Parlament Österreich

 

 

 

IV-15 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Mittwoch, 17. Februar 2016

 


Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXV. Gesetzgebungsperiode       Mittwoch, 17. Februar 2016

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

5072/16

Tagung des Europäischen Rates (18./19. Februar 2016)

– Entwurf der erläuterten Tagesordnung

(89628/EU XXV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vereinigtes Königreich

 

 

Die Bedingungen der britischen Regierung zum Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union wird der Europäische Rat bei seinem Treffen am 18. und 19. Februar intensiv diskutieren. Ziel der Staats- und Regierungschefs der EU-28 dabei ist nach den Worten von Bundeskanzler Werner Faymann, eine politische Erklärung abzufassen, mit der unter Wahrung der Interessen aller versucht wird, Großbritannien entgegenzukommen. Vertragsänderungen oder gar ein eigener Staatsvertrag mit dem Vereinigten Königreich stünden dagegen nicht am Programm, sagte er am 17. Februar im EU-Hauptausschuss des Nationalrats.

 

Während die Freiheitlichen den britischen Vorstoß zur Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU und zur Renationalisierung von Kompetenzen loben, kommen von SPÖ und Grünen kritische Stimmen, besonders zu angeregten Kürzungen bei Sozialleistungen. Bei der ÖVP findet der britische Premier David Cameron mit diesem Ansinnen mehr Verständnis, solange Anpassungen der staatlichen Unterstützungen in sämtlichen Mitgliedsländern zum Tragen kommen. Die NEOS sehen gänzlich das politische Projekt EU in Frage gestellt, würden einem einzelnen Mitgliedsstaat Sonderrechte eingeräumt und das Team Stronach fordert grundsätzlich gleiche Spielregeln für alle. Spätestens nächstes Jahr, vielleicht aber schon diesen Juni, wird in Großbritannien über die Mitgliedschaft zur Union abgestimmt.

 

Die geplante politische Willenserklärung des Rats ist für Faymann von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Darin werde zum Ausdruck gebracht, dass sich die Europäische Familie mit den Wünschen ihrer Mitglieder auseinandersetzt, meinte er und sprach die Überlegungen Londons an, bei Sozialleistungen für neuangekommene EU-BürgerInnen Kürzungen vorzusehen. Ein Vorschlag sei, künftig entsprechende Ersuchen an die Europäische Kommission zu richten. Dies dürfe jedoch nicht zu einer Kettenreaktion länderspezifischer Forderungen ausarten, warnte er und erhielt Rückhalt von Gisela Wurm (S): bei den Ratsgesprächen darüber sei einen hohes Maß an Fingerspitzengefühl nötig. Verständnis zeigt der Kanzler auch für das Anliegen des Nicht-Euro-Lands, von Entscheidungen der Eurogruppe nicht völlig ausgeschlossen zu sein, vor allem wenn die ganze EU von Beschlüssen der Euroländer betroffen ist. Ein automatisches Vetorecht von außerhalb der Gruppe lehne er wiederum ab, betonte er in Übereinstimmung mit Wolfgang Gerstl (V), der auf das selbstbestimmte Agieren als Grundprinzip der Eurozone pocht. Grundsätzlich erwartete Faymann vom Europäischen Rat harte Auseinandersetzungen darüber, ob es künftig mehr oder weniger Europa geben wird. Erpressen lassen wolle man sich aber nicht. Der politische Wille, eine Union zu bleiben, dürfe nicht verloren gehen.

 

Der Rat habe darauf zu achten, dass die EU nicht zu einem reinen Handelsbündnis degradiert wird, mahnte NEOS-Mandatar Christoph Vavrik. Besonders irritiert zeigte sich der Außenpolitiksprecher über die angestrebte Abkehr Großbritanniens von einer weitergehenden Integration der Union. Auch wenn die Mitgliedsstaaten den Integrationsprozess in verschiedenen Geschwindigkeiten durchliefen, müssten sie ein gemeinsames Ziel haben. Dem Ratsbeschluss zu den Forderungen Englands prophezeite er wenig Gutes: eine vermeintliche Neuordnung der Union würde sich ohne entsprechende Änderungen in den EU-Verträgen als Trugbild erweisen. Josef Cap (S) gewinnt der Diskussion über die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs indes durchaus etwas Positives ab. Die Debatte schärfe den Blick auf einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Arbeitsmarkt, gerade im Kontext der Binnenwanderung, und auf die Finanzierung des Sozialstaats.

 

Caps Ansicht nach sollte man das Sozialsystem aber nur innerhalb der EU weiterentwickeln, zumal – wie ÖVP-Abgeordneter Gerstl anmerkte – die Europäische Union über kein gemeinsames Sozialwesen verfüge. Gerstl begrüßt in diesem Zusammenhang Camerons Vorschlag, die Familienbeihilfe für EU-AusländerInnen an das Niveau der Herkunftsländer anzupassen. Diese Sichtweise teilt Judith Schwentner (G) nicht. Ein Soziallstaat wie Österreich lebe von Zuzug, das zeige beispielsweise der Pflegebereich. An den Bundeskanzler appellierte die Grünen-Sozialsprecherin, sich beim Rat für den Erhalt des sozialen Friedens in der EU einzusetzen und fand darin Zustimmung bei Christine Muttonen (S). Die SPÖ-Außenpolitiksprecherin vermutete überhaupt, Cameron gehe es bei seinen angeregten Restriktionen im Sozialbereich eigentlich um den Abbau des Sozialstaats an sich, auf Kosten der Armen. Im gleichen Atemzug kritisierte sie das fehlende Engagement der EU-Länder gegen Steuervermeidung von Großkonzernen.

 

Konkret zielt der britische Forderungskatalog auf Stärkung der Rechte von Nicht-Euro-Ländern in der EU-Wirtschaftspolitik ab und will die Wettbewerbsfähigkeit durch rechtliche Erleichterungen für Unternehmen forcieren, wie Gerstl ausführte. Weiters geht es London darum, die Souveränität der Staaten innerhalb der Union auszubauen, speziell hinsichtlich des Einflusses nationaler Parlamente auf Legislativvorschläge aus Brüssel. Außerdem ist nach dem Reformkonzept der britischen Regierung die Zuwanderung von UnionsbürgerInnen anderer Mitgliedsstaaten zu begrenzen – eben mittels Kürzungen bei den Sozialleistungen. Der ÖVP-Mandatar wollte keine der Forderungen vollständig ablehnen, einen Bürokratieabbau im Sinne der Wirtschaft befürwortete er sogar ausdrücklich. Er stellte aber klar, trotz Änderungen bei der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU dürften Nicht-Euro-Länder keinesfalls das gleiche Mitspracherecht in Belangen der Eurozone erhalten.

 

Aus Sicht der Freiheitlichen täten die EU-Mitgliedsstaaten schon in ihrem eigenen Interesse gut daran, Großbritannien entgegenzukommen. Abgeordneter Johannes Hübner beantragte dementsprechend, der Bundeskanzler solle beim Ratstreffen auf die Umsetzung einer eingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit drängen. Immerhin gestehe das geltende EU-Recht bereits zu, dass aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses derartige Reglementierungen schlagend werden können. Derzeit bewirke der offene heimische Arbeitsmarkt lediglich den Import von Arbeitslosen, sieht Hübner die Bedingungen erfüllt.

 

Ebenso wichtig ist der FPÖ, die Souveränität der Mitgliedsstaaten wieder herbeizuführen, weswegen ihr Außenpolitiksprecher eine Rückübertragung der an Brüssel abgegebenen nationalen Zuständigkeiten einfordert. Beide Anträge auf Stellungnahme fanden aber keine Mehrheit im Ausschuss – nur das Team Stronach schloss sich dem Freiheitlichen Aufruf an. Für Abgeordnete Waltraud Dietrich (T) ist die EU-Skepsis Großbritanniens verständlich, obwohl sie sich gegen Vorteile für einzelne Mitgliedsstaaten aussprach. Reformen seien im Sinne aller anzudenken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flüchtlingspolitik

 

 

Wenig zuversichtlich zeigte sich Bundeskanzler Werner Faymann im Hauptausschuss des Nationalrats im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rats hinsichtlich einer Lösung der Flüchtlingsfrage in der EU. Die Sicherung der europäischen Außengrenzen sei gescheitert, weshalb nationale Lösungen notwendig seien, beschrieb Faymann die aktuelle Lage.

 

"Dublin gilt", auch wenn es schlecht funktioniere, führte Faymann aus. Österreich könne stolz sein, sich nicht gedrückt zu haben. In den kommenden vier Jahren sollen Flüchtlinge im Ausmaß von 1,5 % der österreichischen Bevölkerung akzeptiert werden, erinnerte der Kanzler. Dennoch verbiete es der Realitätssinn zu glauben, dass alle Flüchtlinge, die nach Österreich kommen wollen, aufgenommen werden können. Da Faymann von der kommenden Sitzung des Europäischen Rats keine endgültigen Lösungen erwarte, werde Österreich selbst handeln und die Grenzkontrollen massiv ausweiten, außerdem würden die Abschlüsse von Rückführungsabkommen weiter vorangetrieben. Die österreichischen Schritte interpretierte Faymann dabei als bloße Notmaßnahmen, die er sich nicht gewünscht habe.

 

Die faktische Geltung des Dublin-Abkommens sei eingeschränkt, erläuterte der Bundeskanzler am Beispiel der beschränkten Rückführbarkeit von Flüchtlingen nach Griechenland und hob die Rechtsstaatlichkeit Österreichs hervor. Um zu einem Europa mit einheitlichem Flüchtlingsrecht zu kommen, sei ein qualitativer Sprung erforderlich. Von 28 Einzelmeinungen müsse zu einer Gesamtlösung übergegangen werden, dies sei ein "schwieriger Prozess". Dieser befinde sich momentan in der kompliziertesten Phase, weshalb Plan B eingeleitet wurde. In Bezug auf die Türkei werde er versuchen, zu möglichst vielen gemeinsamen Lösungsschritten zu kommen und den Schleppern an der türkisch-griechischen Grenze entgegenzutreten. Dies dürfe jedoch nicht der einzige Lösungsansatz sein, führte Bundeskanzler Faymann ins Treffen.

 

Mangels europäischer Solidarität und Gemeinsamkeit seien Grenzsicherungen notwendig, führte auch Christine Muttonen (S) aus. Es handle sich dabei um kurzfristige Zwischenlösungen, denn vorrangige Ziele seien, auf globaler Ebene auf eine Kriegsbeendigung hinzuwirken und zu einer europäischen Lösung, im Sinne einer Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedstaaten, zu kommen. Dies ist auch im Sinne der EU-BürgerInnen, zitierte Muttonen eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach über 80 % der europäischen Bevölkerung für eine Verteilung der Flüchtlinge sei.

 

Ähnlich sah dies auch Fraktionskollege Josef Cap (S), für den die Aufrechterhaltung der europäischen Handlungsfähigkeit im Vordergrund stand. Aufgrund seines herzeigbaren, menschlichen Kurses sei Österreich ein Magnet für alle Flüchtlinge. Nun ist jedoch die Grenze der Aufnahmekapazität erreicht und es müssten Handlungen gesetzt werden, bedauerte Cap und betonte, Menschenrechte erfüllen zu wollen. Aufgrund dieser magnetischen Wirkung auf Syrer, Pakistani und Afghanen müssten nationale Maßnahmen gesetzt werden, erklärte auch Georg Vetter (V) die aufgrund des Flüchtlingsanstroms notwendig gewordene politische Entscheidung.

 

Der europäische Fokus liege auf der Wirtschaft, dabei komme der Sicherheitspolitik zu wenig Bedeutung zu, brachte Vetter zur Sprache. Um dem Signal sicherheitspolitischer Schwäche entgegenzuwirken, müssten die Hotspots in Griechenland funktionsfähig gestaltet werden. In diesem Sinne sei auch die Schengen-Fähigkeit Griechenlands in Frage zu stellen. Für seine Fraktionskollegin Michaela Steinacker stand die Weiterentwicklung des Dublin-Abkommens bis zur tatsächlichen Anwendbarkeit im Vordergrund. Getroffene Beschlüsse seien umzusetzen, drängte sie und sprach sich für die schnellstmögliche gemeinsame Sicherung der europäischen Außengrenzen aus.

 

Die Grenze zwischen Tirol und Südtirol am Brennerpass sei ein Ort der Begegnung, betonte Maximilian Unterrainer von der SPÖ. Bei der Einführung der Grenzkontrollen sei mit entsprechender Sensibilität vorzugehen, forderte der Abgeordnete und stellte in den Raum, dass der Wille zur gemeinsamen Sicherung der europäischen Außengrenzen sinken würde, wenn alle Länder ihre nationalen Grenzen schützen. Dem pflichtete Gisela Wurm (ebenso S) bei. Die aktuelle Ausnahmesituation mache nationale Maßnahmen erforderlich, dennoch sei die EU nicht auf eine Wirtschaftsgemeinschaft zu reduzieren.

 

Die Grenzschließungen der österreichischen Bundesregierung lösen einen Dominoeffekt auf der Balkanroute aus, wodurch es zu einer humanitären Katastrophe in Griechenland kommen wird, lautet der Vorwurf des Grün-Mandatars Werner Kogler. Um das Funktionieren der Hotspots in Griechenland zu sichern, müssten die Flüchtlings-Verteilungsquoten thematisiert werden, nur so könne mittelfristig das gemeinsame Asylrecht aufrecht erhalten werden. Dem konnte sich Christoph Vavrik (N) vollinhaltlich anschließen.

 

Österreich sei ein Land in dem humanitäre Hilfe Tradition habe, erinnerte Tanja Windbüchler-Souschill (G), daher müsse in Hilfsprojekte vor Ort investiert werden. Zudem sei Dublin zu reformieren. Ihr Fraktionskollege Harald Walser hakte bei der Lösung des Problems auf europäischer Ebene ein und forderte den Bundeskanzler dazu auf, beim Europäischen Rat für verbindliche Verteilungsquoten eintreten.

 

Demgegenüber verglich Waltraud Dietrich vom Team Stronach den Beitritt zur Europäischen Union mit einer Waagschale. Einerseits könne Österreich von den Vorteilen, beispielsweise dem Euro oder freien Grenzen, profitieren, andererseits seien gemeinsame Spielregeln einzuhalten. Aufgrund der langsamen Reaktion der EU auf die Migrationsströme sei es völlig verständlich, dass Mitgliedstaaten dazu übergehen, selbst Aktionen zu setzen. Die EU sei nicht in der Lage Probleme zu lösen, weshalb Dietrich zu dem Schluss kommt, dass dieses "Haus ohne Fundament" einsturzgefährdet ist.

 

Reinhard Bösch (F) trat an Bundeskanzler Werner Faymann mit dem Auftrag heran, am kommenden Asyl-Gipfel auf eine Entscheidung bezüglich der Geltung des Dublin-Abkommens hinzuwirken. Wenn dies tatsächlich in Kraft sei, müsste die Verantwortung von allen Mitgliedstaaten getragen werden, so Bösch. Daher stellte der Abgeordnete den Antrag auf Einhaltung des EU-Rechts im Zusammenhang mit der Asylkrise. In diesem Sinne sollte Dublin anerkannt und umgesetzt werden. Nur so könne die europäische Glaubwürdigkeit wiederhergestellt werden. Seine Hoffnungen in die EU seien gescheitert, weshalb nationale Maßnahmen dringend notwendig seien, erläuterte Bösch. Der Antrag fand bei den Ausschussmitgliedern keine Mehrheit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Folgende Anträge der FPÖ auf Stellungnahme wurden nur vom Team Stronach unterstützt, von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS jedoch mehrheitlich abgelehnt:

 

 

 

ANTAG AUF STELLUNGNAHME

                                  gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

 

des Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Dr. Reinhard Bösch

und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union jetzt!

 

 

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17. Februar 2016

zu 5072/16 Europäischer Rat (Tagung am 18./19. Februar 2016) – Entwurf der erläuterten Tagesordnung (089628/EU XXV. GP)

 

 

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. und 18. Dezember 2015 wurde in Zusammenhang mit dem geplanten Referendum im Vereinigten Königreich über den Verbleib in oder den Austritt aus der Europäischen Union Folgendes festgehalten:

 

„VI. VEREINIGTES KÖNIGREICH

20. Der Europäische Rat hat einen politischen Gedankenaustausch über die Pläne des Vereinigten Königreichs für ein Referendum über den Verbleib in bzw. den Austritt aus der Europäischen Union geführt. Im Anschluss an die substanzielle und konstruktive Aussprache von heute Abend sind die Mitglieder des Europäischen Rates übereingekommen, eng zusammenzuarbeiten, um auf der Tagung des Europäischen Rates am 18./19. Februar 2016 für alle Seiten zufriedenstellende Lösungen in allen vier Bereichen zu finden.“

 

Am 2. Februar 2016 wurde nun in diesem Zusammenhang ein erster Entwurf für einen Beschluss der im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs über eine neue Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union übermittelt, in welchem sich der Abschnitt D mit Sozialleistungen und Freizügigkeit beschäftigt.

 

In Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist hier Folgendes verankert:

 

Die Systeme der sozialen Sicherheit sind unterschiedlich strukturiert, was dazu führen kann, dass bestimmte Mitgliedstaaten für Arbeitskräfte besonders attraktiv sind.

„Es ist legitim, dieser Situation Rechnung zu tragen und sowohl auf Unionsebene als auch auf nationaler Ebene Maßnahmen zur Vermeidung oder Begrenzung von Arbeitnehmerströmen vorzusehen, (…).“

 

Dazu beinhaltet der Beschluss eine Auslegung des entsprechenden die Freizügigkeit der Arbeitnehmer regelnden Artikels 45 AEUV, der Folgendes normiert:

 

 

 

 

Art. 45

(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(3) Sie gibt – vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen – den Arbeitnehmern das Recht,

a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;

b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;

c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;

d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt.

(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.

 

Diese Formulierungen werden nun im genannten Beschluss (in der Fassung vom 10. Februar 2016) wie folgt näher erläutert und ausgelegt:

„Wenn zudem zwingende Gründe des Allgemeininteresses [...] dies erfordern, kann die Freizügigkeit der Arbeitnehmer durch Maßnahmen, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen müssen, eingeschränkt werden. Die Förderung von Einstellungen, die Verringerung der Arbeitslosigkeit, der Schutz schutzbedürftiger Arbeitnehmer und die Abwendung einer erheblichen Gefährdung der Tragfähigkeit der Systeme der sozialen Sicherheit gehören zu den Gründen des Allgemeininteresses, die in diesem Sinne anerkannt sind.“

 

Volle Unterstützung kommt in diesem Zusammenhang von Arbeiterkammerdirektor und Kanzlerberater Werner Muhm der in der Kronenzeitung vom 12.02.2016 mit folgenden Aussagen zitiert wird:

„Es sollte auf EU-Ebene über die Notfallklausel zum Schutz des Arbeitsmarktes debattiert werden. Unter anderem darüber, die Personenfreizügigkeit zu befristen oder einzuschränken.“

 

„Österreich hat in der EU den dritthöchsten Anteil an ausländischen Beschäftigten inklusive Arbeitslosen.“

 

„Ein Magnet für die zuwandernden Arbeitskräfte sind die im Vergleich zu anderen Ländern vorteilhaften und flächendeckenden Kollektivverträge und ein nach wie vor attraktives Lohnniveau.

Zu der ohnehin angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt, dem Zustrom aus Osteuropa käme jetzt noch die Flüchtlingskrise.“

 

Ein Inkrafttreten dieses Beschlusses erfolgt jedoch NUR, wenn die Bevölkerung Großbritanniens sich beim Referendum für einen Verbleib in der Europäischen Union ausspricht.

Denn im letzten Abschnitt E des Beschlusses heißt es dazu wörtlich:

„Dieser Beschluss wird am gleichen Tag wirksam, an dem die Regierung des Vereinigten Königreichs dem Generalsekretär des Rates mitteilt, dass das Vereinigte Königreich beschlossen hat, Mitglied der Europäischen Union zu bleiben.“

 

Somit würden im Falle eines Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union auch die oben dargelegten Auslegungen des geltenden Artikels 45 AEUV nicht wirksam.

Welche Bedeutung aber auch derartige Auslegungen haben, ergibt sich aus Punkt 12 eines Gutachtens des Rechtsberaters des Europäischen Rates vom 8. Februar 2016 zum gegenständlichen Beschluss, wenn es dort heißt:

„Was die Rechtswirkung auslegender Bestimmungen in einem Beschlussentwurf der Staats- und Regierungschefs wie dem vorliegenden anbelangt, so könnte auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verwiesen werden, der (…) festgestellt hat, dass der Beschluss der Staats- und Regierungschefs von Edinburgh dazu bestimmt war, eine besonders wichtige Frage (nämlich den Begriff „Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats“) zu klären und dass er (als Instrument) zur Auslegung der Verträge heranzuziehen sei.“

 

Gerade vor dem Hintergrund dieser Tatsache ist es von großer Bedeutung, dass diese konkretisierenden Auslegungen im Sinne der Ermöglichung von Einschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit jedenfalls unabhängig vom Ausgang des britischen Referendums in Kraft treten können.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, sich beim Europäischen Rat am 18. und 19. Februar 2016 mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass die im Beschluss der im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs über eine neue Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union im Abschnitt D Z 1 lit. a festgeschriebene Auslegung zu Artikel 45 AEUV unabhängig vom Ausgang des Referendums im Vereinigten Königreich unverzüglich in Kraft tritt und zu fordern, dass ein entsprechender Passus in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates festgeschrieben wird.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

    gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Hübner, Dr. Reinhard Bösch

und weiterer Abgeordneter

 

 

betreffend Start eines Reformprozesses mit der Zielsetzung der Rückübertragung von derzeit der Union übertragenen Zuständigkeiten an die Mitgliedstaaten

 

 

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17. Februar 2016

zu 5072/16 Europäischer Rat (Tagung am 18./19. Februar 2016) – Entwurf der erläuterten Tagesordnung (089628/EU XXV. GP)

 

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 17. und 18. Dezember 2015 wurde in Zusammenhang mit dem geplanten Referendum im Vereinigten Königreich über den Verbleib in oder den Austritt aus der Europäischen Union Folgendes festgehalten:

 

„VI. VEREINIGTES KÖNIGREICH

20. Der Europäische Rat hat einen politischen Gedankenaustausch über die Pläne des Vereinigten Königreichs für ein Referendum über den Verbleib in bzw. den Austritt aus der Europäischen Union geführt. Im Anschluss an die substanzielle und konstruktive Aussprache von heute Abend sind die Mitglieder des Europäischen Rates übereingekommen, eng zusammenzuarbeiten, um auf der Tagung des Europäischen Rates am 18./19. Februar 2016 für alle Seiten zufriedenstellende Lösungen in allen vier Bereichen zu finden.“

 

Dies führte zur Vorlage eines Entwurfes eines Beschlusses der im Europäischen Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs über eine neue Regelung für das Vereinigte Königreich innerhalb der Europäischen Union, in welchem im Abschnitt C SOUVERÄNITÄT unter anderem festgehalten wird:

 

Bezugnahmen in den Verträgen und deren Präambeln auf den Prozess der Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas (…) beinhalten keinerlei Verpflichtung, dass der Europäischen Union weitere Zuständigkeiten übertragen werden müssten oder dass die Europäische Union ihre bestehenden Zuständigkeiten ausüben muss, und sie schreibt auch nicht vor, dass der Union übertragene Zuständigkeiten nicht verringert und somit wieder an die Mitgliedstaaten zurückübertragen werden dürfen.

Eine Änderung der Kompetenzen wäre nur im Rahmen von Vertragsänderungen möglich.

 

Aus Sicht der unterfertigten Abgeordneten wäre es dringend an der Zeit, den im angeführten Beschluss festgeschriebenen Bekenntnissen, wonach nicht vorgeschrieben ist, dass Kompetenzen nicht wieder an die Mitgliedstaaten rückübertragen werden dürfen, Taten folgen zu lassen und auf EU-Ebene grundsätzlich einen Reformprozess in Hinblick auf eine mögliche Renationalisierung von der Union übertragenen Zuständigkeiten zu starten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher nachstehenden

 

Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23 e Abs. 3 B-VG

 

Der Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union wolle beschließen:

 

„Der Bundeskanzler wird aufgefordert, sich beim Europäischen Rat am 18. und 19. Februar 2016 mit Nachdruck für den Start eines Reformprozesses der Europäischen Union mit der Zielsetzung der Rückübertragung von derzeit der Union übertragenen Zuständigkeiten, die besser auf Ebene der Mitgliedstaaten wahrzunehmen wären, auszusprechen und zu fordern, dass ein entsprechender Passus in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates festgeschrieben wird.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.

 

ANTRAG AUF STELLUNGNAHME

    gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

 der Abgeordneten Dr. Hübner, Dr. Bösch

 

 

betreffend 5072/16 Europäischer Rat (Tagung am 18./19. Februar 2016) – Entwurf der erläuterten Tagesordnung (089628/EU XXV. GP)

eingebracht im Zuge der Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 17. Februar 2016

 

 

 

 

Eine Vielzahl Europäischer Länder hält sich nicht an die im Rahmen der Europäischen Union bestehenden Verordnungen, Richtlinien und vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere nicht an die aus dem Schengen- und Dublin Abkommen erfließenden Verpflichtungen.

Dies verschärft die Asylkrise zusätzlich und stellt einen weiteren Anreiz für Schlepper dar.

 

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

 

 

Antrag auf Stellungnahme

          gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG

 

 

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich bei der anstehenden Sitzung des Europäischen Rates am 18./19. Februar 2016 dafür einzusetzen, dass alle Mitglieder der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Asylkrise EU-Recht einhalten und exekutieren.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das gegenständliche Vorhaben ist auf die Erlassung eines verbindlichen Rechtsaktes gerichtet, der sich auf die Erlassung von Bundes(verfassungs)gesetzen auf dem im Rechtsakt geregelten Gebiet auswirken würde.