1781 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über das Volksbegehren „Gegen TTIP / CETA“ (1608 der Beilagen)

 

Die Unterstützer dieses Volksbegehrens haben die Einleitung eines Verfahrens für ein Volksbegehren mit folgendem Wortlaut beantragt:

„Gegen TTIP / CETA

Der Nationalrat möge ein Bundesverfassungsgesetz beschließen, das Österreichischen Organen untersagt, die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) oder das plurilaterale Dienstleistungsabkommen (TiSA) zu unterzeichnen, zu genehmigen oder abzuschließen.

 

Begründung:

 

Handels- und Investitionsabkommen hatten immer schon direkte Auswirkungen auf das alltägliche Leben der einzelnen BürgerInnen, ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen. Das Ausmaß dieser Auswirkungen ist vom jeweiligen Partnerstaat oder Staatengemeinschaft sowie vom Umfang der Handelsbeziehungen abhängig. Weiters von den Prozessen des Zustandekommens. Dabei steht Offenheit und Transparenz im Mittelpunkt.

Trotzdem führt die Europäische Kommission entsprechende Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Gewerkschaften und VertreterInnen der nationalen Politik wurden hingegen weder an Verhandlungen zwischen der EU und den USA zum „Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen (TTIP)“ beteiligt noch beim „Comprehensive Economic and Trade- Abkommen (CETA)“ mit Kanada. Es sind die bisher umfangreichsten Vorhaben dieser Art. Das CETA-Abkommen, das dem TTIP-Abkommen mit den USA als Vorbild dienen soll, weist das gleiche Procedere auf. Auch die Verhandlungen mit Kanada werden hinter verschlossenen Türen geführt.

Aufgrund des großen Handelsvolumens zwischen der EU und den USA würde dieses TTIP-Abkommen die weltgrößte Freihandelszone schaffen. Gleichzeitig würde das Abkommen nicht nur traditionelle Marktzugangsvorschriften, sondern auch lnvestitionsschutz, Dienstleistungen, öffentliche Auftragsvergabe, nichttarifäre Handelshemmnisse und handelsbezogene Regelungen umfassen.

Ein besonders heikles Kapitel des geplanten Abkommens ist das sogenannte „Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS)“. ISDS bietet ausländischen InvestorInnen die Möglichkeit, Staaten, in denen sie investiert haben, bei internationalen, aber geheimen Schiedsgerichten zu klagen. Damit können sie juristisch gegen jene Gesetze und Verordnungen vorgehen, die zuvor von souveränen Staaten beschlossen worden sind, aber nun aus Sicht der InvestorInnen den Erfolg ihrer Investitionen (oder bloß die Gewinnaussichten) gefährden.

Auf diese Art und Weise werden die Möglichkeiten von Demokratien beschnitten, wichtige Anliegen der Bevölkerung, wie etwa ArbeitnehmerInnenrechte, Gesundheits- und Umweltschutz oder Menschenrechte ausreichend zu schützen.

Die Modellberechnungen des Centre of Economic Policy Research (CEPR) für die Europäische Kommission, welche kleine positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum prognostizieren, rechnen in ihrer Untersuchung damit, dass 430.000 bis 1,1 Millionen Personen in der EU temporäre Arbeitsplatzverluste aufgrund der TTIP erfahren. Die damit einhergehenden Anpassungskosten wie z.B. Arbeitslosenunterstützung werden in den Studien über die Effekte der TTIP ignoriert.

Österreich steht dem Thema Fracking sehr skeptisch gegenüber und macht sich für ein Verbot dieser schmutzigen Fördermethode von Schiefergas stark. Bei Fracking geht es überdies um die hochriskante Gewinnung fossiler Brennstoffe - das glatte Gegenteil von Österreichs Bemühungen in Richtung Energiewende, bei der auf erneuerbare Energien gesetzt wird. TTIP könnte Energieriesen die Chance bieten, die schmutzige Fördermethode Fracking zu erzwingen. So gäbe es durch die Sonderklagsrechte die Möglichkeit, gegen ein allfälliges Fracking-Verbot zu klagen - und zwar vorbei an öffentlichen Gerichten bei einer Paralleljustiz.

Nach dem TiSA-Abkommen wären wichtige Maßnahmen zur Regulierung und Stabilisierung der Finanzmärkte künftig nur erlaubt, wenn sie nicht den Vorgaben von TiSA widersprechen. Hypogesetz, die Sanierungs- und Abwicklungsmaßnahmen nach dem neuen Bankensanierungsgesetz und alle anderen Maßnahmen, die verhindern sollen, dass die SteuerzahlerInnen wieder für die Verluste von Banken gerade stehen müssen, wären künftig nicht mehr umsetzbar.

Das aktuellste Beispiel, wohin ein Sonderklagsrecht für Konzerne führen kann, ist die Meinl-Bank, die Klage gegen die Republik Österreich eingereicht hat. Österreich wird von Meinl vor ein Schiedsgericht gezerrt und auf 200 Millionen Euro geklagt, weil die Republik ihrer Pflicht nachgeht und wegen Untreue und Abgabenhinterziehung ermittelt. Hintergrund ist die angekündigte Anklage gegen den Banker Julius Meinl V. und weitere Bank-Verantwortliche, die von der Staatsanwaltschaft Wien in einem Vorhabensbericht und auch vom Weisenrat des Justizministeriums gefordert wird. De facto klagt Julius Meinl die Republik auf 200 Mio. Euro, weil das der Schaden sei, der durch die seit sieben Jahren andauernden Ermittlungen wegen einer Reihe von vermuteten Vergehen im Zusammenhang mit Meinl European Land, wie etwa Untreue, Betrug oder Abgabenhinterziehung, „angerichtet“ worden sei. Die Eigentümerin der Meinl Bank, die Beleggingsmaatschappij Far East B.V., stützt sich dabei auf ein Investitionsschutzabkommen mit Malta, wohin sie kürzlich übersiedelt ist.

Die EU-Kommission plant die Etablierung eines „Regulierungsrates“, in dem EU- und US-Behörden mit Konzern-Lobbyisten zusammenarbeiten, um Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren und gegebenenfalls Standards zu lockern, lange bevor Parlamente diese Vorschläge zu sehen bekommen.

Das Abkommen soll als „lebendes Abkommen“ verabschiedet werden, was nichts anderes bedeutet, als dass sich die Verhandlungspartner auf ein allgemeines Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung der Standards) dann in einem Ausschuss (im Nachhinein) weiterverhandeln. All dies geschieht am Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischen Kontrolle.

Die Abkommen enthalten sowohl die Standstill- (Stillstand) wie auch die Ratchetklausel (Sperrklinke). Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder aufgehoben werden darf. Die Sperrklinkenklausel besagt, dass zukünftige Liberalisierungen eines Sektors automatisch zu neuen Vertragsverpflichtungen werden. Ein staatliches Unternehmen (wie etwa die Stadtwerke), das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, könnte so niemals wieder rekommunalisiert werden.

Internationale Konzerne sind in Europa bereits sehr mächtig und viele nationale Regierungen können diesen oft nur wenig entgegensetzen. Den Konzernen nun auch noch zusätzliche Rechte einzuräumen, ist der falsche Weg. Die Menschen erwarten zu Recht, dass wir unsere hohen Standards schützen.

Angesichts dieser Kritik ist es daher notwendig, dass vor einer rechtlich verbindlichen Unterzeichnung dieser Abkommen durch die EU die geäußerte Kritik jedenfalls ausreichend berücksichtigt werden muss und, wo notwendig, auch noch Änderungen am Vertragstext vorgenommen werden. Vor allem aber die gravierende Intransparenz bezüglich der Ergebnisse bzw. der einzelnen Verhandlungspunkte macht es derzeit unmöglich, den Freihandelsabkommen TTIP und CETA sowie dem Abkommen über den Dienstleistungshandel TiSA in dieser Form zuzustimmen.“

 

Das Volksbegehren wurde von 562.379 Stimmberechtigten unterstützt (Anzahl der gültigen Eintragungen inkl. Unterstützungserklärungen). Die Bundeswahlbehörde hat in ihrer Sitzung vom 1. März 2017 festgestellt, dass ein Volksbegehren im Sinne des Art. 41 Abs. 2 B-VG vorliegt und dieses an den Nationalrat zur parlamentarischen Behandlung weitergeleitet. Als Bevollmächtigter des Volksbegehrens wurde Herbert Thumpser, MSc namhaft gemacht, die nominierten stellvertretenden Bevollmächtigten sind: Heidemarie Edelmaier, Alfred Streicher, Wolfgang Schädl und Karl Slama.

 

Das gegenständliche Volksbegehren wurde am 27. April 2017 in der 177. Sitzung des Nationalrates in Erste Lesung genommen und danach dem Verfassungsausschuss zur weiteren Behandlung zugewiesen.

Der Verfassungsausschuss hat das gegenständliche Volksbegehren erstmals in seiner Sitzung am 23. Mai 2017 in Verhandlung genommen. Gemäß § 37 Abs. 4 GOG wurden der Bevollmächtigte und zwei weitere, von diesem nominierte Stellvertreter/-innen im Sinne des Volksbegehrengesetzes beigezogen. Weiters wurde vereinbart, pro Klub eine/n Bundesrat/-rätin mit beratender Stimme beizuziehen. Es wurden die Bundesräte Martin Preineder, Hans-Jörg Jenewein, MA und David Stögmüller nominiert und ihre Beiziehung einstimmig beschlossen.

Darüber hinaus beschloss der Verfassungsausschluss einstimmig folgende Auskunftspersonen gemäß § 40 Abs. 1 GOG zu laden und das Hearing mit den Expertinnen und Experten gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 GOG öffentlich durchzuführen: Mag. Valentin Wedl, Abteilung EU und Internationales der Arbeiterkammer Wien, Mag. Susanne Schrott, Abteilung für Finanz- und Handelspolitik der Wirtschaftskammer Österreich, Mag. Alexandra Strickner, Attac Österreich, Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von Global 2000, Dr. Christine Pesendorfer, Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, Gesandte Mag. Tuende Fülöp, Völkerrechtsbüro im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, Mag. Gerlinde Wagner, Leiterin des RLW-Dienstes der Parlamentsdirektion.

Für das Volksbegehren nahmen der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc sowie der Stellvertreter Karl Slama und die Stellvertreterin Heidemarie Edelmaier an der Sitzung teil.

Nach der Berichterstattung durch die Abgeordnete Angela Lueger gab der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc eine einleitende Stellungnahme ab.

In der Generaldebatte ergriffen die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dr. Angelika Winzig, Mag. Harald Stefan, Mag. Werner Kogler, Josef Schellhorn, Christoph Hagen, Dr. Christoph Matznetter Katharina Kucharowits, Dipl.­Ing. Nikolaus Berlakovich, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dipl.­Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber sowie Dr. Georg Vetter das Wort. Weiters hielten die Auskunftspersonen Mag. Valentin Wedl, Mag. Susanne Schrott, Mag. Alexandra Strickner sowie Leonore Gewessler ihre Referate.

In der Spezialdebatte zum Thema „Rechtliche Grundlagen des Abkommens (NR-Mitwirkung, Unionsrechtlicher Rahmen, Handelspolitik der Europäischen Union)“ wurden die Referate der Expertinnen Dr. Christine Pesendorfer, Gesandte Mag. Tuende Fülöp sowie Mag. Gerlinde Wagner vorgetragen. In der daran anschließenden Debatte ergriffen die Abgeordneten Angela Lueger, Kai Jan Krainer, Mag. Dr. Beatrix Karl, Dr. Reinhard Eugen Bösch, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Mag. Werner Kogler, Josef Schellhorn und der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc das Wort .

Anschließend wurden die Verhandlungen vertagt und am 12. Juni 2017 zum Thema „Standards, VerbraucherInnenschutz, regulatorische Zusammenarbeit, Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse, Lebensmittelsicherheit“ wieder aufgenommen.

