1702 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (1673 der Beilagen): Protokoll Nr. 15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

 

Das Protokoll Nr.15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Protokoll) hat gesetzändernden und gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Protokolls im innerstaatlichen Bereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Protokoll keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder geregelt werden bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG.

Da seit der B‑VG‑Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 die Änderung von Verfassungsrecht durch einen Staatsvertrag nicht mehr möglich ist, muss die Änderung der – in Verfassungsrang stehenden – Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) durch das Protokoll Nr. 15 durch bundesverfassungsgesetzliche Bestimmung in Verfassungsrang gehoben werden (vgl. RV 314 d.B. 23. GP 10). Dies erfolgt durch eine begleitende Novellierung des vorgeschlagenen Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetzes.

Die hohe Zahl der beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) eingebrachten Beschwerden und der große Rückstau an anhängigen Verfahren stellt seit langem ein Problem des Rechtsschutzmechanismus der EMRK dar. Die Steigerung der Effizienz des EGMR war deshalb wesentliches Ziel des Protokolls Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention (im Folgenden: 14. ZPEMRK), BGBl. III Nr. 47/2010 (vgl. RV 996 d.B. XXII. GP 2 ff). Auf den „High level“-Konferenzen von Interlaken im Jahr 2010, von Izmir im Jahr 2011 und von Brighton im Jahr 2012 wurde innerhalb der Vertragsparteien der EMRK die Diskussion über weitere Reformmaßnahmen zur Steigerung der Effizienz des EGMR fortgesetzt.

In diesem Prozess hat Österreich darauf hingewirkt, dass das in der EMRK vorgesehene Individualbeschwerderecht an den EGMR nicht eingeschränkt, sondern zunächst das 14. ZPEMRK vollständig umgesetzt wird und weitere Änderungen des Konventionssystems von Fortschritten bei der Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen abhängig gemacht werden (vgl. die Entschließung des Nationalrates vom 27. Februar 2013 betreffend die Reform des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 295/E XXIV. GP).

Bei der erwähnten Konferenz von Brighton war bereits absehbar, dass die durch das 14. ZPEMRK erfolgten Änderungen der Organisation des EGMR, insbesondere die Verkleinerung seiner Spruchkörper, diesen tatsächlich in die Lage versetzen, bestimmte Gruppen von Beschwerden zügig zu erledigen und so den bestehenden Rückstau an Beschwerden kontinuierlich abzubauen. Vor diesem Hintergrund haben die Vertragsparteien der EMRK vereinbart, ein weiteres Protokoll zur EMRK auszuarbeiten, das die organisatorischen und verfahrensrechtlichen Rechtsgrundlagen des EGMR nur insoweit ändert, als sich dies bei der Umsetzung des 14. ZPEMRK als wünschenswert herausgestellt hat.

In diesem Sinne wurde von Expertenkomitees des Europarats ein Zusatzprotokoll ausgearbeitet, das folgende Punkte umfasst:

–             ausdrückliche Erwähnung des Subsidiaritätsprinzips und des Ermessensspielraums der Vertragsparteien in der Präambel der EMRK;

–             Einführung eines Höchstalters für Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl der Richterinnen und Richter bei gleichzeitigem Entfall der Beendigung der Amtszeit mit Vollendung des 70. Lebensjahrs;

–             Entfall des Widerspruchsrechts der Parteien bei Abgabe einer Rechtssache von einer Kammer an die Große Kammer des EGMR;

–             Verkürzung der Beschwerdefrist von sechs auf vier Monate;

-              Entfall einer der beiden Voraussetzungen für die Anwendung des Unzulässigkeitstatbestandes der so genannten Bagatellbeschwerde.

Das Protokoll bedarf gemäß seinem Art. 7 zu seinem Inkrafttreten der Ratifikation durch alle Vertragsparteien der EMRK.

Anlässlich der 123. Ministertagung am 16. Mai 2013 hat das Ministerkomitee des Europarats den Text des Protokolls Nr. 15 angenommen. Das Protokoll wurde am 24. Juni 2013 zur Unterzeichnung bzw. Ratifizierung durch die Vertragsparteien aufgelegt. Die Vertragsparteien wurden zugleich aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit das Protokoll ehestmöglich in Kraft treten kann. Österreich hat das Protokoll gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 28. Mai 2013 (vgl. Punkt 6 des Beschl.Prot.Nr. 189) am 25. Juni 2013 unterzeichnet.

Bisher haben 45 Staaten unterzeichnet, 33 von ihnen ratifiziert (darunter Deutschland, Finnland, Frankreich, Liechtenstein, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz, die Tschechische Republik, die Türkei und das Vereinigte Königreich).

 

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 13. Juni 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligte sich der Abgeordnete Georg Willi.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, N, dagegen: F, T) beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll Nr. 15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1673 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2017 06 13

                            Dr. Reinhold Lopatka                                                              Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann