1691 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 2234/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz geändert wird

Die Abgeordneten Josef Muchitsch, August Wöginger, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 7. Juni 2017 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Änderungen dienen einer einfachen und zweckmäßigen Sicherung von Zeitguthaben sowie einer Erleichterung der Vollziehung.

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B-VG.

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 4 Z 3 IESG):

Statt der bisherigen Pauschalbegrenzung soll für Ansprüche aus zusätzlicher Arbeit, die durch Zeitausgleich oder anders verteilte Normalarbeitszeit hätten abge­golten werden sollen, sowie für Zeitausgleichsguthaben, die ohne Mehrarbeit erworben wurden, ein gesonderter Grenzbetrag gelten. In Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Sicherung von Löhnen/Gehältern bis zur doppelten Höchstbeitragsgrundlage soll auch die Sicherung jeder abzugeltenden Arbeitsstunde auf Grundlage des gebührenden Entgelts, maximal jedoch eines Entgelts in Höhe der doppelten Höchst­beitragsgrundlage gesichert werden. Daher wird der Grenzbetrag (je abzugeltender Arbeitsstunde) mit einem Achtel der zweifachen täglichen Höchstbeitragsgrundlage festgelegt; dies entspricht einem Viertel der täglichen Höchstbeitragsgrundlage. Diese Grenze gilt sinngemäß für Überstunden- und Mehrarbeitszuschläge. Diese Regelung gilt nicht für Mehr- und Überstundenarbeit, die von Anfang an gegen Bezahlung geleistet, aber nicht (mehr) abgegolten wurde. Hier bleibt es bei der geltenden Regelung.

Zielsetzung der Novelle zur Sicherung von Entgelt für Zeitausgleichsguthaben ist die Vermeidung der – in vielen Fällen nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglichen – Zuordnung auf einzelne Leistungszeiträume (siehe dazu auch die Erläuterungen zu Z 2 bis 5). Eine Aufrollung sämtlicher Zeitausgleichsguthaben durch die IEF-Service GmbH zum Zwecke der Abrechnung der Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 44 Abs. 7 ASVG würde dieser Zielsetzung entgegenstehen. Daher ist es notwendig, gesetzlich eine Sonderregelung für den Abzug der Sozialversicherungsbeiträge von den Ansprüchen auf Insolvenz-Entgelt vorzusehen. Da die Abrechnung für alle zum selben Zeitpunkt fälligen Entgelte für Zeitausgleichsgutstunden im selben Kalendermonat erfolgt (z.B. im Monat des Endes des Arbeitsverhältnisses), soll stets die im Fälligkeitsmonat geltende Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG herangezogen werden. Diese Sonderregelung ermöglicht eine rasche Berechnung und Auszahlung des zustehenden Nettobetrages an Insolvenzentgelt für die ehemals Beschäftigten; sie entspricht, was den Beitragsabzug betrifft, im Ergebnis auch etwa der bisherigen Rechtslage, bei der – je nach der Höhe der zustehenden Entgelte im seinerzeitigen Zeitpunkt der Leistung der Überstunden – Beitragspflicht bestanden, oder aber wegen Überschreitung der Höchstbeitragsgrundlage nicht bestanden hat.

Die Gebietskrankenkassen rollen die Entgeltansprüche für Zeitguthaben dagegen gemäß § 44 Abs. 7 ASVG auf, sodass diese Entgeltansprüche aus Zeitguthaben, soweit die monatliche Höchstbeitragsgrundlage nicht überschritten wird, entsprechend für Leistungen der Sozialversicherung wirksam werden. Die Abrechnung der SV-Beiträge erfolgt auch für Entgeltansprüche aus Zeitguthaben im Wege des § 13a IESG; für die Sozialversicherung ändert sich daher nichts.

Zu Z 2 bis 6 (§§ 3a und 3b IESG):

Grundsätzlich wird in § 3a im Sinne der Rechtsprechung (OGH 15.2.2001, 8 ObS 293/00x; 24.6.2004, 8 ObS 8/04s; 19.12.2002, 8 ObS 208/02z; 30.5.2012, 8 ObS 21/11p) und der Literatur (Liebeg, IESG3, § 3a Rz 93; Gahleitner in ZellKomm2 § 3a IESG Rz 4) die irreführende Beschränkung auf 'laufende' Entgelte eliminiert. Damit wird klargestellt, dass auch nur ausnahmsweise oder einmalig anfallende Ansprüche erfasst sind. Darunter fallen etwa Aufwandsentschädigungen und Entgelt für Zeitguthaben, die eigentlich durch Zeitausgleich abgegolten werden sollten, alle Arten von nicht durch Mehrarbeit erworbenen Zeitguthaben und Zeitzuschlägen (in Zeit zustehende Jubiläumsgelder, Ansprüche aus kollektivvertraglichen Modellen wie der ‚Freizeitoption‘, der Abgeltung von Erschwernissen durch Zeitzuschläge udgl). Damit wird die bewährte Abgrenz­ung zu § 3b jedoch nicht verändert, sondern nur ver­deutlicht. Ferner wird klargestellt, dass zur Wahrung der Sicherung nicht nur die Geltendmachung vor der Gleichbehandlungskommission ausreicht, sondern auch die Ver­folgung in anderen gesetzlich vorgesehenen Schlichtungsverfahren wie insbesondere jenem gemäß § 7k BEinstG. Zudem wird iS der bisherigen Verwaltungspraxis klargestellt, dass bei Vorliegen einer unterkollektivvertraglichen Bezahlung insoweit jedenfalls keine Beschränkung auf die in den letzten sechs Monaten fällig gewordenen Entgeltdifferenzen gilt.

Die derzeit in § 3a vorhandene, aber verwirrende Kombination von Zeiträumen, in denen Ansprüche erarbeitet wurden (‚entstanden sind‘), mit Zeitpunkten, in denen sie fällig gewor­den sind, wird entflochten: Der Abs. 1 erfasst ausnahmslos alle Ansprüche, die in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag oder vor einem früheren Ende des Arbeitsverhältnisses fällig wurden, ungeachtet der Frage, wann sie entstanden sind. Damit wird zudem der gebotene Gleichklang der Sicherung von Entgelt für nicht ausgeglichene Zeitguthaben mit der Sicherung von laufendem Entgelt einschließlich Sonderzahlungen hergestellt (idS auch OGH 19.12.2002, 8 ObS 208/02z; 30.5.2012, 8 ObS 21/11p). Außerdem wäre bei etlichen Arten von Freizeitguthaben, insbesondere auch hinsichtlich der in einigen KollV neu vereinbarten Arbeitszeitmodelle (z.B. bei durchgerechneter Normalarbeitszeit, gleitender Arbeitszeit, Altersteilzeit, Gutstunden ohne Mehrarbeit durch Freizeitoptionen), die ja auch längere Durchrechnungszeiträume oder Übertragungen von Zeitguthaben, aber auch Zeitzuschläge udgl. vorsehen können, die ursprüngliche zeitliche Lage der Leistung der verbliebenen Stunden gar nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand feststellbar. Letztlich besteht auch ein anerkennenswertes Interesse sowohl der AG als auch der AN an mehrjährigem Aufbau von Zeitgut­haben, etwa um im Falle betrieblicher Unterauslastung Kündigungen vermeiden zu können oder um Zeitguthaben für Sabbaticals und ähnliche längere Perioden der Freizeit oder Weiterbildung erwerben zu können. Komplizierte Sonderregelungen sind dadurch entbehrlich. Ein erfolgter Zeitaus­gleich gilt immer als Abgeltung der jeweils ältesten Zeitguthaben, wenn nicht ausdrücklich anderes vereinbart wurde.

Die Insolvenzeröffnung bedingt weiterhin keine Fälligkeit solcher Zeitgut­haben, wohl aber ggf. das Ende des Arbeitsverhältnisses. ISd oberstgerichtlichen Judikatur (OGH 11.10.2007, 8 ObS 7/07y) ist idZ festzuhalten, dass Ansprüche auf Entgelt auch gesichert sind, wenn sie zwar vor dem Stichtag geleistet, aber erst nach dem Stichtag in den gesicherten Zeiträumen der weiteren Absätze des § 3a fällig wurden.

Zu Z 7 und 8 (§ 14 Abs. 1 und Abs. 4 IESG):

Die Änderung im Abs. 1 soll nur klarstellen, dass nicht nur der IEF-Service GmbH und deren Geschäftsstellen, sondern auch den Gerichten entsprechende Unterstützung zu leisten ist.

Zur Hauptverbandsabfrage (Abs. 4): Der Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) hat u.a. die Aufgabe, die gemäß § 11 Abs. 1 IESG übergegangenen Ansprüche geltend zu machen und rechtlich entsprechend zu verfolgen (§ 13 IESG). Die bestehende Abfragemöglichkeit gemäß § 14 Abs. 4 IESG beschränkt sich derzeit auf Versicherungszeiten der Arbeitnehmer und versicherte Beiträge beim insolventen Arbeitgeber. Für Daten (erworbene Versicherungszeiten, deren Beitragsgrundlagen, Qualifikationen und Dienstgeber) betreffend die Schuldner gibt es aufgrund der derzeitigen Regelung keine Abfragemöglichkeit, sondern nur die Rechtshilfe und Auskunftspflicht gemäß § 14 Abs. 1 und 2 IESG. Dies erschwert die Durchsetzbarkeit (Beurteilung, Betreibung) von Forderungen gegen säumige Schuldner. Aus diesem Grund sieht der Entwurf die Ausweitung der Abfragemöglichkeiten des IEF auch auf Schuldner vor, um die Durchsetzbarkeit und Eintreibbarkeit von Forderungen rasch und zweckmäßig beurteilen zu können.

Die angeführten Datenarten werden – je nach Anlass und Zweck der Abfrage – für beide angeführten Personengruppen (Z 1 und 2) benötigt und abgefragt. Für ehemalige Beschäftigte insolventer Arbeitgeber wird dies im Zusammenhang mit der Berechnung des ausstehenden Insolvenz-Entgeltes bzw. dessen SV-Beitragsgrundlagen im Regelfall zeitpunktbezogen erforderlich sein. Für Personen, bei denen der IEF Forderungen offen hat, werden die HVB-Abfragen hingegen regelmäßig zeitraumbezogen erforderlich sein, solange eintreibbare Forderungen bestehen.

Das Exekutionsgericht macht bei der Ersteinbringung eines Exekutionsantrages durch das Fondsmanagement der IEF-Service GmbH eine Hauptverbandsabfrage über den aktuellen Stand der Beschäftigung und gibt eventuell vorhandene Drittschuldner (Arbeitgeber) des Schuldners an den IEF bekannt, nicht jedoch die Bezüge des Schuldners. Kann im Zuge der Ersteinbringung die Forderung nicht oder nicht gänzlich eingebracht werden, so muss jedenfalls noch zweimal ein neuerlicher Vollzug zur Hereinbringung der Forderung beantragt werden. Zwischen den einzelnen Vollzügen liegen idR rund zwölf Monate, in denen sich die Beschäftigungssituation des Schuldners ändern kann. Bei einem neuerlichen Vollzug macht das Gericht aus eigenem jedoch keine HVB-Abfrage mehr. Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten und zur Kostenminderung für den IEF sind daher bei den neuerlichen Vollzügen die HVB-Abfragen nötig.

Es wird mit einem jährlichen Anfall von rund 230 Schuldner-Abfragen, also im Durchschnitt etwa vier pro Woche, gerechnet. Das ist für eine Abwicklung im Rahmen der Rechtshilfe zu umfangreich, zumal die IEF-Service GmbH für die Forderungsbetreibung auch auf eine zeitnahe und aktuelle Datenlage angewiesen ist.

Die nunmehr vorgesehene direkte Hauptverbandsabfrage erspart dem IEF zudem Kosten für neuerliche aussichtslose Exekutionsführungen, wenn durch die Abfrage die wirtschaftliche Uneinbringlichkeit belegt werden kann.

Mit der Bezugnahme auf für die übergegangenen Ansprüche haftende Dritte wird dem § 11 Abs. 1 IESG Rechnung getragen, der auch die vertraglichen Ansprüche der Antragsteller gegen Dritte bei Gewährung von Insolvenz-Entgelt auf den IEF übergehen lässt (z.B. Komplementäre, Bürgen). Dem IEF sind als Insolvenzgläubiger aus allgemeinen unternehmens- und insolvenzrechtlichen Bestimmungen u.a. Bürgen, Pfandbesteller, Komplementäre von insolventen Personengesellschaften, andere (mit-) haftende Gesellschafter und im Rahmen von Schadenersatzansprüchen ferner auch faktische Geschäftsführer ohne formale Organstellung und Insolvenzverwalter als Haftungssubjekte zugänglich, die i.S.v. § 11 IESG nicht Arbeitgeber im formalen Sinne sind.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 13. Juni 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ing. Mag. Werner Groiß die Abgeordneten Johann Hechtl, Mag. Gerald Loacker, Mag. Birgit Schatz, Peter Wurm und Ing. Waltraud Dietrich sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2017 06 13

                         Ing. Mag. Werner Groiß                                                         Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann