge als eingebracht gelten sollen und somit wann die Bestimmungen des Teils VI auf sie anwendbar werden. Ziel der Regel ist es, den zuständigen Behörden ein Hinauszögern des Wirksamwerdens sowie eine bessere Verteilung der Fälle durch unterschiedliche Zeitpunkte der Anwendbarkeit der Bestimmungen zu ermöglichen.

Artikel 36 Absatz 2 erlaubt den Vertragsparteien die Abgabe eines Vorbehalts bzgl. der vor dem Inkrafttreten eingereichten Anträge. Solche Anträge bedürfen dann der Zustimmung beider Vertragsparteien um zulässig zu sein. Folglich könnten bereits laufende Verständigungsverfahren nur mit Zustimmung der beiden zuständigen Behörden in ein Schiedsverfahren münden. Dieser Vorbehalt wurde auch von Österreich abgegeben. Die Bestimmung soll auch der Ressourcenknappheit der zuständigen Behörden Rechnung tragen. Staaten mit einer hohen Anzahl laufender Verständigungsverfahren könnten bei der Anwendung von Teil VI auf all diese Fälle auf Schwierigkeiten stoßen.

Die Absätze 3 bis 5 des Artikel 36 regeln das Wirksamwerden bei späterem Inkrafttreten des Teils VI. In solchen Fällen wird der Zeitpunkt des Wirksamwerdens abhängig vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Notifikation an alle Vertragsparteien durch den Verwahrer berechnet.

Zu Artikel 37 – Rücktritt

Eine Partei kann jederzeit und mit sofortiger Wirkung mittels Notifikation an den Verwahrer zurücktreten. Allerdings bleibt das MLI auf alle Doppelbesteuerungsabkommen dieser Partei anwendbar, für welche es vor dem Zeitpunkt des Rücktritts für alle Vertragsstaaten in Kraft getreten ist. Folglich entfaltet ein Rücktritt nur Wirkungen für die Zukunft.

Artikel 38 – Verhältnis zu Protokollen

Artikel 38 stellt klar, dass die Parteieigenschaft unter dem MLI unabhängig ist von einer Parteieigenschaft unter einem etwaigen späteren Protokoll. Eine Vertragspartei des MLI muss daher nicht zwingend etwaigen späteren Protokollen beitreten. Allerdings kann ein Staat umgekehrt einem solchen späteren Protokoll nur beitreten, wenn er auch dem MLI beitritt.

Zu Artikel 39 – Verwahrer

Der Verwahrer im Rahmen des MLI ist der Generalsekretär der OECD. Die Aufgaben des Verwahrers sind in den Absätzen 2 und 3 geregelt.