Der Verfassungsausschuss beschloss einstimmig folgende Auskunftspersonen gemäß § 40 Abs. 1 GOG zu laden und das Hearing mit den Expertinnen und Experten gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 GOG öffentlich durchzuführen: Mag. Florian Fellinger, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Mag. Michael Löwy, Industriellenvereinigung, Dr. Cornelia Ziehm, Rechtsanwältin, Mag. Hanno Lorenz, Agenda­Austria, DI Irmi Salzer, ÖBV-Via Campesina Austria.

Ebenso wurde vereinbart pro Klub eine/n Bundesrat/-rätin mit beratender Stimme beizuziehen. Zu dieser Sitzung wurde Bundesrat Martin Preineder nominiert und seine Beiziehung einstimmig beschlossen.

Für das Volksbegehren nahm der Bevollmächtigte Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc an der Sitzung teil.

Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer gab eine einleitende Stellungnahme ab. Nach den Ausführungen der oben genannten Expertinnen und Experten sowie eines Statements des Bevollmächtigten Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc, ergriffen die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Dr. Angelika Winzig, Mag. Gisela Wurm, Mag. Werner Kogler, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Dr. Christoph Matznetter, Katharina Kucharowits, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Christiane Brunner das Wort.

Daraufhin wurden die Beratungen neuerlich vertagt.

Die Wiederaufnahme der Verhandlungen durch den Verfassungsausschuss erfolgte am 9. Oktober 2017. Die Themen der Spezialdebatte in dieser Sitzung betrafen „Nachhaltigkeitskapitel, Öffentliche Dienstleistungen und Investitionsschutz“.

Der Verfassungsausschuss beschloss einstimmig folgende Auskunftspersonen gemäß § 40 Abs. 1 GOG zu laden und das Hearing mit den Expertinnen und Experten gemäß § 37a Abs. 1 Z 4 GOG öffentlich durchzuführen: Sektionsleiter Dr. Stefan Imhof, Bundeskanzleramt, Univ.-Prof. Mag. Dr. Ursula Kriebaum, Universität Wien, Mag. Alexandra Strickner, Attac Österreich und Univ.-Prof. MMag. Dr. August Reinisch, LL.M., Universität Wien.

Ebenso wurde vereinbart pro Klub eine/n Bundesrat/-rätin mit beratender Stimme beizuziehen. Für diese Sitzung wurde Bundesrätin Monika Mühlwert nominiert und ihre Beiziehung einstimmig beschlossen.

Für das Volksbegehren nahm der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc an der Sitzung teil.

Der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc sowie der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer gaben einleitende Stellungnahmen ab. Daran anschließend führten die oben genannten Expertinnen und Experten ihre Statements aus. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Elisabeth Hakel, Angela Lueger, Kai Jan Krainer, Ing. Hermann Schultes, Mag. Harald Stefan, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Christiane Brunner und Dr. Nikolaus Scherak sowie der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Mag. Dr. Harald Mahrer.

Daran anschließend gaben Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc sowie die Abgeordneten Kai Jan Krainer, Ing. Hermann Schultes, Mag. Harald Stefan, Mag. Werner Kogler und Dr. Nikolaus Scherak zusammenfassende Stellungnahmen ab.

Ein vom Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Volksbefragung zu CETA fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: F, G; dagegen: S, V, N).

Der Bevollmächtigte des Volksbegehrens Bürgermeister Herbert Thumpser, MSc legte eine abweichende persönliche Stellungnahme vor. Diese ist dem Ausschussbericht angeschlossen (Anlage 1).

Die Veröffentlichung der Auszugsweisen Darstellungen der Sitzungen des Verfassungsausschusses vom 23. Mai 2017, 12. Juni 2017 und 9. Oktober 2017 wurde einstimmig beschlossen; diese sind in Anlage 2 enthalten.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht samt Anlagen 1 und 2 zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2017 10 09

                                  Angela Lueger                                                               Dr. Peter Wittmann

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann