1728 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Finanzausschusses

über die Regierungsvorlage (1661 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen 2018 und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 erlassen werden und das Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz, das Aktiengesetz, das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Alternativfinanzierungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Bausparkassengesetz, das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, das Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, das Bundesfinanzierungsgesetz, das Bundesgesetz zur Schaffung einer Abbaueinheit, das E-Geldgesetz 2010, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Energie-Control-Gesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, die Gewerbeordnung 1994, das Glücksspielgesetz, das Hypothekenbankgesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz, die Insolvenzordnung, das Investmentfondsgesetz 2011, das Kapitalmarktgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Körperschaftsteuergesetz, das Maklergesetz, das Pensionskassengesetz, das Pfandbriefgesetz, das Ratingagenturenvollzugsgesetz, das Rechnungslegungs-Kontrollgesetz, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, das SE-Gesetz, das SFT-Vollzugsgesetz, das Spaltungsgesetz, das Sparkassengesetz, das Übernahmegesetz, das Unternehmensgesetzbuch, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, das Zahlungsdienstegesetz, das Zentrale Gegenparteien-Vollzugsgesetz und das Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz geändert werden

In Reaktion auf die Finanzkrise beginnend Ende 2007 ergriff der europäische Gesetzgeber mit MiFID II und MiFIR Initiativen zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Integrität und Transparenz der Finanzmärkte, wobei MiFID II und MiFIR die Regelungen der Richtlinie 2004/39/EG („MiFID I“) und ihrer Ausführungsrechtsakte ablösen. Die MiFID II ist bis zum 3. Juli 2017 in nationales Recht umzusetzen, die MiFIR ist ab dem 3. Januar 2018 unmittelbar anzuwenden.

Um eine konsistente und übersichtliche Regelung von Wertpapierdienstleistern (Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen) einerseits und Handelsplätzen andererseits sicherzustellen, wurde die Struktur des WAG 2018 und des BörseG 2018 im Vergleich mit ihren „Vorgängergesetzen“ geändert. So sind Handelsplätze (einschließlich der neuen „Organised Trading Facility“ - OTF) künftig im BörseG 2018 geregelt. Auch die durch MiFID II nun etablierte Regulierung von Datenbereitstellungsdiensten und die Einführung von Positionslimits und -kontrollen zur stärkeren Überwachung von Warenderivaten finden sich im BörseG 2018.

Im WAG 2018 kam es in Umsetzung der MiFID II zu folgenden signifikanten Änderungen gegenüber dem WAG 2007:

-       Verbesserung des Anlegerschutzes durch Anpassung der organisatorischen Anforderungen für Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen;

-       Verbesserung des Anlegerschutzes durch Anpassung der Wohlverhaltensregeln für              Kreditinstitute, Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, insbesondere    durch höhere Transparenz- und Informationspflichten und bessere Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden, unter anderem durch Produktüberwachung einschließlich Produktverbote;

-       Regulierung des algorithmischen Handels, vor allem des Hochfrequenzhandels;

-       Schaffung von mehr Transparenz durch Ausdehnung der von Veröffentlichungspflichten betroffenen Finanzinstrumenten sowie

-       Vereinheitlichung und Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten im EU-rechtlich gebotenen Ausmaß.

Zur Konkretisierung der MiFID II und der MiFIR hat die Europäische Kommission die delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 erlassen, die die technischen Spezifika zu deren Vorgaben detaillierter regelt. Die Vorschriften der delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 betreffen unter anderem den Schutz von Kundengeldern, die Produktüberwachungspflichten sowie die Gewährung und Annahme von Vorteilen und wurden entsprechend im WAG 2018 umgesetzt. Darüber hinaus sei die delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Europäischen Kommission zur MiFID II erwähnt, die im Wesentlichen die Richtlinie 2006/73/EG der Kommission („Ausführungsrichtlinie“) ersetzt.

Das System der Anlegerentschädigung wurde durch den Obersten Gerichtshof in unerwarteter Weise ausgelegt. Entgegen den Annahmen in Umsetzung der Anlegerentschädigungs-Richtlinie (97/9/EG) wurden auch Schadensfälle als gedeckt erachtet, die von der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers bezüglich des Entschädigungssystems nicht erfasst waren (siehe 7 Ob 116/15g, 6 Ob 119/15s, 4 Ob 141/15m, 8 Ob 45/15y).

Die Anlegerentschädigung sollte nie einen umfassenden oder vollständigen Versicherungsschutz für jegliches Veranlagungsrisiko darstellen, sondern im definierten Anwendungsrahmen der Vertrauensbildung auf dem Finanzmarkt dienen. Nicht im Bereich der Anlegerentschädigung gelegen ist jedenfalls der Schutz des Kundenvertrauens in die dauerhafte Werthaltigkeit einer getätigten Investition, nicht zuletzt da dies einer besonderen Kapitalgarantie gleichkäme, die gleichheits- und wettbewerbsrechtlich schwer begründbar wäre.

Der Richtlinie 97/9/EG liegt folgende Situation zu Grunde: eine Wertpapierfirma hält Wertpapiere für ihre Kunden. Durch rechtswidrige Handlungen (zB. Unterschlagung) im Bereich der Wertpapierfirma kommen diese Wertpapiere abhanden und können daher den Kunden nicht zurückgegeben werden. Der Kunde hätte nun gegen die Wertpapierfirma einen Anspruch auf Schadenersatz zur Abgeltung des (Zeit‑)Wertes der unterschlagenen Instrumente. Wird jedoch die Wertpapierfirma, insbesondere durch die Gesamthöhe solcher gleichzeitig geltend gemachten Schadenersatzforderungen, insolvent, so ist der Schadenersatzanspruch des Kunden in dem Ausmaß wertlos, in dem er die Insolvenzquote übersteigt. Der EU-Gesetzgeber hat sich daher entschlossen, zur Förderung des Vertrauens von Privatkunden bei Wertpapierveranlagungen den Anlegern das oben dargestellte Risiko untreuer Verwahrung in Verbindung mit einer Folgeinsolvenz im Ausmaß bis 20 000 Euro abzunehmen; dies mit dem erklärten Ziel, auch grenzüberschreitende Wertpapiergeschäfte von Privatkunden und somit den Binnenmarkt zu fördern. Der Schutz soll auch für Gelder gelten, die (noch) nicht zur Veranlagung gelangt sind und dem Kunden aus den vorgenannten Gründen von der Wertpapierfirma nicht zurückgegeben werden können. Zur Umsetzung dieser Richtlinie ins österreichische Recht ist als nationale Besonderheit zu vermerken, dass es österreichischen Wertpapierfirmen mit einer Konzession nach dem Wertpapieraufsichtsgesetz nicht erlaubt ist, Kundengelder oder Instrumente für Kunden zu halten. Ein Anlegerentschädigungsfall gemäß den §§ 73ff WAG 2018 setzt daher zusätzlich zu den in der Richtlinie 97/9/EG festgelegten Umständen voraus, dass die Wertpapierfirma unter Verletzung ihres Konzessionsumfangs und somit rechtswidrig Gelder oder Instrumente von Kunden hält.

Im Bereich der Anlegerentschädigung sollen legistische Klarstellungen im Vergleich zum WAG 2007 sicherstellen, dass der ursprünglichen Intention und dem ursprünglich vorgesehenen Anwendungsbereich der Anlegerentschädigung gemäß der EU-Anlegerentschädigungsrichtlinie 97/9/EG und dem darauf basierenden WAG 2018 künftig wieder Rechnung getragen werden kann.

Im BörseG 2018 wurden in Umsetzung der MiFID II folgende Neuerungen vorgenommen:

-       Schließung von Aufsichtslücken bei der Regulierung von Handelsplätzen durch erweiterte Anforderungen an bestehende Handelsplattformen („Multilateral Trading Facility“ - MTF) sowie die Schaffung einer neuen Erlaubnispflicht für bisher nicht überwachte organisierte Handelssysteme (OTF), wodurch auch die Wettbewerbssituation für geregelte Märkte (Börse) verbessert wird;

-       erleichterter Zugang zu Kapital für KMU durch die Einrichtung von KMU-Wachstumsmärkten;

-       erhöhte Transparenz durch die Regulierung von Datenbereitstellungsdiensten sowie

-       stabilere Finanzmärkte durch stärkere Überwachung von Warenderivaten durch Einführung von Positionslimits und Positionskontrollen.

Die Struktur des neuen BörseG 2018 orientiert sich stärker an den einzelnen EU-Rechtsakten und das BörseG 2018 besteht künftig aus fünf Hauptstücken.

In Folge dessen gleichen sich diese Hauptstücke weitgehend hinsichtlich deren Aufbau, sodass zu Beginn jeweils Begriffsbestimmungen definiert sind und sie mit Übergangsbestimmungen enden. So befasst sich das erste Hauptstück hauptsächlich mit der MiFID II, thematisch passend dazu werden die nationalen Bestimmungen zur Warenbörse eingegliedert. Das zweite Hauptstück besteht aus Transparenzvorschriften und sonstigen Pflichten der Emittenten (Umsetzung der Richtlinie 2013/50/EU zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind), das dritte Hauptstück beinhaltet die bereits umgesetzte MAR und MAD (die §§ 151 bis 175 betreffend Marktmissbrauch wurden aus BGBl. I Nr. 73/2016 unverändert übernommen), im vierten Hauptstück wurden die Leerverkäufe und Credit Default Swaps eingegliedert (Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps) und das fünfte Hauptstück besteht aus technischen Schlussbestimmungen, die nicht spezifisch einem EU-Rechtsakt zuzuordnen sind.

Durch den vorliegenden Gesetzesentwurf wird weiters der Börsehandel neu strukturiert. Derzeit gibt es zwei geregelte Märkte an der Wiener Börse, nämlich den amtlichen Handel und den geregelten Freiverkehr. Im Hinblick auf die Größe des österreichischen Finanzmarktes einerseits und eine transparentere Vergleichbarkeit mit anderen Börseplätzen andererseits erscheint die Zusammenführung in einen geregelten Markt sinnvoll.

Nach bisheriger Rechtslage war ein Widerruf der Zulassung zum Handel von Wertpapieren im amtlichen Handel auf Antrag des Emittenten nicht möglich (freiwilliges Delisting). Lediglich im geregelten Freiverkehr war die Möglichkeit eines freiwilligen Rückzugs aus dem Börsehandel gegeben. Aufgrund der zwischenzeitigen Entwicklungen an anderen Marktplätzen wurde die fehlende freiwillige Rückzugsmöglichkeit gegenüber jenen ausländischen Börseplätzen, die eine solche vorsehen, als Benachteiligung gesehen. Durch die Möglichkeit eines solchen geordneten Widerrufs soll nun die Flexibilität für Emittenten gewährleistet und dadurch die Attraktivität des österreichischen Marktes erhöht werden. Die Wahrung der Interessen der Anleger wird durch ein geregeltes Widerrufsverfahren gewährleistet.

§ 38 BörseG 2018 sowie Artikel 6 (AktG), Artikel 18 (EU-VerschG), Artikel 38 (SE-Gesetz), Artikel 40 (SpaltG) und Artikel 42 (ÜbG) sind Änderungen, die im Zusammenhang mit dem Delisting stehen und gesellschaftsrechtlicher Art sind. Diese fallen ausschließlich in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz.

 

Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 21. Juni 2017 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an die Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter die Abgeordneten Dr. Rainer Hable, Gabriel Obernosterer, Wolfgang Knes, MMag. DDr. Hubert Fuchs, Mag. Bruno Rossmann und Mag. Werner Kogler sowie der Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, F, G, N, dagegen: T) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1661 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2017 06 21

                        Dr. Christoph Matznetter                                                 Ing. Mag. Werner Groiß

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann